Giinter Spitzing
Lexikon byzantinisch-christlicher Symbole
Vorwort
Fotos bilden Sichtbares ab, gelten meist als
Beweis dafiir, da8 ihr Gegenstand in sichtba-
rer Form existiert.
Die byzantinische Ikone hingegen macht das
sichtbar, was das innere Auge schaut. Sie ver-
dankt ihr Dasein einem Vertrauen und sie
strahlt selbst Vertrauen aus -- Vertrauen dar-
auf, daB es die Welt des Géttlichen gibt und
daB sich diese geistige Welt dem Menschen an-
schaulich offenbart.
Die Bilderwelt in den Kirchen des Ostens stellt
die Wirklichkeit innerer Bilder dar — gerade
das ist es wohl, was sie so faszinierend erschei-
nen 148t, sowohl fiir den Glaubigen als auch
fiir den AuBenstehenden.
Nimmt der Glaubige sonntagvormittags an der
»géttlichen Liturgie« teil, so sehen seine inne-
ren Augen, da die Kirche angefiillt ist von
Engeln, die den Altar umschweben. Und der
hat sich verwandelt in einen Thron, der hin-
aufragt tiber alle Himmel hinaus. Und auf ihm
der Herrscher aller Welten, der Pantokrator.
Der Sinn des orthodoxen Gottesdienstes liegt
nicht so sehr darin, die Teilnehmer iiber Gott
zu belehren; es gilt vielmehr ein Fest zu feiern
zusammen mit Gott und allen Heiligen. Ver-
gangenheit und Zukunft — Christi Heilsge-
schichte und die verheiBene Gotteswelt — wer-
den mit der Gegenwart des rituellen Gesche-
hens in. einem Augenblick der Zeitlosigkeit
vereinigt; sie werden zur erlebbaren und eben
auch »anschaulichen« Wirklichkeit. Und die
Glaubigen sind auch bereit, dies alles als inne-
te Bildschau mitzuerleben. Diese Vorstel-
lungskraft ist es, die nach auf8en tritt und sich
verkérpert in den Fresken und Mosaiken, in
den Tafelbildern und in der Architektur.
Sicherlich erlebt der AuBenstehende etwas an-
deres als der Glaubige, wenn er eine griechi-
sche, serbische oder russische Kirche betritt
oder in einen ihm fremden Gottesdienst hin-
eingerat. Da ist er nun konfrontiert mit der
ungewohnten Formensprache der Bilder, mit
der Rhythmik und Tonalitéat unbekannter Ge-
singe, mit dem Duft von verbranntem Weih-
rauch und Olivendl — nicht zuletzt mit einer
Folge lebhafter, ihn ratselhaft anmutender ri-
tueller Aufziige und Ereignisse. Das hat alles
etwas sehr Anziehendes, andererseits mag die
Fremdartigkeit der Erscheinungen auch hilflos
machen, ja auch Einsamkeit auslésen.
Was mich betrifft, so ist seit jeher die Faszina-
tion der byzantinischen Bilderwelt um vieles
stérker gewesen als das Gefiihl des Fremd-
und Befremdetseins. Zudem hat die Begeg-
nung mit Griechen dazu geftihrt, daB mich de-
ren ausgepragte Neugier und Fremdenfreund-
lichkeit angesteckt und veranlaft hat, mich mit
Sympathie und Empathie Erscheinungen zu-
zuwenden, die mir zundchst fremd vorkamen.
Aber abgesehen davon — 35 Jahre lang habe
ich auf zahlreichen Reisen in Griechenland,
einschlieBlich der Ménchsrepublik Athos, in
Kleinasien (Konstantinopel und Kappado-
kien), in Serbien und Nordmakedonien, nach
Venedig, Ravenna und Moskau altchristliche,
byzantinische und postbyzantinische Bilder
und Symbole studiert und fotografiert.
Dabei, und auch beim Studium der Quellen zu
den Bildern stie8 ich auf drei Tatbestinde, die
mein ohnehin grofes Interesse ganz erheblich
steigerten:
vr Die byzantinische Bilderwelt ist alles ande-
re als museal. Sie ist nicht nur eng verbunden
mit den orthodoxen Riten, sondern auch ver-
kntipft mit dem volkstiimlichen Brauchtum
von heute. Byzantinische Kulturtraditionen
pragen den neugriechischen Staat und seine
Politik, und sie haben sich ausgewirkt auf das,
was wir im Charakter der Menschen als das
»typisch Griechische« empfinden. Das Grie-
chenland von heute verdankt seine liebenswer-
ten Eigenheiten der griechischen Kirche mit
ihrer byzantinischen Tradition.
So sah ich mich geradezu aufgefordert, auch
das Volksbrauchtum Griechenlands — soweit
es in Zusammenhang mit den einzelnen Bild-
motiven steht — in diesem Buch: zu beriicksich-
tigen.
Vorwort
vr Die byzantinische Bilderwelt bietet dem
Menschen etwas Lebenswichtiges — namlich
Orientierung. Sie stellt sogar selbst eine Art
von Orientierungssystem dar. Die Bilderwelt
schafft eine enge Verbindung zwischen dem
Einzelnen und der Gesamtheit des Univer-
sums, dem — sagen wir es griechisch — Kosmos.
Der Gldubige wei so um seinen Standort in
der Welt, deren Bestimmung es ist, vergdétt-
licht zu werden — zusammen mit ihm selbst.
Ich meine, da die Beschaftigung mit solchen
Orientierungssystemen fiir Menschen aus dem
Umkreis abendlandischer Tradition besonders
reizvoll sein mtiBte, weil diese nichts mehr zu
bieten hat, was dem vergleichbar ware.
yx Die byzantinische Bilderwelt betont die
Abbildbarkéit Christi als des Abbildes Gottes
und die Abbildbarkeit des Menschen als des
géttlichen Ebenbildes. Bild und Abbildbarkeit
sind wesentlicher Bestandteil des Bildes, das
sich der Mensch vom sich verkérperlichenden
Gott und von sich selbst macht — mit anderen
Worten: es ist ein wesentliches, wenn nicht das
_wesentliche Element seiner Theologie und sei-
ner Anthropologie.
Fiir jemanden wie mich, der sich zeitlebens mit
dem Bild und dessen Bedeutung fiir den Men-
schen beschiftigt hat, ist gerade dieser Aspekt
der byzantinischen Kultur ebenso reizvoll wie
gedanklich anregend.
Abgesehen von dem allem erscheint es mir
niitzlich, daB die Beschaftigung mit der byzan-
tinischen Kunst und Kultur einen doppelten
Briickenschlag ermdglicht — einen hin zur Kul-
tur des Westens und einen zu der des Ostens.
Die christlich-abendlandische und die byzanti-
nische Kunst haben eine gemeinsame Jugend-
. geschichte, wobei die wesentlichen Impulse
von Byzanz ausgingen. Von dorther ist die
abendlandische Kunst von der Karolingerzeit
bis zur Hochgotik in erheblichem AusmaBe
gepragt — so sehr, daB die Beschaftigung mit
jenen abendlandischen Kunstepochen ziumin-
destens eine gewisse Kenntnis byzantinischer
Bildmotive voraussetzt.
Nur aus dieser Kenntnis heraus sind dann auch
die eigenstindigen Entwicklungen in der
abendlandischen Kunst zu wiirdigen und zu
beurteilen.
Die Verbindungen in anderer Richtung waren
aber noch wesentlich enger. Auf byzantini-
schem Territorium — vor allem in Kleinasien —
miindeten jene kontinentetibergreifenden Han-
delswege ein, die wir heute unter dem Oberbe-
griff »SeidenstraBe« zusammenfassen. Fertige
und halbfertige Waren, aber auch fertige und
halbfertige Anschauungen fluteten auf diesen
Wegen zwischen dem 6stlichen Mittelmeer
und dem fernen Osten hin und her. Der Aus-
tausch von Produkten und Gedanken wurde
erst unterbrochen, als sich der Sperriegel der
islamisierten Lander zwischen das byzantini-
sche Reich und die Staaten Asiens schob. Zu-
vor jedoch war gentigend Zeit dafiir geblieben,
daB sich im gesamten Raum zwischen Grie-
chenland, Indien, Indonesien und China tiber-
raschend viele ahnliche Grundkonzeptionen
liber das, was der Kosmos, was Gott und was
der Mensch ist, herausbilden konnten.
Eine weitgehend — sagen wir einmal ktihn —
verwandte Geistigkeit, ausgedriickt auch in
der Formensprache der Bilder, verbindet das
christliche Griechenland mit den Hochkultu-
ren des Ostens. Aber eine weitgehend ver-
wandte Glaubensiiberzeugung, dargestellt in
den Motiven der christlichen Glaubenswelt,
verbindet es mit dem Abendland.
So gesehen ist es das einfachere Verfahren,
sich auf dem Umweg tiber die Beschaftigung
mit der byzantinischen Kultur einen beque-
men Zugang zu den Kulturen Siid- und Ost-
asiens zu verschaffen, als geradewegs tiber
Stock und-Stein auf sein Ziel loszugehen -- um
dann letztlich vor verrammelten Toren zu
stehen. ;
Fiir mich kann die byzantinische Kunst mitun-
ter schon Mittel zum Zweck sein, aber sie ist es
nicht ausschlieBlich. Ich fiihle mich von ihrer,
wie ich meine, attraktiven Formensprache
stark angezogen. Doch war es auch von der
ersten Begegnung an mit ihr fiir mich eine
Selbstverstindlichkeit, da ich — wie es fiir je- ©
den, der verliebt ist, selbstverstandlich ist —
mich nicht nur darauf beschraénken wollte sie
zu bewundern, sondern daf es mir auch darauf
ankam, sie intensiver kennenzulernen.
1 Geburt Maria. Das erste der zw6lf Hochfeste des griechischen Kirchenjahres (Dodekaorthon) wird wie im
Westen am 8. September begangen. Die gesamte Kindheitsgeschichte Marias wird in der Vorhalle der
Chorakirche in Konstantinopel (Istanbul) dargestellt. Das Geburtsmosaik selbst befindet sich an einer der
éstlichen Schildbogenwande (ganz links im Bild). Die spaétbyzantinischen Mosaiken entstanden zwischen
1315 und 1320.
2 Kreuzerhdéhung. Das zweite Hochfest im Kirchenjahr, gefeiert am 14. September. Fresko aus ei-nem der
nordgriechischen Meteora-Felsenkléster, geschaffen im 15.Jh. ᾿ ᾿
3 Tempelgang Maria. Das dritte Hochfest, gefeiert am 21. November. Die »Téchter der Ἠθυγᾶθγα (oben
kopfstehend) geleiten das Marienkind mit den Eltern Joachim und Anna zum Tempel. Gewélbemosaik aus
der Vorhalle der Chorakirche in Konstantinopel (Istanbul), 1315-1320 ἷ
τὰ SNPS:
4 Geburt Christi. Im Unterschied zum »Heiligen Abend« des abendlandisch-christlichen Kirchenjahres
jeweils am 25. Dezember begangen. Mosaik in der Siidost-Trompe der Klosterkirche von Daphni bei Athen,
entstanden Ende des 11. Jh.
5 Taufe Christi im Jordan. Das Fest der groBen »Wasserweihe« fallt auf den 6. Januar, an dem im Osten wie
im Westen der »Weisen aus dem Morgenlande« bzw. der »Heiligen Drei Kénige« gedacht wird. Mosaik in
der Stidosttrompe der Klosterkirche von Osios Lukas in der Landschaft Phokis, Anfang 11.Jh.
6 Darstellung im Tempel. Das sechste byzantinisch-christliche Hochfest entspricht »Marid LichtrneB« und
wird wie diese am 2. Februar begangen.
7 Verkiindigung Maria, wird wie im westchristlichen Kirchenjahr am 25. Marz gefeiert. Fresko in der
Kirche zum Taubenschlag, Cavusin bei Géreme (Kappadokien), entstanden zwischen 963 und 969.
8 Einzug in Jerusalem. Das Fest der »Palmwedel« entspricht dem Palmsonntag und wird ebenfalls am
Sonntag vor Ostern gefeiert. [kone in der Festbildreihe einer Bilderwand in einer Kirche in Chios.
Postbyzantinisch, 18.Jh.
ert.
lich
fingsten gefei
vermut,
(Kappadokien),
oreme
i
ten am Donnerstag vor P:
i
Bre
rd wie »Christi Himmelfahrt« in unseren
Fresko in der Kuppel der zerstérten Héhlenkirche von El Nazar be
Ende 10. Jh.
i
W:
9 Himmelfahrt
10 Pfingsten, sieben Wochen nach Ostern. Die Ikone des Pfingstsonntags zeigt die Trinitat in der Gestalt
der »drei Manner zu Besuch bei Abraham im Hain Mamre«. Fresko aus der Hohlenkirche Carikli Kilise bei
Goreme (Kappadokien), vermutlich 13. Jh.
11 Verklarung Christi. Die »Metamorphosis« (griech.) oder »Transfiguratio« (lat.) wird im Osten (als elftes
Hochfest) und im Westen am 6. August gefeiert. Goldmosaikdarstellung aus der Nordwesttrompe der
Klosterkirche von Daphni bei Athen, Ende 11. Jh.
: Ἵν
12 Heimholung Maria. Entspricht dem westchristlichen Fest »Mariaé Himmelfahrt« und wird wie dieses am
15. August begangen. Mosaik an der Westwand des Kirchenschiffes der Chorakirche in Konstantinopel
(Istanbul), entstanden 1315-1320.
Der Bildkosmos
der byzantinischen Kirche
Der Bildkosmos der byzantinischen Kirche
Vom Ergriffensein
zum Begreifen
Dies Buch habe ich fiir alle diejenigen ge-
schrieben, die fortschreiten wollen vom ergrif-
fenen Schauen zum Begreifen. Die byzanti-
nisch-christliche Geistigkeit selbst legt es ei-
nem nahe, diesen Schritt zu vollziehen, weil
sie sich selbst anschaulich begreifbar ausdriickt
~ in der Form ihrer Bilderwelt. Vor dem Gold-
grund der Ikonen und Mosaiken und vor dem
dunkelblauen Untergrund der Freskomalerei
spiegelt sich ins Sichtbare verdichtet die In-
nenwelt der Menschen des christlichen Ostens.
Dies Buch soll nun die Voraussetzungen dafiir
bieten, da8 man diese Bildwirklichkeit verste-
hen kann, sich ihr zu nahern vermag in einem
zumindest dreistufigen AnnaherungsprozeB:
1. Der Inhalt eines Bildmotivs wird in seiner Ge-
samtheit und in seinen Details exakt bestimmt. Die
Grundlagen hierfiir liefern vor allem die schrift-
lichen Quellen (— »Die schriftlichen Quellen fiir die
Symbole und Motives).
_2. Die Rolle des jeweiligen Einzelbildes im gesam-
ten Bildprogramm eines Kirchenraumes oder der
Bilderwand wird ermittelt (-» »Die Bildprogramme
orthodoxer Innenraume«).
3. Die Bedeutung des jeweiligen Bildmotivs ftir das
kirchliche wie fiir das alltagliche Leben — fiir das
Kirchenjahr wie fiir den bauerlichen Jahreszyklus —
wird aufgezeigt; denn das orthodoxe Kultbild ist bis
zum heutigen Tag der Kristallisationskern eines
lebendigen, sich daran anlagernden Brauchtums.
Dartiber hinaus sind auch noch andere Gegebenhei-
ten von Interesse — wie etwa die Wandlungen, de-
nen ein bestimmtes Motiv im Laufe der historischen
Entwicklung ausgesetzt ist.
Auffinden und Bestimmen
der Bildmotive
Der Hauptteil des Buches ist alphabetisch ge-
ordnet nach Motivbenennungen. Dies ist ftir
ein Lexikon tiber Bilder ebenso unvermeidlich
wie letztlich unbefriedigend. Dem Benutzer,
der gerade vor einem Bild steht, ist dessen Be-
nennung oftmals nicht bekannt. Sie ist es ja
gerade, die er zundchst sucht. Und weil das so
ist, bietet mein Buch zusatzliche Hilfen ftirs
Suchen und Finden an:
10
vx Fast jedem Stichwort ist zumindest eine Abbil-
dung beigefiigt. Einer Vielzahl von Motiven kommt
man bereits durch den ikonographischen Vergleich
auf die Spur.
τὰ Zu allen byzantinischen Darstellungen gehéren
grundsatzlich Beischriften, die das Motiv kennzeich-
nen, und oft auch dariiber hinausgehende Texter-
lauterungen. Mit Hilfe des griechischen Alphabets
(ABC) sowie des Verzeichnisses griechischer
Bildmotivtitel und deren Ubersetzung (im Anhang)
ist das deutsche Stichwort zu ermitteln, unter dem
das Motiv behandelt wird. Die ostkirchlichen Heili-
gen (— Heilige, — Méartyrer, — Kirchenvater,
— Patriarchen) lassen sich vielfach nur iiber die
Schriftzusatze identifizieren. Die in der westlichen
mittelalterlichen Kunst tiblichen kennzeichnenden
Attribute kommen im byzantinischen Raum nur in
Ausnahmefallen vor.
vv In den verschiedenen Raumteilen innerhalb ei-
ner byzantinischen Kirchenarchitektur — Apsis,
Kuppel, Schiff, Vorhalle -- kann jeweils nur eine
begrenzte Auswahl an Motiven erscheinen. Die vier
Plane von Bildprogrammen in Kirchen aus unter-
schiedlichen Epochen, die den Einfiihrungsteil die-
ses Buches abschlieBen, geben einen Uberblick tiber
beispielhafte Zuordnungen bestimmter Motive zu
bestimmten Orten der Innenarchitektur.
Dartiber hinaus informiert das Kapitel »Entwick-
lungsziige der griechischen Kunst« fiber die Ent-
wicklung der kirchlich-religidsen Ikonographie im
Verlauf der Geschichte des byzantinischen Reiches
und der anschlie8enden Epochen.
xv Im Hauptschiff (Naos) gréBerer orthodoxer Kir-
chen sind bestimmte Bildzyklen dargestellt. Altere
Zyklen (vor 1000) geben in erzihlender Form aus-
gewihlte Berichte des Neuen Testaments sowie ver-
wandter Schriften wieder. Es handelt sich vor allem
um den — Marienzyklus (der spater in der Vorhalle
dargestellt wird), um Zyklen von Wandertaten
(— Wunderheilungen, —> Wunderspeisungen), so-
wie vor allem auch um den --Ὁ Passions- und Oster-
zyklus. Die Bildfolgen der Zyklen sind unter den
genannten Stichworten im Zusammenhang be-
schrieben. Somit kann anhand eines einzelnen, be-
reits erkannten Bildes der gesamte Zyklus aufgerollt
und entziffert werden. (Beispiele: Die Kreuzigung
Christi gehért zum -- Passions- und Nachoster-
zyklus, die Speisung der 5000 zum Zyklus der —>
Wunderspeisungen.) Spater (etwa ab 1000) breitet
sich der Festtagszyklus (Dodekaorthon) im Naos
aus. Er wird unter dem Stichwort — Festtagskalen-
der ebenfalls zusammenhangend erlautert.
Der Bildkosmos der byzantinischen Kirche
Das sinnbildliche Denken
Die Bedeutung eines GroBteils byzantinischer
Bilder, nicht zuletzt der alttestamentlichen
Zyklen, erschlie&t sich nur dem, der sich mit
byzantinischer Denkweise auseinandersetzt.
Ihr stand das mittelalterlich-abendlandische
Denken durchaus noch nahe, wahrend sich un-
ser eigenes heutiges Denksystem erheblich da-
von entfernt hat. Der zeitgendssische abend-
landische Mensch sucht Ereignisse und Objek-
te (tiber Zeit und Raum hinweg) durch Ursa-
che-Wirkungs-Abhangigkeiten miteinander zu
verketten. (Man glaubt, etwas bisher Unbe-
kanntes dann verstanden zu haben, wenn man
es durch das Beantworten der Fragen »Wo?
Wann? Wie? Warum?« an bereits vorher Ver-
trautes angegliedert hat.)
Demgegeniiber verkntipft byzantinisches Den-
ken Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft,
aber auch Ferne und Nahe dadurch, daB es
ahnliche Dinge und ahnliche Ereignisse einan-
der zuordnet, beziehungsweise sie einander
unterordnet. Es geht darum, mdglichst viele
Dinge und Ereignisse mit den zentralen Glau-
bensinhalten in Beziehung zu bringen. Letzt-
lich wird die Gesamtheit aller Erscheinungen
als im Einzelfall jeweils starkerer (damit tiber-
geordneter) oder schwacherer (damit unterge-
ordneter) Abglanz des Einen, des géttlichen
Lichtes gesehen (+ Himmlische und kirchli-
che Hierarchie). Dieses Licht ist wirksam in
Zeit und Raum.
vy Wirksamkeit in der Zeit: Die Schépfung der
Welt und ihre heilsgeschichtliche Neuschépfung
kommt durch die von oben her sich entfaltende
Ausstrahlung des géttlichen Lichtes zustande. Im
liturgischen Ritus werden der Schépfungsakt und
der historische Neuschépfungsakt (—> Ostern) ritu-
ell vergegenwartigt. Alles, was innerhalb der gétt-
lichen Heilsordnung besteht, ist in diese Lichtkas-
kade eingebunden.
vw Wirksamkeit im Raum: Die > Eucharistie (das
Heilige Abendmahl) ist nichts anderes als die immer
wieder neu vollzogene Vergdttlichung des gesamten
Kosmos. Die Heilsgeschichte ist darin insofern ein-
gebunden, als sie auf die Eucharistie hinzielt. ᾿
Ein gutes Beispiel dafiir ist die alttestamentliche
Szene der Opferung Isaaks. Sie gewinnt ihre Bedeu-
tung dadurch, daB sie einen versteckten Hinweis (>
Schatten) auf den Opfertod Christi und damit
gleichzeitig auf die Eucharistie bildet.
Der dem byzantinischen Denken verhaftete
Mensch versucht alles Seiende, und damit
auch sich selbst, in ein in sich geschlossenes
Gewirke aufeinander hinweisender und mit-
einander verwobener Details einzubeziehen.
Es gibt so gut wie nichts, was nicht auf etwas
anderes, tiber ihm Stehendes, deutet. Die Tat-
sache, daB das byzantinische - Ornament alle
Einzelelemente miteinander verflicht, aber
auch die Bedeutung der Textilgewebe fiir den
byzantinischen Ritus, ist sichtbar gewordener
Ausdruck dieser inneren Einstellung.
Die schriftlichen Quellen fiir die
Symbole und Motive
Die meisten Bildmotive basieren auf einer
mehrstufigen Quellentradition. So sind eine
ganze Reihe von Motiven abhangig entweder
sie stehen in Zusammenhang mit Angaben
in der Ermenia (Malerhandbuch vom Berge
Athos). Beide Quellen basiérén ihrerséits wie-
dér auf biblischen oder apokryphen Texten.
Die byzantinische Liturgie in ihrer Gesamtheit
148t sich als die poetische Gestaltung eines aus
der Heiligen Schrift herausgefilterten Konzen-
trates auffassen.
Fiir die Quellenhinweise aus der Bibel, die das
Alte (AT) und das Neue Testament (NT) um-
faBt, werden die tiblichen Abktirzungen be-
nutzt (z.B. Luk. fiir Lukas). Die sogenannten
Apokryphen sind Schriften aus dem Umfeld
des AT (AT-A) und des NT (NT-A: ab Mitte
2.Jh., die kanonischen Schriften des NT ent-
standen im ersten Jh.). Zwar werden die Apo-
kryphen von den Kirchen nicht voll anerkannt,
~ jedoch sind deren Inhalte sowohl in liturgische
Texte als auch in bildliche Darstellungen ein-
geflossen. Die Biicher, die in der altesten grie-
chischen Ubersetzung des AT, der Septuagin-
ta (> Darstellung Christi), enthalten sind, je-
doch nicht in den hebrdischen Textiberliefe-
rungen, werden von Orthodoxen und Katholi-
ken als kanonische Texte angesehen, von den
Evangelischen jedoch nur als AT-A (in der
Vollbibel Luthers: »... Biicher, so der Heili-
gen Schrift nicht gleichzuhalten, und doch
niitzlich und gut zu lesen sind«).
11
Der Bildkosmos der byzantinischen Kirche
Raumliche und historische
Unmrisse
Byzantinische Monumente sind weithin tiber
den Mittelmeerraum verstreut. Zur Erleichte-
rung einer Studienreiseplanung wurde in den
Anhang eine Karte sowie eine Ubersicht tiber
alle im Text erwahnten Denkmaler aufgenom-
men (»Die wichtigsten byzantinischen Kunst-
denkmiler«).
Tabellarische Zusammenfassungen tiber die
Entwicklung des byzantinischen Reiches in
Raum und Zeit einerseits, und iiber die wich-
tigsten Epochen der byzantinischen Kunstge-
schichte andererseits, finden sich ebenfalls im
Anhang.
Entwicklungsziige der
griechischen Kunst
Zusiatzlich zur realen Welt des Menschen hat-
-ten -- so Herder — die alten Hellenen eine zwei-
te ideale Welt der Statuen geschaffen. Von der
archaischen Zeit um 700 v.Chr. an, vor allem
aber in der klassischen und hellenistischen
Epoche, entstanden ganze Heere von Gdtter-
bildern, von Grabbildern (Darstellungen der
Verstorbenen) und Weihebildern (den Gét-
tern zugeeignet und in heiligen Bezirken oder _
in Schatzhdusern aufgestellt).
Die antike griechische Kunst
1. war eine gdttliche Kunst in zweifachem Sinne. Sie
war den Géttern geweiht und vorbehalten. (Was im
nichtsakralen Bereich erhalten blieb — FuBbodende-
kor, winzige Lehmfigiirchen — ist unbedeutend.) Sie
8: sich aber auch als Darstellung der edlen gottli-
chen Eigenschaften des Menschen auffassen. Und
die Gétter selbst sind als nichts anderes als ideale
Verkérperungen dieser Eigenschaften zu verstehen.
2. hat sich von der formstrengen geometrischen Zei-
chenhaftigkeit mehr und mehr hinentwickelt zur
Darstellung menschenhafter Figuren. In hellenisti-
scher Zeit tastete sich die griechische Kunst vor bis
in die Randzonen der Charakterisierung des Indivi-
duellen. Dennoch war sie kaum interessiert an der
Wiedergabe der AuSenweltwirklichkeit. Sie lieB
vielmehr die wertvollsten Vorstellungen der idealen
Innenwelt daraus heraustreten und sich in den har-
12
ten Materialien der Auenwelt -- in Marmor und
Bronze — verkérpern. So sollten die Ideen der In-
nenwelt in der AuRenwelt wirksam werden.
3. hat Bildungen hervorgebracht, denen ein hoher
Wirklichkeitswert zugesprochen wurde. Das vorge-
stellte Darstellungen Hervorbringende verschmolz
mit dem Dargestellten selbst. So wurden die Bilder
der Gétter mit Speisen versorgt, an ihren Festtagen
gebadet und bekleidet. Die Gesichter von Géttern
und Géttinnen, deren Anblick hatte gefahrlich wer-
den kénnen, wurden verhiillt. Die Statuen wurden
aus dem Willen heraus geboren, Ideen in der 4uBe-
ren Kérperwelt wirksam werden zu lassen, entspre-
chend der Absicht, die A4uBere Welt mit Ideen bele-
bend zu durchtranken, ja, durch die Ideen die reale
Welt neu umzuerschaffen.
Bilderfeindlichkeit kannte das antike Grie-
chenland nicht, abgesehen von einer begrenz-
ten Kritik einiger ntichterner Denker, die
dann doch eines iibersahen: Dem Denken
selbst stehen zwei durchaus unterschiedliche
Méglichkeiten offen sich zu artikulieren — ei-
nerseits in Worten, andererseits in Bildern.
Und dann: Der Gewinn neuer Erkenntnisse in
Bildform muB als unerlaBliche Vorstufe allem
Gedanklichen, das in Worten gefabt ist, vor-
ausgehen. So hat die verkérperlichende Ver-
menschlichung der Gétter es erst mdglich ge-
macht, ideale menschliche Eigenschaften und
Verhaltensweisen als géttlich inspiriert zu
empfinden — was wiederum die Voraussetzung
war zur Entwicklung ethischer Entscheidungs-
fahigkeit.
Die Christen der Verfolgungszeit konnten ei-
nerseits sehr schlichte Formen der Malerei, so-
wie einfache Ritzsymbole (Katakombenmale-
rei) und andererseits eine Sarkophag-Relief-
kunst, die sich von der zeitgendssischen nicht-
christlichen Kunst formal, aber auch inhaltlich
nur wenig abhob. Christliche Themen werden
zunachst eher angedeutet und vieldeutig um-
schrieben als dargestellt (+ Christus, - Da-
vid). Wichtig sind Vorbildereignisse, die ein
heilvolles Durchschreiten durch den Tod und
Hinitibergehen in die Welt der Seligen verhei-
Ben. Dargestellt werden — mdglicherweise auf
Christus anspielende — Seelengeleiter, die den
Toten bei seiner Jenseitsreise vor allen Ge-
fahrdungen bewahren sollen.
Von der Friedenszeit an beginnt ganz generell
die Plastik allmahlich in die Flache zurtickzu-
sinken. Zeichnung und Farbe gewinnt an Be-
deutung. Zweidimensionale Darstellungen
werden aus edlem Material, besonders mit
Mosaiksteinchen, technisch sorgfaltig ausgear-
beitet (+ Farben). Bilder wie auch Stoffe wer-
den — nicht zuletzt unter persischem EinfluB —
einerseits farbiger, andererseits ornamentaler.
Plastische Ké6rperlichkeit mu8 farbigem
Leuchten weichen. Die Wande verlieren ihre
Festigkeit, wirken mit ornamentalem Dekor
iibersdt wie Vorhinge — und tatsachlich wer-
den die Kirchenréume auch extensiv mit deko-
rativen Stoffen geschmiickt. Unsere Vorstel-
lungen von der Dekoration byzantinischer Kir-
cheninnenraume ist unvollkommen, weil wir
ihre Ausschmiickung mit Stoffen nicht ken-
nen. Nur musivische und gemalte Stoffmuster,
und Darstellungen von Vorhangen (in der un-
tersten Zone kappadokischer Hoéhlenkirchen)
lassen ahnen, wie wichtig Stoffe in der damali-
gen Zeit genommen wurden: Seide war das
beliebteste Geschenk, gleichrangig mit Gold
und Edelgestein. (+ Gewdander).
Die Bildinhalte waren symbolisch repradsenta-
tiv, bezogen sich vor allem auf den Kult. Nach
und nach kamen auch erzéhlende Einzelbilder
und Bildfolgen auf.
Die theologischen Sprecher der ersten christli-
chen Jahrhunderte hatten Bilder scharf abge-
lehnt (Origines, Tertullian, Eusebios, als Zeit-
genosse Konstantins sogar noch Epiphanius).
Ma8gebend dafiir war einerseits das Verbot,
Gott darzustellen (im Alten Testament), ande-
rerseits ihre Gegenposition zu der antiken
Gétterbild-Anbetung (Idolatrie), dariiber hin-
aus auch ein Hang zu einer »reinen entsinn-
lichten Geistigkeit«. Die einfachen Glaubigen
hatten sich demgegeniiber immer an Bilder ge-
halten. Ende des 4.Jh‘s erhielten sie Unter-
stiitzung von den groBen Kappadokiern (>
Kirchenvater, —> bilderfeindliche Ornamen-
te), die in ihrer menschenfreundlichen Tole-
ranz griechische Bildung als durchaus verein-
bar mit christlicher Gesinnung betrachteten.
Da8 sich auch bei den Bilderfreunden das vollplasti-
sche religidse Bildwerk niemals durchgesetzt hat, ist
jedoch nicht nur als Reaktion auf die vollplastische
griechische Bilderwelt, deren Zeugnisse damals
noch tiberall zu sehen waren, anzusehen: Wahrend
die Griechen der klassischen und hellenistischen
Zeit die AuRenwelt mit Hilfe ihrer steingewordenen
Ideen auf ideale Weise verbesserten, ihre Innenwelt
Der Bildkosmos der byzantinischen Kirche
kampferisch der AuBenwelt gegeniiberstellten, ga-
ben die friihchristlichen und byzantinischen Grie-
chen ihrer Innenwelt zwar auch eine 4uBere Gestalt,
setzten sie aber zugleich radikal von der AuBenwelt
ab. Ihre gesamte Vorstellung von Gott und der Welt
bildeten sie modellhaft im bildgeschmiickten [ir-
chenraum ab. Es ging den Byzantinern darum, die
Innenwelt im Innenraum als tiberhéhte und »wirk-
lichere« Wirklichkeit der AuRenwelt gegentiberzu-
stellen. Im kirchlichen Innenraum beginnt schon
jetzt die Vergéttlichung der Welt (genau wie in der
kultischen Handlung, --Ὁ Eucharistie), die am Ende
der Tage auf die gesamte Welt tibergreifen wird.
Doch zunachst konnte sich auch das flachige
Bild nicht vdllig durchsetzen. Der bilder-
freundlichen volkstiimlichen Tradition stand
eine bilderfeindliche héfische Tradition gegen-
tiber. 726 erhob Leon III., ein aus Kleinasien
stammender Kaiser, die Bekampfung der Bil-
der und ihrer Freunde zum Programm. Erst
842 gelang es den Bilderfreunden, die Ober-
hand zu gewinnen; vereinzelt hielten sich iko-
noklastische Str6mungen noch bis gegen 900
(> Bild, — bilderfeindliche Ornamente).
Die Theologie der Ostkirche hat sich heraus-
gebildet in der Auseinandersetzung mit abwei-
chenden Meinungen (Haresien). So waren es
letztlich die Ikonoklasten, die die Orthodoxie
zur Ausbildung ihrer ausformulierten Bild-
theologie (— Bild) veranlaBten: Weil Gott als
Jesus Christus sichtbarer Mensch wurde, darf
er, ja mu er abgebildet werden. Wie das Evan-
gelium, verkiindet auch das Bild die Mensch-
werdung Christi.
Im 9. und 10. Jh. werden vor allem Ereignisse
aus den Evangelien in erzahlender Folge in
Bildzeilen dargestellt. Um 1000 erreicht der
Kreuzkuppelkirchenbau seine héchste Voll-
kommenheit als Architektur mit abbildendem
Charakter: Jetzt ist sie ein perfektes Modell-
bild des Kosmos. Gleichzeitig entwickeln sich
neuartige Bildzyklen, die jetzt den Ablauf des
Kirchenjahres illustrieren (Dodekaorthon, --ὸ
Festkalender). Der Jahreskreis wird als Bild-
kalender in das Kosmosmodell eingebunden.
Der Kirchenraum reprisentiert so géttlich
durchwirkten Allraum und gleichzeitig géttlich
durchwirkte Zeit.
Die Teilnehmer des sogenannten 4. Kreuzzu-
ges eroberten 1204 Konstantinopel, mordeten
und brandschatzten, pliinderten und zerstér-
13
Der Bildkosmos der byzantinischen Kirche
ten mutwillig Ikonen. Sie zerstiickelten das by-
zantinische Reich und betrachteten die einzel-
nen Teile als ihre Beute. 1261 gelang es dem
Geschlecht der Paldologen, die Stadt zurtick-
zugewinnen. In spatbyzantinischer Zeit war
das byzantinische Reich zwar nur ein politisch
geschwichtes Restreich, gab aber erstaunli-
cherweise dennoch fruchtbaren Boden fiir die
Bliite der religidsen Kunst her. Man experi-
mentierte mit lebhaft bewegten Figuren- und
Farbkombinationen. Neue Bildmotive ent-
standen, die die geistige Seite des liturgischen
Geschehens darstellten (himmlische — Litur-
gie, > Eucharistie). Die verstérkte Hinwen-
dung zur idealen Welt des Gottlichen, Innen-
welt und Uberwelt zugleich, in dieser Zeit,
war es wohl, die es der Kunst ermédglichte,
weitgehend unbeeintrachtigt von den duBeren
miBlichen Gegebenheiten zu bleiben.
Nach dem Fall der Hauptstadt 1453 und dem
Untergang der letzten Bastion, dem Despotat
von Mistra auf der Peloponnes, lebte die nach-
byzantinische Kunst als Wandmalerei weiter in
der Ausgestaltung der Kléster (Athos, Meteo-
.ra) sowie in der Ikonenmalerei (Kreta 16. Jh.,
RuBland, naive rumanische Ikonen und Hin-
terglasbilder des 17. bis 19.Jh.s, naive griechi-
sche Ikonen des 18., 19. und 20. Jh.s).
Ftir die Griechen, fiir die die kaiserliche Hierarchie
eine Art von Spiegelung der himmlischen Hierar-
chie gewesen war, war es eine neue Erfahrung, ohne
einen christlichen Herrscher und im wesentlichen
auch ohne eine christliche Fiihrungsschicht auskom-
men zu miissen. Religion und Kultur der ttirkischen
Herrenschicht waren und blieben fremd. Unter der
abschirmenden Glasglocke der Tourkokratia waren
die orthodoxe Kirche — jetzt abgeschnitten von jeder
Verbindung mit der héfischen Kultur — und die
landliche Bevélkerung auf sich gestellt und aufein-
ander angewiesen. Dies fiihrte schlieBlich zu einer
innigen Verbindung von Volksbrauchtum und or-
thodoxem kirchlichem Leben. Heutzutage ist es
nicht immer so leicht zu unterschéiden, wo der
kirchliche Kultus aufhért und das volksttimliche
Brauchtum beginnt.
»Leuchte kleiner Mond, Du heller,
leucht mir, da8 ich eile schneller,
da8 ich rasch zur Schule komm,
um zu lernen brav und fromm,
daB ich lern das ABC,
und Gottes Willen so versteh.«
Kinderlied aus der Zeit der Tourkokratia
14
Griechentum und Christentum lebten weiter
in der griechischen Sprache. DaB die Kinder
lesen und schreiben lernten, wurde von den
Tiirken nicht gerne gesehen, oft auch streng-
stens untersagt. In kleinen Hauskapellen, die
man in die Gehdéfte einbaute, brachten Prie-
ster und Ménche den Kleinen heimlich das
griechische ABC bei.
Heute noch werden von Privatleuten schlichte
Kirchlein mit naiven Ikonen — aus Dankbar-
keit oder in Erfiillung eines Geltibdes -- ge-
stiftet.
Der entscheidende kulturelle Gegensatz zwi-
schen Griechen und Osmanen besteht darin,
da fiir die Orthodoxen das religidse Bild
Grundlage ihres Glaubens und Basis der
christlichen Verkiindigung ist, wahrend die
Muslims Bilder — ganz besonders religiése Bil-
der zumindestens in der Theorie scharf ab-
lehnen.
Und dennoch hat die byzantinische Kunst un-
tibersehbare Auswirkungen auf die Kultur de-
rer gehabt, die das byzantinische Reich zer-
st6rten.
In Istanbul und im nahen Edirne (Adrianopoulis)
entstanden im 14., 15. und 16.Jh. die gewaltigen
kuppeliiberwélbten Moscheen, die als eine Ausein-
andersetzung mit dem Vorbild Ajia Sophia zu be-
greifen sind. Es ist schon interessant, da8 dieser ge-
waltige justinianische Bau des 6.Jh.s in byzantini-
scher Zeit keine direkten Nachfolgebauten ausge-
lést hat, wahrend er fiir die Tiirken ein standiger
Ansporn wurde, seine Grundkonzeption in Formen
umzugieBen, die sich fiir den islamischen Kult eig-
neten. Wichtig war es fiir sie, das byzantinische
Langsbaukonzept mit der geosteten Apsisnische
durch ein Breitbaukonzept mit einer nach Mekka
ausgerichteten Gebetsnische an der siidéstlichen
Breitseite zu ersetzen.
Mehmed 11. Fatih (der Eroberer, 1451-81) hat
noch am Tag der Einnahme Konstantinopels
die erhabenste Kirche der Christenheit zur
Moschee umgewandelt. Er und die ihm folgen-
den Sultane haben alles getan, um das Bau-
werk zu erhalten und es im islamischen Sinne
weiter auszubauen. Am Schicksal der Kirche ©
wird einerseits der historische Bruch, anderer-
seits aber auch die Kontinuitét an der Naht-
stelle zwischen spatbyzantinischem Reich und
dem osmanischen GrofBreich deutlich: Meh-
ΜΝ
med_hatte alle, transportablen Ikonen und
Bildwerke sofort entfernen lasseri:7Er-sorgté~
Der Bildkosmos der byzantinischen Kirche
fiir die Errichtung eines Minaretts, damit der
Muezzin seine Gebetsrufe fiinfmal am Tag
iiber die Stadt erschallen lassen konnte. Die
iibrigen drei Minarette fiigten andere Sultane
hinzu.
Orientierung nach dem Osten
‘ ,Weil nun Gott das geistige Licht ist-und Chri-
‘stus in der heiligen Hymne Licht und Osten
genannt wird, so sollte man sich zur Anbetung
nach Osten wenden.« Johannes Damaszenus,
- Glaubenslehre
Die Kirchen des Ostens sind — seit dem 6. Jh.
im Regelfalle -- nach Osten hin ausgerichtet.
Die Anbetenden wenden ihr Gesicht gen Son-
nenaufgang. (Das deutsche Wort »Ost« ent-
stammt der gleichen Wurzel wie das griechi-
sche »Eos« = Morgenrote.) Diese Ostung in
Verbindung mit der Vorstellung, dafi alles,
was Licht ist, aus dem Osten stammt, ist das
Symbol des christlichen Ostens schlechthin,
gleichzeitig auch eines der eindringlichsten
Beispiele fiir symbolisches Denken.
Ein Symbol, ein Bild, ein Bildzeichen, ein sinnbild-
lich gedeuteter Gegenstand, eine bildhafte Formu-
lierung oder ein Ritus, weist iiber seinen blofen
Darstellungsinhalt hinaus auf etwas hin, was we-
sentlich bedeutsamer ist als es selbst. Gleichgiltig,
ob der Zusammenhang zwischen dem Symbol und
dem Symbolisierten direkt erfaBt werden oder aber
nur tiber einen Lernproze8 einsichtig werden kann —
in jedem Fall wird er bewu8t oder auch unbewuBt
als sinnfallig erfahren. Das Symbol ist sozusagen der
unscheinbare, aber sichtbare Henkel eines pracht-
vollen aber unsichtbaren, mit bedeutsamem ideel-
lem Inhalt gefiillten GefaBes, der die Mauer des Un-
wahrnehmbaren durchst6Bt. Im antiken Griechen-
land war das Symbolon (= das Zusammengeworfe-
ne, das Kennzeichen, das abgebrochene Stiick) ein
abgebrochenes Teil — etwa der Henkel eines Kruges
oder das Stiickchen eines Ringes. Der Besitzer
konnte seine Identitét dadurch beweisen, daB er
dies Teil paBgenau ins Ganze einfiigte. Fiir uns ist
das Symbol eine Handhabe aus dem Bereich des
Bilddenkens, mit deren Hilfe das Symbolisierte, das
der Welt des Begriffsdenkens angehért, erfaSbar
und begreifbar wird.
Die Ostung der Kirchen, das Beten in Rich-
tung Osten, die Anordnung der Hausikonen in
der Ostecke oder an der Ostwand -- das sind
einfache 4uRere Anzeichen fiir ein komplizier-
tes Gefiige von Vorstellungen:
wy Das Paradies liegt im Osten.
ἦγ Das endzeitliche himmlische Jerusalem, als das
wiederkehrende Paradies, wird im Osten erstehen.
vy Der Christusglaube hat sich von Osten her in
Richtung Griechenland verbreitet.
tr Die géttliche Ausstrahlung Christi ist so gewal-
tig, daB man sie nur mit der Sonne, besonders der
aufgehenden Sonne, vergleichen kann.
wr Die Auferstehung Christi (~ Ostern) ist wie ein
Sonnenaufgang nach dunkler Nacht. Wahrend der
Nacht durchquert nach antiker Vorstellung die Son-
ne die Unterwelt — den Hades --, in die Christus
sonnengleich nach seiner Grablegung hinabgestie-
gen ist.
ve Sonnenhaft ist Christus im Innenraum der Kir-
che anwesend, als Lichtkreuz in der friihchristlichen
Periode (in der Apsis, an der Decke oder Kuppel),
als zugleich zum Himmel auffahrender und von dort
Wiederkehrender, in den Gewélben oder Kuppeln
der friihbyzantinischen Zeit (> Himmelfahrt), als
sonnenhaft Strahlender (— Pantokrator) von der
mittelbyzantinischen Epoche an.
Auf griechisch heift »Sonnenaufgang« und zu-
gleich auch Osten »Anatoli« (lat. »Oriens« —
davon ist »Orientierung« abgeleitet). Von
Griechenland und Konstantinopel aus war
Anatolien das Ostland. Tatsdchlich war das bis
ins 11.Jh. hinein byzantinisch beherrschte
Hochland Kleinasiens das Kerngebiet ost-
kirchlicher Fro6mmigkeit. Von dorther kamen
und dort wirkten im 4.Jh. bereits kurz nach
dem Tode Konstantins die groBen — Kirchen-
vater Gregor der Theologe und Gregor von
Nyssa, insbesondere aber — Basilios, der Be-
griinder des griechischen Ménchtumes. So ent-
wickelte sich in Anatolien, insbesondere in
Kappadokien, eine eigensténdige m6nchische
Kunstprovinz. Mit ihrer volkstiimlichen
Schlichtheit und Naivitét bildet die Malerei
der kappadokischen Hohlenkirchen einen in-
teressanten Gegensatz zur Prunkentfaltung
der kaiserlichen Kunst Konstantinopels.
Glaubens- und Kunsttendenzen
der Ostkirche
Eine evangelische Theologiestudentin fragte
einen griechischen Geistlichen: »Wieso sind
die Gewander und Bilder in der orthodoxen
15
Der Bildkosmos der byzantinischen Kirche
Kirche so prunkvoll? Wo bleibt da die christli-
che Armut und Schlichtheit?«
Eine Griechin zu Besuch in Hamburg verlieB
vollig entsetzt eine protestantische Kirche:
»Das ist da drinnen so kahl, so traurig. Da
kann man doch gar keine Freude empfinden!«
Doch auch die pralle Leiblichkeit siiddeut-
scher spatbarocker Figuren hat sie erschreckt:
»Das sind doch keine Heiligen! Das sind doch
Puppen!«
1054 hatten papstliche Legaten eine Bannbulle
gegen den Patriarchen von Konstantinopel auf
den Altar der Ajia Sophia gelegt und damit
den bereits viel frither entstandenen Rif zwi-
schen Ost und West zum Bruch vergréfert.
Ganz zweifellos bestehen in Glaubenstiberzeu-
gung und Ritus gewichtige Unterschiede zwi-
schen der orthodoxen und der rémisch-katho-
lischen Kirche. Meist sind sie bedingt durch
die besonders sorgfaltig durchdachten Vorstel-
lungen, die sich in der Kirche des Ostens vom
Wirken des Heiligen Geistes entwickelt ha-
ben.
Die orthodoxe Kirche
vv lehnt den Primat des Papstes ab. Ihr Oberhaupt
ist Christus selbst. Die > Patriarchen, die den selb-
standigen Kirchen in den verschiedenen Landern
vorstehen, sind alle gleichberechtigt. Vor der Tren-
nung galt der rémische Stuhl als ein Patriarchat, wie
alle anderen auch — lediglich ausgestattet mit einem
gewissen zeremoniellen Ehrenvorrecht.
vr lehnt den Anspruch des Papstes auf Unfehlbar-
keit ab. Die kann nur Christus selbst zukommen.
Der Heilige Geist wirkt in den 6kumenischen Kon-
zilien als den Véersammlungen der Gesamtheit der
Kirche, so wie er an—> Pfingsten in der Apostelver-
sammilung in Jerusalem wirkte. Kein Patriarch oder
sonstiger Kirchenoberer kann alleine fiir sich ein
neues Dogma einfiihren. So lange kein neues 6ku-
menisches Konzil zustande kommt — das letzte fand
vor dem Bruch 787 in Nizda statt —, ist es daher auch
nicht méglich, in der Dogmatik irgend etwas zu ver-
andern oder zu erganzen.
ve empfindet eine im Abendland vollzogene eigen-
miachtige Einfiigung ins Glaubensbekenntnis, der
zufolge der Heilige Geist nicht nur vom Vater, son-
dern auch vom Sohne ausginge (sog. Filioque-
Streit!), als eine Gefaéhrdung der Gleichrangigkeit
der drei in der Trinitét vereinigten géttlichen Per-
sonen.
yr lehnt die Lehre, daB die Mutter Marias ihr Kind
»unbefleckt« empfangen habe, ab und folgerichti-
gerweise auch das Dogma der leiblichen Aufnahme
16
Marias in den Himmel. Das hat Folgen fiir die Dar-
stellungen der Geschehnisse um die Gottesmutter
gehabt (-» Heimholung Maria). Nach orthodoxer
Vorstellung wurde Maria von aller Siindhaftigkeit
dadurch gereinigt, daB sie wahrend der —> Verktin-
digung von der Kraft des Heiligen Geistes beschirmt
wurde.
z# kennt kein Fegefeuer.
ye lehnt die Lehre von den iiberschiissigen guten
Werken der Heiligen, die den Siindern zugute kom-
men, ab.
wy spendet das Abendmahl in beiderlei Gestalt.
Wie im Abendland bis zum 9.Jh. wird gesduertes
Brot verwendet, keine Oblate. Die Verwandlung in
Leib und Blut Christi wird dabei als Gnadenwunder
des Heiligen Geistes erfleht und nicht kraft einer
dem Priester verlichenen Wandlungsvollmacht voll-
zogen.
x besteht bei der Taufe auf dem dreimaligen Un-
tertauchen, einem urspriinglich auch im Westen ver-
breiteten Brauch, der die drei Tage, die Christus im
Grab lag, symbolisiert.
vy legt Wert darauf, da8 die Myronsalbung még-
lichst unmittelbar nach der Taufe vollzogen wird.
vx berechnet den Ostertermin (> Ostern) anders
als die Westkirchen.
x lehnt die Zwangsehelosigkeit der Priester ab.
Doch viel bedeutsamer als dies alles sind die
Besonderheiten der orthodoxen Geistigkeit
und Frémmigkeit, die sich sowohl im Drama
der Liturgie als auch in der Ideen-Wirklichkeit
der Bilder spiegeln.
Die ostkirchliche Kunst akzentuiert
xy das eucharistische Element.
Weil das Abendmahl das absolute Zentrum der Li-
turgie ist, durchdringt ganz folgerichtig das Thema
— Eucharistie vom 5.Jh. an in sich standig verstar-
kendem Ausmafe die Ausgestaltung des kirchlichen
Innenraumes.
Gelegentlich wird tibersehen, daB die Eucharistic
die Antwort anbietet auf folgende existentielle
Grundfrage:
Wie ist das Verhaltnis von mir, als einzelnem, zur
Gemeinschaft, die mich umgibt, und dariiber hinaus
zu meiner gesamten Umwelt? Inwieweit kann ich
mich von ihr abgrenzen, inwieweit vermag ich mit
ihr zu verschmelzen? Die verschiedenen Kulturen
bieten fiir die Beantwortung dieser Frage unter-
schiedlichste Lésungen an. Die westliche Zivilisa-
tion umspielt das Problem mit Hilfe der »Kommuni-
kation«, wobei sie sich vorzugsweise — wie nicht an-
ders zu erwarten — apparativer Mittel bedient.
Das ostkirchliche Angebot, eine innige Verbunden-
heit des Einzelnen einerseits mit Gott und anderer-
seits mit der Gesamtheit des Kosmos, mit allen Le-
benden und allen Verstorbenen, zu gewiahrleisten,
ist die Feier der »heiligen Teilnahmee (i ajia metalip-
sis), die auch bezeichnet wird als »die géttliche Ge-
meinschaft« (i kinonia), was im Lateinischen dem
Wort »Kommunion« entspricht. Die Grenzen zwi-
schen dem »Ich« des Menschen und der von Gétt-
lichkeit durchstrahlten Welt lésen sich in der Eucha-
ristie auf. Die eucharistisch rituell erfillte Sehn-
sucht nach Eingebundensein des einen in die Ge-
samtheit alles anderen driickt sich auch in der die
Details zusammenfiigenden und verbindenden
Grundstruktur der meisten byzantinischen — Orna-
mente aus.
yr das kosmologische Element.
Westliche Geistigkeit ist vor allem an der Zeit (Be-
ginn und Ende der Geschichte), dstliche hingegen
am Raum (Kosmos) interessiert. Das wird bereits in
der Architektur des Kirchenraumes anschaulich
sichtbar. Im Westen wird die Langserstreckung der
Kathedrale gegliedert durch eine Pfeiler- oder Sau-
lenallee, so wie die Zeit gegliedert wird durch Tage
und Stunden. So etwas entspricht dem Lauf der Ge-
schichte, die einmal — wie es der ChorabschluB ver-
sinnbildlicht — ihr Ende erfahren wird. Im Osten
finden wir hingegen vorzugsweise Zentralbauten,
die als »Kosmogramme« zu verstehen sind (> Kir-
chengebaude).
Natiirlich versinnbildlicht auch die westliche Archi-
tektur zusatzlich noch den Raum, wie auch die Kir-
che des Ostens den Zeitablauf kennt — insbesondere
im Drama der Liturgie. Aber dieser Zeitablauf stellt
sich innerhalb der Orthodoxie letztlich dar als eine
Vergegenwartigung von friiherer Heilsgeschichte
und zukiinftiger Heilserwartung zugleich. Mit ande-
ren Worten: Die Westkirchen stellen die Eschatolo-
gie (Aufhebung der Zeit durch Gottes Ewigkeit),
die Ostkirche die Kosmologie (Vergéttlichung der
Welt) in den Vordergrund.
Bemerkenswert in diesem Zusammenhang: In der
abendlandischen Kunst werden die Zeitstile beson-
ders wichtig — die Verinderungen, die die Kunst von
Zeitepoche zu Zeitepoche erfaéhrt. Demgegentiber
treten innerhalb des byzantinischen Reiches die Un-
terschiede in den Stilen der einzelnen Regionen be-
sonders deutlich hervor.
w das Element der Sonnenhaften und die Licht-
symbolik,’
Der Goldgrund symbolisiert das Licht schlechthin.
(Naheres —> »Orientierung nach dem Osten«, sowie
Stichworte —-> Ostern, — Pantokrator.)
Ww die Schau des Géttlichen (Theoria).
Der Betonung des Lichtes, das schlieBlich die Vor-
aussetzung fiir das Sehen bildet, entspricht die Be-
deutung, die dem Gesichtssinn zugesprochen wird.
Wahrend sich insbesondere die protestantische Kir-
Der Bildkosmos der byzantinischen Kirche
che, als Folge der unscharfen Ubersetzung von »Lo-
gos« mit »Wort« zur Kirche des Redens und Hérens
entwickelt hat, leitet die byzantinische Kirche dar-
aus, daB& (nach Joh. 1, 14) dieser Logos »Fleisch
wurde«, sich also anschaubar und anschaulich ver-
k6rperlichte, und daB er, der Logos, als Licht in der
Finsternis schien, wichtige Folgerungen ab:
Die Menschen diirfen Gott schauen -- die der altte-
stamentlichen Zeit zwar nur als Symbol (—> Schat-
ten), die der neutestamentlichen Zeit als Bild, denn
Christus ist das Bild Gottes, und schlieBlich die erlé-
sten Menschen dereinst direkt von Angesicht zu An-
gesicht. Die Mystiker bereiten sich in diesem Leben
bereits auf die Schau Gottes vor, die vielen von ih-
nen als ekstatisches Erlebnis gewahrt wird (> Ver-
kldrung).
Weil der Logos einerseits dem Lichte gleicht und
andererseits sichtbar geworden ist, sind die Ikonen
und die abbildhaften Riten der Liturgie Verkiindi-
gung, die durchs Auge ins Innere des Menschen ge-
langen, durchaus gleichwertig den Evangelienlesun-
gen und Psalmodien, die durchs Ohr eindringen.
Letztlich werden in die Anbetung und die Verkiin-
digung der byzantinischen Kirche alle Sinne einbe-
zogen — die Nase durch Weihrauch-, durch Kerzen-
und Blitenduft, die Zunge durch die -> Eucharistie
und nicht zuletzt auch durch die Eulogia-Gaben --
sprich Ewlojia —- (—> Brot), der Tastsinn durch den
— Κυβ, der den Ikonen oder den Reliquien oder
auch den Mitmenschen gilt.
yw der »Vor-Bild-Charakter« der biblischen Gestal-
ten.
Insbesondere fiir die evangelische Kirche ist das
Wichtige an den biblischen Gestalten, das was sie
sagen. Die Worte innerhalb des Wortes Gottes sind
entscheidend und werden in Form von Worten im
Wortgottesdienst weitergegeben. Fiir den Orthodo-
xen hingegen ist das Tun und Wirken der biblischen
Gestalten als Vorbild fiir sein eigenes Verhalten von
gr6Rter Bedeutung. Das gilt etwa fiir das Damas-
kus-Erlebnis des Apostels Paulus — oder auch fiir
sein Verziicktwerden bis in den dritten Himmel.
Und es ist eben auch das Vor-Bild-hafte der Bibel,
das nachgebildet wird in der orthodoxen Bilderwelt
und nachgestaltet im bildhaften Ritus, der allerdings
auch das Wort mit umfaBt.
“Die Bildprogramme
orthodoxer Innenraume
Die Bilder werden alle zunichst hinsichtlich
ibres Darstellungsinhaltes — also ikonogra-
phisch — beschrieben. Wo immer médglich,
wird dartiber hinaus der eigentliche symboli-
17
Der Bildkosmos der byzantinischen Kirche
sche Bedeutungsinhalt untersucht — im Sinne
einer umfassenden ikonologischen Interpreta-
tion. Gerade bei den Wandbildern reicht je-
doch alles deshalb nicht aus, weil diese im Zu-
An den Apsiswinden
sammenhang mit ihrer Position im gesamten Apostel
Bildprogramm der Kirche gesehen werden eer
miissen. Den Programmen selbst liegen mehr patriots
oder weniger unterschiedliche theologische ἕο ΕΝ
Konzeptionen zugrunde. medaillons
Auf den folgenden Seiten werden vier ver-
schiedene Bildprogramme aus zu unterschied-
lichen Zeiten entstandenen Kirchen vorge-
stellt. Alle sind durchaus charakteristisch fir
die byzantinische Kunst, erméglichen auch in-
soweit eine Orientierung tiber Bildmotive, als
sie dartiber informieren, welches Motiv etwa
an welcher Stelle im Kirchenraum zu erwarten
ist. Allerdings: Byzantinische Kirchen sind In-
dividuen. Das gilt auch fiir ihre Programme.
Man wird kaum jemals zwei finden, die haar-
genau iibereinstimmen.
Die Plane: Sie sind ausgebildet als perspektivi-
‘ sche Einblicke von oben -her in den Kirchen-
raum. Die Gewélbezonen tiberkuppelter oder
eingewolbter Kirchen erscheinen als Projek-
tionen auf den Boden (in besonders diinner
Strichstarke).
Plan A
Eustathios Kirche (auch Eustachius-Kirche), G6re-
me. Kleine, aus dem Felsen herausgehohlte Kirche,
tonnentiberwélbt, mit Fresken (um 970 und um
1149). Schwerpunkt des Bildprogramms, gemaB 4l-
teren Traditionen, ist eine erzahlende Szenenfolge,
in diesem Fall die Kindheitsgeschichte nach dem
Protevangelium (— Marienzyklus) einschlieBlich ei-
ner breit ausgemalten Darstellung der Geburt Chri-
sti. In der Scheitellinie des Gewélbes Medaillons
mit Propheten, die Christus weissagten. Die von
links nach rechts in Leserichtung spiralig von oben
nach unten ablaufende Szenenfolge beginnt neben
der Apsis im Osten der Stidwand, oberer Streifen,
setzt sich in der Westliinette und dann im Westen
der Nordwand oben fort, greift im Osten in den
unteren Streifen der Siidwand tiber, setzt sich dann
unten in der Nordwand fort, findet dort im Osten
neben der Apsis ihren AbschluB.
In der Apsis unten sind neben Johannes dem Taufer
noch Apostel erkennbar, weitere Apostel und Heili-
ge besetzen die Nordwand.
18
5 ᾿
ὦ ΞΕ ΕἾ
ὦ τῷ ἕ
(X) So ὦ
Bd νυ ὦ
= a te υ
ἕξ ΕἸ ᾧ ἐΐ ἐξ
Ω δ΄ -
ΞΞ “πὶ @ ΕΞ gE
7 &)
ao
pk oo 8 fe as
eee ΞΕ £8 88Ε
Ξε Ba 63 55 se
Plan A
Plan B
Klosterkirche Panajia tis Kimesis tou Theotokou in
Daphni bei Athen (vor 1100 -- oder Anfang
12, Jh.?). Kreuzkuppelkirche nach dem Acht-Stit-
zen-System, Gewdlbezone und Hochwande in
Goldmosaik, tiefergelegene Wandteile mit Marmor-
inkrustation, sowie Fresken aus dem 17.Jh. Straffes
Bildprogramm mit zwei Blickachsen. Im Haupt-
raum, einschlieBlich Kreuzarme und Innennarthex,
sind die 13 Feste des Dodekaorthon (— Festtagska-
lender) dargestellt. (Abweichungen vom Normalzy-'
klus: Kreuzeserhdhung und Himmelfahrt fehlen,
Unglaubiger Thomas und Lazarus sind hinzuge-
fiigt.) Die Szenenabfolge, entsprechend dem Kir-
chenjahr (und gleichzeitig der irdischen Lebensge-
schichte Christi) beginnt oben an der Ostwand im
nordlichen Kreuzarm, zieht sich iiber die beiden dst-
lichen Trompen zur oberen Bildleiste erst der Ost-,
Der Bildkosmos der byzantinischen Kirche
Mutter-
gottes
Verkiindi-
gung
Maria
16 Propheten
Pantokrator
3
Abendmahl ΓΑ. Maria im Tempel
FuB-
waschung
Joachim und Anna
19
Der Bildkosmos der byzantinischen Kirche
dann der Westwand im siidlichen Kreuzarm, weiter
fiber die beiden westlichen Trompen zum oberen
Streifen der Westwand des nérdlichen Kreuzarmes.
Von da springt die Abfolge zum unteren Bildstrei-
fen, weiter zur Ostwand des Nordkreuzarms, zur
Ostwand des Siidkreuzarms, zur Westwand des Stid-
kreuzarms und schlieBlich zur Westwand der inne-
ren Vorhalle (Heimholung).
ἦς Die erste Blickachse (Christusachse) verladuft
senkrecht von oben nach unten. Oberste Zone: Zo-
ne der géttlichen Natur Christi. Kuppel mit Christus
Pantokrator als dem wahren Licht der Welt, um-
ringt im Tambour von 16 Propheten zwischen 16
Fenstern (noch erkennbar Moses, David, Jesaia, Sa-
lomon, Elias, Elisas, Jonas, Habakuk, Zephania,
Maleachi, Joel, Zacharia, Ezechiel, Jeremias).
Mittlere Zone: Zone der Erscheinung des géttlichen
Lichtes in der Welt. Trompengewélbe als Ubergang
vom Rund der Kuppel (Symbol des Himmels) zum
Quadrat bzw. Kreuz des Naos (Symbol der Erde).
Dargestellt sind vier Ereignisse aus dem Leben
Christi, bei dem seine Géttlichkeit offenbar wird
(Darstellungen von Epiphanien, Einstrahlungen des
gottlichen Lichts bis in die Welt).
Darunterliegende Zone: Zone der menschlichen
Natur Christi. Hochwande der seitlichen Kreuzarme
mit Festtagsszenen, die sich alle auf den Erdenwan-
del Jesu beziehen. Wichtige ergdénzende Passions-
szenen, die keinen Platz mehr zwischen den Fest-
tagsbildern fanden, wurden ausgelagert in den lin-
ken Teil der 4u8eren Vorhalle.
vv Die zweite Blickachse (Marienachse) verlauft
von Osten nach Westen. In der Halbkuppel der Ap-
sis die Mutter Gottes. Sie wird flankiert von Michael
und Gabriel (> Maria zwischen Engeln). Die apsis-
nahen Osttrompen sowie die oberen Streifen der
6stlichen Querschiffswande sind mit Szenen besetzt,
die gleichzeitig christologischen und mariologischen
Charakter haben. Die Szene der Darstellung Christi
im Tempel oben an der Westwand des stidlichen
Kreuzarmes leitet iiber zu den drei dem Protevange-
lium entnommenen Marienszenen im Stiden der au-
Reren Vorhalle. Die der Apsiswélbung gegentiber-
liegende Westwand des inneren Narthex ist der
Heimholung Maria vorbehalten.
In den Gurtbogen der Gewdlbe und den kleinen
Wandflachen sind folgende, im Plan nicht beriick-
sichtigte Heilige dargestellt: Prowos, Tarachos, An-
dronikos, Samonas, Gurias, Sergios, Bakchos,
Akynthinos, Auxentios, Ewgenios, Mardarios, Ore-
stios. In der Prothesis ist Johannes der Taufer, um-
geben von den alttestamentlichen Priestern Aron
und Zacharias, von den Bischéfen sind Silvester und
Anthimos, von den Diakonen Stephanos und Rufi-
nos, dargestellt. Im Diakonikon gesellen sich zu Ni-
20
kolaos Gregor der Wundertater, Gregor von Agri-
gent, Elephterios, Aberkus, sowie die Diakone
Lawrentius und Ewplos. (Mittelbyz. Goldmosaik-
darstellungen auch in Osios Lukas, Anfang des
11. Jh.s; Nea Moni Chios, Mitte des 11. Jh.s.)
Plan C
Elmali Kilise (Apfelkirche), Géreme, Kappadokien
(vermutlich um 1200). Der aus dem Felsen heraus-
gemei®elte Raum in Kreuzkuppelform ist mit Fres-
ken ausgestattet. Dem Bildprogramm nach zu urtei-
len diirfte der urspriingliche Name
»Kirche zu den Erzengeln« (Archangeli)
gewesen sein.
Der Programmaufbau ist dreizonig, wobei an man-
chen Stellen eine thematische Verbindung zwischen
der Mittelzone (obere Wandzone) und der Gewél-
bezone besteht.
Oberste Gewélbezone: 9 Flachkuppeln tiber Pen-
dantifs (Eckzwickel) durch Gurtbogen voneinander
getrennt. In der groBen Mittelkuppel der Pantokra-
tor. Das Kreuzmotiv seines Nimbus wird von
Schmuckfeldern, die ihn umgeben, nochmals aufge-
griffen und setzt sich auch in der Architektur, die
die Kreuzform betont, fort. (Die vier Eckkuppeln
liegen niedriger als die Mittelkuppel und die vier die
Kreuzarme betonenden Kuppeln.) In den Pendan-
tifs um den Pantokrator herum die vier Evangeli-
sten. Auf den vier die Hauptkuppel tragenden, sau-
lengestiitzten Gurtbogen acht Propheten (demge-
gentiber werden auf den restlichen Gurtbogen meist
weniger bekannte Heilige dargestellt). Von den ver-
bleibenden 8 Kuppeln sind 6 mit den Brustbildern
von Erzengeln besetzt, eine iiber der Mitte der
Westwand mit dem von Engeln gen Himmel getra-
gene Christus (iiber den zurtickbleibenden Apo-
steln), und eine von Engeln, die die aus der Mittel-
zone heraufragende Kreuzigung umschweben. Es
geht hier um Christus als den Herrn der himmli-
schen Heerscharen. Mittelzone: Sie besteht aus den
oberen Feldern der Wandabschnitte und aus den die
Kreuzstruktur der Gewélbezone hervorhebenden
Schildbogen, die die Kreuzarmseiten flankieren. In
dieser Zone herrschen Festtagsbilder vor, deren
Anordnung allerdings weder dem Ablauf des Kir-
chenjahres noch dem der Heilsgeschichte folgt.
Die Verteilung der Bilder im Raum steht meines
Erachtens im Dienste der Kreuzsymbolik: Der senk-
rechte Arm des Grundrifkreuzes wird dadurch als:
die Himmelslinie der géttlichen Natur Christi ausge-
wiesen: an der Westwand die Himmelfahrt, in der
Hauptapsis im Osten die — Deisis (Anbetung des
erhéhten Christus). Diese Symbolik wiirde auch er-
klaren, da® die Mutter Gottes von ihrem tiblichen
Platz in der Hauptapsis in die Prothesis Apsidiole
versetzt wurde (s.a. ihre Bedeutung fiir die > Pros-
Der Bildkosmos der byzantinischen Kirche
AO MraAPYD
AOFPMOAHZ
Deisis:
Christus
mit
Mariaund ἢ
Johannes Letztes ,
dem Taufer ; 7 Abendmahl J , Theodoros
Aufer-
ἤ stehung
am Grab i i | (zerstért)
" Heiliger
Anikitos so
Mehrere
Heili
ee Geburt
Christi
(mit Ver- ἢ Christus Ι Michael
kiindigung i mit
an die Fantokrater ; ἢ Schwert
Hirten)
Jesaias Daniel Lauros p laos
Verklarung
Christi
Martyrer [fF *JG0 ψ *’ Maria inmitten SQ l- ) Konstan-
) ͵ der Jiinger \ § τὰς S®* tin und
(Himmelfahrt) Christi : Helena
kung des
Lazarus
Drei Manner
im Feuerofen
1 Ewjenios
2 Lawrentios
3 Orestis
Plan C 4 Ewsthatios
21
Der Bildkosmos der byzantinischen Kirche
komedie). Der Erzengel Michael in der Diakoni-
konapsis weist einerseits darauf hin, daB Diakone
im Gottesdienst die Rolle der Engel tibernehmen
und betont andererseits, da8 die Elmali Kilise den
Erzengeln geweiht ist.
Der waagrechte Kreuzesarm entspricht der mensch-
lichen Natur Christi: Jesu irdisches Leben als
Mensch ist ausgespannt zwischen seiner Geburt
(links) und seinem Kreuzestode (rechter Kreuz-
arm). Beide Festtagsthemen sind durch erganzende
Szenen in den Schildbogen angereichert und akzen-
tuiert.
Die iibrigen Festtagsbilder sind dem verfiigbaren
Platz entsprechend im Raum verteilt. Zwei Motive —
die dem eigentlichen Festtagskalender nicht ange-
héren — haben eucharistischen Charakter und sind
den Schildbogen tiber den Nebenapsiden zugeord-
net; die Grablegung der Prothesis und das »histori-
sche« Abendmahl dem Diakonikon.
Unterste Raumzone: An den Wanden sind es vor-
wiegend Heilige, die die in der Kirche anbetenden
Gliubigen umstehen, sie in ihre Gemeinschaft mit
einbeziehen.
In dieser Kirche tritt das Kreuz mit seinem Schnitt-
punkt dem kreuznimbierten Christus. Pantokrator
als Mittelpunkt in mehrfacher Hinsicht in den Vor-
dergrund. Es wird im Dekor ebenso herausgehoben
wie in der Architektur und nicht zuletzt in der Pro-
grammsymbolik.
Die Betonung des Kreuzes und der Engel erinnert
an die Ausstattung von Kirchen, wie sie nach Ab-
schlu8 des Bilderstreites (843) in Konstantinopel
entstanden sind:
ve Kreuzkuppelkirchen haben sich vom 7.Jh. an
herausgebildet, ihre klassische mittelbyzantinische
Auspragung forinte sich nach dem Bilderstreit her-
aus. Die mehrfache Einbindung des Pantokrators
der Elmalikirche in die Kreuzsymbolik erinnert dar-
an, da Christus und die Heiligen Gestalten in der
Ikonoklastenzeit ausschlieBlich in der Form des
Kreuzsymbols dargestellt werden durften.
+ In der Gewélbezone der friihen nachikonoklasti-
schen Kirchen Konstantinopels erschien der Panto-
krator zwischen den Engeln. Dargestellt wurden
auch Heilige, Apostel und Propheten, jedoch keine
biblischen Szenen (dies ist zu folgern aus der Be-
schreibung einer untergegangenen Kirche anlaBlich
einer Einweihungsfestrede des Patriarchen Photios
von 881). Im Sinne des Dyonys Areopagita bilden
die — Engel die obersten Schichten, die das von
Christus-Gott ausstrahlende Licht widerstrahlen.
Die Apostel und Heiligen jedoch werden in Byzanz
als eine Art niederer Ordnung von Engeln angese-
hen. SchlieBlich trifft sogar noch ein abgeschwach-
ter Abglanz des Lichtes die Anbetenden unten im
Kirchenraum — und wenn es sich dabei, wie das wohl
22
in der Elmali Kilise der Fall war, um Ménche han-
delt, dann stellen diese als Trager des sogenannten
»Engelskleides« gewisserma8en die allerunterste
Engelordnung dar. Die Elmali Kilise versucht das
Programm der Engel- und Heiligenordnungen der
Kirchen des spaten 9.Jh.s mit dem neuen Festtags-
zyklus zu kombinieren. Die Datierungen der Fres-
ken streuen zwischen dem 11. und 13.Jh. Das Pro-
gramm scheint fiir eine méglichst frihe Datierung
zu sprechen. Weitere Kirchen in Géreme (Karanlik,
Carikli) kntipfen in Stil und Programm an die Elmali
Kilise an.
Plan D
O Jeros Naos tou Nikolaou Orphanou, Thessaloniki
mit spatbyzantinischen Fresken (Anfang 14.Jh.).
Uberdachter Lingsbau (offener Dachstuhl). Die
niedrigen, seitenschiffahnlichen Anbauten im Nor-
den und Siiden sowie die Vorhalle im Westen sind
im Plan nicht beriicksichtigt.
Das Programm weist einerseits die hochgelegenen
Wandteile und andererseits die Ostwand als beson-
ders bedeutungsvoll aus.
Von unten nach oben:
Unterste Zone (Sdéulenzone): An den Wanden ver-
schiedene Heilige, die -- ehemals selbst sterbliche
Menschen — zwischen der Welt der Menschen und
der Welt des Gdttlichen vermitteln. Mittelzone:
Hier wird hauptsichlich das Leiden Christi in erzah-
lender Reihenfolge dargestellt. Die Szenenfolge be-
ginnt mit dem historischen Abendmahl im Osten
der Nordwand, wird dann unterbrochen durch die
Apostelkommunion an der Ostwand, Vorbild fiir
das Abendmahl der Glaubigen. Auch die Mutter-
gottes in der Apsiswélbung, die in diese Zone einge-
bunden ist, betont die Inkarnation Gottes, die
menschliche und leidende Seite Christi. Uber Geth-
semane und den Judasku& im Osten der Siidwand
lauft die Bildfolge weiter bis in die Mitte der Nord-
wand, nur unterbrochen von der. Kimesis-Darstel-
lung (Heimholung Maria) im Westen genau gegen-
tiber der Apsisw6lbung. (Fiir Passionsszenen bevor-
zugt die byzantinische Kunst méglichst tiefgelegene
Stellen im Kircheninneren, in Osios Lukas z.B. die
Krypta.)
Oberzone: Von der Mittelzone in der Mitte der
Nordwand (Kreuzgestaltung) springt die Bildfolge
nach oben in die Nordecke der Bildwand (Kreuzi-
gung!). Die gesamte Oberzone ist von Festtagsdar-.
stellungen besetzt, wobei allerdings gewichtige Ab-
weichungen vom heutigen Festtagskalender beste-
hen. So wird heute anstelle der Kreuzigung die
Kreuzerhéhung bevorzugt. AuSerdem sind hier die
Szenen zur »groBen Woche« (Leiden, Kreuzigung
und Auferstehung) sehr stark ausgebaut. Einerseits
wird dadurch der eucharistische Akzent des Pro-
Der Bildkosmos der byzantinischen Kirche
so Der aufer- Christus
standene Christus erscheint
(nach rechts schreitend) zwei Frauen
Anbetung des
Christuskindes
durch die Magier
Verkiindigung
Maria
Darstel-
(David
lung
; u. Salomon)
Christi
Auffahrt τ
aus dem c B
Ci ae
δ π Yy s§
i ΝΟ δ I
WN L
1 Hades \ ‘ Ξ A
ἢ (Anastasis AY Os
H Auferste- οΜ
hung) 9 Ὁ
Zwei
Engel mit
liturgischen
Fachern
(Bogen-
laibung)
Kaiphas Aufer-
Grable- i weckung
t » di
oe ns Kleider avaris
fangen
Christi} Heiliger
Verspottung | Pilatus
durch 1 Heiliger Heiliger wascht
TTanzende undf seine
Hande
ἢ Musikanten
Heimholung
Maria
Kreuz-
abnahme
Verklarung
(Metamorphosis)
Kreuzigung
Himmelfahrt
(Apostel) (Mutter- (Apostel)
gottes)
Vorhalle mit Nikolaos-Legende
Plan D 23
Der Bildkosmos der byzantinischen Kirche
grammes verstarkt und andererseits hat man so den
Ablauf des Kirchenjahres (--» Festtagskalender) mit
der zeitlichen Abfolge der wichtigsten Stationen der
Heilsgeschichte (des Erdenwandels Christi) harmo-
nisiert.
Ein Festtagsbild (Kimesis > Heimholung Maria) ist
wegen seiner Beziehung zum Sterben in die mittlere
Zone herabgerutscht, ein weiteres (Himmelfahrt
Christi) wurde nach oben in die Giebelzone ver-
setzt.
Giebelzone: Der Leben-Jesu-Zyklus, der zugleich
Festtagszyklus ist, wird in den beiden Giebeln fort-
gesetzt. Unmittelbar auf die Auferstehung (—
Ostern) im Osten der Nordwand folgt im Ostgiebel
die Erscheinung des Auferstandenen, gegentiber im
Westgiebel die Himmelfahrt. Durch ihre Stellung
im Kirchenraum ausgezeichnet sind also die Szenen,
in denen der bereits Auferstandene vom Leiden be-
freit seiner Vergéttlichung entgegensieht. Die bei-
den Giebeldarstellungen enthalten inhaltliche H6-
hepunkte, die vergleichbar den Pantokratordarstel-
lungen in Kuppelkirchen sind.
Ostwand:
Das groBe Thema der Ostwand ist die Eucharistie.
In der untersten Zone umstehen in der Apsis die
groBen Kirchenlehrer und Liturgen den Altar
(v.L.n.r.: Athanasios, Chrysostomos, Basilios, Gre-
gor der Theologe).
In der Mittelzone kniipft die Apostelkommunion
(links die Austeilung von Brot, rechts die von Wein)
als Vorbild fiir die Eucharistie, die sich um den Al-
tar herum vollzieht, einerseits an den Passionszyklus
an, insbesondere an das historische Abendmahl, ;
gleich links daneben. Andererseits flankiert die
zweiteilige Darstellung die der > Maria zwischen
Engeln in der Apsiswélbung. Der Gottesmutter ist
die zweite Prosphore in der > Proskomidie geweiht
(s.a. > Brot). Auf ihre eucharistische Bedeutung
weist auch die Darstellung des aus einem eucharisti-
schen Tuch hervorgegangenen —> Mandylions tiber
dem Apsisbogen hin. Die Prosphorenpatene des
Abendmahls bedeutet gleichzeitig das Grab Christi
wie auch seine Wiege, und so ist tiber der Mandy-
liondarstellung in der Oberzone die Weihnachtsge-
schichte dargestellt, flankiert von zwei weiteren Sze-
nen, die beide ebenfalls zugleich christologische und
mariologische Bedeutung haben.
Die Zyklen in der Passions- und in der dartiberlie-
genden Kirchenfestzone setzen deshalb an verschie-
denen Stellen ein, damit die eucharistischen und
mariologischen Szenen in der Ostwand folgerichtig
in die szenischen Ablaufe eingegliedert werden
kénnen.
Aufere Vorhalle: An der Ostwand Szenen aus dem
Leben des heiligen — Nikolaus.
24
Siidliches Seitenschiff: Szenen mit dem heiligen Ge-
rasimos und seinem Léwen.
Thematisch wie stilistisch sind die Darstellungen
recht typisch fiir die spatbyzantinische Freskomale-
rei im Norden Griechenlands und im Siiden des sla-
vischen Balkans. :
Bei allen Unterschieden in den Programmen
zeichnen sich doch einige Haupttendenzen ab:
vx Darstellungen des Géttlichen werden
hochbewertet und stehen demzufolge auch
hoch oben im Kirchenraum. Darstellungen
menschlichen Seins und Leidens werden dem-
entsprechend tiefer angeordnet. Die Bildin-
halte werden also in eine hierarchische Ord-
nung eingebunden.
% Darstellungen der Eucharistie und Anspie-
lungen darauf finden sich auf der Seite des auf-
gehenden Lichtes im Osten. SchlieBlich ver-
kérpert sich in Brot und Wein das Licht der
Welt. Die Eucharistie findet im Allerheiligsten
statt.
ἧς Sterbe- oder Endgerichtsdarstellungen fin-
den sich im Westen, der Sonnenuntergangs-
seite.
Die Programme fallen schon deshalb recht un-
terschiedlich aus, weil auf unterschiedliche
Weise versucht wird, die verschiedenen in den
Bildreihen enthaltenen Tendenzen miteinan-
der zu einem logischen Gesamtgeftige zu ver-
knitipfen.
Wiedergabe der griechischen
und tiirkischen Begriffe,
Eigen- und Ortsnamen
Griechisch:
In byzantinischen Bildbeischriften wird der S-
Laut vorzugsweise mit C (weniger haufig mit
=) wiedergegeben. In diesem Buch wird fiir
die griechischen Ausdrucke die mittelbyzanti-
nische Schreibweise verwendet.
Der Umschrift der griechischen Worte liegt
die nachweisbar bereits um 1000 verwendete
neugriechische Aussprache zugrunde. Die
Kenntnis dieser Aussprache versetzt die Leser
in die Lage, sich mit Griechen tiber die Bei-
schriften zu den byzantinischen Bildern zu ver-
standigen.
Der Bildkosmos der byzantinischen Kirche
ὅν Thita -- abnlich klingend wie das englische
th -- wurde mit th umschrieben.
yz Zita — ein ausgepragt stimmhaftes 8 — wird
zur Unterscheidung vom stimmlosen s-Laut als
z wiedergegeben.
vx Ypsilon wird dann, wenn es als i (ohne Far-
bung in Richtung ii) gesprochen wird, als y
wiedergegeben. Fiir Omikron-Ypsilon mit
dem Lautwert u wurde ou gewahlt. Nach Epsi-
lon und Jota wird es ahnlich wie w gesprochen
und dementsprechend wiedergegeben.
τς Gamma wird als g umschrieben — obwohl
in der Regel wesentlich »hauchiger« ausge-
sprochen. Vor Epsilon und allen I-Lauten wird
es ZU].
Bei einigen Namen, die den Lesern in mittel-
europaischer Schulaussprache sehr vertraut
sind, wurde des leichteren Auffindens wegen
fiir die Stichworte die von Erasmus von Rot-
terdam konstruierte Aussprache der Um-
schrift zugrunde gelegt. Erasmische Schreib-
Konstantinopel, 1315-1321.
weisen im Text — in seltenen Fallen bevorzugt,
um die Benutzung von Literatur, die die schul-
sprachliche Umschrift benutzt, zu erleichtern —
wurden in Anfiihrungszeichen gesetzt.
Tiirkisch:
In der heute in lateinischen Buchstaben ge-
schriebenen Sprache werden einige Buchsta-
ben anders gesprochen als im Deutschen, dar-
tiber hinaus kommen vier zusatzliche Buchsta-
ben vor.
x ὁ ahnlich klingend wie dsch wird nicht um-
schrieben. Z. B. Cami (Dschami)
vr ς entspricht tsch, wird ebenfalls mit c wie-
dergegeben
vr 8. entspricht sch und wird auch sh um-
schrieben
ve & oft kaum hérbar, wird durch * ersetzt.
Z.B.: So’anli statt Soganli
yy 1ein sehr geschlossenes hervorgestoBenes i,
wird ununterschieden durch i ersetzt
x ventspricht w, bleibt v.
Anastasis — Osterdarstellung in der Apsis der Nebenkirche (Parekklision) der Chorakirche (Kariye Cami),
25
Der Bildkosmos der byzantinischen Kirche
Panajia (Allheilige) mit dem Christuskind. Fresko (Ausschnitt) auf einer maniotischen Stein-Bilderwand.
Georgskirche bei Dirou, Innere Mani, Peloponnes, postbyzantinisch.
26
Byzantinisch-christliche
Symbole und Bildmotive
von ABC bis Zahl
ABC
ABC
ABI/to AA®ABHTON*
awg/to alfawiton
»Aber Jesus sagte zu ihm: Wenn du wirklich ein
Lehrer bist und die Buchstaben gut kennst, dann
nenne mir die Bedeutung des A, und ich will Dir
dann die des B sagen.« Kindheitserzahlung des Tho-
mas 14 (NT-A)
»Ich bin das Alpha und das Omega, der Erste und
der Letzte.« Offbg. Joh. 22, 13
Der erste und der letzte Buchstabe — im Grie-
chischen Alpha und Omega - vertreten als
Kurzform das gesamte Alphabet. Dies wieder-
um reprasentiert die gesamte Zeit vom Urbe-
ginn bis zum Weltenende und zugleich den ge-
samten Kosmos. Wer lesen und schreiben
kann, beherrscht auf magisch-symbolische
Weise das Universum. Wenn das frtihchristl.
Monogramm Christi (> Kreuz) von Alpha und
Omega flankiert wird, weist dies den in seinem
Namenskiirzel vergegenwartigten Christus als
Beherrscher des Alls aus.
Griechische Grofbuchstaben
Das folgende griechische Majuskel-Alphabet
(mittelbyz. Typus) wird wegen seiner kosmi-
schen Bedeutung in Kirchen dargestellt und im
Ritus benutzt. Nahezu alle heiligen Gestalten
und Szenen sind mit kennzeichnenden Bei-
schriften — ausgeschrieben oder abgektirzt —
versehen (siehe Bildbeischriften im Anhang).
Beischriften und Abbreviaturen machen das Bild
zur Ikone. Die Orthodoxie erkennt kein Bild mit
christl. Motiven als Kultbild an, wenn die Beischrif-
ten fehlen. Die Buchstaben sind es, die die Darstel-
lungen mit Heilskraft anreichern. Allerdings sind
die kennzeichnenden Beischriften nicht immer ein-
fach zu entziffern:
x Die Formen der Buchstaben weisen — je nach
Epoche und Gegend -- starke Unterschiede auf.
x Die einzelnen Wérter werden meist ohne Zwi-
schenraum aneinandergereiht, haufig jedoch aus
Griinden der Bildkomposition mittendrin auseinan-
dergeschnitten. Der Artikel, aber auch abgekiirzte
Zusaitze zum Namen, wie »der Heilige«, »der Pro-
phet«, »der Erzengel« werden gerne in das folgende
Wort mit eingebunden. Im Griechischen ist es bis
heute iiblich, in Verbindung mit Namen den be-
stimmten Artikel zu benutzen. Man sagt »der Chri-
stus«, »der Gott«.
28
Ubersicht I: Griechische GroBbuchstaben
Buch- Bezeich- Lautwert abend-
stabe nung landische
Lautwie-
dergabe |
AA Alphas a a
B Wita Ψ
Gamma _ gh, νοῦ I- und g
E-Lauten J
A Delta dh (sehr weiches_ ἃ
englisches th)
866 Epsilon 6 -
Ζ Zita 5 (stimmhaft Ζ
etwa wie in
»Dunst«)
Hi Ita i ἃ oder e
(lang)
04 Thita th (englisch) t
ik Jota i, vor Vokalen j i
KK Kappa k k
AA Lambda 1 l
HM My m m
NH Ny n n
Z= Xi x x
0 Omikron o ο
NH Pi Ρ Ρ
P Rho r r
Ge \ Sigma s (stimmlos) 8
letzter Buchstabe,
nur als SchluB-s
ΝΥ Taw t t
YY Ipsilon i tioderi
$ Phi f f
Xx Chi ch (weiter vorne ch
gesprochen)
Ψ Psi ps ps
w Omega ὁ o (lang)
Die Buchstaben beider Ubersichten sind heraus-
fotografiert aus Beischriften zu Goldmosaik-
Darstellungen in Osios Lukas (kurz nach 1000).
Lediglich Xi und Psi wurden rekonstruiert. |
* Im byzantinischen Griechisch ist in der Regel der
altgriechische Buchstabe 2 durch C ersetzt.
ABC
ye Neben den Standardabkiirzungen fiir die ge-
briuchlichen heiligen Namen, die aus dem ersten
und letzten Buchstaben des Wortes bestehen, kom-
men auch Buchstabenkombinationen vor, deren
Abkiirzungsregeln schwer durchschaubar sind. Mit-
unter weist eine zirkumflexartige Linie hinter den
Abkiirzungen darauf hin, da8 Buchstaben ausgefal-
len sind.
vr Zwei bis drei Buchstaben werden haufig zu ei-
nem einzigen Zeichen zusammengefaBt (s.u. »No-
mina Sacra«!).
# Die Orthographie wird verhaltnismaBig freiztigig
gehandhabt. Insbesondere in den kappadokischen
H6hlenkirchen finden sich recht kitihne Schreibwei-
sen, Aus diesen ist allerdings zu erschlieBen, daB um
die Jahrtausendwende die Aussprache des Griechi-
schen ahnlichen Regeln folgte wie das heutige Neu-
griechische. Die deutsche Umschrift griech. Aus-
driicke in diesem Buch folgt so weitgehend wie még-
lich der byzantinisch-neugriechischen Aussprache.
Sie weicht in wesentlichen Punkten von der in deut-
schen Schulen fiir das Altgriechische tiblichen Aus-
sprache ~ einer Konstruktion von Erasmus von Rot-
terdam — ab.
a Nomina Sacra
Ubersicht II: Nomina Sacra
Einige Beispiele fiir Abkiirzungen heiliger
Namen und Namenszusatze:
ie Χὸ ISCHS Jesus Christos
ὃ MRTHY Miter Theou
(Gottesmutter)
LX
OAP O ARCH | O Archanggelos
(Der Erzengel)
® OA O Ajios
ay (Der Heilige)
0)
iw OAIO O Ajios Joannis
: (Der heilige Johannes)
0
2 ΟΟΗΚΜΟΘ OChrysostomos
(Der Chrysostomos)
Buchstaben mit christlich-mystischer
Bedeutung ᾿
Im Gegensatz zu den δι] πίββθη in der An-
tike besitzen in christl. Zeit auffallig wenige
Buchstaben eine spezielle symbolische Bedeu-
tung:
Alpha: Erster Buchstabe des Alphabets, Hin-
weis auf den Anfang (i archi). Seine Zusam-
mensetzung aus drei Strichen weist auf die
gottliche Trinitét hin. Daher werden gelegent-
lich Zierleisten aus dekorativ aneinanderge-
reihten A-Formen zusammengesetzt.
Taw: Bedeutet Zeichen, Siegel und Kreuz (-Ὁ
Kreuz, — Zahl).
Ypsilon: Abbild des Scheidewegs, Entschei-
dung zwischen Gut und Bése, auch Gabel-
kreuz (— Kreuz).
Das Alphabet, Symbol alles Seienden,
Symbol Gottes
In manchen byz. Kirchen hat man das Alpha-
bet an die Wand gemalt — so beispielsweise in
der Form einer Zierleiste an die linke Wand
der Medaillonkirche in Géreme. Das Alpha-
bet als die Gesamtheit der Buchstaben -- ma-
gisch zwingender allumfassender Zeichen —
steht, weil mit ihnen alles zu beschreiben ist,
fir die Gesamtheit all dessen, was ist. Die:
Buchstaben gelten als die Bausteine des durch
den Logos (Iégo"=-zihlen;-beschreibéii, lesen)
geschaffenen Kosmos. Wie in der Antike hielt
man im Friihchristentum die Buchstaben, die
beschreiben, fiir austauschbar mit dem, was
beschrieben wird. Wer die Buchstaben be-
herrscht, beherrscht die Dinge.
Fiir Christen bedeutete das Alphabet eine Re-
prdsentation der gesamten Schépfung ein-
schlieBlich des Schépfers. So kam in friih-
christl. Zeit der Brauch auf, da8 der Bischof
bei der Einweihung einer Kirche ein Aschen-
kreuz auf dem FuB8boden auslegte und darin
senkrecht und waagerecht ein griech. Alpha-
bet einzeichnete. Kirchengebaiude wurde und
und Omega wird schon im NT (Offb. Joh. 21.6
und 22, 13) als Selbstbezeichnung Christi ver-
wendet. Erstmals tauchen die beiden Buchsta-
ben -- spater haufig Kreuzeszeichen und Chri-
stogrammen beigefiigt — auf einer ins 3. Jh. da-
tierten Grabplatte auf (Rom, Kallistus Kata-
kombe). In friihchr. Zeit wurden Alpha und
Omega haufig in den — Nimbus der Christus-
gestalt eingefiigt.
Doch schon im Hebraischen bedeutet »Aleph
Teth« die Gesamtheit schlechthin. Der letzte
29
Abendmahl
Buchstabe des hebradischen Alphabets »Teth«
wurde »Zeichen« oder — seiner Form wegen —
»Kreuz« genannt und von Analphabeten an-
statt einer Unterschrift benutzt (sog. »Siegel«,
vergl. deutsch: »Mach Dein Kreuzchen drun-
ter«). Uberdies hat Teth als Zahlzeichen den
Wert 400. Das ist eine Zahl kosmischer Voll-
kommenheit. Im Hebriischen wie im Griechi-
schen sind alle Buchstaben gleichzeitig Zahl-
zeichen, was magischen Praktiken und Ver-
schliisselungen Tir und Tor 6ffnet.
Dichtungen, deren Vers-Anfangsbuchstaben
sich in alphabetischer Ordnung aneinanderrei-
hen, werden auf diese Weise aufgeladen mit
der allumfassenden kosmischen Kraft des Al-
phabets. Deshalb hat man magischen religié-
sen Formeln, Zauberspriichen aber auch ritu-
ellen religissen Gesangen die Form eines sol-
chen »alphabetischen Akrostichon« verlichen.
AT: Klagelieder Jeremia, Psalmen 9, 10, 25,
34, 37, 111, 112, 119, 145. Frithes Christen-
tum: Dichtungen von — Ephrém dem Syrer,
Gregor von Nazianz, --- Johannes Damasze-
nus. Der bekannteste akrostichische Hymnus
byz. Zeit ist der 24versige — Akathistos-
hymnus.
Abendmahl
— Eucharistie, -- Liturgie, > Proskomidie
Abraham
O ABPAAM
O Avraam
»Und wahrlich wir entsandten Abraham und gaben
seiner Nachkommenschaft das Prophetentum und
die Schrift.« Koran, 57. Sure 26
Juden, Christen und Muslims betrachten Abra-
ham als ihren geistigen, Juden und Muslims
auch als ihren leiblichen Stammvater. Fiir die
Juden ist ihr Gott der Gott Abrahams, Isaaks
und Jakobs, die Christen glauben, da8 Abra-
ham auf sie im Paradiese wartet und fiir die
Muslims sind Abraham selbst und seine Nach-
folger lange vor dem Erscheinen des Prophe- *
ten Mohammed ebenfalls schon echte Mus-
lims.
30
Abraham im Paradies mit dem armen Lazarus
in seinem Schofe. Kloster Dochiariou, Athos,
2. Hilfte 16. Sh.
Erzvater der Juden, Christen und Muslims
Der bedeutendste Erzvater aus dem AT (1.
Mose 11, 25ff.) wurde vermutlich Anfang des
2. Jahrtausends vor Christus in Siidbabylonien
geboren. Auf GeheifS} Gottes wanderte er mit
seinen Hirten und Herden nach Kanaan aus,
lebte und starb bei Mamre (Hebron).
Die Juden fiihren ihre Abstammung auf Abra-
ham, auf seinen mit Sara gezeugten Sohn
Isaak und seinen Enkel Jakob zuriick.
Fiir die Christen ist Abraham der Stammvater
Christi, und ein Vorbild unerschiitterlichen
Glaubens. In seinem Wirken und seinen Be-
gegnungen mit Gott sind die Ereignisse der
Heilsgeschichte wie auch sakramentale Gna-
dengaben des christl. Kultes — schattenhaft
vorgebildet. Fiir die Muslims ist »Ibrahim«
tiber seinen mit der Magd Hagar gezeugten
Sohn Ismael der Stammvater der Araber.
Ibrahim sagt den Auftritt eines Propheten fiir
die Araber voraus, gilt als Hiiter des Heilig-
tums in Mekka und hat eine géttliche Offenba-
rung erhalten, die Mohammed als inhaltlich
tibereinstimmend mit dem Koran ansah.
Abraham
Einzeldarstellungen
¥e Abraham der Prophet: Abraham wird auf
Medaillons, in Ganzfigur oder als Biiste, gele-
gentlich unter die Propheten eingereiht, haufi-
ger unter die Vorvater Christi.
τς Abrahams Schof: Ikonographisch interes-
santer ist die Darstellung von Abrahams
Scho8, die haufig in Verbindung mit Endzeit-
darstellungen auftritt: Der Erzvater mit lan-
gem weifem Haar und Bart — haufig sogar die
Dreiergruppe Abraham, Isaak und Jakob --
sitzt im Paradies, im Scho8e lauter winzig klei-
ne Menschlein. Die spatjiidische Vorstellung,
da sich der »Same Abrahams« am Ende der
Zeiten wieder in seinem Scho versammle —
der Zustand des Menschen nach seinem Tod
entspricht dem vor seiner Geburt (~ Geburt
Christi) -- wird im NT aufgegriffen im Gleich-
nis vom reichen Mann und armen Lazarus.
Auf manchen Darstellungen des > Endgerich-
tes ist es die kleine Figur des Lazarus, die ge-
borgen in Abrahams SchoB sitzt, wahrend der
ungerechte Reiche im Feuerstrom Qualen er-
leidet (Chora-Kirche, Konstantinopel, 1315-20,
Athoskirchen). Abraham wird bis heute in der
griech. Totenliturgie erwahnt: sein SchoB ge-
hért ebenso wie das Land Kanaan zu den Para-
diesvorstellungen.
Szenische Darstellungen
1. Gastfreundschaft
2. Melchisedek
3, Opferung Isaaks.
Die Ermenia — das Malerhandbuch vom Berge
Athos, das die Bildprogramme orthodoxer
Kirchen inhaltlich beschreibt — nennt neun
Szenen mit Abraham, von denen drei haufiger
vorkommen:
1. »Die Gastfreundschaft Abrahams«. Hinweis
auf die Trinitat und das Abendmahl (—> Pfing-
sten).
2. »Das Opfer Melchisedeks«, Abraham hat ei-
ne Schlacht gewonnen, Melchisedek zieht ihm
entgegen, um ihn zu segnen:
»Aber Melchisedek, der K6nig von Salem, trug
Brot und Wein hervor. Er war ein Priester Gottes,
des Héchsten.« 1. Mose 14, 18
Sein »unblutiges Opfer« ist eine Anspielung auf
das Abendmahl, in dem Christus gleichzeitig
das Opfer und der opfernde Priester ist (+ Eu-
charistie). Christus selbst wird in den liturgi-
schen Texten (nach Hebr. 7, 11) als »Priester
nach der Ordnung Melchisedeks« bezeichnet.
In einem Mosaik anfangs 5.Jh. (Santa Maria
Maggiore, Rom) erscheint iiber Brot und
Wein in den Wolken Christus, dessen Rechte
auf Melchisedek weist, der die »eucharisti-
schen Gaben« Abraham und seinem Gefolge
darbringt. Auf einem Mosaik im Allerheilig-
sten von San Vitale, Ravenna, 6.Jh., opfert
Melchisedek auf einem Abendmahlsaltar
Brot, wahrend ihm gegentiber in der gleichen
Darstellung Abel ein Lamm darbringt. An der
Wand gegeniiber »Die Gastfreundschaft Abra-
hams« und »Opferung Isaaks«. Eine Kopie des
Meichisedek-Abel-Motivs findet sich in Sant’
Apollinare in Classe b. Ravenna, 7.Jh. In
Darstellungen als Einzelfigur tragt Melchise-
dek eine Bischofskrone, halt eine Schtissel mit
drei Broten, bisweilen ein Spruchband:
»Der Name des Herrn soll gepriesen werden von.
nun an bis in Ewigkeit.« Hiob 1, 21
3. »Isaaks Opferung« (s.1. Mose 22). Auf Got-
tes Gehei8 soll Abraham seinen spatgeborenen
Sohn — Sara war bereits 100jahrig — auf einem
Berg als Brandopfer darbringen. Er greift
zum Messer, doch erhebt der Engel des Herrn
Einspruch:
»Lege deine Hand nicht an das Kind und tu ihm
nichts an, denn nun wei8 ich: Du fiirchtest Gott und
verschonest nicht deinen einzigen Sohn um meinet-
willen.« J. Mose 22, 12.
Als Ersatzopfer nimmt Abraham einen Bock,
der sich im Gebiisch verfangen hat. Die Erzah-
lung spiegelt Entwicklungsgeschichtliches, die
Ablésung des Menschenopfers durch das Tier-
opfer.
Frithe Darstellungen in spatjtidischen Synago-
gen (Dura-Europos, Syrien, ca.245 n.Chr.),
besonders haufig als Katakombenmalereien
und als Sarkophagreliefs. Im Friihchristentum
wird die Szene als bildhafte Vorwegnahme
(und gewissermaBen Garantie) der Errettung
der Seele des Toten verstanden. Von konstan-
tinischer Zeit an wird Isaaks Opferung zum
Hinweis (Prafiguration) auf die Passion Christi
und spatestens vom 6.Jh. an (San Vitale, Ra-
venna) auf das Abendmahl. Die Gleichsetzung
von Jesus und Isaak wird dadurch begtinstigt,
31°
Adam und Eva
daB im Griechischen beider Namen mit dem
gleichen Buchstaben beginnen.
Adam und Eva
O AAAM KAI H EVA
O Adam kai Ewa
»Durch einen Menschen wurde der Tod bewirkt,
und durch einen Menschen die Auferstehung von
den Toten. Wie in Adam alle dahinscheiden, so
werden in Christus alle zum Leben erweckt.« 1. Kor.
15, 21-22 :
»Mit der Hand bildetest Du Adam aus Erde, fiir ihn
wurdest Du der Natur nach Mensch und wolltest
gekreuzigt werden zu seiner Rettung. ... Durch-
bohrt wurde Dir die Seite, mein Schépfer, aus ihr
bewirktest Du die Neuerschaffung der Eva, dadurch
da& Du Adam wirst, wundersam schlafend den le-
bensspendenden Schlaf und das Leben herausneh-
mend aus Schlaf und Verderben.« Aus der Liturgie
vom grofen Freitag
Adam und Eva anbetend vor dem leeren Thron
in einer Darstellung der Wiederkunft Christi.
Kloster Esphigmenu, Athos, Anfang 16. Sh.
Das Urelternpaar der Menschheit (1.Mose 1
und 2) — Adam, der aus Erde gemachte, und
Eva, die vom Manne gemachte, hat durch den
Stindenfall Tod in die Welt gebracht. Sie ste-
hen im Gegensatz zu Christus und Maria,
durch die die Welt neu geschaffen und das
(ewige) Leben gebracht wird.
Verhaltnis Adam — Christus und Eva — Maria
Nach orthodoxer Auffassung ist Adam von
Gott geschaffen als ein Wesen, das durch
32
seinen »Erd-Leib« am Materiellen, durch
seine Seele an der geistigen Welt teil hat. Die
Folgen seines Stindenfalles wurden nicht auf
die Nachkommen vererbt: Vielmehr ist die
Menschheit von ihrem Uranfang an mit dem
Urelternpaar verbunden und hat so Teil an sei-
ner Siindhaftigkeit. Fir die bildliche Darstel-
lung sind Adam und Eva insofern interessant,
als sie einerseits die erlésungsbediirftige
Menschheit personifizieren und andererseits,
als sie den Lebensbringern Christus (neuer
Adam) und Maria (neue Eva) entgegengesetzt
werden.
In postbyz. Zeit wird dem Schépfungs- und
Siindenfallzyklus ein Zyklus mit der Passion
Christi und seiner Auferstehung (~ Ostern)
gegeniibergestellt.
Darstellungen der erlésten Ureltern
Die Kreuzigung des »neuen« rettet den alten
Adam, dessen Totenschddel auf Darstellungen
der -» Kreuzigung von Christi erlésendem
Blut benetzt wird. Wie aus der gedffneten Sei-
te Adams Eva geschaffen wurde, so kommt
das Heil der Neuschépfung der Menschheit --
so die Liturgie — in Gestalt des eucharistischen
Blutes aus der offenen Seitenwunde Christi.
Bei seiner Auferstehung (> Ostern) zieht
Christus das Urelternpaar aus dem Sarkophag.
Auf spat- und postbyz. Darstellungen seiner
Wiederkunft sind Adam und Eva, sich aus den
Sargen erhebend — wie im Auferstehungsbilde
zu sehen —, als Vertreter der Menschheit ge-
genwartig (Chora-Kirche, Konstantinopel;
Meteora und Athos-Kléster).
Zyklen um Adam und Eva
Schépfung, Siindenfall, Vertreibung,
Kain und Abel
»Schdpfung«: Das Verbot der éstlichen Kir-
chen, Gottvater bildlich darzustellen, schrank-
te die Méglichkeiten, die Schépfungsakte auf
Mosaiken und in Wandmalereien wiederzuge-
ben, ein. In den seltenen Schépfungsszenen |
mittelbyz. Zeit hat man Gottvater durch Chri-
stus ersetzt (Basilika in Monreale,, Ende
12.yh.).
In den spatbyz. Gesamtzyklen, denen die Pas-
sion und Auferstehung Christi gegentiberge-
stellt werden, tragt die géttliche Schépferge-
stalt einerseits den Kreuznimbus Christi, ande-
Adler/Kreuzadler
rerseits -- entsprechend westlicher Tradition —
den Bart Gott Vaters (Rhodos Panajia Lindos
und Kattawia, 18.Jh.). Adam steht bei seiner
Erschaffung nackt vor Gott, Eva tritt aus dem
schlafenden Adam heraus und erhebt anbe-
tend die Hande.
»Adam gibt den Tieren Namen«: Gott selbst
schafft die Dinge, in dem er sie anruft. Er
macht nach 1.Mose 2, 19 Adam zu einer Art
von Mitschépfer indem er ihn beauftragt, den
Tieren Namen zu verleihen. Das Motiv wird in
spatbyz. Zeit auch unabhangig vom Zyklus
dargestellt; Adam nackt unter einem Baume
sitzend, eine Hand auf dem Knie, mit der an-
deren auf Tiere weisend, u.a. auf Schlange,
Elefant, Lamm, Tiger sowie auf mehrere dra-
chenahnliche Fabelwesen. Boden und Hin-
tergrund des Paradieses als Ort der Helle
(> Endgericht) sind weiB (Meteora Kloster
Nikolaos Anapawsas, Anfang 16. Jh.).
»Die Ubertretung«: Siindenfall: Adam und
Eva stehen nackt unter einem groBen Feigen-
baum. Die sich darumwindende Schlange halt
ihren Kopf an Evas Ohr, dringt gleichsam in
sie ein. (Die neue Eva, Maria, empfangt den
Christus-Logos ebenfalls durchs Ohr). Mit ei-
ner Hand fiihrt Eva die Frucht zum Munde,
mit der anderen reicht sie Adam ein Sttick.
Das Motiv kommt in verkiirzter Form schon in
der friihchristl. Sarkophagkunst vor. In der
Buchmalerei des 11. bis 13.Jh.s kann die
Schlange ersetzt sein durch einen saurierahn-
lichen Vierbeiner. Jiidischer Uberlieferung
nach glich sie vor dem Stindenfall einem Ka-
mel, das der Satan ritt. Danach hatte sie zur
Strafe ihre FiiRe verloren J. Mose 3, 14.
»Vertreibung« und »Wehklage«: Die Ureltern
fliehen, mit einem Feigenblatt bekleidet, aus
dem Paradies. Ein sechsfliigeliger Cherub be-
wacht das Tor. Oft wird auch dargestellt, wie
die beiden das verlorene Paradies beweinen,
und wie sie arbeiten. Adam bearbeitet die
Erde mit einer Hacke, Eva sitzt bei ihm mit
dem Spinnrocken in der Hand — dem Attribut
der Eva wie auch Marias als der neuen Eva
(= Verkiindigung Maria).
»Die Séhne der Ureltern — Kain und Abele.
»Geburt des Kain« und »Geburt des Abel«: In
einer Grotte liegt Eva auf ihrem Kleid. Adam
hat den kleinen Kain auf dem Arm. Ahnlich
ist die Szene mit der Geburt Abels aufgebaut.
Das Kind wird von Adam und dem jugend-
lichen Kain gebadet -- in Anspielung auf die >
Geburt Christi. Abel gilt als Christi Typos.
»Abel hiitet Schafe« und »Kain bearbeitet die
Erde«! Die Gestalt des Abel, der mit einem
Stab Schafe hiitet, weist auf Christus als den
guten Hirten hin. Kain hat zwei Kiihe vor den
Pflug gespannt.
»Opfer Kains und Abels«, »Brudermord«,
»Adam und Eva beweinen Abel«: Abel opfert
in den Flammen auf einem Altar ein Lamm —
auch dies ein vorbildhafter Typos ftir Christus
als das in der —> Eucharistie dargebrachte
Lamm Gottes. Der Rauch des Gott wohlgefal-
ligen Opfers steigt nach oben. Kains Opfer da-
gegen, eine Korngarbe, wird von Gott nicht
angenommen — ihm schlagen die Flammen des
Opferfeuers ins Gesicht.
Eiferstichtig auf seinen Bruder und auf die
Liebe Gottes, schlachtet Kain den Jiingeren
auf einer Bergkuppe ab. Der Ermordete wird
von Adam — 150 Jahre alt, daher grauhaarig
dargestellt - und Eva beweint. Oft erscheint
noch ein Engel mit dem Schriftband: »Weine
nicht, er wird auferweckt werden am jiingsten
Tag.«
Weitere Darstellungen von Adam und Eva >
Endgericht, — Ostern, — alttestamentliche
Szenen.
Adler /Kreuzadler
O AETOC/O CTAVPOAETOC
o Aetés/o Stawroaetés
Der Adler spielt seit altersher im Mythos eine
groBe Rolle, desgleichen in der religidsen
Symbolik. Zwei seiner Grundbedeutungen ha-
ben sich in der byz. Kunst durchgesetzt. Einer-
seits die Zuordnung zur Staatsmacht — dem τὸ-
mischen Kaiser und, in Form des Doppelad-
lers, dem byz. Herrscher, andererseits die
Zuordnung zur Region des Himmels, des
Lichts und der Géottlichkeit. Besonders deut-
lich wird das am Motiv Adler und Schlange,
das auch in indianischen Kulturen und in
Asien verbreitet ist. (In Indien und Indonesien
ist der Himmelsadler Garuda der Schlangenté-
ter.) Die beiden Tiere versinnbildlichen den
33
Adler/Kreuzadler
Kampf des Lichtes mit der Finsternis, des
wohltatigen Wassers mit dem zerstérerischen
Feuer — im christl. Verstandnis der Kampf des
Adlers — Christus — Lichtes mit der Schlange —
Satan — Finsternis. Nach Basilios ist der Adler,
der seine Jungen im Nest gegen die Schlangen
verteidigt, ein Bild Christi, der die Menschen
in der Welt vor dem Bésen beschiitzt.
Seelenvogel des rémischen Kaisers
Ein Adler mit Blitzbiindel zwischen den Kral-
len schmiickte als Symbol Jupiters die Feldzei-
chen der Rémer. Die Seelen der auf dem
Scheiterhaufen verbrannten rémischen Kaiser
flogen in der Gestalt eines Adlers gen Him-
mel. Man stellte derartige --9 Himmelfahrten
nicht nur bildlich z.B. auf Mtinzen dar, son-
dern lie am Verbrennungsplatz tatsachlich ei-
nen gefangenen Adler frei. Diese Idee von der
Adlerseele des Kaisers (bzw. vom —> Pfau der
Kaiserin) stellt nur eine Ausformung der allge-
mein verbreiteten Vorstellung dar, daB die
Seelen in Vogelgestalt in die jenseitige Welt
fliegen.
es By ΒΩ a Dikpranntics
Adler und Schlange. Flachrelief auf einer Basis,
Umgebung von Mistra, spdtbyzantinisch.
Symbol Christi
Vom 4. Jh. an werden Elemente des rémischen
Kaiserkults auf den Weltenherrscher Christus
iibertragen; kaiserliche Apotheosebilder ha-
ben die Darstellungen von Christi > Himmel-
34
fahrt und deren Symbolik stark beeinfluSt. In
der altchristl. Sarkophagkunst wandelt sich
der kaiserliche Seelenvogel zum Symbol des
auferstehenden und auffahrenden Christus.
Gelegentlich erscheint der Adler tiber den Re-
lief-Triumphkranzen mit dem sonnenhaften
Christusmonogramm (auf Sarkophagen!): Im
alten Orient wie in Rom war der Adler auch
Symbol der Sonne und des Lichtes.
Adler und Taufe
Der Physiologus vergleicht in bezug auf Psalm
102 (103), 5: »Du wirst wieder jung wie ein
Adler« den Adler, der sich durch ein drei-
faches Bad in der Quelle verjiingt, mit dem
Katechumenen (Taufanwarter), der durch die
Taufe zum neuen Menschen wird.
In Indien und Indonesien wird dem Adler das
Wasser, seinem Widerpart Schlange das Feuer
zugeordnet. Der Gétteradler Garuda hat fiir
seine Auftraggeber das heilige Wasser der Un-
sterblichkeit gestohlen. Auch der griech.
Zeus, dessen Wahrzeichen der Adler ist, war
als Wettergott Herr tiber den Regen.
Byzanitinischer Doppeladler. Relief aus Andros, 1805.
Byzantinischer Doppeladler
Der Doppeladler als Reprasentation des byz.
Reiches ist eine Weiterentwicklung des rémi-
schen Adler-Feldzeichens. Die beiden Adler-
képfe weisen angeblich auf die beiden Teile
Altar /Altargeriit
des christlich r6mischen Reiches nach Theodo-
sius (nach 395), auf den Osten und den Westen
hin.
Es spricht einiges dafiir, daB der Adler seinen
zweiten Kopf byz. Webtechnik verdankt. Mu-
ster mit axialsymmetrischen Figuren lassen
sich webtechnisch besonders rationell anferti-
gen. Dementsprechend haufig sind byzantini-
sche Gewebe mit Doppeladlern bzw. mit am
Kopf zusammengewachsenen Adlerpaaren or-
namentiert.
Symbol des Christenvolkes im Freiheitskampf
In den Klephtenliedern der griech. Freiheits-
kdmpfer erfahrt das Symbol des aufsteigenden
Adlers, insbesondere des wegen seines Flug-
bildes in der Form eines Kreuzes als Kreuz-
adier bezeichneten K6nigsadlers, eine Um-
deutung: Aus dem Symbol Christi wird ein
Symbol des sich gegen die Osmanenherrschaft
erhebenden christl. Volkes.
Unter den vier Evangelistensymbolen verkér-
pert der Adler Johannes (> Evangelisten).
Akathistos-Hymnos
O AKAOICTOC YMNOC
O Akathistos Ymnos
Marienhymnus mit 24 Versen, wird im Stehen
-- wortlich iibersetzt: »ohne da man sich hin-
setzt« — gesungen (— Maria, > Marienzyklus,
— Ikonenwunder).
Akklamation
H HWPOC®WNHCIC
i Prosfénisis
Zuruf mit der erhobenen Rechten zur Bestati-
gung einer Wahl oder zum Lobpreis im Rah-
men des rémischen, spater des byz. Kaiser-
kults.
Von dort wurden die Akklamationen in die
Liturgie tibertragen — als Lobpreisung fiir den
Weltenherrscher (Pantokrator) Christus, ins-
besondere in seiner Gestalt als > eucharisti-
sche Gabe.
w Axios (wiirdig) im Altertum Bestiatigung
bei einer Abstimmung, wurde spater zur Bi-
schofswahl per Zuruf benutzt. Bei den Kopten
und christ]. Athiopiern wird der Neugetaufte
als »wiirdig« akklamiert. Mit »axidn estin« be-
ginnt das wichtigste Marienlied (Theotokion)
der Chrysostomosliturgie (— Maria). Der
Dichter und Nobelpreistrager Elytis setzt sich
in seinem von Mikis Theodorakis vertonten
naturlyrischen Zyklus »Axion estin« ganz be-
wuBt damit auseinander.
GriiBender Engel, Verktindigung Maria.
Klosterkirche von Daphni bei Athen, Ende 11.Jh.
ἈΞ Chdare (altgr. chaire -- freue Dich), einlei-
tender Zuruf im »Englischen Gru8« an Maria
(Ave!) ist eine giangige alt- wie neugriech.
GruBformel.
vw Zurufe mit halberhobener rechten Hand
driicken als wegwerfende Bewegungen Ableh-
nung aus — insbesondere auch auf Passionsdar-
stellungen. Mit der Geste und dem Ausruf
»Anathema« (verflucht sei!) wurden Irrlehren
verurteilt.
Alphabet
— ABC
Altar /Altargerat
H ATTA TPAMEZA
i ajia traépeza
Ein Altar ist Anbetungs- und vor allem Opfer-
statte fiir eine Gottheit, auch fiir Ahnen- oder
Totengeister (Begrabniskult). ;
Der Altar der orthodoxen Kirche hat rituelle
Funktionen -- er steht im Zentrum des kulti-
schen Geschehens. Geichzeitig ist er einge-
hilt in ein vieldeutiges Bedeutungsgeflecht:
35
Altar ΑΙ αγρεγᾶϊ
Er ist
ἧς Opferstatte, an der Christus als Erzprie-
ster selbst, vertreten durch den handelnden
Priester, das Opfer darbringt (Thysiastirion).
τς Opferstitte, auf der Christus als das Lamm
in der Gestalt von Brot und Wein geopfert
wird.
tr Uberhimmlischer Thron Gottes, zugleich
-» Jeerer Thron Christi, bereitet fiir dessen
Wiederkunft.
+ FuBpunkt der Himmelsleiter zu Gott.
ye Grab Christi.
ἐγ Krippe Christi.
ty Grab einer Reliquie.
In die umfassende Symbolik sind auch alle Ge-
ratschaften einbezogen — acht, die sich sténdig
auf dem Altar befinden, weitere sieben, die
fiir den Abendmahlsgottesdienst und seine
Vorbereitung (—> Proskomidie) dienen.
Der Altar als Zentrum von Kirchenbau
und Kult ;
In einer griech. Kirche gibt es nur einen Altar
im Allerheiligsten hinter der »schénen Pforte«
(oréa pyli). Der Tisch links in der Prothesis
(nérdliche Nebenapside) ist ein Riisttisch fir
die Vorbereitung des Abendmahls. Er wird in
Kirchen mit nur einer Apsis durch eine Wand-
nische ersetzt. In groBen Kirchen gibt es aller-
dings Nebenkapellen mit je einem zusatzlichen
Altar.
Da pro Altar und Tag nur ein eucharistischer
Gottesdienst gefeiert werden darf, ermdg-
lichen es die zusdtzlichen Altére, mehrere
Abendmahlsfeiern in einer Kirche abzuhalten.
Heiligenaltare wie in der r6misch-katholischen
Kirche sind in der orthodoxen nicht tiblich.
Heute werden Altaére aus Stein errichtet und
mit einer allseitig vorkragenden Platte tiber-
deckt, daritber kommt ein Tuch, auf das die
Altargeriite gestellt werden.
Nach alter Sitte werden griech. Altaére noch
heute von einem — Ciborium -- es stellt den
Himmel dar — iiberw6lbt.
Einem Altar direkt den Riicken zuzuwenden
zeugt von Mangel an Respekt. Den Altarraum
diirfen durch die Schéne Pforte hindurch nur
Geistliche betreten.
(Sinnbildliche Bedeutungen des Altars — Kir-
chengebiude.)
36
Ciborientiberwélbter Altar des Tempels in Jerusalem
aus der —> Darstellung Christi.
Goldmosaik in Osios Lukas bei Stiri, Anfang 11. Jh.
Die historische Entwicklung des Altars
zum Reliquiengrab
Die einfachen Tische des friihchristl. Liebes-
mahles — eines bereits im NT erwahnten ge-
meinsamen Mahles der Gemeinde -- wurden
ab Ende des 2.Jh.s, als die ersten Kirchen ent-
standen, nach und nach durch feste Altare er-
setzt. Die Sitte, an Martyrergrabern Abend-
mahlsgottesdienste zu begehen, fiihrte dazu,
Gedenkbauten (Memorien) und gréfere
Grabbauten fiir bedeutende Martyrer zu er-
richten, unmittelbar tiber den Grabern auch
Altare.
Mit dem Ende der Christenverfolgungen in
konstantinischer Zeit wurde der Reliquienkult
mehr und mehr zum Zentrum volkstiimlicher
Frémmigkeit. Man teilte die Martyrergebeine
auf, verbrachte sie an Orte, die bis dahin noch
nicht mit Reliquien geheiligt waren und setzte
sie unter oder im Altar selbst bei; er nahm
damit endgiiltig den Charakter eines Grabmals
an.
Der begrenzte Vorrat an Gebeinen lieB einen
Bedarf an Reliquien zweiter Ordnung entste-
hen, an Dingen, die mit den Gebeinen in
Beriihrung gekommen waren. So wurden die
Altarvorderseiten mit einem fensterartigen’
Durchbruch zur Reliquie hin — die sogenannte
Confessio — versehen.
Da hindurch haben die Glaubigen Giirtel,
Bander, Stolen zur Reliquie hinabgelassen (>
Gewander) oder aber — Ol auf die Gebeine
aufgegossen, das man hernach wieder auffing.
Altar/Altargerdt
Die Weihnachtskrippe des Christuskindes ausgebildet als Grabaltar. Ausschnitt aus der Geburt Christi in der
Klosterkirche von Daphni bei Athen. Ende 11.Jh.
Besondere Bedeutung gewann die Confessio
itiber dem Heiligen Grab in Jerusalem, haufig
dargestellt mit der Ollampe tiber dem Altar,
vor allem auf Pilgerflaschchen. Gier nach Reli-
quien fiihrte dazu, da sich vor dem Altar hau-
fig Szenen abspielten, die mit der Heiligkeit
des Ortes schlecht zu vereinbaren waren -- ei-
ner der Griinde fiir die vom 5.Jh. an aufkom-
mende Tendenz, den Altarraum durch Schran-
ken und Vorhange von den Glaubigen abzu-
sondern.
Die Gerate auf dem Altar
Alle Gerite auf dem Altar haben ihre Bedeu-
tung fiir den Gottesdienst. Im Notfall kann der
Priester auf sie verzichten — allerdings auf ei-
nes nicht, auf das Antiminsion.
1. Antiminsion: Leinentuch mit Futter (wortl.:
»anstelle des Tisches«), in das der Bischof bei
der Weihe eine Kapsel mit Reliquienteilen
einlegt. Es liegt zusammengefaltet auf dem Al-
tar und wird wahrend der »Liturgie der Glau-
bigen« vor dem grofen Einzug feierlich aus-
Ubersicht tiber die Geraite auf einem Altar.
einandergefaltet. Mit der Grablegung Christi
und den vier Symbolen der Evangelisten be-
stickt, reprisentiert es das Grablinnen Christi.
Es dient als Unterlage fiir die Abendmahlsga-
ben; ohne das eingendhte Reliquienstiick kann
der Priester keine Liturgie feiern; dies erst
macht den Altar zum heiligen Tisch und zu-
gleich zum heiligen Grab Christi. (In der ré-
misch-katholischen Kirche ist die Reliquie in
den Altar selbst eingelassen.)
37
Altar /Altargeréit
(+) Lt
Symbolornament (2 Fassungen) auf Altardecken
der mittelbyzantinischen Zeit (und auf priesterlichen
—» Gewdndern); eine zeichenhaft vereinfachte
Darstellung der Confessio des Heiligen Grabes in
Jerusalem.
Vorldufer des Antiminsion sind Altardecken,
auf die ein- oder mehrfach ein von vier Win-
keln umgebenes Feld appliziert war. Mitten-
drin findet sich ein achtstrahliger Stern (Opfer
Abels und Melchisedeks, San Vitale, Raven-
na, 538-544, Sant’Apollinare in Classe, 7. Jh.)
oder ein Kreuz (Osios Lukas, Anfang 11.Jh.,
Ochrid in Makedonien, Periwleptos 1295),
letzteres oft erginzt durch vier Punkte, die die
Abendmahlsbrote darstellen (—> Brot, --
Proskomidie).
Die Bedeutung dieses auf Abbildungen von
Altdren des 6.-14.Jh.s tiblichen und zundchst
ratselhaften Vier-Winkel-Symbols wird durch
eine Darstellung »Engel und Frauen vor dem
leeren Grab« auf einem byz. Kastchen (Kast-
chen Sancta Sanctorum, Vatikan, 6.Jh.) er-
hellt: Anstelle des leeren Grabes findet sich im
Hintergrund die konstantinische Grabeskir-
che, in Form einer Aedicula (—~ Ciborium mit
zugebauten Seiten). Durch die gedffnete Tir
sind die vier Winkelflachen mit dem Kreuz zu
sehen: Bildkiirzel fiir das Grab Christi.
Von der Altardecke mit dem Zeichen »heiliges
Grab« bis zum Antiminsion in der Bedeutung
‘»Christi Grablinnen« ist nur ein kleiner
Schritt. Zwei Fresken von antiminsionahnli-
chen Tiichern mit eucharistischen Symbolen
sind gegen 1070 entstanden (Shakli Kilise, Gé-
reme, — Kreuz, —-> Mandylion, - Proskomi-
die). Vom 13.Jh. an wurden die Antiminsion-
tiicher mit Darstellungen der Grablegung be-
stickt.
2. Ewangelion: ein kostbares Buch mit den
Evangelientexten liegt auf dem Altar. Wird in
der »Liturgie der Katechumenen« in einer fei-
erlichen Prozession (kleiner Einzug) ins Kir-
chenschiff und durch die Schéne Pforte wieder
38
IN μὰ κῃ arr
gi eee eee me eat ellen
Evangelienbuch in der Hand des zwischen dem
Kaiserpaar Konstantin LX. und Zoi thronenden
Christus. Empore Ajia Sophia, Konstantinopel,
1. Halfte 11. dh.
hin zum Altar gebracht (+ Eucharistie, > Li-
turgie, > Geburt Christi).
3. Altarkreuz: groBes Standkreuz, verbleibt
auf dem Altar.
4, Segenskreuz: 20-30 cm hoch mit Griff, ge-
schmiickt mit dem Bild des Gekreuzigten, oft
auch mit anderen Szenen aus dem NT, steht
rechts neben dem Evangelienbuch. Der Prie-
ster erteilt mit dem Kreuz den Segen. Byzant.
Kreuze waren zur Ehre Gottes aus Edelmetall;
in der Zeit der Tiirkenherrschaft muBte sich
die verarmte Kirche auf etwa 20 cm hohe, in
unedles Metall gefaBte Holzkreuze beschran-
ken, deren reiches Schnitzwerk den Verlust im
Materialwert ausglich. Heute werden Segens-
kreuze aus Bronze gegossen. Die dlteste Dar-
stellung (San Vitale, Ravenna, 526-547) ist
das geschweifte Gemmenkreuz in der Hand
des Bischofs Maximianos. Die ornamentalen
Stielkreuze, vor allem in bildlos ornamentier-'
ten Kirchen zu sehen, lassen sich ebenfalls als
Segens- oder Ritualkreuze auffassen.
5. Zwei Rhipidien: Ehrenfacher aus Metall
(Durchmesser ca. 30 cm) sind etwas hinter
dem Standkreuz aufgestellt, das sie flankieren
(— Pfau).
Altar!/Altargerét
6. Artophorion: (wértl. Brottrage), Behdlter
zur Aufbewahrung von geweihtem Brot ftir die
Krankenkommunion sowie fiir die Abend-
mahlsfeier der »vorgeweihten Gaben« an den
Wochentagen der Fastenzeit. Das Artopho-
rion steht oft als kleines Kirchenmodell, in
mittelbyz. Zeit als das der Grabeskirche‘in Je-
rusalem ausgebildet, links neben dem Ewan-
gelion. Artophorien in der Form der Taube
des heiligen Geistes hangen an einer Kette
vom Scheitel des — Ciboriums herab. In friih-
christl. Zeit verwahrte man vorgeweihtes Brot
in reich beschnitzten Elfenbeinbtichsen.
Mitunter:steht rechts neben dem Artophorion
oder auf dem Riisttisch ein Gabentrager aus
Metall; er ist fiir den Transport der Gaben ans
Bett Schwerkranker bestimmt.
7. Thymiastirion: ein im Diakonikon (stidliche
Apsisnische) aufbewahrtes WeihrauchfaB,
wird vom Bischof, vom Diakon und vom Prie-
ster benutzt. Sein kelchahnliches Unterteil mit
der Pfanne fiir den gliihenden Weihrauch ist
an mehreren Ketten befestigt, der zwischenge-
klemmte Deckel wird so eingestellt, da& Luft
an die Glut kommt, jedoch keine Weihrauch-
partikel herausfallen. Kraftige ruckweise
Schwenks um etwa 90° nach oben entfachen
die Glut und lassen den duftenden Rauch her-
ausquellen — als sichtbaren Ausdruck fiir die
zum Himmel aufsteigenden Gebete.
Der Weihrauch, im AT wie im NT haufig er-
wahnt, dringt nicht vor dem 4.Jh. in die
christ]. Liturgie ein. (In der Verfolgungszeit
wurden Christen genétigt, ihrem Glauben da-
durch abzuschwéren, daB sie vor Kaiserbil-
dern Weihrauchkérner opferten!) Friiheste
christ]. Darstellungen in Ravenna (San Vitale,
Mitte 6.Jh., Sant’Apollinare in Classe, 7. Jh.);
weihrauchschwenkende Engel erscheinen ab
mittelbyz. Zeit in Darstellungen der Liturgie,
in postbyz. Zeit in den Zyklen der — Apoka-
lypse.
8. Dikiro-Trikira: zwei Kerzenleuchter, vom
Bischof benutzt, um beidhdndig der Menge
das Kreuzeszeichen zu spenden.
Das Dikirion, ein Leuchter mit zwei einander
kreuzenden Kerzen, versinnbildlicht die géttli-
che und die menschliche Natur Christi.
Trikiron, ein Leuchter mit drei einander kreu-
zenden Kerzen, reprdsentiert die Dreieinig-
keit.
Alle fiinf Kerzen zusammen spielen auf die
Kosmoszahl (—> Zahl 5) an.
- Geriite fiir die Proskomidie: 1. Rhipidion (Ehren-
ficher), 2. Kelch, 3. Diskos (Patene), 4. Prosphora
(Abendmahlsbrot), 5. Asteriskos, 6. Lawis,
7. Logchi, 8. Anordnung des in vier Teile gebro-
chenen Lammes bei der Eucharistie.
Aus: J. G. King »Die Gebrauche und Ceremonien
der griechischen Kirche in RuBland ...« Riga 1773.
Gerite fiir die Zuriistung (- Proskomidie)
und fiir das Abendmahl
1. Diskos: ein Edelmetallteller (20-25 cm
breit) mit FuB, innen vergoldet, fiir die Vorbe-
reitung und Darbringung des Abendmahl-
brots. Die ftir diesen Zweck bestimmten Pro-
sphorenschalen — zunachst ohne Fu — lassen
sich bis Anfang des 6. Jh.s zurtickverfolgen. Im
Zentrum von Schalen nach dem Jahr 1000
steht haufig die Gottesmutter: der Diskos gilt
als Krippe, in der symbolisch in der Form des
Brotes der neugeborene Christus liegt.
2. Asteriskos: gekreuzte Metallbiigel, deren
Schnittpunkt mit einem Stern verziert ist. Dies
Gerat wird auf den Diskos gesetzt und soll ver-
hindern, daB das Tuch, mit dem der Diskos
abgedeckt wird, die ausgelegten Brotstticke
beriihrt und durcheinanderbringt; symbolisch
39
Alttestamentliche Szenen
stellt er den Stern tiber der Krippe dar. Im
Gebrauch seit dem 9. Jh.
3. Logchi und Mousa: (Die heilige Lanze und
der Schwamm) bestehen aus einem seit dem
8.Jh. nachgewiesenen Lanzettmesser mit ei-
nem Kreuz als Knauf, zum Zerteilen des Bro-
tes, und einem kleinen Schwammstiick, mit
dem die Brotstticke in der rituell erwtinschten
Form geordnet werden. Das Zerteilen des
Brotes wahrend der Proskomidie wird als
Schlachten des Lammes Christi aufgefafBt,
Lanze und Schwamm bedeuten die Marter-
werkzeuge. Den Prototyp der Logchi, die hei-
lige Lanze, mit der Christi Seite aufgestochen
wurde, hat Helena in Jerusalem aufgefunden
(— Konstantin und Helena).
4. Lawis: vergoldeter eucharistischer Léffel
zum Austéilen des in Wein getauchten Brotes.
Lawis bedeutet wértl. Zange, sie spielt auf die
des Propheten —> Jesaias an; ein Seraph hatte
mit ihr ein Sttick glithender Kohle gebracht,
um die Lippen des Propheten zu reinigen. Der
Priester bezeichnet in seinen Gebeten um Rei-
nigung die Abendmahlsgaben als die gliihende
Kohle des Jesaia: »Siehe, dies hat meine. Lip-
pen bertihrt und es wird hinwegnehmen meine
Missetaten und mich reinigen von meinen Siin-
den« (aus der Liturgie der Glaubigen nach Jes.
6, 7).
Der Léffel, der Christus als Abendmahlsgabe
aufnimmt, symbolisiert auch die Gottesmut-
ter, die das Christuskind in sich trug (> Bren-
nender Dornbusch).
5. Potirion: Abendmahlskelch mit Knauf. Das
alteste erhaltene Fragment wurde nach 300 ge-
schaffen. Nach dem 9.Jh. entstandene Kelche
bestehen aus Edelmetallen und kostbaren
Steinen. Bis zum 13.Jh. hat es auch zwei-
henklige GefaéBe mit niedrigem Fu8 gegeben
(Opfer Abels und Melchisedeks: San Vitale,
Sant’Apollinare in Classe, Ravenna). Form-
schéne WeingefiBe verschiedenen Typs finden
sich in zahlreichen eucharistischen Darstellun-
gen, auch in Bildern des historischen Abend-
mahls.
6. Kalymmata: zwei Decken. Wahrend der
Proskomidie wird je eine tiber den Diskos und
tiber den Kelch gelegt.
7. Aér: ein etwa 50 Χ 50 cm groRes Tuch, des-
sen Name »Lufthauch« bedeutet. Es wird tiber
Kelch und Diskos, beide bereits mit den bei-
40
den Kalymmata abgedeckt, gebreitet. So ver-
hiillt werden die Gaben vom Riisttisch in der
Prothesis zum Altar verbracht. Wahrend des
Glaubensbekenntnisses wird das Aér iiber den
Gaben geschwenkt; wenn der Bischof zele-
briert, wird es von Geistlichen wie ein Balda-
chin iiber seinem Kopf gehalten. Beides ver-
sinnbildlicht das Wehen des Heiligen Geistes.
Aufgekommen ist das Aér wohl im 7. oder
8.Jh; nach 1000 hat man es haufig mit »Grab-
legung« oder »Beweinung« bestickt. Im 13. Jh.
hat sich daraus das Epitaphiostuch (— Pas-
sionszyklus) abgespalten. Dies wurde zundchst
beim grofen Einzug von zwei Diakonen wie
ein halbrunder Baldachin tiber dem Priester
gehalten, der fast darunter verschwand (gottl.
Liturgie um den Kuppelpantokrator im Me-
teorakloster Nikolaos Anapawsas, 16. Jh.).
Alttestamentliche Szenen
CTOIXEIA ΑΠΟ THN ΠΑΛΑΙᾺ
ATAOHKH
Stichia ap6 tin palaa Diathiki
Die Ereignisse des AT haben fiir die dstlichen
Kirchen nur insoweit Bedeutung, als sie als
Hinweise auf die Heilsereignisse des NT und
das Heilsgeschehen in der Liturgie verstanden
werden k6énnen.
Wandmalerei und Liturgie
Zwischen dem 11. und 13.Jh. wurden byz.
Handschriften vor allem der ersten acht Bii-
cher (Okatateuch) des AT reich illustriert.
Von diesen AT-Motiven wurden nur diejeni-
gen ftir die Wand- und Ikonenmalerei tiber-
nommen, die
vy typologisch auf Christus, besonders auf
Leiden und Auferstehen sowie auf das Abend-
mahl hinweisen,
yx Gegenbilder (Antitypen) darstellen, also
Unheilsereignisse schildern, die durch die
Heilsereignisse des NT aufgehoben werden
(Stindenfall, Brudermord, Turmbau zu Babel),
yr die Heilsgestalten des NT legitimieren
(Stammbaum Christi—> Wurzel Jesse, > David).
Die meisten dieser Motive sind als Bildanspie-
lungen auf die Antiphonen -- Gesange, die auf
Psalmen und Prophetenworten beruhen — zu
Anbetung Christi
Ubersicht: Typologische Vorbilder
Fiir die Taufe Fiir Christus als Priester
Niéheres unter —» Ciborium. Typologische Vorbilder Abel als Opfernder (> Adam und Eva)
fiir die Taufe werden gewohnlich in der Kuppel Melchisedek (— Abraham)
i ialen) d tellt (—> Tauf
aa μον δ δ, ΧΕἸΒΙΞΠ) dargestelle (Taal Fiir Christi Tod und Auferstehung
Ermordung Abels (> Adam und Eva)
Fiir das Abendmahl Opferung Isaaks (> Abraham)
Opfer Abels und Kains (+ Adam und Eva) Erhéhung der ehernen Schlange
Opfer — Noahs — Jonas vom Walfisch verschlungen
Noah pflanzt Wein —> Simson ringt mit dem Lowen
Gastfreundschaft Abrahams (-- Pfingsten) — Daniel in der Lowengrube
Opferung Isaaks (> Abraham) Die drei Jiinger im Feuerofen (~ Daniel) ἡ
Opfer Melchisedeks (> Abraham)
Mose feiert das Passahfest Fiir die Gottesmutter
Mannaspeisung in der Wiiste — Himmelsleiter
Speisung — Elias durch den Engel — Brennender Dornbusch (+ Mose)
. — David tanzt um die Bundeslade
Fiir das Kreuz Bundeslade auf dem Berge Zion (> David)
Niaheres > Kreuz —> Gideon und das betaute Fell
Verkiindigung von — Simsons Geburt
verstehen, die in der vorésterlichen Fastenzeit
gesungen werden.
Naheres zu AT-Motiven unter den Stich-
worten: :
Schatten, Adam und Eva, Noah, Turmbau zu
Babel, Himmelsleiter, Joseph von Agypten,
Moses, Brennender Dornbusch, Bileam, Jo-
sua, Bundeslade, Gideon, Simson, David, Sa-
lomon, Elias und Elisas, Jesaias, Daniel, Jo-
nas, Propheten, Wurzel Jesse, Ciborium, He-
sekielvision, Jerusalem.
Anbetung Christi durch die Weisen
aus dem Morgenland
H MPOCKYNHCIC TON MATON
I Proskynisis ton Magon
Fremde Astrologen, Sterndeuter aus Persien,
huldigen dem Christuskind und offenbaren da-
durch, daB dieses Kind der — noch verborgene
— Allherrscher ist: Herr nicht nur tiber das jii-
dische Volk, sondern tiber alle Menschen,
gleichgiiltig welcher Herkunft, Herr auch tiber
Sonne, Mond und Gestirne.
Festtag Puig eens
Im Osten wie im Westen wird die »Anbetung« Die Magieraus dem Morgenland. Wandfresko, Ajiou
am 6.Januar gefeiert. Allerdings wird in der Nikolaou Orphanou, Thessaloniki, 1. Halfte 14. Sh.
41
Anbetung Christi
orthodoxen Kirche am gleichen Tag die —
Taufe Christi mit der Wasserweihe begangen,
hinter der das Motiv der Magier, aus denen im
Abendland die Heiligen Drei Kénige aus dem
Morgenland wurden, zuriicktritt.
Die drei Magier (Weisen) im Bild
»Deine Geburt, Christe, unser Gott, lie® erstrahlen
der Welt der Erkenntnis Licht, denn dabei wurden
die Anbeter der Gestirne belehrt Dich anzubeten,
als die Sonne der Gerechtigkeit und Dich zu erken-
nen, als den Aufgang aus der Héhe.« Aus der Weih-
nachisliturgie
Die niederknienden oder heranreitenden’
Astrologen werden entweder in die - Geburt
Christi einbezogen oder separat in einem Ne-
benbild dargestellt. Ihre Dreierzahl leitet sich
von den drei bei Matth. 2.9-11 genannten, auf
den Bildern meist mit verhiillten Handen dar-
gebrachten Gaben ab:
»Siehe, der Stern, den sie in ihrer 6stlichen Heimat
gesehen hatten, ging (wieder) vor ihnen einher bis
sie dorthin gelangten, da er dort dariiberstand, wo
das Kind war. Und sie gingen hinein in die Behau-
sung, fanden das Kind mit seiner Mutter, fielen nie-
der und huldigten ihm ausgestreckt auf der Erde
liegend (wie man es bei einem K6nig macht), und
taten ihre Schatzkisten auf und brachten ihm Ge-
schenke dar: Gold, Weihrauch und Myrrhe« Matth.
2.9--11
Myrrhe ist ein Weihrauchharz. Ephram der
Syrer sagt dariiber: »Heidnischer Weihrauch
von den Magiern geheiligt. «
Der sechs- oder achtstrahlige — Stern schwebt
tiber dem Kind oder fiihrt die Magier an, er
wird gelegentlich von einem Engel vor ihnen
hergetragen. Meist deutet der erste Magier mit
der Rechten auf den Himmelskérper. Kennt-
lich sind die Magier an ihren persischen Hosen .
und vor allem an den phrygischen Miitzen —
langen spitzen Zipfelkappen aus Stoff oder
weichem Leder, wie sie u.a. die aus dem
kleinasiatischen, zeitweise persisch beherrsch-
ten Phrygierlande (westlich von Kappadokien)
stammenden Amazonen getragen haben sol-
len.
Im Rahmen von Bildzyklen der Kindheitsgeschichte
Marias und Christi (= Marienzyklus) wird oft der
gesamte Erlebniskomplex — die Suche nach dem
neugeborenen Kénig der Juden — aufgerollt: Die
Weisen kommen bei Herodes an, werden bewirtet,
42
unterrichten ihn fiber das Kénigskind. Herodes, tief
beunruhigt, berat sich mit Schriftgelehrten und Ho-
henpriestern, die auf Bethlehem als prophezeite
Geburtsstatte eines kiinftigen Herrschers hinwei-
sen. Herodes sendet die Weisen dorthin und ver-
langt, ihm auf dem Heimweg Bericht zu erstatten.
Gott befiehlt ihnen jedoch im Traum, auf einem
anderen Weg in ihre Heimat zuriickzukehren. He-
rodes la8t in Bethlehem alle Kleinkinder ermorden.
Entwicklung des Magier-Motivs
von 300 bis heute
Das Magiermotiv ist gleichzeitig mit dem Mo-
tiv von der —> Geburt Christi um 325 aufge-
kommen. Das erste 6kumenische Konzil in Ni-
zéa hatte betont, Christus sei als wahrer Gott
und auch als wahrer Mensch anzusehen — die-
ses sollte bildhaft durch die beiden Motive ver-
kiindigt werden.
Auf friihen Sarkophagen wurden die drei Wei-
sen gerne den drei Jiinglingen im Feuerofen
(— Daniel) gegeniibergestellt: Die drei eben-
falls aus der Fremde Stammenden haben
standhaft dem falschen Herrscher die Anbe-
tung verweigert — so wie die treu gebliebenen
Christen der Verfolgungszeit sich weigerten,
vor dem Kaiserbild zu opfern (—> Kranz).
Auf rémischen Sarkophagreliefs und in Kata-
kombenmalereien (4. Jh.) thront auf einer Ka-
thedra die kénigliche Gottesmutter — hoch im
Profil. Ehrfiirchtig nahen sich ibr von links die
Magier. Bei einem Teil der Denkmialer fehit
der Stern, bei anderen schwebt er tiber oder
vor der Gottesmutter. Deutet der erste Magier
darauf, beweist dies, daB das Gestirn bereits
als Reprisentation Christi verstanden wird.
Auf manchen Sarkophagen ist eine kreisférmi-
ge Scheibe zu sehen: der Stern war aufgemalt
und ist heruntergewaschen. Manchmal taucht
ein bartiger Asket hinter dem Thron auf — der
Prophet — Bileam. Gegen Ende des 4.Jh.s
werden auch die Magier (immer links), der
Stern, das Kind in der Krippe, die Muttergot-
tes, oft auch ein Hirte, in einem Bilde verei-
nigt. Vom 5.Jh. an fiihrt haufig ein Engel, der
auch den Stern tragen kann, die Magiergruppe
an. Vorbild sind rémische Kaiserhuldigungs-
szenen: die gefliigelte Viktoria fiihrt den Zug
derer, die zur Audienz erscheinen. Zur Zeit
Justinians gerét die Magierszene in den Sog
des aufblithenden christl. Kaiserkultes. In
Santa Maria Maggiore (Rom, ab Mitte 5. Jh.)
Apokalypse
thront der fiinfjahrige Christusknabe auf einer
bettartig breiten reichverzierten Kathedra.
Uber ihm der achtstrahlige Stern, flankiert
von vier stehenden Engeln; links von ihm
thront Maria, rechts als allegorische Gestalt
die heidenchristl. Kirche. An den auBersten
Randern erscheinen links ein, rechts zwei Ma-
gier in kéniglich prachtigem Aufzug.
In Ravenna, Sant’ Apollinare Nuovo (ca. 650)
stiirmen drei Magier mit Geschenken in den
verhiillten Handen auf die frontal thronende
Himmelsk6nigin zu, die einen winzigen, er-
wachsen wirkenden Christusknaben auf dem
Scho8 halt. Vier Engel mit Herrschaftsstaében
flankieren sie. Auch auf Pilgerampullen aus
dem heiligen Land (6. und 7.Jh., Monza)
thront Maria frontal zwischen drei Magiern
und drei Hirten. Schwebende Engel halten ei-
ne Scheibe mit einem achtstrahligen Stern
iiber sie. Ab 8.Jh. (Bilderstreit) erscheinen die
anbetenden Magier innerhalb erzahlender
Bildreihen — mit Namenbeischriften. Die 4lte-
sten bekannten Beispiele sind
vr eine armenische Fassung des Protevange- .
lium des Jakobus (6.Jh. oder friiher): erstmals
werden die Magier als kénigliche Briider be-
zeichnet, Melquon beherrscht Persien, Baltha-
sar Indien, Gaspar Arabien.
vy eine alexandrinische Schrift (6. Jh.); nennt
Melichior, Bithisarea, Gathaspa.
Koptische Amulett-Texte (6.—7./8.Jh.) brin-
gen die Magier zusammen mit dem beriihmten
apotropdisch-magischen Quadrat der Sator-
Arepo-Formel. Quadrat und Magiernamen
dienen als Abwehrzauber gegen den Bésen
Blick, gegen Damonen und anderes Unheil —
wie heute noch in katholischen Gebieten die
an Dreikénig mit Kreide auf den Tiirsturz der
Hauptpforte geschrieben »19-K+M+B—
88« (im Bereich der Ostkirche unbekannt!).
Die altesten bekannten Namenbeischriften zu
Wandbildern — Melcheon, Gaspar, Waltasar
(ahnlich:in einer lateinischen Schrift von 845
aus Ravenna) — finden sich in der kappadoki-
schen Hohlenkirche Egri Tash Kilisesi, Ihlara,
Ende 9.Jh. Aus der Zeit stammt auch eine
Darstellung in der nahen Kokar Kilise mit fiinf
anbetenden Hirten, die laut Beischriften Sa-
tor, Arepo, Tenete, Opera, Rotas heiBen: es
sind die fiinf Worte des magischen Quadrats.
In mittelbyz. Zeit wird das Anbetungsmotiv ce
teils ins Weihnachtsbild einbezogen, teils als |
Bild danebengestellt. In spatbyz. Zeit ver-
drangt humane Empfindsamkeit die urspriing-
liche hieratische Strenge der Darstellung: Das
Kind streckt seine Arme den Magiern entge-
gen, die Mutter neigt ihm ihren Kopf zu.
Sternsinger sind in Griechenland nicht be-
kannt, wohl aber deren Vorform, die Sanger,
die mit Kdélanta-Heischeliedern zwischen
Weihnachten und Neujahr (— Basilios) und
bei anderen Festen (— Lazarus) von Haus zu
Haus ziehen. (Kdlanta: serb: coleda, ma. lat.
currente).
Antiminsion
TO ANTIMHNCION
to antiminsion
Zusammenfaltbares Tuch, das als Unterlage
fiir die Abendmahlsgaben auf den Altar gelegt
wird. Es enthalt eine eingenahte Reliquie und
ist fiir die Eucharistiefeier unverzichtbar. >
Altar/Altargerat.
Apokalypse
H AMOKAAYYWIC
i Apok4lipsis
Als »Offenbarungen« werden jiidische und
christl. Schriften (auch bestimmte Einschtibe
ins AT) bezeichnet, die angeregt durch Visio-
nen den Untergang der Welt und die darauf
folgende Heilszeit beschreiben.
Sie sind charakteristischer Ausdruck einer be-
tont historischen Weltsicht, die die Weltge-
schichte als ausgespannt empfindet zwischen Ὁ
einem bestimmten festgelegten Anfangs- und
einem unwiderruflichen Endpunkt. Diese
Weltschau, die Abendland und Islam in unter-
schiedlicher Weise vom Judentum geerbt, un-
terscheidet sich von der eines zyklischen Ab-
laufes (ewiges Vergehen und Neuerstehen)
der anderen Kulturen. In der zu kosmologi-
schen Kategorien neigenden orthodoxen Kir-
che war die Apokalyptik zeitweise umstritten.
Von den sechs Offenbarungen christl. Her-
kunft hat allein die Apokalypse, die dem
Evangelisten Johannes zugeschrieben wird,
43
Apokalypse
Bedeutung erlangt; als letzte Schrift wurde sie
ins NT aufgenommen.
Einflu8 der Lutheriibersetzung des NT
auf die nachbyzantinischen Apokalypsezyklen
in den Athoskléstern
Wahrend bereits im 2.Jh. westliche Kirchen-
vater die johanndische Apokalypse zum NT
gezihit haben, wurde sie von — Johannes
Chrysostomos und anderen Kirchenvatern des
Ostens scharf abgelehnt. Kanonisiert wurde —
518 erst voi Konzil von 692, doch wird sie bis
heute weder in liturgischen Gesangen noch in
gottesdienstlichen Lesungen beriicksichtigt.
Vorbild fiir Athos-Fresken: Holzschnitt von Lukas
Cranach in der ersten Ausgabe des NT M. Luthers
(Septembertestament).
Die erste Ausgabe des von Luther verdeutsch-
ten NT — Wittenberger Septembertestament ἱ
von 1522 — war auBer mit Bildinitialen ledig-
lich mit 21 Holzschnitten zur Apokalypse illu-
striert. Lucas Cranach d.A. hatte dafiir Dii-
rers Holzschnitte vereinfacht und die Bildin-
halte zugleich im antirémischen Sinne poin-
44
ΠΣ ΞΡ ἘΦ eee az Σ Κ SSAC RESO RH Hl
Die vier apokalyptischen r, Offbg. Joh. 6, 8-11,
Fresko im Athoskloster Dionysiou (vor 1568).
Linkes Bild: Das Lamm empfiingt das Buch mit den
sieben Siegein.
tiert. Nachschnitte fertigte Hans Holbein d.J.
ftir den von Thomas Wolff besorgten verklei-
nerten Nachdruck des Luther NT (Basel 1523)
an. Beide Holzschnittserien dienten als Vorla-
gen fiir postbyz. Freskenzyklen in den K1é6-
stern des Athos.
1568 Kloster Dionysiou, Portikus und Trape-
za, friiheste Apokalypse-Darstellungen (21 Il-
lustrationen nach Cranach und Holbein).
Um 1850 Kloster Xenophontos, Exonarthex
des Katholikon, Freskenzyklus (Vorbild Dio-
nysiou). 1676 Kloster Dochiariou, Trapeza, 21
Fresken (vorwiegend nach Holbein).
Alle spateren Apokalypsefresken auf dem
Athos -- Mega Lawra 1719 und 1814, Philo-
theou 1765, Karakailou 17, Xeropotamou
1783, Iwiron 1795, Zographou (1849) — sind
freier gestaltet, ihre Ableitung von der Diirer-
Apokalypse ist dennoch augenscheinlich.
Die Themen der apokalyptischen Zyklen auf
dem Athos:
ἢ G. Offbg. Joh. 1, 12-20: Die sieben Leuchter (Sym-
bole der sieben Gemeinden, an die Johannes sieben
Sendschreiben richtet) und der Mann mit der
Schwertzunge.
Q. Offbg. Joh. 5 und 6, 1: Eréffnung des siebenfach
versiegelten Buches.
“3, Offbg. Joh. 6, 2~8: Die vier apokalyptischen Rei-
er erscheinen bei der Offnung der ersten vier Siegel
des Buches.
4.0 ffbg. Joh. 6, 9-11: Die Verteilung weiBer Klei-
der an die Martyrer, die unter dem Altar auf das
neue Jerusalem warten (Offnung des fiinften Sie-
gels).
Apostel
Das Softnenwelb und der Kampf Michaels mit den
Drachen nach Offbg. Joh. 12, 1-9. Athoskloster
Zographou, 1849. Barockisierender Stil.
5. Offbg. Joh. 6, 12-17: Erdbeben, Sonnenfinster-
nis, Sternenregen (sechstes Siegel).
(6: Offbg. Joh. 7: Ein Engel kennzeichnet die Knech-
‘te Gottes mit dem Siegel (Kreuzeszeichen mit Wein
aus einem Abendmahliskelch als Blut des Lammes,
2 pilus an das erste Passahfest beim Auszug aus
Agypten, 2 . Mose 12).
7, Offbg. Joh. 8: Die vier ersten von Engeln gebla-
senen Posaunen (siebtes Siegel): Hagel, brennender
Berg, Stern Wermuth, Verfinsterung der Gestirne,
dreifaches Wehe.
18. Offbg. Joh. 9, 1-12: Fiinfte Posaune, Brunnen
des Abgrundes mit gepanzerten Heuschrecken.
9. Offbg. Joh. 9, 13-21: Sechste Posaune, vier Wiir-
geengel mit Lo6wenreitern.
10. Offbg. Joh. 10: Engel mit Saulenbeinen und
Sonnenkopf, gibt Johannes ein Buch, das er ver-
schlingen soll (ahnlich Ez. 3, 1-3).
11. Offbg. Joh. 11, 1-14: Vermessung des Tempels
sowie Drache, der die Balken Vermessenden ver-
schlingt.
12. Offbg. Joh. 12, 1-6: Das Weib mit der Sonne
bekleidet auf der Mondsichel und der Drache.
13. Offbg. Joh. 13: Der siebenképfige Drache aus
dem Meer und der zweik6pfige aus der Erde.
14. Offbg. Joh. 14, 1-8: Das Lamm erscheint auf
dem Berge Zion. Der Fall Babylons.
15. Offog. Joh. 14, 9-20: Die Ernte und die Blut-
kelter.
16. Offbg. Joh. 16: Das AusgieBen der Schalen des
Zornes Gottes durch die Engel.
17, Offbg. Joh. 17: Die Babylonische Hure auf dem
Untier reitend.
18. Offbg. Joh. 18: Die Klage iiber den Untergang
Babylons und der Engel, der den Miihlstein (Sym-
bol Babylons) ins Meer wirft.
19. Offbg. Joh. 19: Der Sturz des Tieres in den bren-
nenden Abgrund und der Ritter »Treu und Wahr-
haftig« mit dem blutbespritzten Kleid auf dem wei-
Ben Pferd.
20. Offbg. Joh. 20: Der Engel, der den Satan auf
1000 Jahre bindet.
' 21. Offbg. Joh. 21: Das neue Jerusalem.
Die Situation der Apokalypse-Darstellung
auBerhalb des Athos
Die reformatorische Bewegung hatte fiir die
Illustration des NT apokalyptische Themen
bevorzugt, weil sie die eigenen Zeitlaufe als
Abschnitt der Weltuntergangsepoche emp-
fand. (Luthers Vorrede zur Apokalypse. Er
deutet darin in polemischer Weise persénliche
Gegner als apokalyptische Ungeheuer.) Die
Athosm6nche sahen sich unter der Osmanen-
herrschaft nach dem Zusammenbruch des byz.
Reiches in ahnlicher Situation und griffen des-
wegen die Thematik der Holzschnitte begierig
auf. Apokalyptische Darstellungen waren im
byz. Raum; Zuyor unbekannt; nicht einmal auf
Patiiidg; wo Johannes nach Offbg. 1, 9 die apo-
kalyptischen Visionen gehabt haben soll, fin-
den sich Fresken mit solchen Motivén. Einzel-
elemente apokalypti her “Thematik - »Zu-
sammenrollen | 5. Himmels« und »Erdé und
Meér geben ihre Toten frei« sind allerdings ab
1000i in ‘Darstellungen des —> Endgerichtes ein-.
gegangen.
Vom Athos — und damit von den protestanti-
schen Holzschnitten — unabhangige postbyz.
Apokalypse-Zyklen finden sich nur auf Rho-
dos: Kirchen der Heimholung Maria (Kimesis
tis Theotdkou) in Asklipié (1646) und in Kat-
tawid (17.Jh.).
Apostel
OI MAOHTAI
i Mathita
Die zw6lf engen Anhanger Christi werden im
NT als seine Schiiler (matheta), nicht so haufig
als Sendboten (apéstoli) bezeichnet (Matth.
10, 2). Die Zwélf ist auch in Byzanz die Zahl,
die die Gesamtheit aller K6nigreiche dieser
Welt reprisentiert (— Zahl). Nach Luk. 10, 1
und 17 wird ein weiterer Kreis von 70 Man-
nern als Apostel bezeichnet. Das Malerhand-
buch (Ermenia) gibt fiir sie Namen an; Dar-
stellungen der 70 sind jedoch unbekannt.
45
Apostel
Festtag der 12 Apostel
Im Osten ist der 30. Juni, der Tag nach »Peter
und Paul«, der Aposteltag; im Westen fallen
beide Tage zusammen und werden am 29. Juni
gefeiert.
Ist der 30. ein Sonntag, dann feiern in den
Kirchen, die den zwélf Aposteln geweiht sind,
zwolf Priester gemeinsam die Liturgie.
Sie représentieren die Zw6lf Schiiler (Jiinger)
Jesu.
Ubersicht: Liste der Apostel
nach dem NT byzantinische Reihe
Gruppe Name Attribut — nur in Gruppe Name Kennzeichen Tag
. der westlichen Kunst
iiblich
Die vier Petrus Schltissel Gruppe Petrus grauhaarig,runder 18.Juli
Erst- Andreas Andreaskreuz der acht Bart, Brief:
berufenen Jakobus Muschel, Pilgerhut Apostel Petr 1,1. »Ich Petrus,
Johannes Kelch mit Schlange Apostel Christi«
ie Paulus dunkel, Stirnglatze, 18.Juli
2.Gruppe Philippus Kreuz ἴῺ der Hand νὰ tae
Bartholo- :
πιᾶας Wickes 14 gerollten Briefe
Matthaus Beil, MeBlatte, Andreas lockiger Greis, 30. Nov.
WinkelmaB zweigespaltener Bart,
- mit Kreuz und
Thomas Lanze, WinkelmaB
gerolltem Blatt
3. Gruppe Jakobusd.A. Walkerstange Simon alt, kahlk6pfig, 3. Mai
Thadddus Keule, Beil runder Bart
(mit Bei- Jakobus jung, mit Bartansatz 30. April
namen Judas) Bartholo- jung, mit Bart- 11. Juni
Simon maus ansatz ᾿
Zelotes Sage, Beil Thomas jung, bartlos 6. Okt.
Judas Philippus jung, bartlos 14. Nov.
Ischariot Miinzbeutel hae
Gruppe Johannes kahiképfig, 26. Sept.
-Nach seinem Verrat und Selbstmord wurde dervier Theologos langer weifer Bart,
Judas Ischariot durch den nachgewahlten Evange- halt sein Evangelium
Matthias (Beil, Lanze, Steine) ersetzt. listen Matthaus Greis mit langem 16. Nov.
Die Apostelgeschichte nennt Barnabas als Bart, Evangelium
12. Apostel. Dennoch gilt in der gesamten Lukas junger Krauskopf, 18. Okt.
christlichen Kunst Paulus (Schwert) wegen (eigentlich ‘wenig Bart,
seiner ekstatischen Christusvision bei kein Evangelium
Damaskus als der 12. Apostel, der Apostel Apostel)
der Heiden. Markus grauhaarig, 25. April
(eigentlich mit rundem Bart,
kein Evangelium
Apostel)
Anihren Attributen lassen sich die byz. Apostel nur
sehr schwer unterscheiden. In altchristl. Zeit tragen
sie einheitlich Kranze oder Biicher, nur Petrus
(Schliissel) und Paulus (Schriftrolle) sind durch Attri-
bute herausgehoben. Der Bruder des Herm, Jakobus,
wird gelegentlich auch alt und mit einem Priesterge-
wand angetan dargestellt.
46
Apostel
Der Leedeplos Christus erscheint den es ae einem Berg in Galilda (Mat. 28, 16-17).
Tokali Kilise I, Géreme, Kappadokien, Anfang 10. Sh.
Aposteldarstellungen und deren Zuordnung
zum Kirchenraum
Einzelne oder simtliche Apostel erscheinen
auf Darstellungen des Lebens Jesu: Apostel-
berufung (Tokali I), ~ Wunderspeisungen, >
Passions- und Nachosterzyklus, Apostelent-
sendung (Tokali I, Géreme, Anfang 10. Jh.;
Cavusin Kilise, 2. Halfte 10.Jh.), ~ Himmel-
fahrt. Weitere Motive mit allen Zwolfen: —
Pfingsten, Apostelkommunion (— Euchari-
stie), --Ὁὁ Heimholung Marié. Physiognomisch
herausgehoben werden Petrus, Paulus und Jo-
hannes (—> Evangelisten). Auer ihnen erhal-
ten nur diejenigen Apostel Namenszusatze,
die auch in den Evangelien des 6fteren auffal-
len: Jakobus (> Verklérung), ~ Thomas.
Geht es darum, die Reihe der Zwé6lf als Ein-
zelfiguren darzustellen, werden in der Regel
acht Apostel (Gruppe 1 und 2) und vier Evan-
gelisten ausgewahlt. In friihmittelbyz. Zeit be-
setzen die vier Evangelisten die vier zum Kup-
pelrund iiberleitenden Eckzwickel (Penden-
tifs), die Acht umgeben im achtfenstrigen
Kuppeltambour den Christus Pantokrator in
der Kuppel. (Das erinnert einerseits daran,
da8® sich die Darstellung des --Ὁ Pantokrator
aus dem Bild der > Himmelfahrt herausent-
wickelt hat, andererseits an die weiter unten
erwahnte friihchristl. Gleichsetzung der Apo-
stel mit Sternbildern.)
Etwa ab 1000 werden die acht Tambourapostel
durch 16 Propheten ersetzt. Die Jiinger er-
scheinen jetzt auf Kleinstikonen, angebracht
am Haupt-Kronleuchter, der von der Kirchen-
kuppel herabhangt, oft auch um die — Deisis
herum auf der Bilderwand (> Ikonostase).
Die zwélf Apostel gelten als »die Saulen der
Kirche«; in modernen Hallenkirchen mit zwei
mal sechs Sdulen ist auf jeder ein Apostel ab-
gebildet.
47
Apostel
Die Apostel umgeben als Sternbilder und Monats-
zeichen die »Taufe Christi im Jordan«, Darstellung
des Neujahrsfestes. Baptisterium der Orthodoxen,
San Giovanni in fonte, Ravenna, um 450.
Die Apostel als Sternbilder und
Monatszeichen
Vom 2.Jh. an, besonders aber unter —> Kon-
stantin, wird Christus mit der Sonne, zugleich
Reprdsentation des Jahres, gleichgesetzt, die
Apostel mit den Sternbildern bzw. den Mona-
ten. (Clemens Alexandrinus: Christus ist »das
willkommene Jahr ... die Apostel sind die
Monate«.) Ein weiteres Beispiel fiir die
Zuordnung von Heilsgestalten zu Gestirnen ist
Maria, die mit dem Mond in Verbindung ge-
bracht wird.
In einer Parallelentwicklung haben sich das
friihe Christentum wie das spate Judentum
von Nationalkulten zu Religionen mit kosmi-
schem Anspruch gewandelt: In Synagogen
wurden vom 4.Jh. an um ein Kuppelscheitel-
Medaillon mit der Sonne die mit den zwdlf
Patriarchen gleichgesetzten zwélf Tierkreiszei-.
chen gruppiert.
Die vier Eckzwickel besetzen die sogenannten
Angesichtsengel Gottes (z.B. in Beth Alpha
nach 569). In der Synagoge von Beth Schean
(6.Jh.) umgeben Allegorien fiir die zw6lf Mo-
nate Sonne und Mond. Schon Konstantin, der
die Sonnen- und die Christus-Symbolik mitein-
ander verband, hatte eine Apostelkirche er-
48
richten lassen — und daneben sein Mausoleum.
Er verstand sich als der 13. Apostel und erwar-
tete zusammen mit ihnen, nach seinem Tode
ebenfalls astral verk6rpert zu werden.
In den Baptisterien Ravennas (Baptisterium d.
Orthodoxen, Mitte 5., der Arianer, Ende
5.Jh.) umkreisen die Apostel als Monatsstern-
bilder die Szene der —> »Taufe Christi im Jor-
dan«: eine Darstellung der Erscheinung des
gottlichen Lichts, der Sonne der Gerechtig-
keit. Petrus und Paulus fihren die Apostel, die
goldene —> Kranze in Handen halten, an.
In Ornamentaldarstellungen mit deutlich
astralem Charakter aus der Zeit des Bilder-
streites umgeben zwélf Apostel in der Form
von Sternsymbolen das sonnenhafte Christus-
kreuz (Giiltidere Nr.5, Uziimlii Kilise, Kizil
Cukur, Kappadokien, 7. oder 8. Jh.).
Zerstortes Scheitelfresko im Kuppelraum einer
H6hlenkirche. Christus als Sonnenkreuz umgeben
von zwélf Aposteln als Gestirne. Uztimlii Kilise,
Giiliidere, Kappadokien, friihikonoklastisch,
ca. 8. Sh.
Uberall dort, wo auf Ornamenten die Zahl
zwolf (oder acht und vier) auftaucht, sind ver-
mutlich die Apostel gemeint.
Im frithchristl. Italien wurden die Apostel hau-
fig zusammen mit Christus oder dem Kreuz in
der Apsiswélbung (Santa Pudenziana, Rom,
Ende 4.Jh.) oder auf dem Triumphbogen vor
der Apsis (Poreé in Istrien, 543) abgebildet,
auch symbolisiert durch Lammer (Santa Maria
Maggiore, 1. Halfte 5.Jh., San Cosmas und
Damian, Rom; Sant’Apollinare in Classe, Ra-
venna, Mitte 6.Jh.) oder Tauben. In San Gio-
vanni in fonte, Albenga (5.Jh.), umflattern
. '
Basilios der Grofe
zwolf Tauben ein dreifaches Christusmono-
gramm.
Augen
—> Boéser Blick
—> Paraskewi (Heilung von Augenleiden)
— Pfau (Sterne als Augen)
Basilios der Grobe
O ATIOC BACIAEIOC O METAC
o Ajios Wassilios o Mégas
Der bedeutende Kirchenvater aus Caesarea,
Kappadokien (gest. 379), ist einerseits, seiner
Gelehrsamkeit wegen, Schutzpatron der Schii-
ler und Studenten, andererseits tritt er als Hii-
ter der neuen Aussaat und Garant einer guten
Ernte auf. Im Osten ist Basilios der popularste
Heilige, zutiefst verbunden mit bauerlichem
Brauchtum und volkstiimlichen Neujahrssit-
ten.
Der Heilige des Neujahrestages und des
Neujahrsbrauchtums
»Anfang des Monats, Anfang des Jahres,
Anfang Januar
Und Anfang der Zeit, wo Christus erschien,
um tiber die Erde zu schreiten.
Er erschien, und spendete SegensgriiBe allen denen,
die die Felder pfltigen.
Und sein erster GruB war der Wassilissegen:
»Heiliger Wassili, Herr, gut pfltigst Du die Felder«
»Mit Deinem Segen, Herr, guter und hochgepriese-
ner«...
»Ich will Dich fragen, Herr, wieviele Schalen mit
Saatgut verstreust Du?«
»Ich 588 aus 12 MaB Weizen und 15 MaB Gerste und
auch das, was dartiber hinaus verstreut wird, den
Rebhiihnern und Haschen ...«
Aus einer alten Kalanta (Heischelied) zum Neuen
Jahr
Basilios verstarb an einem 1. Januar. So wurde
der Neujahrstag sein Tag — im Westen der
2. Januar. Da nach dem Volksglauben die Hei-
ligen an ihrem Namenstag auf die Erde herab-
steigen, wird fiir Wassilios tiberall in Grie-
chenland ein kleiner Imbif8 vorbereitet —
Fleisch, Fisch und Wein, auch SiBigkeiten,
meist das erste Stiick der Wassilopita. Dies
Kuchenbrot haben die Bauerinnen bereits am
Vorabend gebacken, mit einem Kreuz aus Ro-
sinen (auch mit einem Schafpferch-Zeichen)
geschmiickt. Eingebacken ist eine Miinze —
friiher ein Silber- oder Goldstiick! Noch vor
dem Jahreswechsel schneidet der Hausherr
das runde Geback sduberlich in Stiicke, legt
das erste Stiick fiir den heiligen Wassilios zur
Seite, das zweite mancherorts fiir die Mutter-
gottes, anderswo fiir das eigene Haus.
Die weiteren Stiicke erhalten der Hausherr,
die Angehérigen, die Dienerschaft — immer ih-
rer Rangfolge nach.
Sogar das Vieh bekommt ein Stiickchen. Wer
die Miinze findet, wird im neuen Jahr viel
Gliick haben. Uber die Entstehung des Brau-
ches erzaéhlt man sich: Ein habgieriger Herr-
scher hat Caesarea erobert und von den Ein-
wohnern alles vorhandene Gold erpreBt. Doch
eine BuBpredigt des wortgewaltigen Wassilios
brachte ihn zur Besinnung: Er gab alles an ihn,
den Bischof der Stadt, zuriick. Wie sollte Was-
silios aber das Gold auf gerechte Weise vertei-
len? Er lie& Miinzen und Wertsachen in Brote
einbacken und diese an die Einwohner ver-
teilen.
Tatsachlich war Basilios sozial engagiert, was
die von ihm iiberlieferte Homilie (Predigt) ge-
gen den Hunger bestatigt.
Das Landvolk sieht ihn als den groBen SAmann
und Hirten, der ausk6mmliche Nahrung si-
chert.
Die mit seinem Namen verbundenen Brauche
sollen reichliche Ernte und Uberflu8 an Vieh
garantieren. Noch vor Einbruch der Nacht des
Jahreswechsels waschen und biirsten die
griech. Bauern ihre Tiere, fiittern sie reichlich,
denn Wassilios inspiziert bei seinem Rundgang
auch Stalle und Pferche und fragt das Vieh, ob
es ihm gut ergehe bei seinem Herrn. In Nord-
griechenland und im orthodoxen Balkan wird
an Neujahr oder auch schon zu Weihnachten
ein Getreidesieb mit Korn, Niissen und Min-
‘zen gefillt. Denn Sinn erklart ein Wunsch an
den Hausherrn in der bereits zitierten Ka-
landa:
»Auf daB Du durchsiebst das Mehl, damit unten
klingende Miinzen herausfallen.«
Andernorts verstreut der Hausherr Korn im
Hausgarten. Gruppen von Kindern und Ju-
gendlichen ziehen mit Zweigen, auch Apfeln
49
Basilios der Grofe
oder Papierschiffen in den Handen von Haus
zu Haus, singen Wassilios-Kalanda und erhal-
ten als Gegengabe SiiBigkeiten oder Miinzen.
Alle wiinschen sich »Chronia polla«, was dem
Sinne nach bedeutet »Médge dieser Jahrestag
oft wiederkehren!« Was immer getan oder ver-
mieden wird zu tun, alles hat an diesem Tag
Bedeutung, nicht zuletzt auch wer es ist, der
als erster am Neujahrsmorgen nach dem
Kirchgang das Haus betritt. In Amorgos mu8
es ein Familienmitglied sein. Mit einer Ikone
in der Hand geht es erst zwei Schritte in das
Haus hinein und spricht: »Komm herein, gutes
Gltick!« Dann tritt es drei Schritte zuriick und
ruft aus: »Komm heraus, Ungliick!« Dies ge-
schieht dreimal, dann schleudert es einen —
Granatapfel (Symbol der Fiille) kraftvoll auf
den Boden, so daB die Kerne nach allen Seiten
spritzen. Und damit das Jahr honigsii® werde,
tunken alle Anwesenden einen Finger in Ho-
nig und lecken ihn dann ab. Zum Schlu8 wird
gekochter Weizen gegessen, »in Ajii Wassilios
Namen« (— Kollywa, —- Totenbréuche >
Brot).
Das Leben des Kirchenlehrers und
Begriinders des griechischen Ménchtums
Basilios, 330 in Caesarea (heute Kayseri) ge-
boren, zahlt mit seinem Bruder Gregor von
Nyssa und mit Gregor von Nazianz zu den drei
groBen Kappadokiern. Zusammen mit — Jo-
hannes Chrisostomus werden sie als die der
groken Kirchenvater bezeichnet.
Basilios’ Klosterordensregeln sind bis heute
fiir griech. M6nche — im Westen unter »Basi-
lianer« bekannt — verbindlich. Benedikt hat
sich bei der Abfassung seiner Ordensregeln
auf Basilius gestiitzt, der das gemeinschaft-
liche (kinowitische) Ménchstum dem Eremi-
tenwesen vorzog. Gegen 364 wurde Basilios
Priester, 370, neun Jahre vor seinem Tode, Bi-
schof von Caesarea. Er griindete Klosterschu-
len, schuf Versorgungseinrichtungen fiir die
Mittellosen, kampfte in Wort und Schrift ge-
gen die vom orthodoxen Glauben abgefalle-
nen Arianer (Arius, gest. 336): Christus ist
nicht Gottes Sohn und ihm nicht gleich, son-
dern sein erstes Geschépf)! Seine Werke um-
fassen Predigttexte (sog. Homilien), Briefe so-
wie dogmatische Schriften, die — Johannes
Damaszenus spater in seine eigene Schrift
50
tiber den Glauben einarbeitete. Dem Basilios
wird eine der beiden orthodoxen —> Liturgien
zugeschrieben.
O Ajios Wassilios in einer Nische in der Ostecke
der Nordwand der Klosterkirche von Osios Lukas
bei Stiri, nach 1000.
Basiliosdarstellungen im Allerheiligsten
Die Basilius-Ikonen, derer am 1. Januar in be-
sonderer Weise in der Liturgie gedacht wird,
zeigen einen priesterlich gekleideten (— Ge-
wander), hochgewachsenen Mann mit grauem,
sehr langem und spitzem Vollbart, mit grauen
Haaren und einer Stirnglatze. Seine Augen-
brauen sind gewélbt, in der Linken tragt er ein
Buch oder aber ein Schriftband mit dem Still-
gebet:
»oudis axios ... Keiner von denen ist wiirdig, die
mit Banden des Fleisches und der Lust gebunden
herauszutreten oder sich zu nahern oder Dir zu die-
nen, K6nig der Ehren. Der Dienst fiir Dich ist nim-
lich gro8 und schrecklich, selbst fiir die himmlischen
Machte.« Basiliosliturgie
Der Platz des Kirchenvaters ist entweder hoch
oben in Gewdélbenahe in einer Nische inner-
halb des Allerheiligsten oder unmittelbar da-
neben (friihe mittelbyz. Zeit) oder in der unte-
ren Zone des Apsisrunds. Dort umstehen zwei
symmetrisch angeordnete, einander zuge-
wandte Gruppen von Kirchenvatern den heili-
gen Tisch. Basilius ist Anfiihrer der linken,
nach rechts blickenden Gruppe; Johannes
Chrysostomos steht der zweiten Gruppe vor.
Berg
Berg
O OPOC/TO BOYNO
o 6ros/to wund
Berggipfel gelten in fast allen Religionen als
Gottersitze, oder -- wie im AT und NT — als
Orte der Begegnung zwischen dem emporge-
stiegenen Mensch und dem Géttlichen.
Altes Testament und alter Orient:
Berg als Himmelsleiter
In der gesamten altorientalischen Welt — auch
imantiken Griechenland, in den asiatischen
Hochkulturen, bei sibirischen und indiani-
schen Volkern — sind hohe Berge Aufenthalts-
orte der Gottheiten. Die Sumerer nannten ih-
ren Hauptgott »groBer Berg«. Die Psalmen
des AT verweisen auf Berge als Wohnstatt
oder Erscheinungsort Jahwes. Psalm 121:
» — Zu den Bergen hebe ich auf meine Augen:
woher wird mir Hilfe kommen?
Meine Hilfe ist von Ihm her,
der Himmel und Erde gemacht hat!«
Mose erhielt die Gesetzestafeln auf einem ein-
zeln stehenden hohen Berg (Sinai oder Ho-
reb), dem Propheten Hesekiel erschien Gottes
Herrlichkeit auf dem Horeb. Auf dem Zion,
der héchsten Erhebung Jerusalems, befand
sich der Tempel mit der Bundeslade. Synago-
gen wurden nach Méglichkeit an der héchstge-
legenen Stelle eines Ortes errichtet.
Wie der Baim (—-> Lebensbaum) ist auch der
Berg eine Art von — Himmelsleiter. Im alten
Israel sind Berge Aufstiegsméglichkeiten zu
Gott (viele Psalmen, die Gott in der Hohe be-
singen, heiBen »Aufstiegsgesinge«), wahrend
Baume Herabstiegstreppen fiir Jahwe dar-
stellen.
Der Weltenberg ist Achse und Zentrum der
Welt, Zugang zum Himmel. Bei den Prophe-
ten wird der Gottesberg vergeistigt zum Sym-
bol des fiir die nahe Zukunft erwarteten Got-
tesreiches. Berge sind nach jtidischer und alt-
orientalischer Kosmologie die vier Stiitzen,
auf denen der Himmel ruht.
Neues Testament: Berge als Offenbarungsorte
des Géttlichen
Auch im NT sind Berggipfel Erscheinungsorte
des Géttlichen. Die — Versuchung Christi
spielt sich auf einem Berg ab. Auf einem Berg
wird Christus verklart. Von dort aus kénnen
Christi Verklérung auf einem hohen Berg. Als Landschaftshintergrund die kappadokischen »Feenkaminec,
Steinpyramiden, die man vom Eingang der Héhlenkirche aus in natura sieht. ᾿
Shakli Kilise, Géreme, Kappadokien, ausgehendes 11. Jh.
51
Berufung der Jiinger
gem4® der Petrusapokalypse (— Endgericht)
die Jiinger Himmel und Hdlle tiberschauen.
Auf dem Berge Golgatha wird Christus ge-
kreuzigt. Vom Olberg aus fahrt der Auferstan-
dene auf zum Himmel. Von einem grofen
Berg aus sieht der Apokalyptiker Johannes
(21, 10) das himmlische Jerusalem hernieder-
fahren.
Frithchristliche und byzantinische
Darstellungen
Das Paradies liegt nach spatjtidischer Vorstel-
lung, welche die Christen tibernahmen, auf ei-
nem Berg im Osten. Dargestellt wird der Par-
diesesberg, dem vier Stréme entquellen
(1.Mose 2, 10-14), in der Symbolform eines
kleinen Htigels oder Steines in Apsisw6lbun-
gen und auf Sarkophagen (Santa Costanza,
Rom, Mitte 4.Jh., Osios David, Thessaloniki,
Anfang 6.Jh., Sarkophage Konstantius III.
und Valentian III., Ravenna, 5. Jh.).
In friihbyz. Zeit kommt die — Verklérung
Christi auf dem Berg auf. Die Hohle der >
Geburt Christi wird von einem Berg tiber-
wélbt, auf dem die Engel erscheinen.
Bergdarstellungen auf mittelbyz. Fresken in
H6hlenkirchen Kappadokiens basieren auf
dem Vorbild der bizarren pilzférmigen Erdpy-
ramiden (Feenkamine) der Umgebung (Shakli
Kilise, Ende 11.Jh., Carikli Kilise vermutl.
2.Jh., Goreme). Davon wurden die bizarren
Felszacken auf spatbyz., griech. und russi-
schen Ikonen angeregt.
Berufung der Jiinger
KAAOYNTAI ΟἹ ΠΡΩ͂ΤΟΙ MAOHTAI
kalotinte i préti mathita
In Wandbildserien ist die Berufung der vier
ersten Jiinger (— Apostel) zwischen der
—> Versuchung Christi und der Hochzeit zu
Kanaa (— Wunderspeisungen) zu finden.
(Mark. 1, 16-20, Matth. 4, 18-22, Luk. 5,
J-11).
Zwei Fischerboote mit Rudern treiben auf
dem »Galildischen Meer (> Wunder am
Meer). Im vorderen ziehen Simon Petrus und
Andreas, im hinteren (dargestellt tiber dem er-
sten Boot) Jakobus und Johannes prall mit Fi-
schen gefiillte Netze ein. Vor ihnen an Land
steht Jesus mit erhobener Hand (Christus-
52
Berufung der ersten vier Jiinger. Tokali Kilise,
Géreme, Kappadokien, Anfang 10. Sh.
»Folget mir nach, ich will Euch zu Menschenfischern
machen!« Mark. 1, 17
geste) und fordert sie zur Nachfolge auf. Auf
manchen Fassungen liegt Petrus bereits: an
Land, zu Christi FiiRen. In einem Boot kann
sich auch Zebedaus, der greise Vater der vier,
befinden. Fischer werden als eine Art Prafigu-
rationen derer verstanden, die das Evangelium
verktinden (Menschenfischer). Der —> Fisch
selbst ist ein Geheimzeichen fiir Christus.
Eine vermutlich ikonoklastische Symbolisierung der
Menschenfischer-Metapher findet sich in einer kap-
padokischen Héhlenkirche: Zelve Kirche Nr. 4: Ein
Kreuz mit SpieBgriff steckt in Wasserwogen. Von
seinem Querbalken gehen Angelruten aus, an de-
nen Fische hangen: Das Evangelium vom Kreuz
fangt Menschen, um sie zu retten.
Beschneidung Christi
H ITEPITOMH TOY XPICTOY
i peritomi tou Christou
Jesus von Nazareth wurde wie alle mannlichen
Nachkommen, die in die jiidische Kultgemein-
schaft aufgenommen werden sollten, am ach-
ten Tage nach der Geburt beschnitten. Im
Rahmen eines Ritus wurde ein Stiick der Vor-
haut seines Gliedes entfernt und die Eichel
freigelegt. Die Beschneidung — im Judentum
unumgangliches Kennzeichen eines miann-
lichen Mitgliedes — ist in unterschiedlicher
Auspragung bei den Religionsgemeinschaften
des Vorderen Orients, Stidostasiens, Ozea-
niens, Australiens und Amerikas verbreitet.
Beschneidung Christi
Neujahr — Tag der Beschneidung
und Namensgebung
Die Beschneidung, verbunden mit der Namen-
gebung Christi wird — wie im Westen — am
1. Januar gefeiert (— Basilios).
»Der Herr des Weltalls duldet die Beschneidung,
und als der Giitige schneidet er hinweg die Ubertre-
tungen der Sterblichen; er gibt heute der Welt die
Erlésung; er freut sich in der Hohe aber auch Wassi-
lios, des Schépfers hoher Priester, des Lichtbringers
und gottlichen Spenders, der Geheimnisse Christi.«
Kontakion, Liturgie des 1. Januar.
Von der Ostkirche wird die Tatsache, dai
Christus der jiidischen Sitte der Beschneidung
unterworfen wurde, als Ausdruck daftir ge-
wertet, daB sich der Gottessohn wie ein richti-
ger Mensch dem Gesetz Mose unterwarf.
Die Beschneidungspraxis,
ein iiber das Judentum und den alten Orient
hinaus verbreiteter Brauch
Die Aufnahme mannlicher Nachkommen in
die jiidische Kultgemeinschaft erfolgt durch
die Beschneidung. Entsprechende Gebote, so-
wie Reinigungs- und Abléseriten finden sich in
der Thora:
»Wenn ein Weib ein Knablein bekommt ... so soll
sie sieben Tage (kultisch) unrein sein, wie wenn sie
unter ihrer Krankheit (der Menstruation) leidet ...
Und am achten Tag soll man das Fleisch seiner Vor-
haut beschneiden und dann soll sie noch 33 Tage zu
Hause bleiben im Blut ihrer Reinigung.« 3. Mose 12
Die Beschneidung war in Altagypten sowie bei
einigen Stammen Kanaans tiblich; Muslims
wurden, nach dem Vorbild Ismails, des
Stammvaters der Araber, der nach dem AT
dreizehnjahrig von — Abraham beschnitten
wurde, etwa im gleichen Alter dieser Prozedur
unterzogen.
Die byz. Kirche sieht in Ismaels Beschneidung
das typologische Vorbild fiir die Beschneidung
Christi.
Die judenchristl. Gemeinschaften des 1. und
2. Jh.s betrachteten die Beschneidung als heils-
notwendig fiir sich und auch fiir die Heiden-
christen — wogegen Paulus heftig polemisierte.
Religionsgeschichtliche Deutungen des Brau-
ches:
yx Ein magisch besonders gefahrdetes Haut-
stiick wird den Damonen iiberlassen, als Ersatz
fiir das Neugeborene.
Beschneidung Christi. Aus der Festbildreihe der
Bilderwand in der Kirche des Erzengels Michael
Archangelos, Rhodos, 19. sh.
vv Der kulturell geformte Mensch ist der
kiinstlich verainderte, sein K6rper nicht na-
turbelassen, wie das Wildtier: So weist der
Beschneidungstermin am achten Tag nach
der Geburt (— Zahl 8) auf den Tag hin; an
dem etwas vollendet wird (nach friihchristl.
Auffassung z.B. das Siebentagewerk der
Schépfung).
Byzantinische Darstellungen der
Beschneidung
Die Beschneidung Christi wird auf Bilderwan-
den mit mehr als 13 Festtagsbildern haufiger,
seltener an Kirchenwanden dargestellt.
Das Motiv ist auch im Malerhandbuch (Erme-
nia) nicht beschrieben und fehit in den meisten
Fassungen des Marienzyklus wohl deshalb,
weil es im Protevangelium des Jakobus nicht
mehr erwahnt wird. Auf den meist spat- oder
postbyz. Ikonen bzw. Ikonenbeibildern liegt
53
Bild
das Jesuskind halb aufgedeckt auf dem Altar-
tisch. Der Hohepriester Zacharias ziickt das
Messer, nach altem jiidischem Brauch aus
Stein geformt.
Bild
H EIKON
Tikon
Fiir die Orthodoxen ist nicht nur das Tafelbild,
sondern jedes ostkirchliche kultische Bildmo-
tiv eine Ikone, sofern es nur einen das Motiv
kennzeichnenden Textzusatz in griech. oder
kyrillischer, in Ausnahmefallen auch in lat.
Schrift aufweist. Der Begriff schlieBt das ge-
malte oder musivische Wandbildmotiv ebenso
ein wie das gestickte oder applizierte Bild (et-
wa auf einer Altardecke).
Im Altgriechischen bedeutete Ikone (abge-
leitet von »iko« = »ich gleiche, ich scheine«)
einfach »Bild«, »Abbild« oder auch »Statue«.
(— Ikonostase, > Ku8).
Der Sonntag der Orthodoxie —
Festtag der Bilder
»Zum Urbilde tragt empor die Verehrung des Bil-
des. Darum lat uns beharrlich verehren die Bilder
Christi und der Heiligen.« Basilios-Liturgie am
Sonntag der Orthodoxie
Die Ikonen bilden zusammen mit der Heiligen
Schrift und der kirchlichen Uberlieferung die
drei Saulen, auf denen das Glaubensgebaude
wie auch das kultische Leben der Orthodoxie
beruht. Der groBe Feiertag fiir die heiligen
Bilder — der erste Sonntag in der vorésterli-
chen Fastenzeit — hei&t bezeichnenderweise
»Sonntag der Orthodoxie«. So sagt die Fest-
tagsliturgie:
»Indem wir Deine géttliche Gestalt im Bilde darstel-
len, verkiindigen wir klar, o Christus, Deine Ge-
burt, Deine unaussprechlichen Wunder, Deine
Kreuzigung.«
An diesem Tag wird mit einer Ikonenprozes-
sion der Beendigung der Wirren des Bilder-
streites (726-843) gedacht. Ein hagiographi-
scher Text tiber Kaiserin Theodora berichtet:
»Kurz darauf (842) starb er (Kaiser Theophilos),
und Kaiser wurde sein Sohn Michael, der 5% Jahre
alt war, zusammen mit Theodora, seiner Mutter.
Sofort erging ein kaiserlicher Befehl, und alle wur-
54
den zuriickgerufen, wer immer (von den Bilderan-
hangern) verbannt oder in bitterer Haft war. Der
gottlose Theophilos hatte sie in seiner gewalttatigen
Art ihrer Habe beraubt, sie verstiimmelt und ver-
bannt.«
Der bei dieser Gelegenheit neu eingesetzte Pa-
triarch Methodios lie8 am ersten Fastensonn-
tag 843 nach einem einwéchigen strengen Fa-
sten in der Ajia Sophia einen Gottesdienst zur
Wiedereinftihrung der heiligen Ikonen ab-
halten.
Ppa VS ane ected | (OSU ΓΝ MEP
Die Aufstellung der heiligen Bilder.
Kloster Megisto Meteoron, 16. Jh.
»AuBerhalb eines Gotteshauses der Heilige Metho-
dios, der Patriarch, in bischdflichem Gewand. Er
tragt den Bischofsstab. Andere Bischéfe (hinter
ihm) halten Bilder. Davor sitzen zwei Diakone, die
das Bild Christi und zwei andere, die das Bild der
Allheiligen tragen, welche die Hodigitria genannt
wird; ihre FuBbekleidung ist goldschimmernd. Hin-
ter dem Patriarchen die Kaiserin Theodora und der
Kaiser Michael, der Sohn, ein kleines Kind, welche
ebenfalls Bilder halten. Hinter ihnen sind Priester
mit Weihrauch und Lichtern, und die heiligen Ein-
siedler Johannes Arsatius und Isaias und viele ande-
re Moénche. Daneben die heilige Cassia, viele Non-
nen und Laien, Manner, Frauen und Kinder, die
Kreuze und Lichter tragen.« Aus dem Malerhand-
buch (Ermenia)
Bild
Bilderverehrung und Bilderstreit
Die Durchsetzung der Bilderverehrung war
der Endpunkt eines langwierigen historischen
Prozesses, der in engem Zusammenhang mit
den Auseinandersetzungen um die Gdttlich-
keit und Menschlichkeit Christi zu sehen ist.
Wahrend der ersten 2 Jahrhunderte nach Chri-
gentiber der bildlichen Wiedergabe des Heili-
gen vor. Verantwortlich dafiir war einerseits
das mosaische Bildverbot (2. Mose 20, 4-5: Du
sollst Dir kein Gottesbild machen lassen, kein
Abbild dessen, was oben im Himmel, noch des-
Sen, was unten auf der Erde, noch dessen, was
in den Wassern unter der Erde ist. Du sollst sie
nicht anbeten und ihnen nicht dienen ...«) und
andererseits eine versténdliche Abwehrhal-
tung gegentiber der antiken Umwelt mit ihren
- Legionen von Gétterbildern.
In den apokryphen Johannesakten (2. Halfte
2.Jh.) sagt Johannes zu einem Maler, der ihn
portritiert hatte (26-29): »Was du jetzt ge-
macht hast, ist kindisch und unvollkommen:
Du hast einem Toten ein totes Bild malen las-
sen!« Andererseits haben schon im 2.Jh. Ori-
gines und Clemens Alexandrinus den Gedan-
ken, daB Christus selbst die [kone Gottes sei,
»ein Bild, das nach dem Abbild des Schépfers
gestaltet«, und damit die Begriindung fiir die
spatere byz. Bildtheologie geliefert: Weil sich
im NT Gott im Bilde des Logos (Christus) of-
fenbart hat, darf er, ja mu er sogar auch bild-
lich — als Christus — dargestellt werden.
(Im Gegensatz dazu hat sich Gott im AT noch
nicht als Bild, sondern nur als — Schatten of-
fenbart.) Bereits der Hebrderbrief bezeichnet
(1,3) Christus als den »Glanz seiner (Goittes)
Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens«.
Die christl. darstellende Kunst aus dem 3. und
dem Anfang des 4.Jh.s (vor allem Sepulkral-
darstellungen) kennt kaum_ eigenstandige
christl. Motive, wohl aber christl. gedeutete
heidnische Sujets bukolischer Art -- der gute
Hirte, Weinranken mit Kelter — spaiter auch
Motive aus dem AT (— Jonas, —> Noah). Fiir
die Verfolgungszeit und die anschlieBenden
Jahrzehnte ist Mehrdeutigkeit der Motive cha-
rakteristisch. Sie bezeugt eine gewisse Scheu,
eindeutig christl. Motive darzustellen — abge-
sehen davon, da dafiir noch kein Vorrat an
Vorlagen erarbeitet worden war. Der Um-
schwung setzte mit der »Konstantinischen
Wende« im 2. Viertel des 4.Jh.s ein: NT-Fi-
guren und christl. Symbole setzen sich durch;
nicht zuletzt-in den vom Kaiserpaar reich aus-
gestatteten Gedenkstatten Palastinas (~ Kon-
stantin). Spater betonen die groBen Kappado-
kier — Basilios, Gregor von Nazianz und Gre-
gor von Nissa die Vorbildhaftigkeit der Bilder
fiir das Christenleben. Als dann im 5. und
6.Jh. sog. monophysitische Strémungen --
Lehren, die die géttliche Natur Christi hervor-
heben — aufkommen, wird die bildliche Dar-
stellung zu einer theologisch dogmatischen
Frage. Christus ist abbildbar, weil ihm neben
seiner gOttlichen, vom Vater stammenden Na-
tur eine gleichwertige menschliche, von seiner
Mutter Maria herriihrende, Natur eigen ist.
Eine wesentliche Klaérung der Bildtheologie
bringt bereits das Trullanum (Konzil 691-692,
unmittelbar vor dem Bilderstreit). Es ttberwin-
det theologisch die symbolischen Darstellun-
gen (-» Lamm), wie sie in den ersten Jh.en
tiblich waren.
Bildhafter Ausdruck der Theologie vom Bild als Be-
stétigung der menschlichen Natur Christi ist der
wahrend des Bilderstreites aufgekommene Glaube,
daB das Bild der Muttergottes mit dem Kinde vom
Typ Odigitria (+ Maria, — Ikonenwunder, —
Evangelisten) auf ein vom Evangelisten Lukas ge-
maltes Portrat zuriickgehe (dltestes, dem Evangeli-
sten zugeschriebenes Bild, Capella Sancta Sancto-
rum, Rom, vermutl. 6.Jh.; ein Fresko in Matejic,
makedonisches Jugoslawien, 14. Jh., wird als Kopie
des Lukas-Urbildes angesehen). Darstellungen des
Evangelisten mit einem Bild im Bild (Maria auf ei-
ner Staffelei) werden in spat- und mittelbyz. Zeit
liblich, vgl. die Eckzwickel in Kirchen der Meteora-
kléster, Rhodos, Kattawia).
Die ikonoklastischen, d.h. bilderstiirmenden
Kaiser (726-780, 802-842) mit ihrer Neigung,
den menschlichen Charakter Christi zu leug-
nen, wandten sich gleicherweise gegen die Bil-
der- wie gegen die Marienverehrung. Darge-
stellt werden durften lediglich Ornamente, in
die Kreuze eingewoben waren.
Abstrakte Symbole ersetzten die Ikonen.
Mafgebenden Einflu8 darauf hatten die er-
wahnten-‘monophysitischen Lehren, besonders
aber der im 7.Jh. aufgekommene, aggressiv
bilderfeindliche Islam:
55
Bild
Ubersicht: IHusionistisches Bild und Kultbild
Das westliche zentralperspektivische Bild
(seit der Renaissance)
Das byzantinische bedeutungsperspektivische
Kultbild
1. INHALT
Objekt
Im Gegensatz zur Ikone, die auf ein Urbild hin-
weist, das von héherem Rang ist als sie selbst, stellt
das westliche Bild in der Regel ein Objekt in der
sichtbaren Welt dar. Selbst wenn ein unsichtbares
Wesen oder Ereignis wiedergegeben wird, dann so,
als ob es sichtbar ware.
2. LEGITIMATION
Ahnliche Darstellung
Das Bild ist seinem Objekt ahnlich. Es zeigt etwas,
das in einem bestimmten Augenblick von einem
bestimmten Blickpunkt aus entweder so gesehen
worden ist oder zumindest so gesehen hatte werden
kénnen. Dargestellt wird die Erscheinung eines
Objektes; das, was von ihm sichtbar ist (Illusionis-
mus).
3. PERSPEKTIVE
Zentralperspektive
Der MaBstab des Dargestellten hangt vom Betrach-
ter ab. Je ferner gelegen von ihm dies gedacht wird,
desto kleiner und unscheinbarer erscheint es; je
naher, desto gr6Ber und bedeutungsvoller. Das Dar-
gestellte erhalt seine Bedeutung vom Betrachter.
Ohne ihn, der Blickpunkt und Zeitpunkt der Be-
trachtung festlegt, kann es nicht existieren. Im Bild-
raum verlaufen die Fluchtlinien vom winzig darge-
stellten Entferntesten zum gro dargestellten Nahe-
sten auseinander. In unserer Vorstellung weiten sie
sich, wenn sie tiber den Bildraum hinaus auf den
Betrachter zukommen, markieren gleichzeitig im-
mer GréReres. Damit ist der Betrachter selbst das
Gré8te und Wichtigste im Verhiltnis zum betrachte-
ten Bild.
4, BETRACHTUNGSSITUATION
Neutraler Beobachter
Der Beobachtende bleibt der Fremde, der mit dem
Geschehen an sich nichts zu tun hat, es lediglich von
auBen, wie durch ein Fenster (oder den Sucher einer
Kamera!) beobachtet. Sein Verhaltnis zum Gesche-
hen ist distanziert. Zu einer Beteiligung am Gesehe-
nen kann es nur kommen durch die dargestellten
Emotionen, in die sich der Betrachter einfiihlt.
(Eben weil die Identifizierung mit den heiligen Per-
sonen nicht mehr méglich war, steigerte sich der
Ausdruck der dargestellten Personen von der Spat-
gotik an ins Dramatische!)
Urbild
Die Ikone reflektiert immer etwas GréBeres, hinter
ihr Stehendes (insofern hat sie symbolischen Cha-
rakter). Die Darstellung Christi verweist nach oben
auf Christus selbst, der Goldgrund ist Abglanz des
himmlischen Lichtes. In seiner Darstellungsweise
macht das Kultbild keinen Unterschied zwischen
Ereignissen der Aufenwelt und solchen, die sich in
der Innenwelt abspielen.
Authentische Darstellung
Das Bild bedeutet das Urbild, es braucht ihm nicht
ahnlich zu sein, kann es auch nicht, weil das Urbild
dem menschlichen Auge unerreichbar bleibt. Der
Wahrheitsbeweis fiir den Inhalt einer Ikone ergibt
sich daraus, da8 eine von der andern sukzessiv ab-
gemalt worden ist. Am Anfang steht das Urbild,
beispielsweise die Muttergottes selbst, so wie sie
von Lukas gemalt worden ist, oder aber eine »nicht
mit Handen gemachte« (> Ikonenwunder) Ikone,
die auf wundersame Weise erschienen ist.
Bedeutungsperspektive
Was im Bild am bedeutendsten ist, wird auch am
gréBten dargestellt. Christus und die Muttergottes
sind gréBer als die Engel oder sonstige Nebenfigu-
ren — oft nur geringfiigig gr6Ber, so daB der bedeu-
tungsperspektivische Unterschied vom Betrachter
zwar nachempfunden, aber nicht bewufit wahrge-
nommen wird. Fluchtlinien laufen — wenn, wie vor
allem in der spatbyz. Kunst vorhanden — nach hin-
ten in den Bildraum hinein auseinander auf den
Hintergrund zu, der nichts anderes ist als das géttli-
che Licht selbst. Das, was das Bedeutendste ist,
liegt weit entfernt vom betrachtenden Beschauer,
in jenseitiger Ferne.
Einbeziehung in das hl. Geschehen im Bildraum
Die Ikone besitzt eine starke Tendenz, den
Betrachter in den Bildraum hineinzuziehen, damit
er—wie in der Liturgie — mit den Gestalten, die als
Chor die heiligen Hauptfiguren umgeben, etwa mit |.
Engeln oder Aposteln, véllig verschmelzen kann.
Die Ikone kennt zwar keinen perspektivischen
Bildraum, wohl aber einen Lichtraum, in dessen
Strahlungsflut der Betrachter einbezogen wird.
56
Bilderfeindliche Ornamente
»Wenn einer ein Bild verfertigt, wird ihn Gott so
lange Qualen erleiden lassen, bis er diesem Lebens-
geist einblast -- und das wird er nie fertigbringen.«
Buchara Sahil, Burja Bap. 104
Die ZwangsmaBnahmen zur Durchsetzung des
Bilderverbotes stieSen auf erbitterten Wider-
‘stand des Volkes und eines grofen Teils des
Ménchtums. Sprachrohr der Opposition, das
die theologischen Gegenargumente formulier-
te, wurde — Johannes Damaszenus.
Abbildcharakter des Kirchengebiudes — Kir-
chengebaude, — Ikconostase.
Bilderfeindliche Ornamente
TA EIKONOKAACTIKA KOCMHMATA
Ta ikonoklastika kosmimata
Die bilderfeindlichen byz. Kaiser des 8. und
9.Jh.s haben die Darstellung heiliger Gestal-
ten und Geschehnisse verboten, die vorhande-
nen Tafelbilder und Fresken vernichten las-
sen. Aus der kampferischen Auseinanderset-
zung mit den ikonoklastischen, islamisch be-
einflu8ten Strémungen hat sich die orthodoxe
Theologie des Bildes (> Johannes Damasze-
nus) herausentwickelt.
Die Ikonoklasten selbst haben zur Aus-
schmtickung von Kirchenraumen lediglich Or-
namente und anikonische (nicht-bildhafte)
Symbolzeichen zugelassen.
Christus wurde durch das Kreuz oder das
Abendmahlsbrot reprasentiert. Nach dem Sieg
der Bilderfreunde hat man religidse Symbole
dieser Epoche mit ikonischen Darstellungen
libermalt.
Deutungen der ikonoklastischen Symbolspra-
che werden dadurch erschwert, daB der Denk-
malerbestand begrenzt ist und sich zeitlich
nicht eindeutig einordnen laBt.
Das Problem der anikonischen Ornamentik
AusschlieBlich oder vorwiegend anikonisch
ausgemalte Kirchen finden sich vor allem in
Kappadokien. Datiert werden sie teils in die
friihikonoklastische (726-787) und spatikono-
klastische Epoche (813-842), teils sehr viel
friiher (Giordani — Lit.-Verz.), teils auch sehr
viel spater (Marcel Restle).
Die Zuweisungen weichen bis zu 300 Jahre
voneinander ab.
Die Situation wird dadurch kompliziert,
wx ἀδβ es ikonoklastische Stromungen bereits lange
vor der staatlich verordneten Bilderfeindlichkeit ge-
geben hat.
ve da nicht alle ikonoklastischen ménchischen Ge-
meinschaften nach Ende des Bilderstreites ihre Ge-
sinnung gewechselt haben.
% da® im fraglichen Gebiet auch Anhinger nicht-
byz. Gruppierungen siedelten, Mitglieder der arme-
nischen und. westsyrischen Kirche, die ihrerseits zu-
rlickhaltend gegentiber Bildern waren.
yr daB im nahen Ostkappadokien die Hochburgen
der Paulikianer lagen, Angehdrige einer bilder-
feindlichen Sekte.
Die Untersuchungen der »Anikonischen Denk-
maler« erlauben nun durchaus einige Rtick-
schliisse, wobei von folgenden Voraussetzun-
gen auszugehen ist:
a) Gegeniiber dem architektonischen Dekor der
mitteleuropdischen Neuzeit besteht der byz. aniko-
nische Dekor aus weniger Leerornamentik (orna-
mentalen Figuren, die nur Schmuckerfordernissen
dienen). Deshalb mu der anikonische Figurenvor-
rat grundsatzlich in seiner Symbolik entschliisselt
werden kénnen. Die Zeichen ersetzen Bilder oder
weisen auf etwas Abbildbares in ein- oder mehrdeu-
tiger Weise hin. Durch Beischriften wissen wir ge-
nauer, da8 im Frihikonoklasmus ornamentale
Kreuze bestimmte biblische Persénlichkeiten ver-
treten haben.
ἢ sect TRS ins ὍΣ palais
Die Patriarchen Abraham, Isaak und Jakob, repré-
sentiert durch Kreuze in ineinanderverschlungenen
Kreisen. Abraham Kilise (oder Agios Basilios)
bei Sinasos, zwischen 726 und 786.
b) Die Suche nach Bedeutungen hat von den Figu-
rationen an Kuppelwélbungen, Apsiden und Schild-
bogen — d.h. an architektonisch herausragenden
Stellen — auszugehen. Vergleiche mit ikonischer
Kunst im raumlichen und zeitlichen Umfeld ermég-
57
Bilderfeindliche Ornamente
lichten Deutungen, unter der Voraussetzung, da8
sich Parallelen zu den anikonischen Zeichen aufspii-
ren lassen. An bildlichen Darstellungen finden sich
an architektonisch herausragenden Stellen vor und
nach dem Bilderstreit vor allem die - Himmelfahrt
Christi, die Majestas Domini (> Hesekielvision),
. die—» Verklarung Christi.
c) Als zusatzliche Symbole kommen an architekto-
nisch wichtigen Stellen vor allem Zeichen mit litur-
gisch-sakramentaler Bedeutung (Taufe und Abend-
mahl) in Betracht. Die Eucharistie ist das Zentrum
sowohl des Kultes als auch der Frémmigkeit aller
ostkirchlichen Richtungen. Die Ikonoklasten selbst
betonen, das einzige erlaubte Abbild Christi seien
seine —» eucharistischen Gestalten, namlich Brot und
Wein.
Tatsfchlich zeigt eine Untersuchung der Stempel fiir
die Abendmahlsbrote (Prosphoren) in den verschie-
denen Ostlichen Kirchen, da tibereinstimmende
Ornamentzeichen einerseits auf den Stempeln und
andererseits in den anikonisch dekorierten Kirchen-
kuppeln vorkommen.
d) Der anikonische Dekor kappadokischer Kirchen
wird vom Kreuzeszeichen beherrscht.
Das Kreuz im anikonischen Kirchendekor
Kappadokiens
Entsprechend ihrer Ornamentik und der Form
ihrer Kreuzeszeichen lassen sich die Kirchen in
folgende Gruppen einteilen:
1. Kreuzreliefstil: Aus dem Felsen ist eine
langsrechteckige Flachdecke mit raumfillen-
dem Reliefkreuz herausgearbeitet (Zelve
Uziimlii Kilise, vor 790). Die Raumdecke
(Giilliidere, Kirche zu den drei Kreuzen, nach
740) iiberzichen manchmal mehrere, Ζ. Β. drei
Kreuzsymbole. Langsrechteckige Reliefkreu-
ze kommen auch auf Flachdecken von Mono-
lithfelsenkirchen in Lalibela, Athiopien, vor
(12.-13.Jh. nach dlteren Vorbildern in Ak-
sum).
2. Textiler polychrom-ornamentaler Stil: Ge-
malte dekorative lateinische Kreuze mit
Schweifung fiillen die Flachdecken der Haupt-
riume kleiner Héhlenkirchen aus. Zwischen
die Kreuzarme sind rechteckige Felder mit un-
terschiedlicher Ornamentstruktur — einge-
klemmt. Auch Wande und Pfeiler sind zuge-
deckt mit reichen Ornamentflachen und -ban-
dern in tippiger Farbigkeit. Ahnlichkeiten der
groBflachigen Musterfelder mit Teppichen und
Luxusgeweben der kaiserlichen Stoffmanufak-
58
Reliefkreuz (Ausschnitt) an der Decke der Uziimlii
Kilise, Zelve, Kappadokien, vermutlich friihikono-
klastisch.
Gemaltes Deckenkreuz der Abraham Kilise bei Sina-
sos, durch Inschrift zwischen 726 und 780 datiert.
turen in der Hauptstadt — ihrerseits beeinfluSt
von persisch-sassanidischen Geweben -- sind
untibersehbar. Die lastenden Felsenwande
sind kiinstlerisch in luftige Zeltvorhange ver-
wandelt worden (Sinasos Abraham Kilise;
Uziimlii Kilise, Kizil Cukur). Als. Vorlaufer
der textilen Auflésung der Wande sind die
Goldmosaik-Innendekore der justinianischen
Kirchen anzusehen (San Vitale, Ravenna,
Mitte 6. Jh.).
Nachgewirkt hat der Stil in den textilen Ban-
dern, Feldern und Zwickeln, die die bildertra-
genden Wande der spateren Kreuzkuppelkir-
chen in Géreme gliedern (Elmali, Karanlik
und Carikli Kilise, zwischen 11. und 13. Jh.).
3. Stil der architekturgliedernden Zeichnung:
Einfach gezeichnete, teils mit dem Lineal, teils
mit freier Hand gezogene Linienformen,
Kreuzsymbole sowie UmreiBungen, die die
Architektur gliedern. Dabei wird rote (manch-
mal zusatzlich auch, griine) Farbe auf den
nackten Fels aufgetragen. Es dominieren ein-
fache, in Kreise gesetzte rote Malteserkreuze
in unterschiedlicher Ausfiihrung. Einige der
einfachen Figuren sind vor 910/920, andere
nach 1082 entstanden. Die Kreiskreuze kom-
men auch in armenischen Kirchen des 10.Jh.s
vor (> Kreuz). Auf westsyrische Einfliisse
weist das haufige Vorkommen des dreizinki-
gen Gabelkreuzes.
Deckenkreuz der Uziimlii Kilise, Kizilcukur bei
Géreme, vermutlich friihikonoklastisch.
Bilderfeindliche Ornamente
Kreis, Géreme.
4. Spezieller Stil der architekturgliedernden
Zeichnung (Barbara Kilise und Zwei-Gesich-
ter-Kirche Goreme): Ikonografische Griinde
legen es nahe, den Hauptteil der roten Zeich-
nungen in der Barbara Kilise byz. Ikonokla-
sten der 2.Periode (813-842) oder zumindest
Gruppierungen, die diese Tradition fortsetz-
ten, zuzuweisen. (Die bildlichen Darstellun-
gen und einige »Malteserkreuze« sind spatere
Beifiigungen.)
Basilius I. hat noch um 870 einen Bannfluch
gegen die ikonoklastische Haresie aussprechen
lassen.
eM
Zeichenhafte Darstellungen kaiserlicher Standarten,
Barbara Kilise, Géreme, Kappadokien.
Eine ganze Reihe der Zeichen in der Barbara
Kilise sind als kaiserliche Standarten zu deu-
ten. Das ergeben Vergleiche mit Standarten,
die von Erzengeln gehalten werden (Michael
und Gabriel in Sant’Apollinare in Classe, Ra-
venna, Mitte 6.Jh.; standartentragende En-
gel in der Kimesiskirche, Iznik, Ende 7. Sh.;
59
Bilderfeindliche Ornamente
Erzengel-Email aus Konstantinopel, Ende
10.Jh.; Standarten hinter Statthalter: Urteil
des Pilatus im Codex Purpureus Rossanensis,
6.Jh.).
Standarten spielen eine wichtige Rolle
yw bei der Kaiserakklamation. Nach dem To-
de eines Kaisers wurden sie von den Anfiih-
rern der Truppenteile auf den Boden gewor-
fen, zur Ausrufung des neuen Kaisers wieder
erhoben. Die Standarten eines unterlegenen
Herrschers wurden auf den Boden geworfen,
die des siegreichen triumphierend hochge-
halten.
ve bei der — eucharistischen Akklamation.
Die Erzengel halten kaiserliche Standarten in
Handen. Die Himmelsboten sind ausgestattet
mit kaiserlichen Gewandern und Insignien.
Auf beschrifteten Erzengel-Standarten steht
»Ajios, Ajios, Ajios« (Sant’Apollinare in Clas-
se; Iznik Kimesiskirche; Emaille Pala d’oro),
ein Hinweis auf die akklamierende Lobes-
hymne fiir Christus-Gott, die wahrend des eu-
ΩΣ
7
charistischen Hochgebetes (anaphora) unmit-
telbar vor dem eucharistischen Einsetzungs-
worten gesungen wird (—> Eucharistie): »Hei-
lig, heilig, heilig ist der Herr Zabaoth. Erfiillt
sind Himmel und Erde von Deiner Herrlich-
keit. Osanna in der Hohe, hochgelobt sei, der
da kommt im Namen des Herrn, Osanna in
der Hohe. «
Uber den an den Seitenwanden aufgepflanzten
Standarten schwebt in der Hauptkuppel das Kreuz,
umgeben von den vier eucharistischen, auf die
Abendmahlsbrote hinweisenden Punkten (sie kén-
nen ab frithikonoklastischer Zeit die eucharistischen
Silben IC XP NI KA — Jesus Christus siege! -- erset-
zen). Die Triumph- und Siegesstandarten der Bar-
barakirche rufen Christus aus als den siegreichen
Herrscher, der den Menschen erscheint in Gestalt
der eucharistischen Gaben.
Weitere Darstellungen in der Barbarakirche lassen
sich als zeichenhafte Wiedergabe der — Himmel-
fahrt Christi und der — Verklarung deuten.
Anscheinend ist die Kirche von Soldaten angelegt
worden. (Bereits Heraklios (610-641) hat in Klein-
asien das System der Bauernsoldaten geschaffen.)
Eucharistisches Kreuz, umgeben von vier Erzengelstandarten, Hauptkuppel Barbara Kilise, Goreme.
60
Bilderfeindliche Ornamente
Gerade im umkdémpften Kappadokien siedelten
Leute, denen Pachtland als Entgeld fiir Wehrdienst-
leistungen zugesprochen worden ist. Auch die einfa-
che Ausfiihrung der Zeichnungen spricht dafiir, daB
die Schépfer in kaisertreuen Bauernsoldaten der
spat- oder nachikonoklastischen Zeit zu suchen
sind. (Der Kaiserkult ist eine Spiegelung des Chri-
stuskultes.)
5. Kreuzgratkuppelstil mit roter grafischer
Zeichnung: WKappadokische Hd6hlenkirchen
sind mit einer Zentralkuppel mit auffalligen,
sowohl reliefierten, wie bemalten Kreuzgraten
ausgestattet (zwischen 9. und 12.Jh.). Ahnli-
che Kuppelgestaltungen finden sich in den
Ho6hlenkirchen der nordathiopischen Provinz
Tigre (Kreuzgratkuppeln: Enda Miryam Weq-
to, Kirche des Abba Johanni, Marienkirche
Quoquor — zwischen 7. und 14. Jh.). Eine kap-
padokische Kuppel in Géreme (Nr. 31) weist
eine eigenartige Bemalung — rote Quadrate
mit liegenden Kreuzen und vier Punkten — auf.
Die gleiche Form haben die 13 Quadrate auf
athiopischen Prosphorensiegeln aus jener Zeit.
Géreme Nr. 31.
Athiopischer Prosphorenstempel.
Beziehungen zwischen Kappadokien
und Athiopien
DaB in Inneranatolien ahnliche Symbolformen
auftreten wie in Agypten, im Sudan und in
Athiopien, hat folgende Griinde: Das Stamm-
land der westsyrischen Kirche (Jakobiten)
wurde 634-637 von den Arabern besetzt. Zu-
nachst groBztigig geduldet, gerieten die orien-
talischen Christen Ende des 7.Jh.s unter star-
ken islamischen Druck. Es lag ftir sie nahe, in
die damals noch christlichen Randbezirke des
byz. Kappadokien oder nach Athiopien auszu-
weichen. (Athiopier und Kopten gehéren der
monophysitischen Richtung des orientalischen
Christentums an. Griinder des Jakobitentums
ist ein koptischer Ménch.)
Die Brotstempel der Westsyrer, Kopten und
Athiopier ahneln sich deshalb, weil sie alle auf
die Riten der Jakobusliturgie abgestimmt sind.
Die Brote mit den markierten Soll-Bruchstel-
len werden in viele kleine Stticke zerteilt, da-
mit sie an die Glaubigen ausgegeben werden
k6nnen: So weisen die Stempel ein Raster vie-
ler mit dem Kreuz gekennzeichneter Quadrate
auf. Das Muster der Kreuzgrate in den Kup-
peln 148t sich als Darstellung der Eucharistie
verstehen, deren Partikel von Gott ausstrah-
len, sich tiber die ganze Welt ausbreiten und
die verschiedenen Teile des Kosmos in sakra-
mentaler Gemeinschaft miteinander verbin-
den (— Kreuz).
61
Bilderwand
Bilderwand
~—> Ikonostase
Bileam
O TIPO®HTHC ΒΑΛΑΑΜ
O Profitis Wala4m
Im AT erwahnter nichtjiidischer Prophet aus
Mesopotamien (der Walaam aus dem griechi-
schen AT). Wird vom Moabiterkénig Balak
gerufen, um die Israeliten zu verfluchen
(4.Mose, 22-24). Jahwe behindert die Reise
Bileams zu den Moabitern und verwandelt sei-
ne Fliiche in Segen.
Szenische Darstellungen mit Bileam
Das Malerhandbuch (Ermenia) erwahnt zwei
Motive: '
vy »Zwei Reben und in der Mitte der Rebzweige
sitzt Walaam auf einem Maultier und treibt es mit
dem Stock scharf an. Das Maultier liegt auf den
Knien und dreht seinen Kopf zurtick zu Walaam.
Der Engelsfiirst Michael steht mit gezogenem
Schwert vor ihm. In der Nahe die Heerfiihrer des
K6nigs (zu Pferde) zwischen zwei Bergen« (Moni
Thari, Rhodos, 1620; Basilika Monreale, Ende
12. Jh.; Sophienkathedrale Kiew)
Einzelnen handelnden, im AT erwahnten En-
geln (der Engel des Herrn) wird in der byz.
Kunst die Gestalt des Erzengels Michael ver-
liehen!
yx »Moses bekémpft zusammen mit den Hebréern
die Moabiter. Auf einem Berg sieben Altare, auf
denen je ein Stier und ein Widder liegen. Der K6nig_
Balak und seine Heerfiihrer stehen daneben, Ba-
laam (vor ihm) schaut zu den Hebrdern hin, segnet
sie und sagt (nach 4.Mose 24, 17): »Es wird ein
Stern aus Jakob aufgehen, es wird ein Mann aus
Israel erweckt werden und er wird zerbrechen die
Fiihrer von Moab.«
Bileam als Typos des Heidenchristen
Das erwahnte Mose-Zitat (24, 17), beigefiigt
den seltenen Einzeldarstellungen Bileams, gilt
als Weissagung der Geburt Christi und Hin-
weis auf das Erscheinen des Sternes von Beth-
lehem. Wegen dieses Ausspruches und weil
Bileam wie die Weisen aus dem Morgenland
nichtjtidischer Abstammung ist, wird er als Ty-
pos des aus der Heidenschaft stammenden
Christen angesehen. Als bartige, in den Fell-
62
mantel des Propheten gekleidete Gestalt er-
scheint er auf friihchristlichen und frihbyz.
Darstellungen der —> Anbetung durch die
Weisen, er deutet mit seiner Rechten auf den
Stern. Gelegentlich wird er wegen seiner
Weissagung unterhalb der —> Wurzel Jesse ab-
gebildet.
Origines bewertet Bileam negativ, als Typos
des Schriftgelehrten und Pharisaers, von deren
Herrschaft die schlichten Glaubigen, reprasen-
tiert durch die widerspenstige Eselin, befreit
werden sollen.
Ansonsten gilt die Eselin als Stammutter der
Tiere, mit denen Christus in Jerusalem einzog:
»Das Eselsftillen ... sprach: Ich bin von jener
Familie, die dem Bileam gedient hat, und zu
welcher der Geschlechtsgenosse von mir ge-
hérte, auf den sich Dein Herr (Christus) und
Dein Lehrer gesetzt hat.« Apokryphe Tho-
masakten 40.
Der Erzengel Michael erschreckt die Eselin des
Propheten Bileam. Moni Thari, Rhodos, 17. Jh.
Boser Blick
TO KAKO MATI
to kak6 mati
Der Glaube, da8 Blicke téten, zumindest
schwer schaden kénnen, insbesondere Kin-
dern und Haustieren, ist seit dem Altertum im
Mittelmeerraum verbreitet. Menschen, deren
Blick standig oder zeitweilig bése ist, kénnen
sich, miissen sich aber nicht unbedingt dessen
bewuBt sein. Zu unterscheiden sind:
Brennender Dornbusch
vr der neidische Blick, der das Neidobjekt
schadigt.
x der bewundernde Blick, der sozusagen den
Neid der Schicksalsmachte, z.B. auf ein hiib-
sches Kind, lenkt.
ἦς der verhexende Blick, mit dem schéne
Frauen Manner verzaubern (waskania). Da-
von wei man in den griechischen Tavernen
der Hafenstédte so manches Lied aus dem
Volksmilieu (laika tragoudia, speziell Rebe-
tika) zu singen.
Vor dem Bésen Blick schiitzen das Kreuzes-
zeichen, Kétten aus blauen Perlen (vor allem
fiir Haustiere), Amulette in Augenform oder —
nach antikeém Brauch — mit Zeichnungen (Eu-
le, Skorpion, Ibis). Anhanger aus Silber oder
Gold in dér Form einer — Eule oder eines
Skorpions werden von Juwelieren und Touri-
stenboutiquen angeboten -- besonders auf
Rhodos und Kos.
Manche Zeichen mit noch ungeklarter Bedeu-
tung an Kircheneingaingen sind Apotropdika
(Abwehrzauber), auch gegen den Bésen
Apsis-Christus, Gesicht und Augenpartien sind
durch Steinwiirfe zerstort. Elmali Kilise, Goreme,
Kappadokien
fe)
νι
Die Muslims, Araber und Tiirken, die Kirchen
in Kleinasien und im Balkan eroberten, scheu-
ten die Blicke der christlichen Heiligen und
zerkratzten ihre Augenpartie (— Georg). An-
dererseits hat mancher orthodoxe Christ seine
Hausikonen umgedreht oder mit einem Tuch
abgedeckt, wenn er etwas vorhatte, das dem
Blick der Heiligen besser verborgen bleiben
sollte.
Als Schutzheilige gegen Augenleiden gilt ins-
besondere — Paraskewi.
Brennender Dornbusch
I BATOC ΠΟΥ AEN KAIETAI
I Watos pu den kdete
Als diirres Gestriipp, das brennt und doch
nicht verbrennt, erscheint Gott dem Mose.
Den Christen gilt der brennende Busch als Ty-
pos der Gottesmutter, die Gott als Feuer in
sich traégt und dennoch nicht von ihm verzehrt
wird.
Altes Testament: Mose und der brennende
Dornbusch
»Und der Engel des Herrn erschien ihm in einer
feurigen Flamme aus dem Dornbusch. Und er sah,
da der Dornbusch mit Feuer brannte und wurde
dennoch nicht aufgezehrt ... rief ihn Gott aus dem
Busche ... >Tritt nicht herzu, ziehe Deine Schuhe
aus von Deinen FiiBen, denn der Ort, darauf Du
stehst, ist heiliges Land.< ... Und Moses verhitillte
sein Gesicht, denn er fiirchtete sich, Gott anzu-
schauen.« 2. Mose 3, 2
Mose erhalt am Sinai von »dem, der im Dorn-
busch wohnt« (5. Mose 33, 16), den Auftrag,
sein Volk aus Agypten herauszufiihren. Im al-
ten Orient gilt der Dornbusch als Sonnenge-
wachs (Dornen = Strahlen). Trockene Dorn-
stréucher stellen in der Wliste das wichtigste
Feuerungsmaterial dar. Das Dornbuschmotiv
gehért in den Umkreis der Gotteserscheinun-
gen in oder unter Baumen (> Lebensbaum).
Dornen und Flammen betonen hier die Unzu-
ganglichkeit Gottes.
Darstellungen des brennenden Dornbusches
als Typos der Gottesmutter
Vom 4.Jh. an wird der Dornbusch als Typus
der »Immerjungfrau« verstanden, die Gott als
das Feuer in sich tragt (Maria Platytera, >
Maria, die Allheilige), ohne zu verbrennen; er
symbolisiert, da sie Jungfrau blieb, obwohl
sie gebar.
Das Motiv wird vom 4./5.Jh. an bis in die
postbyz. Zeit als Mosaik oder Fresko darge-
stellt: Mose, von Schafen umgeben, hat seine
Schuhe abgelegt, wendet sich voller Furcht ab
vom brennenden Dornbusch; die Gottesmut-
ter (Maria Platytera, > Maria, die Allheilige)
— oder ein Christuskopf -- erscheinen. Kyrillos
von Alexandrien deutet die Dornen als die
menschliche Siindhaftigkeit, von der auch die
Allheilige betroffen ist.
63
Brot/Brotstempel
Bisweilen wird die Situation unmittelbar vor
der Erscheinung dargestellt - Moses stiitzt sich
auf seinen Stab (Rhodos, Moni Thari 1506).
Die Beziehung zwischen eucharistischer und
der spateren mariologischen Symbolik
Zwei der dltesten Darstellungen des Dornbusch-
Motivs (ohne Marienerscheinung) weisen typolo-
gisch auf die Eucharistie hin:
vv Portalrelief Santa Sabina, Rom (1. Halfte 5.Jh.):
Die Flammen ziingeln aus Felsgestein, das wie ein
Altar geformt ist. Zwischen Mose und dem bren-
nenden Dornbusch steht der im AT erwahnte
Engel.
Der Dornbusch reprasentiert den himmlischen
Altar, von dem der Engel die gliihenden Kohlen
nimmt, um die Lippen des Propheten zu reinigen
(Jesaia 6, 5-7, -> Proskomedie) und zugleich als
Typos den Abendmahlsaltar.
xv Mosaik im Sanktuarium von San Vitale, Raven-
na (6.Jh.): Der die Sandalen l6sende Mose vor dem
Flammenfelsen ist links tiber einer Liinette mit eu-
charistischen Motiven angebracht: Abel und Mel-
chisedek (—> Abraham) bringen auf dem heiligen
Tisch Opfer dar. Rechts tiber der Liinette gegen-
iiber Mose der Prophet Jesaia.
Die friihbyz. Buchmalerei tibernimmt zu-
nachst das Motiv des brennenden Felsaltars.
Der Bedeutungswandel des brennenden Dorn-
busches in der spaiten mittelbyz. Zeit vom ‘Ty-
pus des Abendmahlsaltars zum Typus der
Muttergottes erklart sich aus der spaten Auf-
fassung —> Marias als des Abendmahlsléffels,
ἃ. ἢ. als Behdltnis, das Christus in seiner Ge-
stalt als Abendmahlsgabe in sich birgt (> Al-
tar, --ὸ Jesaia).
Das Ikonenmotiv der Dornbusch-
Muttergottes
In nachbyz. Zeit, besonders in RuBland ver-
breiteter Ikonentyp: Die Biiste der Allheiligen
mit dem Christkind auf dem Arm (mitunter
von einem —> Nimbus umgeben) sitzt in einem
achtstrahligen Stern.
Der setzt sich wieder aus zwei vierzackigen
Sternen (vier Ecken aus konkaven Kreisseg-
menten) zusammen:
wv Der vordere, auf der Spitze stehende blaue
Vierzacken-Stern ist durch Sterne und Engel
als Himmelssphére gekennzeichnet: Die All-
heilige ist die Himmelsk6nigin.
64
xv Der hintere, vom vorderen tiberschnittene
Vierzacken-Stern ist meist rot und vertritt das
Dornbusch-Feuer. In den vier Flammenzwik-
keln kénnen die vier Evangelistensymbole an-
geordnet sein.
Zwischen den acht sich nach auBen verjiingen-
den Spitzen werden verbindende Kurven gezo-
gen, so da8 eine Art Blite entsteht. Auf den
»Blitenblattern« erscheinen Erzengel.
Hervorgegangen ist das Motiv der Dornbusch-
Muttergottes aus dem achtzipfligen, von Che-
rubin hinter Maria aufgespannten Tuch (=
Himmelszelt: Chorakirche, Konstantinopel,
1315-20).
Auf manchen Ikonen (RuBland Pskow, 14. Jh.)
halt Maria Platytera (— Maria, die Allheilige)
anstelle des Welt- und Himmelskreises den
Doppel-Viererstern mit der Btiste des Christus
Emanuel.
Wird in spatbyz. Zeit der Christus der — Ver-
klarung, der — Heimholung Maria oder Gott-
vater im Doppel-Viererstern dargestellt, so
handelt es sich dabei um eine Anspielung auf
den brennenden Dornbusch als Typos einer
Epiphanie.
Das Motiv erinnert an Mandalas (— Kirchen-
gebdude). Die Achtzahl der Zacken 148t an
die vier Haupt- und an die vier Nebenhim-
melsrichtungen denken, die blaue und die rote
Farbe an die Vereinigung der beiden Urgegen-
saitze Wasser — zugeordnet der Mutter Gottes
als lebensspendende Quelle — und Feuer -- dem
Element des Weiblichen und Muttergdttli-
chen. (Bereits im 4. und 5. Jh. wurde in einem
Kloster unterhalb des Sinai der Dornbusch
Mose neben einer Quelle den Pilgern gezeigt.)
Brot /Brotstempel
O APTOC/H IIPOC®OPA/H C®PATIC
o Artos/I prosfora/i sfragjis
Das Hauptnahrungsmittel ist Brot, die Speise
schlechthin. Als Inbegriff g6ttlich-geistiger
Nahrung verbindet es alle, die es gemeinsam
verzehren. Im Brot erscheint auch Gott selbst
den Menschen. Das Gottesbrot erhiilt eine be-
sondere Form oder wird mit einem Stempel —
mit symbolischer oder bildlicher Darstellung --
gekennzeichnet.
Brot/Brotstempel
Muttergottes vor dem achtzipfeligen Himmelszelt. Chorakirche, Konstantinopel, 1315-1320.
Brot als kérperliche und geistige Nahrung
im Judentum, der griechischen und rémischen
Antike und im friihen Christentum
»Unser taglich Brot gib uns heute und vergib
uns unsere Schuld.«
Die vierte Bitte um das Grundnahrungsmittel
ist die einzige weltliche Bitte (vier als Zahl der
Welt) im Vaterunser. Ob sie sich aber tatsach-
lich nur auf leibliche Nahrung bezieht, ist
héchst fraglich angesichts der Selbstaussage
Jesu (Joh. 6, 35): »Ich bin das Brot des Le-
bens.« Nichts verbindet die Menschen derart
intensiv miteinander, als gemeinsames Essen —
mit Ausnahme der Liebe; verstindlich, daB
friihchristliche Gemeinschaftsmahle »Agapi«
(Liebesmahle) hieBen.. Uralt ist die Vorstel-
lung, daB der Mensch zu dem wird, was er sich
einverleibt.
Zur Zeit des AT aBen die Juden Fladenbrot
aus Gerste, seltener aus Weizen. Es diente als
tellerartige Unterlage fiir Fleisch und Gemtise
(heute noch wird in Griechenland und in der
Tlrkei Fleisch -- Jiro bzw. Déner Kebab — zu-
sammen mit Zwiebeln und Krautern in Brot-
fladen gewickelt). Geistiges Brot ist schon fir
die Juden die Thora, das Wort Gottes. Die in
vier Spitzen auslaufenden Schaubrote, ausge-
stellt im Tempel zu Jerusalem, waren vermut-
lich Kosmogramme (die Abendmahlsvorberei-
tungen in der —> Proskomidie haben ebenfalls
kosmografischen Charakter!).
Fiir die Griechen war im Brot deren Erfinde-
rin, die Erdmutter, selbst anwesend. Ihr zu
Ehren feierten sie die Megalartia (grofes
Brotfest).
Brotbestandteile wurden im Totenkult den
Toten und den chtonischen Gottheiten — z.B.
der Demeter als einer Erscheinungsform der
Erdmutter — geopfert (Ausstreuen von K6r-
nern, Teigopfer, Brotgaben). Bei keinem Op-
fer, blutig oder unblutig, durfte Backwerk feh-
len. Brotreste, geheiligt durch ein Opfer an
Asklepios, galten als Heilmittel - wie heute
die Ewlojiabrote.
Fiir die Romer war Brot das alteste Nahrungs-
mittel und alteste Opfergabe zugleich. In ge-
sduerter Form konnte es jedem Gott darge-
bracht werden. Gebildbrot in Tierform wurde,
65
Brot/Brotstempel
wie im alten Agypten, als Ersatz fiir blutige
Opfer gegeben. An Neujahr schickte man gu-
ten Bekannten gliickbringendes Kuchenbrot.
Auch Totenspenden und Totenmahle mit Brot
waren tiblich.
Wie die griech. waren die rémischen Alltags-
brote rund. Mehrfach unterteilt, konnten sie
leicht gebrochen werden. Besonders verbreitet
war panis quadratus, kreuzformig unterteiltes
Brot.
Totenmahlsszene mit Fisch und panis quadratus.
Die Darstellung ist méglicherweise christlich.
Ausschnitt aus einem Sarkophagdeckel,
Museo Christiano, Vatikan, Ex. Vat. 172, Ende 3.Jh.
Geformtes, geritztes und gestempeltes Brot
Die friihen Christen deuteten die Ritzzeich-
nung des panis quadratus als Kreuz und be-
nutzten die Fladen fiir die Eucharistie (Em-
mausmahl, friihchristlicher Sarkophag, Museo
della Therme, Rom; Gastmahl des Abraham,
San Vitale, Ravenna, 6.Jh.).
Gestirnférmiges Kultgeback war im Orient tib-
lich, so bei den Totenopfern der Parsen (son-
nen- und mondférmig), bei den Manichdern
(Kombination von Sonnen- und Mondschei-
be), bei einer marianisch-christlichen Sekte
Arabiens (Mondsichel).
Die friihesten Brotformen und die Brotstem-
pel, angebracht zur Kennzeichnung des Ge-
wichts oder aber zur Weihe von Opferbrot,
scheinen rémisch zu sein. Sowohl in der Litur-
gie wie im religidsen Volksbrauch des heutigen
Griechenland spielt Brot eine entscheidende
Rolle.
Das Brot in der byzantinischen und in der
heutigen Orthodoxie
»Siehe, Dein Bild ist geformt mit dem Blut der
Trauben auf dem Brot und geformt auf dem
66
Griechisch-orthodoxer Prosphorenstempel
(seitenverkehrt vergréBert). Apollona, Rhodos.
Herzen mit den Farben des Glaubens und der
Liebe. Gesegnet sei, der vergehen 148t Bilder
aus Stein durch sein wahres Bild.« (Ephram
der Syrer)
— Proskomidie und Liturgie: Partikel aus fiinf
Prosphoren (Abendmahlsbroten) -- mit dem
Kreuzeszeichen und dem Schriftzug IC XP NI
KA gestempelt -- werden in der —> Proskomi-
die zu einem mikrokosmischen Modell des all-
umfassenden Kosmos zusammengelegt und in
der Liturgie als Heiliges Abendmahl (> Eu-
charistie) gespendet (in der syrisch-orthodo-
xen Kirche wird das 12teilige flache Brot bei
der Vorbereitung des Abendmahls in Stticke
gebrochen, aus denen der Priester eine men-
schenférmige Figur fiigt).
Abschlu8 der Feier der Liturgie: Antidoron
(»Anstattgabe«) — die Reste der fiinf Prospho-
ren und gegebenenfalls noch zusatzliche — wer-
den zum Schlu8 der liturgischen Feier an Teil-
nehmer und Nichtteilnehmer des Abendmah-
les verteilt. Dieses heilbringende Brot kann
zum Zeichen der Gastlichkeit auch an Nichtor-
thodoxe gegeben werden. Die Ménche vom
Sinai spenden es z.B. den muslimischen Be-
duinen, um ihnen etwas Gutes anzutun. Man-
che Glaubige schaétzen das Antidoron so hoch
ein, da8 sie am Vorabend des Empfanges fa-
sten. An besonderen Festtagen werden die
Brotstticke mit nach Hause genommen und als
Heilmittel fiir Kranke verwendet. Theologisch
Bundeslade
gilt das Antidoron (nach Pseudo-Germanikus)
als Leib der Gottesmutter, da das Lamm Chri-
stus aus ihr herausgelést, herausgeboren wird.
Da Maria zugleich die Kirche reprasentiert,
wird das Antidoron zu einem Gemeinschafts-
mahl, das alle Glaubigen miteinander ver-
bindet.
Gestempelter Ewlojion (Eulogion). Brot bei einem
Kirchenfest vor der Giprelkirche auf dem Tsambiko,
Rhodos
Hohe Festtage und Namensfeste von Heiligen:
Artoklasia
In der Zeremonie des Brotbrechens — sie fin-
det bei Namensfesten von Heiligen vor deren
Kirche statt — werden Kuchenbrotstiicke (sog.
Ατίοβ, im Gegensatz zum gew6hnlichen Brot
»Psomi«) als Heilsgabe und Zeichen der Ge-
meinschaft verteilt. Die groBen runden Brot-
laibe — Durchmesser bis zu einem halben Me-
ter — tragen eine Stempelprigung (Bild des
Prosphorensiegels, des Festtagsheiligen oder
einer Festtagsszene). Brotverteilung bei Festen
im Haus: Das Christopsomo (~ Geburt Chri-
sti) wird zu Weihnachten verteilt, der Mutter-
gottes als Starkung nach der Entbindung ange-
boten.
Neujahr ist undenkbar ohne Wassildpitta
(— Basilius).
Am Vorabend des Samstags des -- Lazarus
werden fiir die Kinder »Lazari« gebacken,
Brétchen oder Mandelbrote in der Form eines
in Leinentiicher gewickelten Menschen. Laza-
tus weist vorbildlich auf den auferstehenden
Christus hin. Kollywa, die Totenspeise bei Be-
stattungen und Erntefeiern: Eine Speise aus ge-
quollenen Weizenkérnern, siehe —» Toten-
brauche.
Abbildungen und Symbole des
Abendmahlsbrotes
Als Weihegaben gekennzeichnete Brote fin-
den sich auf Darstellungen der —> Eucharistie
bzw. ihrer typologischen Vorbilder — auf frii-
hen Bildern bis zur Mitte des 6. Jh.s, vor allem
als panis quadratus (Gastmahl Abrahams, San
Vitale, Ravenna, Mitte 6.Jh.) —, spater als ge-
stempeltes Brot (Opfer Abels und Melchise-
deks, San Vitale, Mitte 6.Jh., Sant’Apollinare
in Classe, 7.Jh., Ravenna, Ajia Sophia,
Ochrid, 11.Jh.). Im byz. Bereich setzt sich be-
reits um 700 der bis heute verwendete Pro-
sphorenstempel durch. Zu der Zeit hat auch
die — Proskomidie ihre bis jetzt giiltige Form
erhalten. Wahrend des Bilderstreites kommen
zwei Symbole fir die ftinf Prosphoren der
Proskomidie auf:
κα Finfkreuzférmig angeordnete Punkte.
xy Vier Punkte zwischen den Armen eines
— Kreuzes.
Sie sind eine Abkiirzung der vier Silben »Jesus
Christos Nika«.
Vorformen dieses Symboltyps lassen sich bis
ins 6.Jh. zuriickverfolgen. In der Kirche von
- Tabgha (Palastina) errichtet an der Stelle der
Speisung der 5000 mit fiinf Broten und drei
Fischen, stellt ein Mosaik einen Brotkorb dar:
zwischen zwei Fischen vier Brote, mit einem
Kreuz gekennzeichnet und auch selbst kreuz-
férmig angeordnet: Heute noch werden serbi-
sche Weihnachtsbrote’ kreuzférmig in der Art
des panis quadratus unterteilt. Zwischen den
Kreuzarmen liegen vier kleine Quadrate mit
dem Prosphorensiegel.
Buchstaben —- ABC
Bundeslade
H KIBOTOC THC AIA@HKHC
I kibotos tis diathikis
Das gro8te Heiligtum des alttestamentlichen
Judentums birgt die mosaischen Gesetzesta-
67
Charos
feln. Aufbewahrt wurden sie in der Friihzeit in
einem Zelt, spater im Allerheiligsten des Tem-
pels.
In byz. Zeit ist die Lade Typos der Gottesmut-
ter, die das Heiligste — Christus-Gott — als
Kind in sich tragt.
Die Lade fiir die Gesetzestafeln
im Alten Testament
Jahwe selbst fordert auf dem Berge Sinai Mose
(2.Mose 25) dazu auf, eine vergoldete Lade
aus Holz fiir die zwei steinernen Gesetzesta-
feln (mit dem gesamten jtidischen Gesetzes-
werk) anzufertigen. In der Wanderzeit der Is-
raeliten wurde die Lade mit Hilfe zweier Stan-
gen von vier Mannern getragen. Im Lager hat
man sie in.einem Zelt aus zehn Teppichen
(Stiftshiitte) zusammen mit anderen Kultge-
genstainden aufbewahrt. Nach dem Ende der
Nomadenzeit ersetzte Konig — Salomon die
Stiftshtitte durch einen steinernen Tempel auf
dem Berg Zion. Im Allerheiligsten verblieb
die Lade wahrscheinlich bis zur Zerstérung
des Tempels durch Nebukadnezar II. (587
v. Chr.).
In den jiidischen Gebetshausern (Synagogen)
befindet sich, nachgewiesen seit 250 v. Chr.,
dem Eingang gegeniiber als Ersatz fiir die
Lade und ihre Gesetzestafeln ein Schrein fiir
die Thorarollen.
Die Bundeslade in der athiopischen Tradition
Athiopien war von jiidischen Flichtlingen vor
Nebukadnezar missioniert worden und tiber-
nahm daher das Christentum spater in seiner
judenchristlichen Form.
Nach 4thiopischer Uberlieferung hatte bereits
K6nig Menelik I., Sohn K6nig Salomons und
der Bilbis (K6nigin von Saba), die Bundeslade
in Jerusalem entwendet und nach Athiopien
gebracht.
Dort begriindete er die athiopische, durch die
Abstammung von Salomon legitimierte Kai-
serdynastie.
Bis heute wird in Athiopien das Abendmahl
anstatt auf dem Antiminsion auf dem sog. Ta-
bot (Bundeslade) dargebracht — einem in kost-
bare Tiicher gewickelten seltenen Stein oder
Holzsttick.
68
Die byzantinische Deutung der Bundeslade
als Typos der Gottesmutter
Bundeslade und — Tempel verkérpern beide
die den Christus in sich tragende Gottesmut-
ter, reprdsentieren gleichzeitig die mit der
Gottesmutter gleichgesetzte triumphierende
Kirche.
Das Malerhandbuch (Ermenia) nennt folgen-
de Szenen mit der Bundeslade aus dem AT:
yx »Zwilf Priester tragen auf ihren Schultern die
Bundeslade. Sie stehen in der Mitte des Jordan wie
auf dem Trockenen. Hinter ihnen sind Wagen mit
zwei Rindern und ein Wagenfithrer, der sie antreibt.
Die Menge des Volkes durchwandelt mit — Josua
den FluB8.«
Die Priester sind typologische Vorbilder ftir
die zwélf Apostel, Josua fiir Jesus (die Namen
beider werden in der griech. Bibel gleich ge-
schrieben). Die Szene selbst weist auf die Tau-
fe hin (-5 Ciborium).
vw David bringt die Bundeslade nach Jerusa-
lem (2. Sam. 6, 1-11):
»Zwei Rinder ziehen einen Wagen und darauf liegt
die Bundeslade (eine goldene Kiste und zwei golde-
ne Cherubim iiber ihr). Davor David in einem wei-
Ben Gewand, die Harfe spielend. Neben ihm sind
Priester, die einen mit Pauken, die andern mit Zit-
hern, die andern mit Trompeten. Neben der Bun-
deslade liegt der tote Usa. Dahinter eine Menge
nachfolgender Leute.«
τς David tanzt um die Bundeslade herum.
(2. Sam. 16, 14-15).
(Fresko in der Chorakirche, Konstantinopel,
1315.)
Charos
O XAPOC/O XAPONTAC
O charos/O charontas
Der Totenfahrmann der Antike, Charon, lebt
als Charos in der byz.-christl. Wandmalerei
und in neugriech. Klageliedern fort.
Geleitsmann der Toten in der Antike
Charon, in der Antike Totenfaéhrmann, aber
auch gleichgesetzt mit dem Tod selbst (auch mit
dem Hades), wird von den altgriech. Schrift-
stellern sprachlich in Zusammenhang gebracht.
Cherubim
mit dem Totenflu8 Acheron, hinter dem sich
eine alte Totenherrschergestalt verbirgt. Heu-
te wird Charon abgeleitet von »charopos«
(wildfunkelnd blickend). Den von Charos be-
fahrenen Acheron stellten sich die Griechen
als FluB oder See vor, eine Verniedlichung des
die Erde umspiilenden Urmeeres.
Charos, Verkérperung des Todes
in den neugriechischen Klageliedern
Der neugriech., in Totenklagen (Mirolojia)
‘und -gesiingen faBbare Charon ist zu einer
“Verkérperung des Todes selbst geworden.
Gleichzeitig tritt er als Totengeleiter und Be-
herrscher des Totenreiches auf. Er besitzt den
Schliissel zum Hades.
In den volkstiimlichen Klagegesaingen (sog.
Mirolojia und Charoslieder) finden wir seine
Gestalt aufgespalten in den meeresbefahren-
den Totengott der Kiisten- und Inselbewohner
— seine Boote sind niemals Nachen, sondern
groBe Segelschiffe -- und in den wilden Reiter
(Herr tiber die Pferde) der bergigen Region:
Insel Zakynthos:
»Es treibt das Segel des Charos,
es treibt zum Orte des schwarzen Geschicks,
Dorthin, wo viele Seelen sind, alte und junge,
schwarz ist sein Schiff und schwarz seine Segel.«
Rhodos:
»Steh auf mein Kind, der Charos harrt,
und er gewahrt kein Warten,
Sein Schiff steht unter Segel schon,
zum Hades fahrt hinab es!«
Peloponnes:
»Schwarz ist er selbst, schwarz ist sein Pferd,
sein schnelles Rof8 ein Rappe,
geht aus auf Raub die ganze Nacht,
bis in die Morgenfriihe.«
Stehende Wendungen im heutigen Neugrie-
chisch: »lin nahm der Charos« (Er starb) und
»Ich sah den Charos mit meinen Augen« (Ich
_ bin dem Tod von der Schippe gesprungen.)
Die antike Sitte, den Toten eine Miinze — Ent-
gelt fiir die Schiffspassage -- in den Mund zu
legen oder einen Ersatz dafiir, Ζ. Β. ein Wachs-
kreuz, ist heute noch in Griechenland (auch in
Frankreich) verbreitet.
Der Totenherrscher zu FiiBen des auferstehenden
Christus — hier von einem Engel gefesselt — wird
durch Beischriften teils als Charos, teils als Hades,
teils auch als Satan bezeichnet. Kloster Panajia
Mawrotissa bei Kastoria, spdtbyzantinisch.
Charos — Hades — Satan
Auf Wandmalereien mit Unterweltmotiven
werden die Gestalt des + Teufels, des Hades
und des Charos nicht deutlich voneinander un-
terschieden (— Ostern). In den Klageliedern
kommt zwar der Charos als Tod vor, der --
Hades als die von Charos beherrschte Unter-
welt, der Teufel aber tiberhaupt nicht. In Mar-
chen dagegen kann der > Teufel Ziige des see-
fahrenden Charos, des Poseidon und, als Herr
ὌΡΕΙ alle Schatze der Welt, auch des Hades/
Pluto annehmen.
Cherubim
TA XEPOYBIM
Ta cheruwim
Vierfliigelwesen, iiber und tiber mit Augen be-
deckt, die den Thron Gottes umstehen (1. K6n.
6., Ez. 1 u. 10). Urspriinglich waren es vier,
entsprechend der Zahl der Winde, sie galten in
der alteren Schicht des AT als Fahrzeug Jah-
wes. Ihnen zur Seite rollten gefliigelte Rader
(— Engel, --ὁ Hesekielvision). In der ostkirch-
lichen Liturgie (— Eucharistie) stellt der Chor
69
Christus
die Gott lobsingenden Cherubimi dar (Cheru-
bimhymnus). Cherubim sind Wachter der
Bundeslade wie des Paradieses. Darstellungen
von Cherubim und —> Seraphim sind nicht im-
mer zu unterscheiden. (Naheres —> Pfau, auch
— himmlische und kirchliche Hierarchie).
Cherubim-Darstellung. Tokali Kilise I,
Kappadokien, Ende 10. Jh.
Christus
IC XP/IHCOYC XPICTOC
JS ChR/Jisouis Christdés
»Jesus Christus lebte auf der Erde etwa 33 Jahre.
Die schriftlichen Nachrichten und die gesamte
kirchliche Uberlieferung konzentrieren ihr Interesse
auf diesen Zeitraum, insbesondere jedoch auf die
letzten drei Jahre, in denen er 6ffentlich wirkte.«
Dimitrios Wakaros
Die Aussage des orthodoxen Geistlichen
stimmt mit dem historischen Befund tiberein:
Christi Vorlaufer (+> Johannes) begann vom
Jahre 28 oder 29 an zu taufen, Jesus von Naza-
reth βίαι am 7. April 30 oder am 3. April 33.
70
DaB Jesus lebte, wird nicht mehr bestritten.
Seine Existenz als Mensch ist das starkste Ar-
gument der Orthodoxie fiir Christi Darstellung
im- Bild. Die Frage, wie sich Christus selbst
gesehen hat, ist unter Theologen und Histori-
kern umstritten. Nach den vier Evangelien des
NT hat er sich selbst als Gottes Sohn verstan-
den und als Messias [= Christus = der Gesalb-
te, > Ol], als Gottes kéniglichen Beauftrag-
ten, fiir den sich die Heilserwartung nicht in
einem diesseitigen, sondern in einem jenseiti-
gen Reich erfiillt. Christus griff damit spatjidi-
sche Vorstellungen, die auch schon bei einigen
AT-Propheten angelegt waren, konsequent
auf.
Christos Pantokrator, Kuppelfresko im Athoskloster
Xenophontos, nachbyzantinisch.
Christusbilder als Zeugen der
Menschwerdung Gottes
»Das Wort des Vaters, das unfaBbar ist durch Be-
schreiben, hat sich dadurch, da& es Fleisch
(Mensch) geworden, selbst umschrieben. Und in-
dem er das (durch Adam) befleckte Menschenbild
in seiner Urform wiederherstellte, durchdrang er
dieses mit g6ttlicher Schénheit.« Kontakion vom
Sonntag der Orthodoxie '
Christus bildlich darzustellen, ist nicht nur er-
laubt, sondern theologisch geboten: Als das
Abbild Gottes hat er es durch seine Mensch-
werdung zusatzlich auf sich genommen, zum
Bild des gefallenen Menschen zu werden. Als.
Christus
QV
Christos Achiropiitis auf Mandylion in der postbyzantinischen Klosterkirche von Warlaam Meteora.
Gottessohn das Bild des Menschen anneh-
mend, hat er diesem seine verlorene Gottes-
ebenbildlichkeit wieder zuriickgegeben. Chri-
stusdarstellungen erhalten Hinweise auf die
beiden in Christus vereinten Naturen:
Die wichtigsten Christusikonen-Typen
Die am haufigsten dargestellte Gestalt kommt
vor in Szenen aus dem NT, den NT-Apokry-
phen (> Marienzyklus), anstelle Gott-Vaters
in alttestamentlichen Szenen, in Szenen aus
der miindlichen Uberlieferung (+ Heimho-
lung Mariae), in liturgischen Szenen (— Eu-
charistie) und Huldigungsbildern (> Deisis,
> Kaiser).
Jesus als Bild Christus als Bild
desMenschen Gottes
Namens- Jesus, Christi Christos, der
beischrift Name als Gesalbte Gottes,
Mensch, bedeu- entspricht dem he-
tet »Gott hilft« | braischen Messias.
Kenn- Kreuzim Nim- Mittelbyzantinisch:
zeichnung bus (Zeichen eucharistische fiinf
des des Leidens und Punkte in den
~Nimbus Sterbens als Kreuzarmen des
Mensch) Nimbus;
Spat-Postbyz.:
Inschrift in den
Kreuzbalken »O on«
(= der Seiende, Be-
zeichnung Gottes
selbst)
Die wichtigsten Typen von Einzeldarstellun-
gen auf Tafelbildern wie an herausgehobener
Stelle im Kirchen-Innenraum sind:
1. Christos Achiropiitis — die nicht mit Handen
gemachte Christusikone wird zurtickgefiihrt
auf den Abdruck des Gesichtes Christi auf ei-
nem Linnen, das er dem Armenierkénig Ab-
gar von Edessa schickte. Dargestellt: Tuch mit
Kopf (ohne Hals).
Das Bildnis legt die fiir Einzeldarstellungen
des erwachsenen Christus ab friihbyz. Zeit
verbindlichen physiognomischen Merkmale
fest:
71
Christus
a) absolut frontale Kopfstellung (en face)
b) langes gewelltes braunliches Haar mit Mittel-
scheitel
c) Stirnlocke
d) vom Haar halb verdeckte Ohrlappchen
e) markante, oft zusammengewachsene Brauen
f) Bart mit einer oder — haufiger — zwei Spitzen
g) Kreuznimbus — der Schnittpunkt der Kreuzarme
hinter dem Kopf liegt in der Héhe der Nasenwurzel
knapp tiber den Brauen. (An dieser Stelle liegt bei
den indischen Buddhastatuen das Stirnauge — die
Urna. Auf tamilisch-siidostindischen Statuen vor
der Jahrtausendwende hangt sie stirnlockenférmig
aus dem Haar herab.)
Christos Pantokrator im Hauptportal vor Narthex
zum Naos. Klosterkirche von Osios Lukas, Anfang
11.Sh.
2. Christos Pantokrator -- die wichtigste Aus-
formung des Christusbildes, dargestellt in der
Hauptkuppel, auch in Nebenkuppeln, in Fel-
dern tiber dem Hauptportal, auf zahlreichen
Ikonen (> Pantokrator, > Nimbus).
Der Pantokrator oder Archijerews ist auf allen in
Kirchen eingebauten > Ikonostasen rechts von der
schénen Pforte, die Gottesmutter links davon dar-
gestellt. (BegrtiSung der Christusikone durch den
Priester > Proskomidie)
3. Christos Archijerews -- Christus als Hohe-
priester. Angetan mit bischdflichen Gewan-
dern, vor allem der Bischofskrone, sitzend auf
der Bischofskathedra. Auf bischdflichen Ka-
72
Christos als Erzpriester. Zeitgendssische Darstellung
im alten Stil. Rhodos.
thedren rechts von der Bilderwand ist gew6hn-
lich eine Archijerewsikone angebracht. Der
Bischof — iiber eine Abfolge von Handaufle-
gungen, die seine Vorganger jeweils der nach-
sten Generation weitergereicht haben, letzt-
lich von Christus selbst eingesetzt — bildet in
seinem liturgischen Handeln Christus und sein
heilsgeschichtliches Wirken ab (+ Himmel-
fahrt). Schon das NT (Hebr. 5, 4—8) stellt Chri-
stus als »einen Priester in Ewigkeit nach der
Ordnung Melchisedek« (+ Abraham) heraus.
Die Liturgie der Ostkirche wird aufgefaBt als
Opferhandlung des Hohepriesters Christus. Er
ist der opfernde hohe Priester und zugleich das
geopferte Lamm.
Christus
ἣ ὅ
--. a [ΞΞ 0 sess a
4. Christos Emmanouil — Christus als kind-
licher Knabe.
Maitth. 1, 23 wird eine Prophezeiung des Jesaia
(7, 14) zitiert:
»Siehe, eine Jungfrau wird schwanger sein und ei-
nen Sohn gebdren und sie werden ihn Emmanouil
nennen — das heift verdolmetscht: Gott ist mit uns.«
Die Muttergottes wird grundsatzlich nicht mit
einem Kleinkind, sondern mit dem Emma-
nouil-Knaben (in deutschen Bibeln umschrie-
ben als »Emmanuel«) auf dem Arm dargestellt
- einem 6- bis 7jahrigen, der mit der Gestik
eines Erwachsenen die Rechte zum Segen er-
hebt und in der Linken eine Schriftrolle halt
(— Maria). Allein wird der jugendliche Chri-
stus (nach dem 6.Jh.) nur selten dargestellt.
Der schlafende Emmanouilknabe, den Kopf
auf die Rechte gesttitzt und in eine rote Decke
gehiillt, wird als Anspielung auf Christi Todes-
schlaf gesehen. Das Bild gibt eine in der Kar-
samstagliturgie aufgegriffene Prophezeiung
Jakobs (1. Mose 49.9) wieder:
»Er hat sich gelagert und ist entschlummert wie ein
Lowe, wie ein L6wenjunges; wer wird ihn wecken?«
(Athos Protaton, Ende 13. Jh.)
Christos Emmanouil im Schlafe. Zeitgendssische Darstellung im Stile des 15.Jh.s, Metropolis, Rhodos.
In spateren Darstellungen sitzt die Gottesmut-
ter neben dem Lager und zieht éinen Schleier
vom Gesicht des Kindes. Ein Engel zeigt die
Leidenswerkzeuge (Meteora Warlaam, Mitte
16. Jh.).
Historische Entwicklung des Christusbildes
Die friihesten, auf Christus hinweisenden Kata-
kombenmalereien, Sarkophagreliefs und -sta-
tuen (Ende 2., 3., auch noch 4. Jh.) stellen ihn
nicht direkt dar, sondern hiillen ihn gewisser-
maBen ein in Gleichnisfiguren, den antiken
Religionen entnommen, spater auch dem AT:
+ Der gute Hirte: jugendlich und ohne Bart: Tragt
ein Lamm auf den Schultern (die von Christus geret-
tete Seele eines Verstorbenen). Manchmal winden
sich Lowen zu seinen Fii®en (»Der gute Hirte lapt
sein Leben fiir seine Schafe« Joh. 10, 12). Vom 4.1}.
an werden Hirtenszenen durch Baume, auch durch
Quellen, zu Paradiesgarten ausgebaut (kéniglicher
Hirte zwischen sechs nach ihm blickenden Schafen,
Mosaik Galla Placidia, Ravenna, ca. 422). Die frii-
heste Gute-Hirten-Darstellung: Lucina und Kalli-
sto-Katakombe, Rom, vorkonstantinische Sarko-
phage; Dura Europos, Taufraum.
73
Ciborium/Baldachin
se Der Lehrer und wahre Philosoph in antiker
Tracht. Vereinzelte Darstellungen in Katakomben
des 3.Jh.s, Anfang 4.Jh.s weiterentwickelt zu
»Christus, die Apostel belehrend« und in spatkon-
stantinischer Zeit zu »Christus als Gesetzgeber«.
ἈΞ Der neue Orpheus, der Sanger mit der Leier.
Weil sein Gesang Tote erwecken kann, sieht schon
Clemens Alexandrinus in ihm eine Symbolfigur
Christi. Orpheus verkérpert Christus als eschatolo-
gischen — David.
Orpheus versuchte seine Frau Eurydike aus dem
Hades zu befreien — vergebens. Der neue Orpheus
Christi fahrt in den Hades (~ Ostern) und ihm ge-
lingt es, die Toten zu befreien. Im 3. Jh. ist er wie
der gute Hirte von Schafen, im 4. meist von wilden
Tieren umgeben (den von Christus beherrschten
Damonen). Der Christus-Krieger, der auf Lowen
und Schlangen tritt, ist ein Nachklang des Motivs
(S. Callisto-Katakombe, Orpheus Cubiculum).
ὡς Der Fischer mit dem Netz. Er fangt die Fische
(Seelen) aus dem Meer (> Meereswunder) und ret-
tet sie so vor dem Untergang (S. Callisto, Sarkopha-
ge u.a. in Rom und Ravenna, 3. Jh.).
vy Schiff mit oder ohne Steuermann (Christus als
der neue —> Charon im Boot mit den Totenseelen,
—> Schiff als die Kirche), durch die Wogen gleitend
(Broncelampe Museo Archeologico Florenz,
Schiffsfresko 5. Callisto - ohne Steuermann).
Mit der konstantinischen Friedenszeit (Anfang
4.Jh.) kommen ein- und zweizonige Sarkopha-
ge auf. Ein meist bartloser jugendlicher Chri-
stus bewirkt mit einem Zauberstab in der
Hand auf Einzel- und mehrere Szenen zusam-
menfassenden Kompositdarstellungen > Wun-
derheilungen und —> Wunderspeisungen oder
erweckt — Lazarus. Jetzt wird Christus selbst
als Person dargestellt — seine Heilstaten intér-
essieren jedoch mehr als seine Pers6nlichkeit.
Im Laufe des 4. Jh.s kommen — oft untermischt
mit prafigurativen AT-Szenen (~ Abraham,
—» David, > Noah usw.) — die neutestament-
lichen szenischen Darstellungen auf, die dann
von der Buchmalerei und den Wandmosaiken
der Basiliken des 6.Jh.s zu erzahlenden Sze-
nenfolgen ausgebaut werden (Sant’Apollina-
re, Ravenna, Mitte 6.Jh.: Der wundertatige
Christus an der linken Wand ist noch bartlos,
der an der rechten bartig).
Zwischen 375 und 450 bildete sich ein vdllig
neues, fiir die weitere Entwicklung des Chri-
stusbildes maSgebliches Motiv heraus: Chri-
stus als der Beherrscher des Alls (+ Himmel).
Das himmlische Urbild des irdischen —> Kai-
74
sers thront majestatisch auf der Himmelskugel
oder einem Regenbogen und verleiht oder
empfangt —> Krinze (San Vitale, Ravenna,
400, bartlos; Santa Pudenziana, Rom, mit
Bart), vergibt Gesetze oder Schliissel (Santa
Costanza, Rom — einmal bartlos, einmal bar-
tig), wird von den — Weisen verehrt (Santa
Maria Maggiore, Rom, thronender Emma-
nouilknabe). Zur gleichen Zeit erscheinen die
ersten Festtags- und Passionsdarstellungen
(Santa Sabina, Rom, 422-432). Christus als
Beherrscher des Alls verschmilzt mit dem Him-
melfahrtsbild. Sich herauslésend aus den Wun-
der- und Festtagsserien, wandert es nach oben
ins Gewdlbe oder hinauf in die Kuppel. Nach
dem Bilderstreit (naheres -» Himmelfahrt)
verdichtet sich das Motiv zum —> Pantokrator,
in dessen Bild die physiognomischen Elemente
des Christuskopfes aus dem — Mandylion ein-
flieBen.
Das schmale, meist mit dunklen Linien her-
ausgearbeitete Antlitz des mittelbyz. Christus,
wird zum Ende der spatbyz. Zeit hin breiter
und mit malerischem Hell-Dunkel plastisch
durchmodelliert. Auf russischen Ikonen er-
scheint das Untergesicht kraftig ausgepragt.
*
Ciborium / Baldachin
TO KIBQPION/O OYPANICKOC
To Kiwérion/O Ouraniskos
Freistehende Aufbauten aus einem kuppelfér-
migen Gebilde iiber vier, zum Teil auch acht
Stiitzen, werden in leicht transportabler Form
(Stangen und Stoff) Baldachine, in fester Aus-
fihrung (Stein, Holz) Ciborien genannt. Beide
betonen die Erhabenheit dessen, was sie tiber-
wélbend schiitzen, sind »Heiligenscheine« fir
verehrte Menschen oder Gottheiten, Objekte
oder Orte.
Das Ciborium als Schutzschirm und
Auszeichnung
Ehrenvoll ausgezeichnet wurden in vorchristl.
wie in byzant. Zeit:
mit Baldachinen mit Ciborien
Herrscherthrone, Herrscherthrone
Tragstiihle fiir Herrscher
Ciboriuimn/Baldachin
Altare (christl. Altare
gelten als Thronsitz
Christi)
Ambone (fiir Schrift-
lesungen) bzw. das auf
ihnen liegende Evange-
lienbuch
Graber mit verehrten
Toten. Das Epitaphion
(— Passionszyklus) Christi
ist ciborienartig tiber-
wolbt
Brunnen
Taufbecken (Piscinen)
groBe Weihwasserbecken
Altare, Tragaltare bei
Prozessionen
WUE HT
Ciborium tiber dem Webtisch der jugendlichen Maria
im Tempel zu Jerusalem. Narthex Chorakirche,
Konstantinopel, 1315-1321.
Byzantinische Abbildungen von Ciborien
Auf Wandmalereien, Ikonen und in der Buch-
malerei verleiht das abgebildete Ciborium, sel-
tener der Baldachin, Sakramentalobjekten wie
Abendmahl, Taufe — gelegentlich auch Heili-
gen — eine besondere Weihe. Die Haufigkeit
der Ciboriendarstellungen nimmt ab mittelbyz.
Zeit zu.
Uberwélbt werden:
tr Der auf die Eucharistie hinweisende Altar
im Tempel von Jerusalem mit seinem schar-
lachroten — Antiminion (> -Altar, + Marien-
zyklus).
vr Der— eucharistische Altar mit Christus als
Hohepriester (—> Eucharistie).
yr Die Muttergottes mit dem Kind als — le-
bensspendende Quelle, Personifikation der
Taufe (ab spatbyz. Zeit.
xe Der Altar der Blachernenkirche in Kon-
stantinopel, vor dem eine Erscheinung der
Muttergottes stattfindet (russische Ikonen ab
15. Jh.).
Gelegentlich finden sich Ciborien auf Sterbe-
szenen von Heiligen -- jedoch nur im Hinter-
grund. In der Buchmalerei werden einzelne
Heilige oder Heilsgeschehnisse in ciborienahn-
liche Rahmen gefaft.
Kombinierter Ciborien-Baldachin.
Auf der abgeschnittenen Kuppel eines Ciboriums er-
hebt sich nochmals ein Vierpfosten-Stoffbaldachin.
Das Ciborium ist austauschbar mit dem dlteren
Baldachin. Narthex Chorakirche, Konstantinopel,
"1315-1321.
Die Mosaiken der Chorakirche, die Fresken der Ni-
kolaos Fountoukli in Rhodos und viele russische
Ikonen zeigen noch andere kirchenahnliche Gebau-
de, die mit scharlachroten Stoffen -- baldachinahn-
lichen Ehrenzeichen — iiberspannt sind. Einige der
ornamentalen, mandaladhnlichen Rundformen im
Scheitel von Flachkuppeln (Chorakirche), ahneln
von unten gesehenen Baldachinen oder Ciborien-
woélbungen — byz. Entsprechung zur abendlandi-
schen Scheinkuppel. ;
75
Ciborium!/Baldachin
Flachkuppel iiber den heilsgeschichtlichen Szenen
als Himmel aus. Chorakirche, Konstantinopel,
1315-1321.
Das Ciborium als Himmelsmodell
Im alten Agypten kennzeichneten Baldachine
und Ciborien die herausragenden Platze von
Herrschern. Die Erde wurde aufgefaBt als
Rechteck mit vier Pfosten, tiberw6lbt vom
halbkugeligen Himmel. Die vier Stitzenauf-
bauten waren ein verkleinertes Modell des
Alls, in dem der Herrscher als das Zentrum
der Welt, als die fiinfte Saule und Weltenachse
stand.
Vom 4. vorchristl. Jh. an wird der Baldachin
griechisch Ouraniskos (Himmelchen) genannt.
Plutarch iiber Alexander den Groen:
»Und er sitzt ... unter dem gtildenen Ouraniskos
auf dem kéniglichen Thron.«
900 Jahre spater (2. Halfte 6.Jh.) bezeichnet
Corippus die Goldkuppel des Thronbaldachins
fiir den r6mischen Kaiser Justin als Abbild des
Himmelsgewélbes. Auf einer Elfenbeintafel
(6.~8.Jh.) thront die von den Magiern verehr-
te Maria mit Kind unter einem mit Sternen
iibersiten Baldachin. Ende 11.Jh. weist ein
Engel mit Fliigeln, der die Gottesmutter im
Tempel (> Marienzyklus) speist, in einer Ci-
borienkuppel diese als Himmel aus (Lektionar
Kloster Pantelimonos, Athos). Zu der Zeit
schreibt Theodor von Andida in seinem Litur-
giekommentar, das die heiligen Vater deshalb
Ciborien als Abbilder des Himmels tiber Alta-
ren gewolbt hatten, weil auf diesen Altaren
das geschehe, was sich einst in Jerusalem et-
fiillt habe (der Opfertod Christi), Jerusalem
aber als Ort des zentralen Geschehens der
76
Weltgeschichte, Mitte der Erde und zugleich
Mitte zwischen Himmel und Erde sei (Cibo-
rium als Mikrokosmos).
In Altpersien und spater im hellenistischen
Griechenland gab es Baldachine mit nur einer
Mittelsiule -- also Schirme. In Siidostasien
werden Gétterstatuen und Wiirdentrager mit
ebenfalls als Himmel aufgefa8ten Ehrenschir-
men geschtitzt.
Wie die Baldachine fiir die Ciborien, waren
die Schirme in Siidostasien Vorbilder fiir’ Pa-
goden und Merus, deren iibereinandergestaf-
felte Dacher Reprisentationen der Himmels-
spharen sind.
Baptisterien und Weihwasserbrunnen
Architektonische Erweiterungen von Ciborien
iiber Piscinen (Taufbadebecken) sind die nach
den vier Himmelsrichtungen orientierten friih-
christ]. Baptisterien (Ravenna 6.Jh.). Bei ih-
nen sind die Offnungen zwischen den tragen-
den Sdulen mit Mauerwerk geschlossen. Ihre
oktogonale Anlage findet sich wieder in den
meist als achtstiitzige Steinpavillons ausgebil-
deten »Fialen« tiber Weihwasserbecken auf
dem Athos.
poe i Ss
»Fialien« mit Becken fiir die Wasserweihe im
Athosklosters Iwiron.
Daniel
Auch die Kuppel der »Fialen« reprasentiert
den Himmel, wie die Anweisungen des Maler-
ménches Dionysios vom Athos im Malerhand-
buch (Ermenia) bestatigen:
»Oben in die Kuppel (hier die »Fialen«) male den
Himmel mit Sonne, Mond und Sternen, auRerhalb
des Himmelskreises eine Glorie mit vielen Engein.
Unten im Kreise male als erste Reihe das, was am
Jordan mit dem Vorldufer sich zugetragen hat. Male
an der Ostseite die -> Taufe Christi und tiber dem
Haupte Christi einen aus dem Himmel hervorge-
henden Strahl und in die Spitze des Strahls den Hei-
‘ ligen Geist. Im Strahl, von unten bis oben, die
Schrift: Dies ist mein geliebter Sohn, an dem Ich
Wohlgefallen habe.« Matth. 3, 17
᾿ς Abgesehen von der — lebensspendenden
Ὁ Quelle, -- Johannes dem Taufer und den Pro-
pheten, die die Taufe weissagten, werden Er-
eignisse des AT abgebildet, die sich typolo-
gisch auf die Taufe beziehen (2. Mose 2, 1-10;
14, 10-15; 15, 22-26 und 27; 17, 1-7; Jos. 3,
1-17; 2. K6n. 2, 12-15 und 19-22; 5, 8-14).
Daniel
OTIPO®HTHC AANIHA
O profitis Daniil
Ein Prophet, der im 6.Jh. v.Chr. unter den
Exiljuden in der babylonischen Gefangen-
schaft gewirkt haben soll. Die Ereignisse um
ihn und die Geschichten in den unter seinem
Namen laufenden Biichern des AT sind wegen
ihrer erzahlerischen Farbigkeit populér und
werden von friihchristl. Zeit an haufig darge-
stellt.
Daniel im alttestamentlichen und apokryphen
Schrifttum
Das alttestamentliche Buch Daniel und die
von den Orthodoxen und Katholiken als kano-
nisch, von den Protestanten als apokryph ein-
gestuften Biicher Gebet Asarjas, Susanna, Bel
und der Drache zu Babel berichten 300 bis 400
Jahre nach der babylonischen Gefangenschaft
liber eine Gestalt, die 568 (?) aus Jerusalem
ins Exil verschleppt, als Prophet und Traum-
deuter am Hofe Nebukadnezars II. gewirkt
hat und unter Kyros, zusammen mit seinem
Volk, wieder nach Palastina entlassen wurde.
Daniel wird als vierter der groSen —> Prophe-
ten jugendlich bartlos dargestellt.
Der Drache zu Babel als Typos des
Hllenrachens
Dem Drachen zu Babel wirft Daniel Fladen
aus Pech, Fett und Haaren ins Maul, so daB
dieser zerbirst (Bel und der Drache zu Babel
22-26). Auf-friihchristl. Sarkophagen versinn-
bildlicht das Motiv die Seele des Verstor-
benen, die auf ihrem Weg zum Jenseits mit
den in den Planetenspharen lauernden Damo-
nen zu kaémpfen hat. Spdter entwickelt sich
Daniel zum Typos des den Héllenrachen tiber-
windenden Christus (> Ostern). Gelegentlich
kommt die Drachenszene in der spatbyz. Ma-
lerei vor.
Daniel in der Lowengrube —
Typos der Auferstehung
Aus Wut tiber die Vernichtung ihres Drachens
lassen die Babylonier Daniel in eine Léwen-
grube werfen. (Bel und der Drache zu Babel
27-41). Doch die Untiere — abgebildet sind bis
zu sieben, eine Anspielung auf die sieben da-
monischen Wachter der sieben Planetenspha-
ren (— Zahl 7) -- umschmeicheln die Knie des
Propheten.
Haufige Erweiterung des Motivs: Ein Engel
(Michael) tragt den Propheten Habakuk an
den Haaren durch die Liifte herbei, damit er
Daniel mit Speisen versorge.
Daniel ist der Gerechte, verfolgt um seines
Glaubens willen.
Als Betenden, der erhdrt und gerettet wird,
stellt ihn die Katakombenmalerei (ab 3.Jh.
Domitilla) und die friihe Sepulkralplastik in
Orantenhaltung dar.
Er ist ebenso Typos von Adam, der die Herr-
schaft tiber die Tiere besa (1. Mose 1, 28) und
sie am Ende der Tage wiedergewinnen wird.
Die Kirchenvater verstehen Daniel als die von
der Hdlle gerettete Seele. Ephram der Syrer
bezeichnet (Nisip 11) seine Geschichte erstma-
lig als Typos der Auferstehung.
Die Loéwengrube wird haufig in der Liturgie
erwahnt, besonders in Sterbe- und Taufgebe-
ten als Beispiel der Errettung, ist daher ein
verbreitetes Motiv der Wandmalerei von der
frtih- bis zur postbyz. Epoche.
77
Darstellung Christi im Tempel
Die drei Jiinglinge im Feuerofen
Jiinglinge im Feuerofen, Kloster Panajia Mawrotissa.
»Lobet Hananja, Asarja, Misael den Herr,
lobsinget und rihmet ihn hoch in Ewigkeit.
Denn er hat uns entrissen der Unterwelt
und aus des Todes Gewalt uns errettet.
Er hat uns geholfen mitten aus der gliihenden Lohe
und aus dem Feuer uns erlést!« Gesang Asarjas 64
Die Drei waren von Nebukadnezar einem
Feuerofen tiberantwortet worden, weil sie ei-
nem goldenen Gétterbild — vielfach tragt es
seine Ziige — die Anbetung verweigert hatten.
Sie stehen im Ofen, tiber ihnen breitet der En-
gel des Herrn (Michael) schiitzend seine Arme
aus. Auf spat- und postbyz. Wandmalereien
schlagen die Flammen aus dem Ofen und toten
die Soldaten des Kénigs.
In der frithchristl. Sepulkralkunst (Kallistus-
Katakombe, 4.Jh.) mahnt das Motiv, Christus
anzubeten und nicht dem Kaiser Weihrauch zu
opfern, was in der Verfolgungszeit Abfall vom
Glauben bedeutete.
Die Kirchenvater beschreiben die Jiinglinge
als die durch Christus — der rettende Engel ist
sein Typos -- aus dem Héllenfeuer geretteten
Seelen. Auf einem Sarkophag (Rom, Deut-
sches Archdologisches Institut, 3.Jh.) ist dem
Feuerofenmotiv Noah in der Arche, der die
Taube ausfliegen la8t, beigefiigt: Sieg des
Christen tiber die tédlichen Elemente Feuer
und Wasser.
Zugleich sind die drei Jiinglinge Prafiguratio-
nen der Weisen aus dem Morgenland (— An-
betung) und Typos der Dreieinigkeit, die sich
mit Christus dem Tod unterwarf und die Auf-
erstehung erfuhr.
78
Feuerofen- und Léwengrubenmotiv werden
haufig dem Auferstehungsbild (> Ostern) zu-
geordnet und im Hauptschiff der Kirchen dar-
gestellt.
Uber ein Feuerofenwunder bei der Bekehrung
der Russen berichtet Konstantinos VII. Porphy-
rogenetos (Leben Kaiser Basilios I., 867-886):
»Als der Erzbischof das Heilige Buch des géttlichen
Evangeliums hochhielt und ihnen die Wundertaten
im AT erklarte, sprachen die Kiever Russen so-
gleich: Wenn wir nicht ein ahnliches Wunder sehen,
und zwar so eines, wie Du es von den drei Jtinglin-
gen im Feuerofen erzahltest, wollen wir Dir nicht
voll glauben ... Sie verlangten, da8 das Glaubens-
buch der Christen ... in den von ihnen entziindeten
Scheiterhaufen geworfen werde, wenn es unver-
brannt und unversehrt bliebe, wiirden sie sich zu
dem von ihm verktindeten Gott bekehren ... Hier-
auf wurde das heilige Evangelienbuch in den Feuer-
ofen geworfen. Als nach Ablauf mehrerer Stunden
der Ofen geléscht wurde, fand man das heilige Buch
unverletzt ...«
Zur Erinnerung daran hat es im vorrevolutio-
ndren RuSland vor Weihnachten Klamaukum-
ziige von »Feuerofenjiinglingen« gegeben.
Susanne im Bade
Susanna wird von zwei alten Richtern, denen
sie nicht zu Willen war, des Ehebruchs be-
schuldigt. Daniel rettet die Frau, indem er
die Richter in Widerspriiche verwickelt, Sym-
boldarstellungen der Szene — Susanna als
Lamm zwischen zwei Wélfen (die Reinheit be-
drangt von Siinde) - kommen in der friih-
christ]. Sepulkralkunst vor (Pratextus-Kata-
kombe, Rom).
Darstellung Christi im Tempel
H YITAIIANTH TOY IHCOY XPICTOY
I Ipapanti tou Jisou Christot
Alles erstgeborene Mannliche gehérte nach
alttestamentlicher Auffassung Gott (2.Mose
13 und 3. Mose 12). In der Zeremonie der Dar-
bringung wurden*mannliche Kinder »ausge-
lést« durch das Opfer eines Lammes oder ei-
nes Taubenpaares. Die orthodoxe Kirche sieht
in dieser Darbringung einen Typos des Opfer-
todes Christi und der Eucharistie.
Darstellung Christi im Tempel
Das Hochfest der Darbringung
Die Feier der »Begegnung« zwischen dem 40
Tage alten Christus und dem greisen Seher Si-
meon, in Konstantinopel seit Mitte des 5. Jh.s
bekannt, gehért zu den zw6lf Hochfesten (>
Festtagskalender). Weil Simeon Christus als
Licht bezeichnet hat, wurden in den Liturgien
des Ostens frither Kerzenumziige veranstaltet
(vgl. Maria LichtmeB, Marié Reinigung am
2. Februar). In Griechenland ist der 2. Februar
Ruhetag der Miithlen. Man glaubt, da sich das
Wetter 40 Tage lang nicht verandert. Am Fol-
getag, Namenstag von Simeon, fassen schwan-
gere Frauen kein Arbeitszeug an. Ihr Kind
kénnte sonst mit einem Feuermal zur Welt
kommen (Simeon lautgleich griech. Malzei-
chen).
Reinigungsriten fiir die Wochnerin
»Und da die Tage ihrer (der Mutter Maria) Reini-
gung nach dem Gesetz Mose nahten, brachten sie
ihn (Jesus) nach Jerusalem, um ihn dem Herrn zu
weihen. Denn so steht geschrieben in des Herrn Ge-
setz: Alles Mannliche, was als erstes den Mutterleib
offnet, soll dem Herrn geheiligt werden. Und sie
wollten gem48& dem Gesetz des Herrn zwei Turtel-
tauben opfern ... Und da war in Jerusalem Simeon,
fromm und voll Gottesfurcht ... und ihm war ge-
kiindet worden durch den Heiligen Geist, daB er
den Tod nicht sihe, bevor er den Christus, den
Herrn, gesehen ... Und da die Eltern das Kind
Jesus in den Tempel brachten ... nahm er es auf den
Arm, lobte Gott und sprach: Herr, nun la8t Du
Deinen Diener in Frieden fahren, wie Du gesagt
hast, denn meine Augen haben Dein Heil gesehen.
... ein Licht als Offenbarung fiir die Volker. ... Und
es war eine Prophetin Hanna (Anna) ... eine Witwe
von 84 Jahren ... die trat auch hinzu ...« Luk. 2,
22-40 ;
Wochnerin und Kind gelten fiir Tage bis Wo-
chen nach der Geburt als unrein und von Da-
monen besonders bedroht. Sie sind vom Kult
ausgeschlossen. Der Brauch war im alten
Orient, in Hellas, Rom, auch in der frth-
christl. und der friihbyz. Epoche verbreitet.
Bei Juden, Griechen und Byzantinern durfte
die Wéchnerin 40 Tage kein Heiligtum betre-
ten (+ Beschneidung Christi). Die Wéchnerin
war vor der Teilnahme am Kult durch Reini-
gungsriten aus ihrem besonders durch Daémo-
nen gefahrdeten Ubergangszustand wieder in
den Normalzustand zu iiberfiihren. Im heuti-
gen Griechenland stattet die. Mutter mit ihrem
Kind am 40. Tage nach der Geburt der Kirche
ihren ersten Besuch ab (»Sarantissi«, sie begeht
den 40.).
Die Ablésungsriten im alten Orient
Phénizier wie Kanander verbrannten fiir Baal
mannliche Kinder und Tiere bei lebendigem
Leib. Die Punier legten Kinder in die Arme
einer Baalstatue, von wo aus sie weiterrollten
ins Opferfeuer (vermutlich im Inneren des
Molochs). Dies sollte die Fruchtbarkeit der
Mutter sicherstellen. Bei den alten Juden wur-
de das Kindesopfer schon frithzeitig durch ein
Tieropfer — das allerdings fiir jedes Kind — ab-
gelést (3. Mose 12): ein Lamm und eine Taube
oder, wenn die Eltern arm waren, zwei Tau-
ben (Opferung Isaaks + Abraham). Doch
fanden die Propheten genug Anlasse, gegen
ruckfallige Israeliten zu wettern, die dem ka-
nandischen Baal Kinder opferten.
Moni Thari, Rhodos, 17. Sh.
79
David
Bildmotiv der Darbringung
Das Bildmotiv hat sich im 9.Jh. nach dem Bil-
derstreit durchgesetzt und bleibt weitgehend
unverdndert. Das Innere des Tempels in Jeru-
salem wird bisweilen durch die AuBenfassade
eines Tempelgebaudes im Hintergrund ange-
deutet. Ansonsten vertritt der Altar, tiber-
wolbt von einem Vier-Saulen-Pavillon (= Ci-
borium), das Tempelinnere.
In das Antiminsion, das meist blutrote Tuch
iiber dem — Altar, ist ein Kreuz eingearbeitet.
Ein Buch oder eine Schriftrolle liegt auf dem
Altar. Vom Scheitel der Ciborienkuppel hangt
eine Olleuchte herab -- die Olleuchte aus der
Kirche des heiligen Grabes in Jerusalem (--Ὁ
Ol). Links vom Altar steht Maria mit verhill-
ten —> Handen und reicht dem sich ebenfalls
mit verhiiliten Handen nach vorne neigenden
Simeon rechts vom Altar den Christus-Imma-
nouil-Knaben zu (Osios Lukas, Anfang
11.Jh.). Der streckt seine Hande nach dem
Greis aus. Manchmal thront Christus in Sime-
ons Armen wie in einem Sessel (H6hlenkir-
chen in Kappadokien).
Simeon, letzter Priester des AT und zugleich
erster des NT, tragt kein Priestergewand. Er
ist einer der 70 Weisen, die um 350 v. Chr. das
AT aus dem Hebriischen ins Griechische
iibertrugen. Das Buch auf dem Altar ist die
von den Griechen benutzte Septuaginta. Hin-
ter ihm die 84jahrige Seherin Anna (Hanna) --
vel. Luk. 2, 40 — nicht zu verwechseln mit An-
na, der Mutter Marias, die auch ein rotes
Uberwurftuch (Maphorion) tragt. Auf spaten
Darstellungen hat sie nach dem Malerhand-
buch (Ermenia) eine Schriftrolle in der Hand
mit dem Text: »Dies Kind hat Himmel und
Erde erschaffen.« Hinter Maria tragt Joseph,
offen oder verdeckt, zwei Opfertauben, das
Ausléseopfer armer Leute.
In erzihlenden Bildserien des > Marienzyklus
fehlt dieses Motiv. Etwa vom Jahr 1000 an
wird es im Hauptschiff im Rahmen des --Ὁ
Festtagskalenders, spater auch in der Festtags-
reihe der Bilderwand, dargestellt.
Die Darbringung im Tempel --
typologischer Hinweis auf die Eucharistie
Die Darbringung Jesu vor dem Altar bildet Isaaks
Opferung, Christi Opfertod und gleichzeitig das eu-
charistische Opfer des Abendmahles vor. Auch die
80
Abendmahlsaltare in den Darstellungen der géttli-
chen Liturgie werden von Ciborien iiberwélbt, sind
mit einem scharlachfarbenen Antiminsion bedeckt,
in das oft das gleiche Kreuzeszeichen eingewebt ist
wie in das Altartuch tiber dem Jerusalemer Tempel-
altar. Die beiden Tauben vertreten das judenchristl.
und das heidenchrist]. Gottesvolk, AT und NT. ©
David
O TIPO®HTHC AAYIA
O profitis Dawid
K6nig Israels um 1000 v.Chr., ein Psalmen-
dichter, von den Propheten als Prototyp des
Messias, von den Christen als Typos Christi
gesehen.
Israels Konig der Ubergangszeit
vom Nomadentum zur SeBhaftigkeit
David (Namensfest am Sonntag nach Christi
Geburt) war um die Jahrtausendwende
(v.Chr.) der zweite zum KGnig gesalbte Herr-
scher Israels. Seine Siege gegen die Philister
leiteten die Friedensperiode ein, die es dem
jiidischen Volk erméglichte, se&haft zu wer-
den. Er macht — 40 Jahre lang herrschend, wie
auch sein Sohn Salomon (—> Zahl 40) -- Jerusa-
lem, die »Stadt Davids«, zur Hauptstadt und
plant den Bau des Tempels (> Bundeslade),
den dann sein Sohn mit Bathseba (— Salo-
mon) tatsachlich errichtet. Unter den Psal-
men, die in der orthodoxen Liturgie gesungen
werden, finden sich auch Dichtungen des Κὅ-
niglichen:-Harfenspielers.
Prototyp des Messias bei den Propheten,
Typos Christi als des »neuen David«
Die Propheten sahen David als Prototyp des
Messias, der am Ende der Zeiten das goldene
Zeitalter des Davidischen K6énigtums erneu-
ern wird. Endzeitliches Heil bedeutet fiir sie
Wiederherstellung des urspriinglichen gliick-
lichen Zustandes. Fiir die Christen ist David
einerseits, tiber Joseph, der Stammvater Jesu
(Matth. 1, 1 und 6, —> Wurzel Jesse), als K6nig
jedoch Typos des K6nigs Christus, des »neuen
David«. Der Ehrenname Jesu »Sohn Davids«
ist messianisch-eschatologisch zu verstehen,
d.h. bezogen auf das Endreich des Gottké-
nigs. :
David
ag
we
Der K6nig und Prophet David bereut den Meuchel-
anschlag auf den Hethiter-Hauptmann Urias.
Vor ihm der Prophet Nathan. Moni Thari, Rhodos,
17. Sh.
David in Einzeldarstellungen —
zugeordnet Szenen aus dem AT
David — oft zusammen mit Salomon, auch mit
anderen Propheten — hat einen runden Voll-
bart, tragt antike Tracht oder K6nigsornat.
Halt meist ein Schriftblatt: »Herr, wie sind
Deine Werke so herrlich, Du hast sie alle mit
Weisheit geschaffen«, Ps. 104, 24.
Zugeordnet zu Szenen des NT weist der Text
seines Schriftblattes prophetisch auf diese hin:
ve -—» Geburt Christi: »Er wird herabkommen wie
Regen auf das Fell (> Gideons) ...« Ps. 71, 6 (72, 6).
wy — Taufe Christi (mit der Allegorie des Flusses
Jordan, der vor Christus flieBt): »Es haben Dich die
Wasser gesehen, o Gott, sie haben Dich gesehen und
fiirchten sich ...«, Ps. 76, 17 (77, 17).
vy Verklaérung: »Tabor und Hermon werden in Dei-
nem Namen frohlocken ...«, Ps 88, 13 (89, 13).
w —> Einzug in Jerusalem: »Aus dem Munde der
Kindlein und Sduglinge hast Du Dir Lob zubereitet
...«, Ps. 8, 3 (8, 3).
ve — Passionszyklus: »Der mit mir Brot iBt, hat ge-
gen mich Hinterlist groBgemacht«, Ps 40, 10 (41, 10).
vy Verurteilung Christi vor dem Hohen Rat (>
Passionszyklus): »Es standen gegen mich ungerechte
Zeugen auf ...«, Ps. 34, 13 (35, 13).
yr Urteil des Pilatus (— Passionszyklus): »Warum
toben die Heiden ...«, Ps. 2, 1 (2, 1).
ye Verspottung Christi (> Passionszyklus): » Bei al-
len meinen Feinden bin ich ein Spott geworden«, Ps.
30, 14 (31, 13).
vr —» Kreuzigung: »Sie haben meine Hande und
FiiBe durchbohrt ...«, Ps. 22, 17 (22, 17).
yr Grablegung Christi (— Passionszyklus): »Wache
auf, warum schléfst Du Herr?« Ps. 43, 24 (44, 24).
yy Auferstehung Christi (--. Ostern): »Stehe auf, o
Gott! Und es mégen zerstreut werden Deine Feinde«,
Ps. 67, 2 (68, 2).
ve — Himmelfahrt: »Gott ist hinaufgestiegen im Ju-
bel und der Herr beim Schall der Trompete«, Ps. 46,
5 (47, 6).
yr Maria Tempelgang (— Marienzyklus): »Es wer-
den dem K6nig Jungfrauen zugefiihrt ...«, Ps. 44, 15
(44, 15).
ve -ῷ Verkiindigung Marid: »Hére, Tochter, und
schaue und neige Dein Ohr ...«, Ps. 44, 12 (45, 11).
vr ~—» Heimholung Maria (—-> Marienzyklus): »Stehe
auf, o Herr zu Deiner Ruhe, Du und die Arche (La-
de) Deines Heiligtums«, Ps. 131, 8 (132, 8).
(Die Psalmstellen werden nach dem griech. AT, der
Septuaginta, zitiert, in Klammern Zablung nach
dem lateinischen und deutschen NT).
Szenische Darstellungen aus dem
Alien Testament
Wie die Psalmverse Davids werden die an den
Kirchenwanden dargestellten Ereignisse aus
seinem Leben christologisch und mariologisch
interpretiert:
1. Der schmichtige Hirtenjunge David besiegt
mit seiner Steinschleuder den schwer geriiste-
ten Riesen Goliath. David verkérpert Chri-
stus, der durch seine Auferstehung den Satan
besiegt. :
Eine Motivvariante in Santa Maria Antiqua, Rom
(6.Jh.) — David steht auf dem gefallenen Goliath
und trennt ihm mit dessen Schwert das Haupt vom
Rumpfe — hat die Darstellung des auf Satan treten-
den Christus (> Ostern) angeregt. (David und Salo-
mon gehéren fast immer zu den Gerechten aus dem
AT, die der Auferstehende aus der Unterwelt be-
freit).
2. David umtanzt die > Bundeslade.
3. David macht Jerusalem zur Hauptstadt, in-
dem er die Bundeslade dorthin tiberfiihrt (typo-
logisch Vorwegnahme der Marienverehrung).
81
Deisis
4, Davids Auge fallt auf Bathseba, die sich wa-
schend entbl6Bt. Die BuBe des K6nigs wegen
seines Einbruches in eine fremde Ehe und sei-
ner Anordnung, den Gatten der Bethseba zu
toten, ist Prafiguration des Mysteriums der
BuBe (— Mysterien).
5. Mahnrede des Propheten Nathan und BuBe
Davids (siehe Punkt 4.).
Der Heilskénig der Endzeit in der
friihchristlichen Sepukralkunst
Daviddarstellungen in der altchristl. Sepul-
chralkunst (Rom, Kallistus-Katakombe 3.,
Priscilla 4.Jh.) sind so unbestimmt gehalten,
daB sie gedeutet werden kénnen als
x der endzeitliche David-Messias:
»Und ich will ihnen einen ewigen Hirten erwecken,
der sie weiden soll, namlich meinen Knecht Da-
vid.«, Ez. 34, 24 ff.
vr Christus als David-Sohn und guter Hirte.
tv Orpheus, dem die Tiere lauschen.
M.E. sind diese verbreiteten frithchristl. Moti-
ve nicht schwer deutbar oder mifverstandlich,
sondern bewuBt mehrdeutig gehalten, spielen
gleicherweise auf David, Christus und Or-
pheus an. Entsprechendes gilt fiir das Lamm-
trager-Motiv (— Christus).
Die frithchristl. Bild-Chiffre (David—Christus—
Orpheus) wurde als die des wahren Heilsherr-
schers der des rémischen Kaisers gegentiber-
gestellt. Durch Weihrauchopfer fiir den Kaiser
soliten die Christen ihrem Glauben ab-
schwG6ren.
David — Muster eines Herrschers und Vorbild
der Standhaftigkeit
Basilios 1.(867—886) ist wie David aus kleinen Ver-
haltnissen zu Herrscherwiirden gelangt. Laut Kon-
stantinos VII. Porphyrogenetos war an einer Schlaf-
raumdecke im Kaiserpalast ein Mosaik angebracht
mit dem Kreuz, umgeben von der kaiserlichen Fa-
milie. Beischrift (Gebetstext der Kinder des Basi-
lios):
»Wir danken Dir, Logos Gottes, ἀα Du unsern Va-
ter aus der Armut Davids erhoben und ihn mit dem
Salbél Deines Heiligen Geistes gesalbt hast.«
Fiir die Muslims ist »Daud« der Grofe Psal-
mist, mit dem zusammen die Berge und Vogel
das Loblied Allahs singen (Koran, Sure 38,
82
17-18), aber auch das Beispiel der Standhaf-
tigkeit schlechthin:
»Wie oft hat ein kleiner Haufe einen groBen Haufen
mit Allahs Hilfe besiegt. Auch Allah ist mit den
Standhaften ... Und es erschlug Daud den Go-
liath.« Koran, 2. Sure, 250-252. :
Doch auch die Israelis sehen sich selbst als den
kleinen David, der eingekreist von einem ge-
waltigen gegnerischen Potential, sich dennoch
behauptet.
Deisis
H AEHCIC
I deisis
»Fiirbittgebet« fiir die Gemeinde von Maria
und Johannes dem Taufer, gerichtet an Chri-
stus wird auf jeder Bilderwand an zentraler
Stelle dargestellt.
Bild-Chiffre fiir die Ektenien (Fiirbittgebete)
der Liturgie
Dreipersonen-Gruppe, aufgeteilt in drei ein-
zelne Ikonen oder zusammengefaBt in einer
einzigen: Christus thront als Allherrscher, mit-
unter von einem Achtzacken-Nimbus umge-
ben, zwischen der Muttergottes (links, vom
Betrachter aus gesehen) und Johannes dem
Taufer. In ihrer gebeugten, anbetenden Hal-
tung bilden Maria und Johannes Kreisbogen-
segmente, die den > Nimbus Christi konzen-
trisch umspielen.
Die Deisis (auch in der Umschrift »Deésis«
gebrauchlich) ist ein Bildktirzel fiir das gottes-
dienstliche Bittgebet (Ektenia), das sich. im
Rahmen der Fiirbitte aller Heiligen an Gott
wendet und den liturgierenden Priester wie die
mitbetenden Gemeindemitglieder einbezieht.
Maria vertritt das NT, Johannes der Taufer
das AT und alle Heiligen. Von den fiinf Pro-
sphoren (—> Proskomidie) ist die erste Chri-
stus, die zweite der Gottesmutter, die dritte
Johannes, Christi Vorlaufer und Anfiihrer al-'
ler anderen Propheten, Apostel und Heiligen
geweiht.
»Zur Ehre und zum Gedachtnis unserer hochgeprie-
senen ruhmreichen Herrin, der Gottesgebdrerin
und Immerjungfrau Maria, durch ihre Fiirbitte neh-
me entgegen dies Opfer auf Deinem .iiberhimmli-
ung
Bae a REE
LH) SS
Panajia, Fragment der Deisis, Mosaik auf der
Empore der Ajia Sophia, Konstantinopel, vor 1300.
Christus und Johannes der Téufer auf dem Fragment
des Deisis-Mosaiks der Ajia Sophia.
schen Altar ... Zur Ehre und Gedachtnis der allge-
waltigen Erzengel ... des verehrten und ruhmrei- ᾿
chen Propheten, Vorlaufers und Taufers Johannes
... und aller Heiligen, um ihrer Bitten willen schtit-
ze uns, o Gott«, Aus der Chrysostomosliturgie.
Die Deisis als zentraler H6hepunkt
der Bilderwand
Ab spatbyz. Zeit erscheint die Dreiergruppe
auf jeder Bilderwand (— Ikonostase) in der
untersten Bildreihe tiber der Schénen Pforte.
Insbesondere auf russischen Ikonen wird sie
erweitert zur Ikonenzeile der fiirbittenden
Heiligen — Vertretern der Erzengel (Michael
und Gabriel), der Apostel (Petrus und Pau-
lus), der Kirchenvaterliturgen (Basilios, Chry-
Demetrios, der Reiterheilige
sostomos, Gregor), der Martyrer (z.B. Georg
und Demetrios) —, eben jenen heiligen Gestal-
ten, die in den Ektenien angesprochen wer-
den. Kurzform der Bildzeile: je 6 Apostel links
und rechts. Auch die vier Hauptbilder neben
den Portalen der Bilderwand ~ abgesehen vom
Heiligen der Kirche: Muttergottes, Christus,
Johannes der Taéufer -- formen das Deisis-
Motiv.
Historische Entwicklung der Deisis:
Wandbild, Apsisdarstellung, Beziehung des
Motivs zum Endgericht
Alteste deisisihnliche Darstellungen: Wand-
bild in Santa Maria Antiqua, Rom, Mitte 7.Jh.
Apsismosaik Katharinenkloster Sinai (655/
666). Die Verklérung Christi wird von Brust-
bildmedaillons der fiirbittenden Gottesmutter
und des Taufers flankiert. Ein Tragaltérchen
(Harbaville-Elfenbain-Triptichon aus Kon-
stantinopel, Louvre 3247) enthalt als Zentrum
die Deisis zwischen Aposteln und Heiligen.
Sein Programm bezieht sich auf die Abend-
mahlsektenie (+ Eucharistie, > Liturgie),
entspricht somit weitgehend dem einer Bilder-
wand. Die beiden Fiirbittenden werden auch
dem wiederkehrenden Christus auf Wandbil-
dern des Endgerichtes zugeordnet. Frihe Bei-
spiele: Torcello, Ende 12.Jh.; Chorakirche,
Konstantinopel, 1315-1321.
Der byz. Kunst ist eine Vorliebe fiir axialsym-
metrische Dreiergruppen eigen (> Maria zwi-
schen Engeln; > Kaiser; — Verklarung Christi;
Gruppe der > Kreuzigung).
Demetrios, der Reiterheilige ὁ
O ATIOC AHMHTPIOC
O Ajios Dimitrios
Kriegerheiliger, stehend oder zu Pferd, einen
Drachen bekaémpfend. Weitere Reiterheilige
sind —> Georg und die beiden Theodore.
Brauchtum um den Demetriustag
Der 26.Oktober, Tag des drachentétenden
Reiterheiligen, leitet das Winterhalbjahr ein,
der Tag des ihm so 4hnlichen Georg (23. April)
das Sommerhalbjahr. Beide Heiligen bewa-
chen die fiir den bauerlichen Jahreszyklus
wichtigen Zeitmarkierungen der Tag- und
83
Demetrios, der Reiterheilige
Nachtgleiche. Am Demetriostag beginnen die
Arbeitskontrakte fiir den Winter wirksam zu
werden, erstmalig wird der junge Wein genos-
sen. Gewdhnlich flackert Ende Oktober noch
einmal eine schéne Spaétsommerperiode auf —
»das kleine Sommerchen des Heiligen Dimitri«.
Die Vita des heiligen Demetrios
Der Sohn vornehmer Eltern, um 280 in Thes-
saloniki geboren, erreichte jung eine hohe
Armeeposition, wurde Prokonsul in Achaia
(= Peloponnes, die Halbinsel, die tibrigens die
Gottin Demeter bei der Suche nach ihrer
Tochter Kore durchstreifte!). Zum Christen-
tum tibergetreten, begann er seine Umgebung
zu missionieren. G.G. Valerius Maximilianus
lie8 den 26j4hrigen nach Thessaloniki kom-
men und tétete ihn — nach einer Uberlieferung
eigenhandig -- mit einer Lanze. Der Schwer-
verletzte wurde gefoltert und schlieflich ent-
hauptet. Demetrios ist Stadtpatron von Thes-
saloniki, seine Gebeine sind beigesetzt in einer
Nebenkapelle der friihchristl. fiinfschiffigen
Demetriosbasilika (Anfang 5.Jh.), errichtet
neben einer kleinen, kurz nach seinem Tod
306 gebauten Erinnerungsstatte am Ort seines
Martyriums.
Demetrios vollbrachte in seiner Kirche Wun-
derheilungen und wurde mehrfach als Schutz-
patron gegen tiirkische Angreifer in Anspruch
genommen. 1912 muBten die tirkischen Be-
satzungssoldaten an seinem Namenstag aus
Thessaloniki abriicken.
Darstellungen als Drachentéter
Die verbreitete, nach 1200 aufgekommene
Ikone unterscheidet sich von der — Georgs.
lediglich durch die Beischrift und die rote Far-
be seines Pferdes. Da die Drachentétung ur-
spriinglich nicht zur Vita des Heiligen gehérte,
scheint es sich um eine Anpassung an das Ge-
orgsmotiv zu handeln.
Bilder des stehenden Heiligen, gekleidet in ein
kostbares mantelartiges Obergewand (Chla-
mys), das mit einer Spange zusammengehalten
wird, gehen auf Anfang 7.Jh. zuriick (Deme-
trios-Basilika, Thessaloniki):
Mit zum Himmel weisender Rechten (d.i. ab-
geschwachte -- Orantenhaltung) steht Deme-
trios vor einem Jungen oder zwei Kindern. In
84
Demetrios-Mosaik in einem Gurtbogen der Kloster-
kirche Osios Lukas, nach 1000.
mittelbyz. Zeit wird Demetrios in Ritter-
riistung anderen Kriegerheiligen zugesellt und
in der untersten Zone der Kirchenwande po-
stiert.
Seltener: Der Megalomartyrer reitet feindli-
che Herrscher nieder — den Bulgarenzaren Ko-
lojan (dessen Angriff auf Thessaloniki 1207
mit Hilfe des Schutzpatrons abgewehrt wur-
de); ferner Kaiser Diokletian, Merkurios von
Caesarea, den abtriinnigen Kaiser Julian’
Apostata.
Demetrios und Demeter
Auffallig die Ubereinstimmung in der Na-
mensbedeutung von Demetrios und Georg.
Georgios ist »der die Erde Bearbeitende« (den
Drache
miitterlichen Erddrachen tétende), Demetrios
»der mit der Erdmutter Verbundene«. Sein Na-
me bedeutet weniger der zur Demeter (Erd-
mutter) Gehérige — die Christen haben Deme-
ter scharf abgelehnt --, als der Erdmutter (Erd-
drachen)-Uberwinder. (Der Beiname Apol-
lons, Pythios, stammt von der Pythonschlange,
die er get6tet hat.) Beide Reiterheilige mar-
kieren Winter- und Sommerbeginn, den Ab-
stiegs- und den Riickkehrpunkt der Demeter-
tochter Persephone, die das Winterhalbjahr im
Hades verbringt und nur im Sommer die Erde
aufsucht (> Drache, —> Georg).
Drache
O APAKQN
O drakon
Ungeheuer, bald als phantastische Fliigel-
schlange, bald als Fischungetiim (— Fisch),
bald als Riesenschlange aufgefaBt. Verk6rpe-
rung des Urozeans, der die Erde umspiilt.
Drdkontas ist im griechischen Marchen auch
ein Mensch mit Werwolf-Eigenschaften.
Chaos-Ungetiim und Herrscher des Urmeeres
»Drakon« leitet sich von einem griech. Wort
fiir »drohstarren« ab, gemiinzt auf den starren
Blick des Tieres, vielleicht auch auf das Erstar-
ren bei seinem Anblick. Gilt auch fiir das AT:
Hiob ist der Anblick eines Drachen unertrag-
lich. Dagegen gentigt es, die eherne -- Schlan-
ge nur anzublicken (3. Mose 20), um dem Tod
zu entgehen. Was sonst den Tod bringt, der
Anblick der Schlange, erméglicht auch die
Rettung.
Der babylonische Drache (-5 Daniel) repra-
sentiert, wie der mit dem phdénizischen Dra-
chen verwandte hebrdische Leviathan (= Kro-
kodil, Hiob 41, 5 = Meereswesen, Ps. 104; Jes.
27, 1 kennt 2, darunter eine Meeresschlange),
das die Erde umzingelnde Urmeer, das Ur-
chaos, das den Kosmos gefiahrdet (psycholo-
gisch das ungebandigte Triebleben, das die
Vernunft zu iiberfluten droht). Drachen ste-
hen fiir die unheilvolle Seite des Chthoni-
schen, des Erdmiitterlichen (+ Demetrios; >
Georg), die bedrohliche Seite des Weiblichen.
Der Psalmist (104, 25-26) empfindet ihn den-
noch als eingebunden in die géttliche Schép-
fungsordnung:
»Da ist das Meer so gro und weit nach allen Seiten,
drinnen wimmelt es ohne Zahl von Tieren klein und
gro8. Dort fahren die Schiffe einher, da ist der Le-
viathan, den Du geschaffen hast, darin zu spielen.«
Der Verfasser der — Apokalypse sieht den
Drachen als das absolut widerg6ttliche Prin-
zip, dazu bestimmt, unterzugehen:
»Und es kam zum Krieg im Himmel. - Michael
und seine Engel kampften mit dem Drachen ...
Und der Drache, der groBe, die Urschlange, die da
heiBt Teufel und der Satan, der den gesamten Erd-
kreis in die Irre geleitet, wurden auf die Erde ge-
schleudert und seine Engel mitihm.« Offb. Joh. 12, 7.
Die Chinesen sehen ihrerseits im Drachen eine
wohltatige Macht, Symbol mannlicher Potenz
und des fruchtbringenden Regens (Regen wird
gleichgesetzt mit minnlichem Samen, erinnert
auch an das Urmeer). Vier groBe Drachen gel-
ten als die vier Wachter an den Ecken der
Welt. Auf dem Dach der chinesischen Tao-,
Buddha- oder Kungfu-Tempel sitzen zwei
buntschuppige Drachen, die mit einer Perle
spielen (dem Donner, der die Muschel be-
fruchtet -- Ankindigung des Frithlingsregens
und Symbol weiblicher Sexualitét). Im Per-
lenlied der NT-apokryphen Thomasakten
(— Thomas, der Missionar Indiens) vermen-
gen sich ostasiatische und christlich-gnostische
Traditionen: Ein Drache im Meer westlich von
Agypten bewacht die edle Perle (das Himmel-
reich, Matth. 13, 34). Das Herrscherpaar des
Himmels im Osten entsendet seinen Sohn, der
sein himmlisches Gewand ablegt. In Agypten
gerat er in den Strudel des weltlichen Lebens,
vergiBt seine Sendung. Durch einen himmli-
schen Brief wieder zur Besinnung gebracht,
schlafert er den Drachen mit seinem Wort ein
und gewinnt die Perle. In konstantinischer Zeit
ist die Haltung gegentiber dem Drachen zwie-
spaltig: Laut Eusebios 1168} sich der Kaiser mit
seinem Sohn in seinem Palast als Drachentéter
darstellen. Der Drache (= Heidentum) stiirzt
ins Meer. Das erinnert an den rituellen Neu- ©
jahrsdrachenkampf altorientalischer Kénige.
Auf Konstantins Triumphbogen (315, Rom)
finden sich zwei drachenférmige Feldzeichen —
Heilszeichen fiir die eigene Truppe oder Ab-
schreckung fiir die Feinde? (Drachenfeldzei-
chen hatten die Parther — Tuchsicke, die sich
im Wind aufblahten, ahnlich chinesischen
Steigdrachen. )
85
Drache
Zwei Drachen aus der geschnitzten und vergoldeten Umkleidung einer Ikone in der Ortskirche von Kritinia,
Rhodos
Byzantinische und postbyzantinische
Darstellungen
μα NET MTR
Drachendarstellung aus dem Zyklus der —» Apoka-
lypse, postbyzantinisch, Athoskloster Esfigmenou.
86
»Ich (Christus) sah den Satan wie einen Blitz vom
Himmel fallen. Seht, ich habe Euch die Macht gege-
ben, auf Schlangen und Skorpione zu treten und
iiber alle Gewalt der Feinde; und nichts wird Euch
schaden.« Luk. 10, 18-19.
Bildmotive mit Drachen:
vr Der kreuztragende Christus tritt auf einen Dra-
chen/eine Schlange und einen Léwen. Die Marty-
rer, die ihrem Vorbild gleich, den Tod nicht scheu-
ten, haben dadurch den Kopf der Schlange/des
Drachen zertreten (1. Mose 3.15).
Frithchristl. Motiv (Erzbischdfliche Kapelle, Raven-
na, um 500, stark restauriert).
+ Der babylonische Drache wird von -- Daniel
besiegt.
xv Der Erzengel > Michael, die — Reiterheiligen,
— Georg und —» Demetrios téten den Drachen.
+ Der Héllenrachen des — Endgerichtes wird als
riesiger Kopf eines Drachen abgebildet (ab etwa
1000). Er schluckt einen hinter Christi Richterstuhl
hervorquellenden Feuerstrom.
oe
Einzug in Jerusalem
τς In den postbyz. Darstellungen der —-> Apokalyp-
se werden der Satansdrachen und gro8e Untiere in
Drachengestalt wiedergegeben.
vy Auf griech. Bilderwanden erhebt sich tiber ei-
nem holzgeschnitzten vergoldeten Drachenpaar
(oder tiber zwei Fischen) das die Bildwand krénen-
de Kreuz. (Es wird von ihnen umspielt, ahnlich wie
die Perle zwischen den Drachen auf chinesischen
Tempeldachern.) Oft sind die Ikonentdfelchen mit
Maria und Johannes, die das Kreuz flankieren (>
Kreuzigung), auf ihren Schwdnzen aufgepflanzt.
Die Drachen unterhalb von Golgatha symbolisieren
die Totenwelt, in die Christus hinabgefahren ist
(vereinzelt wird die Totenwelt auf der Osterikone
durch einen Drachen reprasentiert). Auch die fin-
steren Machte — die Drachen sind vergoldet -- gehé-
ren zur Schépfung und werden durch Christi Erlé-
sungstat in die géttliche Neusch6pfung einbezogen.
Drachenkampf als Ubergangsritus
Den Chaosdrachen ausschlieBlich negativ zu
sehen bleibt der Apokalyptik mit ihrer Erwar-
tung des baldigen Weltunterganges vorbehal-
ten.
Meist wird der Drache gesehen wie der groBe Fisch
des —> Jonas: Ob das Ungeheuer jemanden ver-
schlingt oder ausspeit, in jedem Falle gehorcht es
dem Wort Gottes. Das Verschlungenwerden, das
Eingehen ins Totenreich oder in die mtitterliche Er-
de bedeutet, sich Kraft zu holen fiir eine Wiederge-
burt. In den verschiedensten Kulturen vollziehen
Ubergangsriten (--» Totenbrduche) rituell das Ster-
ben und Wiedergeborenwerden nach. Nach Origi-
nes wird der Stindigende von der Siinde als einem
Jonas-Ungetiim verschlungen. In seinem Bauche
steckend mu8 er beten, damit er wieder ausgespien
wird. Nach altorientalischer Vorstellung wurde das
alte Jahr von einem Untier verschlungen und konn-
te nur als neues Jahr wiedergeboren werden, wenn
der Mensch diese Erneuerung rituell untersttitzte.
Der babylonische Kénig vollzog stellvertretend fiir
sein Volk alljahrlich zu Neujahr einen rituellen Dra-
chenkampf. (Hintergrund zu — Daniel und dem
Drachen zu Babel.)
Kinzug in Jerusalem
H EICOAOC
Tisodos
Der Einzug Christi, auf einer Eselin reitend,
nach Jerusalem zu seinem Leiden und Ster-
ben, wird als eines der zw6lf Hochfeste (>
Festtagskalender) des Kirchenjahres began-
gen.
Festtagsbrauche zum Sonntag
der Palmzweige
Das Wochenende vor Ostern, der Samstag des
—> Lazarus und der Sonntag der Palmzweige
(ta waya) — beider Ereignisse wird in den Got-
tesdiensten dieser Tage gedacht — bildet eine
Atempause innerhalb der 48tagigen Fasten-
zeit.
Es ist Vorostern: Die Auferweckung nimmt
schon etwas vorweg von der Auferstehung
Christi: der feierliche Einzug, bei dem die
Volksmenge in Jerusalem Christus zujubelt,
weil er Lazarus auferweckt, vermittelt eine
Vorahnung von Christi triumphierender Wie-
derkehr.
Am Palmsonntag darf Fisch gegessen und das
letzte Mal vor Ostern Wein getrunken werden.
Im kleinasiatischen Kidonia sangen friiher die
Griechenkinder:
»Waya, waya! Am Palmsonntag essen wir Fisch und
Makrelen — und am nachsten Sonntag rote Eier!«
Auf Skyros bertihren die Kinder ihre Schafe
mit einem Palmzweigkreuz:
»Chronia polla (viele Jahre) — waya, waya, fréhliche
Ostern — nachsten Sonntag gibts rote Eier und wei-
Ren Weichkase!«
Im Gottesdienst wird das Kirchenvolk zur
Menge, die Christus mit Palmzweigen zuju-
belt. Innen und auSen sind die Gotteshduser
mit Palmzweigen oder Lorbeer und Myrte ge-
schmiickt. Nach der Liturgie verteilt der Prie-
ster an jeden Teilnehmer einen Myrten- oder
Lorbeerzweig und ein kleines Palmblattkreuz,
das zur Familienikone gesteckt wird. Mtitter
segnen damit ihre Kinder, auch als Vorbeu-
gung gegen den --- Bdsen Blick. Mit dem
Waya-StrauBlein werden jungverheiratete
Frauen beriihrt, damit sich bald Nachwuchs
einstellt. ᾿
Weitere Anzeichen dafiir, da& in das christl. Fest
auch dltere fruchtbarkeitsbezogene und mutterkult-
liche Bréuche mit eingeschmolzen worden sind:
wy Vielerorts finden Frauentinze statt oder .Fest-
lichkeiten, die die Frauen unter sich feiern.
yy Frauen stellen aus Palmzweigen Kreuze, aber
auch Sterne sowie Kérbchen (Symbol des Mutterlei-
bes) und Monde (Symbol der géttlichen Urmutter)
her.
xx Beim Spiel um die Auferweckung des Lazarus
am Samstag wird seine Rolle mancherorts von Mad-
chen tibernommen.
87
Einzug in Jerusalem
Cnr atahe
Einzug in Jerusalem. Fresko in der Krypta von Osios Lukas bei Stiri in Phokis, 11.Jh.
Der Einzug Christi in Jerusalem zu seinem
Leiden und Sterben wird allsonntaglich in der
Liturgie der Glaubigen vor dem Abendmahl
(++ Eucharistic) kultisch-rituell durch den
Priester nachvollzogen.
Das Festtagsmotiv vom Palmsonntag
»Die Jiinger ... brachten die Eselin und das Fillen
und legten ihre Kleider darauf und setzten ihn dar-
auf. Aber viele Leute breiteten ihre Kleider aus auf
dem Weg, andere hieben Zweige von den Baumen
und streuten sie auf den Weg. Die Leute aber rie-
fen: Hosianna dem Sohne Davids.« Matth. 21, 6-9
»Auf die gemeinsame Auferstehung vor Deinem
Leiden vertrauend, hast Du den Lazarus auferweckt
von den Toten, Christus, Gott. Deshalb tragen auch
wir, wie die Knaben, Sinnbilder des Sieges, und ru-
fen Dir, dem Sieger tiber den Tod, zu: Hosianna in
der Héhe, gesegnet sei, der da kommt im Namen
des Herrn.« Liturgie vom Palmsonntag
Christus reitet, eine Schriftrolle in der Rech-
ten oder segnend die Christusgeste formend,
im Damensitz auf einer Eselin, meist von links
herkommend, in Richtung auf eine groBe um-
mauerte Stadt zu (> Jerusalem). Vorbild fir
sein Ziel, den Einzug in die Himmelsstadt
(manchmal wird Jerusalem als kénigliche
88
Jungfrau personifiziert). Links hinter ihm auf
spatbyz. Bildern der Olberg. Eine Gruppe von
Jiingern folgt ihm. Meist steht vor oder hinter
Christus ein Feigenbaum -- der, den Christus
verflucht, um ihn verdorren zu lassen (Mark.
11, 13-14); wenn jemand hinaufklettert oder
Leute darauf sitzen, ist es der des Zachaus:
»Zachaus, ein Oberster der Zéllner ... wollte Jesus
sehen ..., konnte aber nicht wegen des vielen Vol-
kes, denn er war klein. Und er lief voraus und stieg
auf einen Maulbeerbaum. Und als Jesus die Stelle
erreichte, sah er auf, nahm ihn wahr und sagte: Za-
chaus, steig eilends herunter, denn ich muB heute in
Dein Haus einkehren.« Luk. 19, I-10
Das Volk vor den Toren der Stadt tragt Zwei-
ge, die Kinder breiten ihre Kleider aus, damit
der Esel iiber sie hinwegschreitet.
Der Brauch des Kleiderausbreitens
Ab mittelbyz. Zeit wird liebevoll ausgemalt
(Daphni, Athen, Ende 11. Jh.), wie Kinder
ihre oft reich ornamentierten Gewander (be-
sonders Géreme Elmali, Carikli und Karanlik
Kilise) ausziehen und vor die Hufe der Eselin
legen. Die altorientalische Sitte, K6nige zu eh-
ren — wirdim AT 2. K6n. 9, 13... erwahnt:
Eleutherios
»Da nahmen sie eilends ihre Kleider und legten sie
auf die hohen Stufen und bliesen die Posaunen und
sagten: Jehu ist Kénig geworden.«
Im apokryphen Nikodemusevangelium aft
der Bote, den Pilatus nach Christus ausschickt,
diesen tiber ein Tuch schreiten, das er stets mit
sich fiihrt und nun vor ihm ausrollt. Der Bote
hat miterlebt, wie die Volksmenge Christus
beim Einzug in Jerusalem als KGnig feiert.
Bei Prozessionen werden — besonders in Ruf-
land — Kleider und Tiicher vor den Tragschrei-
nen fiir die Reliquien ausgebreitet (+ Gewan-
der). Der Brauch lebt fort im »roten Teppich«
fiir wichtige Staatsbesucher.
Das rémische Adventus-Motiv als Vorbild
Roémische Adventus-Reliefs — Einzug eines
siegreichen Kaisers in eine Stadt — werden als
Vorbilder angesehen, allerdings enthalten sie
keine Hinweise auf die Sitte des Kleideraus-
breitens. Schon um 315 erscheint eine Kurzfas-
sung des Einzugsmotivs auf einem Sarkophag:
Ein Mann breitet sein Gewand aus vor einem
Reiter auf einem Esel, ein anderer pfliickt
Zweige von einem Baum.
Auf dem Junius-Bassus-Sarkophag (Rom Va-
tikan) von 359 verbirgt sich bereits Zachaus
hinter dem Feigenbaum. Eine Uberwélbung
iiber dem Eselreiter ist mit einer allegorischen
Figur des Himmels verbunden, tiber der Chri-
stus zwischen Petrus und Paulus thront:
Die Armseligkeit des Einzugs in Jerusalem auf
einem Esel steht im Gegensatz zu Christi
Triumph im Himmel, weist zugleich vorbild-
haft auf diesen hin. In mittelbyz. Zeit wird das
Motiv hdufig zusammen mit der Auferwek-
kung des Lazarus in den Passionszyklus einge-
reiht oder in den Festtagszyklus — nach Még-
lichkeit zusammen mit anderen Darstellungen
des Leidens Christi in einer tiefer gelegenen
Wandzone.
Eleutherios
O ATIOC EAEY@EPIOC
O IEPOMAPTYPAC
O Ajios Elewthérios o jeromartyras
Der Martyrer, bartlos mit mittellangem Haar,
priesterlicher Kleidung und einem Kreuz in
der Hand, stammt aus Illyrien. Mit 15 Jahren
Diakon, mit 20 Bischof, erlitt er unter Septi-
mius Severus den Martyrertod.
Namenstag ist der 15. Dezember. Seine Ikone
wird beim Einsetzen der Wehen ins Geburts-
haus gebracht.
Die Gebarende klammert sich an einen ihm
geweihten Olivenzweig.
Zum Geburtshelfer machte den Heiligen:
ve die Namensahnlichkeit mit der griechischen Ge-
burtsgOttin Eileithyia, einer Tochter der Hera, Auf
antiken Mtinzen und Reliefs halt sie eine Fackel,
weil sie die Kinder »ans Licht bringt« (Licht = Le-
ben — Geburt der Gottesmutter).
Die mannl. Form der Geburtsgottheit hie Eleuthér
(Elewthir).
¢e die volksetymologische Deutbarkeit seines Na-
mens als »der Befreiende«, d.h. derjenige, der das
Kind aus dem Leib der Mutter lésen hilft. Binden
und Lésen spielen bei Geburten als Gegenzauber
gegen Komplikationen eine gewichtige Rolle. In der
Antike muBten die Wéchnerinnen die Haare und
den Giirtel lésen, die Anwesenden durften Finger
und Arme nicht verschranken.
Das Auflésen von Gebundenem sollte etwaige
Hemmnisse fiir die »Ent-Bindung« beseitigen
(—> Marina).
Neue Ikone des bischéflichen Martyrers.
89
Elias und Elisa
Elias und Elisa
O TIPO®HTHC HAIAC KAI
O PILO®HTHC EAICCAIE
O Prophitis Ilfas ke o Prophitis Elissde
Ilias (Elias) ist eine der eindrucksvollsten Pro-
phetengestalten des AT, Elisa sein Schiiler und
Nachfolger.
Israels Konig Ahab (8.Jh. v.Chr.) war von
Jahwe abgefallen, Elias sagte eine Diirre- und
Hungerperiode voraus. Nach langerem Auf-
enthalt in der Einsamkeit zeigte er durch ein
Feuerwunder dem Ahab, wie machtig Jahwe
ist; das Feuer tétete 950 Baal- und Aschera-
Priester. SchlieBlich begann es zu regnen und
Elias muBte flichen. Auf einem hohen Berg
erschien ihm Jahwe. Nach Ahabs Tod fuhr er
in einem feurigen Wagen in den Himmel (Ty-
pos — Johannes der Taufer).
Fest und Brauchtum um Elias
Tag des Elias -- Patron des Regens, Donners
und Blitzes, Heiliger des Landvolkes und Be-
schiitzer — vor dem Feuer — ist der 20. Juli.
Blitzt und donnert es, dann jagt der Prophet
mit seinem feurigen Wagen hinter Drachen
oder Teufeln her, schleudert seine Blitze nach
ihnen.
Wie die Kiisten abgesichert werden durch eine
Kette von Nikolauskapellen (— Nikolaus), so
die Bergspitzen durch Eliaskapellen. Die je-
weils héchsten Gipfel auf griech. und siidslawi-
schen Inseln und Halbinseln hei8en Prophitis
Elias bzw. Sveti Elia. Es sind Himmelfahrts-
berge, Aufstiegstreppen zu Gott: die feurige
Auffahrt des Propheten gilt als Prafiguration
der — Himmelfahrt Christi. Vor der Eliaska-
pelle auf dem Taygetos bei Sparta sammeln
sich am 20.Juli die Umwohner, um in der
Abendddammerung ein gewaltiges Feuer zu
entfachen. Als Opfer wird Weibrauch hinein-
geworfen. Die Zuriickgebliebenen in den um-
liegenden Dérfern entziinden, sobald sie das
Eliasfeuer sehen kénnen, kleinere Feuer aus
Reisig, umtanzen sie und springen dariiber.
Das Wetter des Eliastages zeigt an, wie der
kommende Winter ausfallen wird.
Im Tropfen aus der Olleuchte vor der Fami-
lienikone schimmert am Eliastag beim ersten
Strahl der Sonne die Zukunft dessen auf, der
darin hineinblickt.
90
Elias und Elisa im Alten Testament
Elias bedeutet »mein Gott ist Jahwe« (nicht
»Baal«, nicht »Aschera«, deren von Konig
Ahab begiinstigte Kulte der Prophet bekampft
hat). Die wohl rauheste Erscheinung des Pro-
phetentums, erklarter Gegner der Despotie
Ahabs, mahnte zum einfachen Leben zurtick-
zukehren, wetterte gegen die despotische Will-
kiir Ahabs. Statt im Tempel, verehrte er Gott,
wie es die Vorfahren taten, auf hohen Bergen
und in der Wiiste, kleidete sich in Felle und
Leder. So wird er spater fiir die Christen zum
Typos — Johannes des Taufers, den schon die
Zeitgenossen als den wiederkehrenden Elias,
den endzeitlichen Vorlaufer des Messias, ansa-
hen (»Joh. 1, 21). Christus sagt unter Anspie-
lung auf dessen Enthauptung: ȣlia ist gekom-
men und sie haben mit ihm gemacht, was sie
wollten.« Mark. 9, 13. Elia ist Vorbild der Ere-
miten und Ménche.
Seine feurige Auffahrt, seine lockere Hand im Um-
gang mit dem Feuer, das er vom Himmel fallen 1aft
— Jesus Sirach bezeichnet ihn als einen Prophten wie
Feuer — und die Dirreperiode, die er tiber Israel
herbeiflucht, lassen ihn als eine Art von Sonnen-
heros erscheinen. So gleicht der auffahrende Elias
auf frithchristl. Darstellungen dem Helios auf dem
Sonnenwagen (— Himmelfahrt Christi). Die Na-
mensabnlichkeit Ilias — Ilios (= Helios = Sonne)
erleichtert die Verschmelzung beider. Nachdem
Kaiser > Konstantin Christus die Eigenschaften des
Sol invictus (unbesieglicher Sonnengott) zugespro-
chen hatte, wurde Elias zum Typus des sonnenhaft-
ten Christus. Der streitbare Feuerschleuderer tiber-
nimmt die markanten Anhéhen, auf denen zuvor
der Blitzeschleuderer Zeus verehrt worden war.
Elisa, sein Schtiler, dessen Tag der 14. Juni ist,
erhdlt vom feurig auffahrenden Elias dessen
Prophetenmantel, der dem schlichten Wun-
dertater allerdings um einiges zu gro war.
Elias auf Einzeldarstellungen
Allein oder mit anderen Propheten zusammen
wird Elias weiBhaarig, mit wildem, oft zweige-
teiltem Vollbart dargestellt, angetan mit zotti-
gem Fellumhang, in den Handen eine Textrol-
le: »Es lebe der Herr, der Gott der Gewalten,
der Gott Israels«.
Elisa ist kahlképfig und hat einen langen dtin-
nen Bart (laut 2. Kén. 2, 23-24 haben ihm Kin-
der »Kahlkopf komm herauf« zugerufen, zur
Elias und Elisa
Eliasikone, auf der verschiedene Taten des Prophe-
ten und seines Gehilfen Elisa zusammengefafBt wer-
den. Russisch, 18. Jh.
Strafe wurden sie von Baren gefressen). Ihn
schmiickt das Schriftband: »So wahr der Herr
lebt und Deine Seele lebit, werde ich Dich nicht
verlassen.« (2. K6n. 2)
Szenische Ikonen und Ikonen-Randbilder
Die spat- und postbyz. Elias-Ikonen in den Bergka-
pellen enthalten szenische Randdarstellungen:
xe Elias sitzt, das Gesicht in die Hande gesttitzt, in
einer Wiistenhohle. Ein oder zwei Raben versorgen
ihn auf Gehei8 Gottes mit Brot (vgl. 1. K6n. 17).
τς Elias segnet die GefaBe der Witwe (Gott hatte
ihn zu ihr und ihrem Sohn geschickt, beide waren
am Verhungern): »Das Mehl im Kad soll nicht ver-
zehrt werden und im Olkrug soll kein Mangel herr-
schen, bis auf den Tag, da der Herr es wird regnen
lassen auf Erden.« (1. Κδη. 17, 14)
vy Elias erweckt den eben verstorbenen Sohn der
Witwe. Der Junge sitzt aufrecht im Bett, emporge-
zogen vom Propheten. Auf manchen Bildern haucht
er ihm auch seinen Atem ein. Seitlich kniet die Wit-
we. Die Kleidung von Mutter und Kind sind oft in
der roten Feuerfarbe des Propheten gehalten
(1. K6n. 17, 17-24).
vr Elias stellt sich dem Ahab, der auf einem fiirst-
lich geschmiickten Pferd sitzt. Ahab hatte nach ihm
gefahndet. Die Notsituation nach drei Jahren Diirre
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Feuer fallt vom Himmel und verzehrt das Opfer auf
dem von Elias errichteten Altar. Wandbild einer Iko-
ne Ende des 17. Jh.s; mit barocken Stileinflissen.
zwingt ihn, auf Elias’ Vorschlag einzugehen. (J. Kén.
18, 17-20)
vy Feuer fallt vom Himmel und entflammt das Op-
fer auf dem fiir Jahwe errichteten Altar. Der Pro-
phet kniet betend davor. Die Leute Ahabs liegen
verstért auf der Erde. Elias hatte vorgeschlagen,
daB auch von den Baalpriestern auf dem Berg Kar-
mel ein Opferaltar errichtet wurde; die Gottheit, die
das Opferfeuer selbst entziindete, sollte Israel be-
herrschen. Vor Elias standen mehrere Kriige; er
hatte den Altar dreimal mit Wasser durchtranken
lassen. (1. K6n. 18, 21-39)
yr Elias la8t die Baalpriester von den Soldaten
Ahabs festnehmen und enthauptet sie eigenhandig
mit dem Schwert (J. Kén. 18, 22). Wolken: Gott
hatte das Opfer angenommen und schickt Regen.
xy Elias schlaft auf der Flucht vor Ahabs Frau Ise-
bel in der Wiiste unter einem —> Baum, wird von
einem Engel mit Speise und Trank versorgt (Prafi-
guration des Abendmahls), wird so gestarkt fiir die
Besteigung des Karmel, auf dem er 40 Tage und
Nachte bleiben soll (1. K6n. 19, 1-8).
yr Gott erscheint dem Elias als zartes Sduseln, be- ©
gleitet von heftigen Winden und Erdbeben. Der
Prophet kniet auf einem hohen Berg. Uber ihm
dichtes, rotfeuriges Gewdélk, davor ein Engel
(1. Kén. 19, 9-14). Der Text der Gotteserscheinung
91
Emanuel
wird am Tag der — Verklarung Christi, ebenfalls
einer Epiphanie, verlesen.
ἧς Elias wirft seinen Mantel iiber Elisa, macht ihn
so zum Propheten. Elisa kniet auf einem Acker,
bisweilen verbrennt er seinen Zugochsen auf einem
Altar mit dem Holz seines Pflugs (1. Κὄμ. 19,
19-21).
vy Elias steht auf einem hohen Berg, weist zum
Himmel und bedroht die von Ahabs Sohn Ahasia
ausgesandten Hauptleute mit dem géttlichen Feuer.
Oft werden herabfallendes Feuer, kniende und tot
daliegende Soldaten abgebildet (2. Kén. 1, 9-14).
vr Elias teilt, kurz vor seiner Himmelfahrt, mit sei-
nem harenen Mantel das Wasser des Jordan und
geht, zusammen mit Elisa, hindurch. 50 Nachkom-
men des Propheten bleiben in der Ferne zuriick
(2. K6n. 2, 1-8).
vr Elias’ feurige Auffahrt. In einem Flammenwa-
gen, gezogen von zwei oder vier feurigen Pferden,
fahrt Elias in den Himmel. Auf alteren Ikonen wird
er von ein oder zwei Engeln unterstiitzt, auf postby-
zantinischen, auch auf russischen Ikonen erscheint
zuweilen Gottvater in einem umwélkten Himmels-
segment. Elisa schaut nach oben und versucht, den
Mantel zu ergreifen, den der Entriickte herunter-
gleiten 1aft.
Feurige Auffahrt des Elias, Wandmalerei aus
Kastoria, spdtbyzantinisch.
92
Rabenspeisung wie Auffahrt werdeii - te
Einzelszenen dargestellt. Russische Ikonen
fassen vom 16.Jh. an die Rabenspeisung, die
Engelspeisung, die Durchquerung des Jordan,
das Erscheinen Gottes und den feurigen Auf-
stieg zu einem verschachtelten Mehrszenen-
bild zusammen.
Mose und Elias — Gesetz und Leidenschaft
Das Fellkleid des Propheten, seine wunderwir-
kende tierische Haut, ist Ausdruck fiir die
Welt der Empfindungen, der bildhaften Visio-
nen, des Uberrationalen und Ekstatischen.
Der prophetische Zug bildet einen Gegensatz,
zugleich eine Ergénzung zur Niichternheit des
Gesetzes und seiner Normen: Bei der —> Ver-
klarung Christi, typologisch vorgebildet durch
die Gotteserscheinung auf dem Karmel, be-
kennen sich Mose und Elias als Vertreter der
beiden Pole des AT (Gesetzlichkeit und eksta-
tische Vision) zur Géttlichkeit Christi.
’ Fiir das AT ist Elias Sprachrohr des sich in den
Naturgewalten entladenden Zornes Gottes,
fiir das griech. Landvolk Schutzpatron gegen
das Toben der Elemente.
Emmanuel
— Christus
Endgericht
H ITAPOYCIA TOY YIOY
TOY ANOPQTIOY
I Parousia tou Ifou tou anthrépou
Die Wiederkehr Christi ist das Gegensttick zur
—> Himmelfahrt. So wie er damals den Augen
der Sterblichen entschwunden, wird er am En-
de der Tage wiederkommen, um die Vergéttli-
chung der Welt zu vollenden:
»Er sitzt zur Rechten des Vaters und wird wieder-
kommen in Herrlichkeit, zu richten die Lebendigen
und die Toten.« Nikaeno-konstantinopolitanisches
Glaubensbekenntnis, gesprochen in der Liturgie der
Glaubigen.
Wiederkunft und Gericht in der Liturgie
der Vorfastenzeit
»Weshalb zitterst Du nicht vor dem schreckerregen-
den Richtstuhl des Erlésers ... Deine Werke sind
da, Dich zu beschuldigen ... Aber ich kenne Dich,
Endgericht
Menschenliebender, ich kenne Dein Erbarmen. Gu-
ter Hirte, entferne mich nicht von denen, die zu
Deiner Rechten stehen, um Deiner Gnade willen.«
Liturgie vom Apokreos-Sonntag
Am letzten, ausgelassen gefeierten Sonntag
vor dem gro8en Fasten (Apokreos, Karnevals-
zeit) wird in der Liturgie der Wiederkunft
Christi (Parousie) gedacht.
Die — Apokalypse des Johannes kommt in
der Liturgie nicht vor.
an der Narthex-Ostwand des Klosters Ajios Nikolaos
Anapawsas, Meteora, Anfang 16. Sh.
Motiv des triumphierenden Christus
Der triumphierende Christus (Majestas Do-
mini) thront als Weltenrichter auf dem Regen-
bogen, umgeben von einem kreisférmigen
—> Nimbus. Der ist erfiillt mit Sternen oder
Cherubim oder Fliigelradern (Ez. 8, 1 ff).
Christus breitet die Hande aus, man sieht sei-
ne Nagelmale. Flankiert wird er von der fiir-
bittenden Gottesmutter und Johannes dem
Taufer (— Deisis).
Motiv des Endgerichtes
Unter den FiiRen des Richters entspringt ein
Feuerstrom, str6mt rechts herab (von Christus
aus gesehen nach links) und miindet in den
Ungeheuerrachen der Hélle (— Drache) ein.
Direkt unter Christus der fiir ihn bereitgestell-
te > leere Thron (Etimasia), meist als > Bun-
deslade, oft umdraéngt von Engeln mit Lei-
denswerkzeugen. Adam und Eva, die Lade
flankierend, fallen nieder zur Proskynese.
Sternen zusammenrollend. Warlaam, Meteora,
postbyzantinisch.
Darunter oder seitlich Michael mit der Seelen-
waage und Buchrollen (den aufgezeichneten
Taten der Verstorbenen). »So wage man mich
auf rechter Waage, so wird Gott erfahren meine
Unschuld.« (Hiob 31, 6). Schwarze Teufelsen-
gel umschwirren den Erzengel, um Seelen in
den Hoéllenrachen zu verschleppen. Engel, mit
Speeren bewaffnet, wehren sie ab. Das Parou-
sie-Motiv besetzt in der Regel entweder die
Westwand (West, Richtung des Abends, des
_Dunkels und Todes) des Naos (anstelle der
93
Endgericht
—> Heimholung Maria) oder die Ostwand des
Narthex.
Spat- und postbyz. Parousien werden um Ele-
mente der > Apokalypse erweitert:
Ein Engel, iiber Christus schwebend, rollt den
Himmel mit Sonne, Mond und Sternen
schneckenformig zusammen (Chorakirche,
Konstantinopel, 1315/20; Meteorakloster
Warlaam, Mitte 16.Jh.; Athoskloster Diony-
βίοι, Anfang 17. Jh.).
»Und die Sonne ward schwarz wie ein harener Sack
und der Mond wie Blut, und die Sterne. fielen-auf
die Erde ... Urid'der Himmel entwich wie.
sammengerolltes Buch.« Offbg. Joh. 6, 12-14
‘Mohammed griff das Bild auf in der 81. Sure
‘des Koran:
»Wenn die Sonne zusammengefaltet wird und wenn
die Sterne herabfallen und wenn die Berge sich riih-
ren und die hochtrachtigen Kamelstuten vernachlas-
sigt werden ... und wenn die Seiten aufgerollt wer-
den und wenn der Himmel weggezogen wird ...,
dann wird jede Seele wissen, was sie getan hat.«
Um die Deisis-Gruppe herum scharen sich die
apokalyptischen Altesten mit ihren weifen
Haaren und die Engel. Dartiber oder darun-
ter, auf Wolken schwebend, vier Chére der
Seligen.
Unweit der Hdlle die Welt der Toten. Sie wer-
den durch Michaels Posaune zum Jiingsten
Gericht herausgerufen:
»Und das Meer gab seine Toten wieder und der Tod
und das Totenreich geben ihre Toten wieder« Offb.
Joh. 20, 12 ff
Graber tun sich auf, wilde Tiere wiirgen Teile
der Gefressenen hervor. Die weibliche Allego-
rie des Meeres (Thalassa), in der Rechten ein
untergegangenes Schiff, in der Linken einen
Ertrunkenen, thront auf einem Riesenfisch; er
ist durch Rader als Gefiahrt der Meeresgottheit
gekennzeichnet.
Ort der Verdammten
Die Darstellung der Verdammten und ihrer
Qualen — auf Bildfeldern links unten von Chri-
stus aus gesehen — folgt den liebevoll ausge-
malten Schilderungen der apokryphen Petrus-
offenbarung (1.Hialfte 2.Jh.). Christus zeigt
vom Berg der Verklarung aus seinen Jiingern
das Paradies und den Strafort. Vers 21-34:
94
»Ich sah aber auch einen anderen Ort, jenen (dem
Paradies) gegentiber, ganz in Finsternis getaucht ...
Und sowohl die, die dort ihre Strafe erhielten, wie
auch die Engel, die die Strafe vollzogen, hatten ein
dunkles Gewand an, entsprechend der Luft des Or-
tes. Und einige waren dort, die waren an der Zunge
aufgehangt. Das aber waren die, die den Weg der
Gerechtigkeit geldstert hatten und unter ihnen war
ein Feuer angeziindet ... Es waren aber auch noch
andere da, Frauen, die an den Haaren aufgekntipft
waren, hoch iiber jenem brodelnden Schlamm ...«
(Die kanonischen Schriften des NT enthalten
nur wenige sparliche Hinweise auf die Hélle;
der Koran erwahnt sie an 175 Stellen.)
Die Darstellung des Paradieses
Dem breit ausgemalten Héllenpfuhl steht eine
etwa eine Sechstel der Héllenbeschreibung
umfassende farblosere Schilderung des Para-
dieses gegentiber. Vers 15-20:
»Und der Herr zeigte mir einen ganz groBen Raum
auBerhalb dieser Welt, glanzend vor Licht, und die
Luft dort von Sonnenstrahlen erleuchtet und der
Erdboden selbst bliihend und erfiillt von Wohlgerii-
chen und unverwelklichen und gesegnete Frucht tra-
genden Pflanzen ... So stark aber war der Blititen-
duft, da8 er sogar bis zu uns von dort heriibergetra-
gen wurde. Die Bewohner jenes Ortes waren beklei-
det mit den Gewandern der lichten Engel.«
Das Paradies (links unten vom Betrachter aus
gesehen) ist immer wei (= Helligkeit), ange-
fiillt mit prachtvollen Pflanzen von einer Mau-
er umgeben. Drinnen sitzt > Abraham, in sei-
nem Scho8e die Seelen der Erlésten, mitunter
auch nur die des Lazarus (Gleichnis Luk. 16,
19-31). Ihm gegentiber schmort im Feuer-
strom der »reiche Mann«. Neben Abraham
thront die Gottesmutter, flankiert von zwei
dienenden Engeln. Das Tor bewacht ein --ῦ
Cherub. Davor als Anfiihrer der Heiligen und
Seelen, die ins Paradies drangen, eine halb-
nackte Gestalt mit einem Kreuz tiber der
Schulter — Gestas, der Schacher, dem Christus
am Kreuze versprach: »Heute noch wirst Du
mit mir im Paradiese sein. «
Entwicklung und Ausbau des Komposit-Bildes
Das wandfiillende Parousie-Bild stellt sich als
Motivkomposition dar aus einzelnen, anderen
Bildern entnommenen Elementen. Der trium-
phierende Christus entstammt dem Himmel-
fahrtsbild und wird spater zur Deisis ausge-
Endgericht
Postbyzantinische Endgerichtsdarstellung. Athoskloster Dionysiou, Anfang 17. Jh.
baut. Der leere Thron wird sowohl als selb-
stindiges Motiv wie in Verbindung mit der
Pfingstdarstellung abgebildet. Aus dem Ana-
stasismotiv (+ Ostern) kommen »Adam und
Eva«, »der gerechtfertigte Schacher«, vermut-
lich auch der »HGllenrachen«.
Frithere Gerichtsdarstellungen weisen eine enge
Verbindung mit dem Auferstehungsbild auf. In Tor-
cello, Anfang 13.Jh., befindet sich die Endgerichts-
darstellung direkt unter einer groB angelegten Auf-
erstehungsdarstellung mit der Totenwelt im unteren
Bildteil. Deutlich belegt das Programm in der Be-
grabniskapelle (Parekklision) der Chorakirche in
Konstantinopel (1315/20) diesen Zusammenhang:
In der Apsis die ésterliche Hadesfahrt, flankiert von
der Auferweckung des Lazarus sowie des Téchter-
chens des Jafrus (-95 Wunderheilungen); im Gewél-
be davor wie auch an den Seitenwanden die detail-
reich ausgebaute Parousie.
Das dominante Osterbild sorgt dafiir, daB die End-
gerichtsszenerien unter dem Blickpunkt der 6sterli-
chen HeilsverheiBung gesehen werden. (Starke
Strémungen der dstlichen Kirche -- Origines 2., Ber-
‘diajew 20.Jh. — erwarten die Gesamterlésung des
Kosmos, i apokatastasis ton panton, einschlieBlich
der Welt des Satanischen als Folge der unermeB-
lichen Liebe Gottes.) :
Grausame Szenen, Schilderung von Héllen-
qualen, auch Folterungen von Martyrern kom-
men erst nach den leidvollen Erfahrungen der
lateinischen Besetzung Konstantinopels 1204
und vor allem nach der Eroberung der Stadt
durch die Tiirken (Untergang des Reiches
1453) auf.
Die Westwand der Yilanli Héhlenkirche von
Ihlara Kappadokien — Majestas Domini zwi-
schen Engeln tiber Heiligen, darunter Hdllen-
qualen — wird ins 11.Jh. datiert, was zu ἐγ ἢ
sein diirfte.
Die detailreichen Parousien (auch auf der
westlichen AuBenfassade Voronet Rumanien
1550) der Athoskléster sind in apokalyptische
Szenen eingebettet.
95
Engel
Engel
O AITEAOC
O anjelos
Géottlicher Bote und Mittler zwischen Gott
und Mensch, ein mehr der unsichtbaren Welt
zugehGriges Geistwesen. Wird vom 4.Jh. an
mit Fliigeln dargestellt. In der Orthodoxie ist
Montag der Tag der Engel.
Engel im Alten Testament
und im Spatjudentum
»,.. und siehe da stand ein Mann in einem Linnen-
gewand und hatte einen goldenen Giirtel um seine
Hiiften. Sein Leib war wie ein Tirkis, sein Antlitz
wie ein Blitz, seine Augen wie feurige Fackeln, sei-
ne Arme und Fii®e wie helles blinkendes Erz und
seine Rede war ein gewaltiges Ténen ... Und ich
hdrte seine Rede, und indem ich sie hérte, sank ich
ohnmiachtig auf mein Angesicht zur Erde.« Dan. 10,
5-9
Angelos meint, wie das hebr. mal’ak, einen
Boten mit einer Nachricht Gottes — gelegent-
lich auch einen Menschen, z.B. — Johannes
den Taufer, in der Regel jedoch ein tiberirdi-
sches Wesen.
Im AT, NT und in der religiésen Literatur des
friihen Mittelalters sind Engel flammende
Feuerwesen, bei deren Erscheinen die Men-
schen erzittern. Doch bereits im Spatjudentum
und bei Paulus werden Menschen h6her einge-
stuft als Engel. Heilsgeschichtliche Ereignisse
erfahren selbst sie nur iiber die Kirche (Eph.
3, 9-10; 1 Petr. 1-12). In christl. Zeit werden
die Engel zunehmend verniedlicht. (> Teufel
als ehemalige Engel, aus freiem Willen von
Gott abgefallen.)
Im AT der vorexilischen Zeit (vor 600) war
der »Engel des Herrn« (> Brennender Dorn-
busch) eine Erscheinungsform Jahwes selbst,
gelegentlich als jugendliche Mannergestalt,
doch ohne Fliigel, beschrieben, wegen seines
Feuercharakters gefahrlich fiir den, der ihn zu
Gesicht bekommt. Andererseits werden Bo-
ten-Engel als von Jahwe ausgehende Wesen-
heiten erlebt.
Die himmlischen Heerscharen dagegen sind
urspriinglich personifizierte Gewalten Gottes.
Auch die + Cherubim und — Seraphim oder
die Fliigelrader (Throne) der — Hesekiel Vi-
sion sind keine Engelsboten, sondern Hofstaat
96
Gottes. Unter die Engel gerechnet werden sie
erst seit dem Spatjudentum.
Die vier exilzeitlichen Tiere (~ Hesekiel Vi-
sion) um Gott sind wie die vier Winde die kos-
mischen Wachter der Himmelsrichtungen. Sie
leben fort in den vier Angesichtsengeln nach
dem apokryphen Buch Henoch (Kap. 40), die
Gott umstehen, zugeteilt den Himmelsrich-
tungen.
Der Erzengelkatalog Henochs (Kap. 20 u. 40)
erwahnt, anstelle der drei Erzengel, des AT
insgesamt sieben bis acht; sie erscheinen bis-
weilen auf byz. Kirchenwadnden. Im Spatju-
dentum nimmt die Zahl der Engel bestandig
zu.
Das friihchristliche und byzantinische
Engel mit verhiillten -> Handen als Diakone dienend,
Taufe Christi im Jordan. Daphni bei Athen, ᾿
Ende 11.Jh.
Im 3. und 4.Jh. werden Engel in Bildern der
— Verkiindigung Maridé, der Jiinglinge im
Feuerofen (— Daniel), des Isaakopfers (-Ὁ
Abraham), der —> Taufe Christi, des > Daniel
in der Léwengrube, der - Anbetung Christi
Engel
Ubersicht I: Exzengel
Namens-
bedeutung
Erzengel ©
spatjiidisch (Henoch)
christlich
tt τ -- τ -- ------..-..-..-
Uriel Licht ist Gesetzt iiber die Engelheere Engel des Friedens, der Gesund-
Gott und die Totenwelt, auch zweiter _heit und Schlaflosigkeit, 6ffnet
Angesichtsengel (anstelle von beim Weltgericht die Hades-Tore,
Raphael) bringt Verstorbene vor Gottes
‘Richtstuhl
Raphael Gott hat Gesetzt liber die Geister der Engel der Heilung, himmlischer
(AT: Tobias) geheilt Menschen, zweiter Angesichts- | Arzt mit dem heiligen— Ol,
engel und Helfer gegen Krank- _—zustandig fiir Wachstum, Fliisse
heiten und Wunden und Fischfang
Raguel Freund Gottes Ubt Rache fiir Gott an den Engel der Wahrheit, zustandig ftir
ungetreuen Himmelslichtern Rinder, Schafe und Ziegen, ftir
(Sternen) gute Reise, er geleitet den Stern
der —> Weisen nach Jerusalem
—» Michael Wer wie Gott | Gesetzt tiber den besten Teil Ersterschaffener Engel, Fiihrer
(AT: Daniel, der Menschheit, das Volk Israel, der himmlischen Heerscharen,
NT: Jud. 9, erster Angesichtsengel, barm- Sieger iiber den Satan, Schutzengel
Offbg. 12,7) herzig und langmiitig der Verstorbenen
Sariel Mein Fiirst Gesetzt tiber die Menschen- -
ist Gott geister, die gegen die Geister
siindigen
-» Gabriel Mann Gottes Gesetzt tiber das Paradies, die Mit Michael zusammen Heer-
(AT: Daniel, bzw. Gott ist Schlangen (Seraphim) unddie _fiihrer der Unk6rperlichen, Engel
NT: stark Cherubim, dritter Angesichts- der Gerechtigkeit, der himmlische
Luk. 1, 26-38) engel, Herr tiber alle Krafte Bote schlechthin, Engel der Gnade
Remiel Erh6hung Gesetzt iiber die Auf- -
Gottes erstandenen
Phanuel Angesicht Herr der BuBe und Hoffnung, Erzengel der Feuersbrunst
Gottes erster Angesichtsengel
(Henoch 40 anstelle Uriels)
usw. als bartlose, seltener bartige junge Man-
ner in weiBer Kleidung wiedergegeben (Sarko-
phag von Sarigtizel, 390). Um Engel als die
Trager des Regenbogennimbus des zum Him-
mel auffahrenden Christus glaubhaft in die
Hohe entschweben zu lassen, hat man sie mit
den Fltigeln der Nike, der Zeusbotin, ausge-
stattet. Friiheste Engel mit Fliigeln: Santa Pu-
denziana, Rom, Anfang 4. Jh.; San Ambrogio,
Portal Milano; Sarkophag von Sarigiizel, 390).
Zur gleichen Zeit tragen fliegende Engel das
Christus-Monogramm.
Anfang 5.Jh. kommt der Engelnimbus auf,
mit Beginn 6.Jh. die kraftvollen frontal ste-
henden Wachterengel, Christus oder die Got-
tesmutter flankierend und schiitzend, Vorbil-
der fiir Michaels- und Gabrielsdarstellungen
bis heute. Sie halten Herrschaftsstab und Wel-
tenkugel — kaiserliche Insignien (-9 Kaiser) --
in Handen. Wenig spiter hiillen sie sich selbst
in kaiserliche Gewander (Kimesis-Kirche, Iz-
nik, Ende 7. Jh.).
Ab Ende 6.Jh. kommen Engelmedaillons auf.
Ikonoklastische Wandornamente (726-842)
reduzieren die Engel auf abstrakte Zeichen,
vereinbarte Chiffren der Stabe und Standar-
ten, die sie sonst tragen.
Eine bilderfreundliche Schrift »Gegen Kabali-
nos« (d.i. Konstantin V., bilderfeindlicher
Kaiser 741-775) wendet sich gegen das Argu-
97
ment, Engel dirften ihrer unsichtbaren Gei-
stigkeit halber nicht dargestellt werden:
»Du wendest ein, da niemand je einen Engel gese-
hen hat. Doch umgekehrt: Viele haben Engel gese-
hen. Haufig sah die allerseligste Gottesgebarerin
den Engel Gabriel; auch die Salbentragerinnen da
sahen Engel, als sie zum Grabe kamen.«
In den christologischen Auseinandersetzungen
des Bilderstreits nimmt die Liturgie immer
ausgepragter eine abbildhafte Symbolik an.
Die Folge: Eine unmittelbar nach dem Bilder-
streit in Konstantinopel errichtete Kirche (vel.
S. 20) wird ausgemalt mit dem Bild des — Pan-
tokrator, dessen Rolle der liturgierende Prie-
ster tibernimmt, und mit denen der Erzengel
und Engel, zu denen im Kult symbolisch die
Diakone -- und auch die Gemeindemitglieder —
werden:
»Deine Auferstehung, Christus, Erléser, besingen
die Engel; und uns auf der Erde mégest Du wiirdi-
gen, Dich reinen Herzens zu riihmen.« Aus der
Osterliturgie.
Ab 11.Jh. werden liturgierende Engel in die
Gewinder von Diakonen gekleidet.
Monche und Nonnen tragen das »Engelkleid«,
das alle K6rperlichkeit verhiillt. Sie eifern
durch Kleidung, auch mit kérperverachtender
Bediirfnislosigkeit den »kdérperlosen Mach-
ten« nach:
»... wenn die Sieggekrénten auch Erdgeborene wa-
ren, strebten sie doch nach dem Range der Engel,
verachteten ihren Leib und durch Leiden wurden sie
gewiirdigt des Ruhmes der Engel.« Klésterlicher
Morgengottesdienst vor Montag der 1. Fastenwoche
98
Andererseits stehen Menschen héher als En-
gel, miissen von ihnen verehrt werden (—> Ma-
ria zwischen Engeln), weil die Engel nur Teil
an der kérperlosen Welt, die Menschen aber
einen sterblichen sichtbaren Kérper und zu-
gleich eine unsterbliche unsichtbare Seele
haben.
Die Nebenkuppeln der Elmali Kilise (Gére-
me, 11.Jh.) sind mit Brustbildmedaillons von
sechs Erzengeln geschmiickt: den Welten-
wichtern Michael, Gabriel, Raphael und
Uriel, dann Sychael (hilft bei Schiittelfrost und
Schmerz) und Phlogothoel (hilft gegen Don-
ner und Hagel).
Ubersicht II: Byzantinische Erzengelnamen We
Abgesehen von den εἰπὲ bis sechs bekannfésten
Erzengeln tauchen in christlicher Zeit gelegent-___,
lich andere Namen auf: δ ΠΝ ΝΣ
Asuel Rumiel
Authronios Salathiel (Palermo)
Dawid Saraphuel
Jehudiel Sausim
Istrael Setel
Malthiel Suriel und die drei Straf-
Misrael engel Tartaruchos (Qualen *
(Carikli Kil.) der Unterwelt Temeluchos
Paniel (Ziichtigungen im Hades)
Pantasaran Sychael
Phlogothoel Xathanael
Piel
Vom 11.Jh. an mischen sich auch kleinere En-
gel in weitere szenische Darstellungen ein, vor
allem in Kreuzigung und Auferstehung, in die
Heimholung Maria — und es werden immer
mehr. In spatbyz. Zeit kommen neue Szenen
mit Engeln auf, die deren liturgische Funktion
(Ὁ Liturgie) betonen (~ Bucharistie); die
postbyz. Epoche kennt sogar als Engel ausge-
bildete Allegorien: den Sieg, die Freude usw.
(—> Ostern).
Cherubim und Seraphim
Die sechs- bzw. vierfliigeligen Geistwesen
werden — nicht streng voneinander unterschie-
den — vom 6. Jh. an in Syrien, dem Ursprungs-
land der Engelvorstellung, dargestellt.
Zunachst erscheinen sie auf liturgischen Eh-
renfachern (—> Pfau). Anfang des 8.Jh.s wer-
den sie groBflachig dargestellt. Nach dem Bil-
Ephriim der Syrer
derstreit erscheinen Cherubim im Kuppeltam-
bour, in den Eckzwickeln, unter der Kuppel
(so die vier gewaltigen Cherubim und den
Kuppelpantokrator in der Ajia Sophia, Kon-
‘stantinopel) und in einer Reihe szenischer
Darstellungen (Paradies, Heimholung Maria,
Endgericht).
—> Mutiergottes zwischen Engeln
-ὉἜ himmlische und kirchliche Hierarchie
— Gabriel
— Michael
— Kaiser
Ephram der Syrer
O ATIOC E®PAIM O CYPOC
O ajios Ephraim o Syros
Der bedeutendste Kirchenvater Syriens, der
im 4.Jh. in Nisibis lebte, Asket und Dichter
hochpoetischer Hymnen. Sein Tag ist der
28. Januar.
Leben und Wirken
Zu Ephrims Zeiten waren die wichtigsten
Zentren der Christenheit Syrien, Agypten,
Kappadokien und Konstantinopel, alle heute
unter muslimischer Herrschaft. Seine Schrif-
ten liefern kaum Hinweise auf sein eigenes
Leben.
Unter Bischof Vologeses (346-361) war
Ephram bereits als Kirchenlehrer bekannt, un-
ter Bischof Abraham (361) trat er als Berater
auf. Das Zwischenspiel der Wiedereinfihrung
des Heidentums durch Kaiser Julian Apostata
(361-362) schildert Ephrém in seinen vier
Hymnen »Contra Julian«, den wichtigsten
Quellen fiir jene historische Episode. Vermut-
lich war er Augenzeuge des Todes Julians im
Kampf gegen die Perser, die Nisibis eroberten.
Mit andern Byzantinern wird Ephréam der
Stadt verwiesen, geht nach Edessa, verleiht
der dortigen Katechetenschule neue Impulse.
Darstellungen Ephrams
Alter Asket mit diinnem Haar und sparlichem
Bart, trégt helle Ménchskapuze, oft ein
Schriftblatt haltend: »Mit Lachen vermengte
Freimiitigkeit hebt die Seele leicht von der Er-
de.« Spat- und postbyz. Wandmalereien in
Kléstern geben sein Sterben wieder. Ausge-
streckt daliegend, mit Binden umwickelt, um-
geben ihn Ménche und Asketen. Gerasimos
reitet auf einem Lowen herbei. Um die Ster-
beszene gruppiert sind Stadien aus seinem Le-
ben — er besucht einen Eremiten, versorgt ei-
nen Sdulenheiligen mit Nahrung, schreibt sei-
ne Hymnen, lebt als Einsiedler (Meteoraklé-
ster Ajios Nikolaos Anapawsas (1527) und
Warlaam (1627)).
Hymnendichtung
Ephrams Hymnen gehéren zu den ersten selb-
standigen, nicht aus der Bibel (den Psalmen)
abgeleiteten Dichtungen der éstlichen Litur-
gie. Seine Fastengebete sind fester Bestandteil
der Gottesdienste in der sechswéchigen Fa-
stenzeit vor Ostern. Ephram hat seine Hym-
nen den 4ltesten Hymnendichtungen des gno-
stisch beeinfluBten Bar-Daisan aus Edessa
(154-ca. 223) entgegengesetzt.’ Viele seiner
Weihnachtshymnen legt er der Gottesmutter
selbst in den Mund:
99
Etimasie
»Du bist in mir und Du bist auBer mir,
Verwirrer Deiner Mutter,
damit ich Dein Bild sehe, jenes 4uBerliche vor mei-
nen Augen. Dein unsichtbares Bild ist in meinem
Geiste geformt. In Deinem sichtbaren Bild erblicke
ich Adam, in Deinem Unsichtbaren sehe ich Deinen
Vater, der mit Dir vereint ist. So hast Du nun in
zwei Bildern Deine Schénheit gezeigt. Es formt
Dich das Brot — und der (menschliche) Geist. Und
wohne im Brot — und in denen, die es essen: Im
sichtbaren (Brot) und im unsichtbaren (Geist) — se-
hen Dich Deine Kinder, wie die Mutter Dich sieht!«
Ephram hat als einer der ersten die typologi-
sche Interpretation des AT kultiviert: Gestal-
ten und Ereignisse, Naturerscheinungen wie
Zahlenverhiltnisse werden als > Schatten fir
Christus und die Gottesmutter angesehen.
Etimasie — Leerer Thron
Eucharistie /Abendmahl
TO MYCTIKO AEIIINO
To mistik6é dipno
Im »geheimnisvollen Mahl« zeigt sich die my-
stische Vereinigung des Glaubigen mit allen
anderen Gldubigen und mit Gott selbst τ- das
zentrale Ziel des orthodoxen Lebens im Glau-
ben. Die Aufhebung leidvollen Getrenntseins
und die Verschmelzung in Liebe wird erst er-
reicht mit der Wiederkunft Christi, doch jetzt
schon vorweggenommen im — Mysterium des
Mahles aus Brot und Wein. Die gesamte Litur-
gie der Ostkirche ist auf diesen Héhepunkt
Christus feiert vor seiner Kreuzigung mit seinen Jiingern das Heilige Abendmahl. Judas, der ihn verraten soll,
taucht das Brot in die Schiissel. Klosterkirche Panajia Mawrotissa bei Kastoria, 12. Sh.
100
Eucharistie/Abendmahl
ausgerichtet, ist selbst nichts anderes als Vor-
bereitung und Feier des Abendmahles.
Folgerichtig ist auch die Architektur der Kir-
chen und ihr gesamtes Bildprogramm in den
Dienst-der Eucharistie gestellt. Jede Euchari-
stiefeier ist Vergegenwartigung des Opferto-
des Christi und seiner Auferstehung. Er ist der
Opfernde und zugleich das dargebrachte Op-
fer. Jeder daran Teilnehmende nimmt géttli-
che Substanz auf und hat so Teil an Gott. Die
Teilnehmer bilden, indem sie die gleiche Sub-
.stanz zu sich nehmen, einen K6rper. In den
-Abendmahlsgaben verkérpert sich Christus
selbst, sie sind seine Ikone.
Eucharistie ist ein Schliisselbegriff fiir das Ver-
_standnis der byz. Kultur, ihrer Riten, Bilder
und Symbole.
Mahl und Hochzeit — mystische Vereinigung
Die Vereinigung von Schépfer, Schépfung und
Geschépf wird symbolisiert durch das Mahl
(— Brot) und die liecbende Vereinigung — im
Bilde der Hochzeit von Christus als dem Brau-
tigam und der Kirche als der Braut:
»So wird ein Mann Vater und Mutter verlassen und
wird einer Frau folgen, und beide werden eines (ein
Fleisch) sein.« Matth. 19, 5. (> Maria zwischen En-
geln).
Da jede EheschlieBung auch die Vereinigung
zwischen Christus und seiner Kirche symboli-
siert, wird folgerichtig die Hochzeit zu Ka-
naan, bei der Christus Wasser in Wein verwan-
delt, als typologisches Vorbild angesehen; fiir
die Vereinigung im Mahl, fiir die Verschmel-
zung Gottes mit seiner Kirche im Ehebund.
Der eucharistische Charakter der Liturgie
Die dreiteilige —- Liturgie, der sonn- und fest-
tagliche Hauptgottesdienst, besteht in nichts
anderem als dem Zelebrieren des --Ὁ Myste-
riums des Heiligen Abendmahls (entspricht
der rémisch-katholischen Messe):
1. Die — Proskomidie ist die Vorbereitung dieses
heiligen Mahles, im Nordteil des Allerheiligsten
(Prothesis).
Die vorbereiteten heiligen Gaben sind ein mikro-
kosmisches, abbildhaftes Modellbild der allumfas-
senden — kosmischen -- Gemeinschaft Gottes mit
den Glaubigen.
2. Die Liturgie der Katechumenen stellt das Evan-
gelium (Christus als den Logos) in den Mittelpunkt.
Diese »Vorliturgie« war urspriinglich fir die noch
nicht zum Abendmahl zugelassenen Taufanwarter
bzw. fiir die davon ausgesperrten Biienden ge-
dacht. ;
3. Die Liturgie der Glaubigen umfaBt die feierliche
Ubertragung der Abendmahlselemente (Christus
als Lamm Gottes) von der Prothesis durch den Naos
zum Altar sowie ihre Austeilung.
Vor- und Hauptliturgie (Ubersicht I und I) bilden
eine nahtlos miteinander verbundene Einheit.
101
Eucharistie|Abendmahl
Ubersicht I: Die Liturgie der Katechoumenen des heiligen Johannes Chrysostomos
Liturgie
Textinhalt/
symbolische Bedeutung
Jeweils zugeordnete Motive
(Wandbilder und Buchmalerei)
Einfithrung
Priester: Doxologie
Diakon und Chor:
GrofSe Friedens-Ektenia
Dazu der Priester: Stillgebet der
ersten Antiphone
Chor: 1. Antiphone
Dazu der Diakon: Stellt sich vor
das Christusbild der Bilderwand
und ergreift sein Orarion mit
drei Fingern der rechten Hand
Diakon und Chor: Kleine Ek-
tenia (kurzes Friedensgebet)
Dazu der Priester: Stillgebet
Chor: 2. Antiphone mit
anschlieBendem Hymnus:
»Eingeborener Sohn ...«
(Hymne Kaiser Justinians)
Dazu der Diakon: Stellt sich vor
das Bild der Gottesmutter
Diakon und Chor: Wieder-
holung der kleinen Ektenia.
Dazu der Priester: Stillgebet zur
3. Antiphone
Chor: 3. Antiphone
Dazu der Diakon: Offnet die
K6nigspforte fiir den kleinen
Einzug
Der kleine Einzug
Prozession des Priesters und des
Diakons, der das Evangelien-
buch tragt, angefiihrt von zwei
Kerzentragern, manchmal auch
Rhipidientragern (— Pfau) aus
dem Altarraum durch die nérd-
liche Tiir der Ikonostas hinaus in
das Kirchenschiff. Halt vor der
Schénen Pforte
102
»Gepriesen sei das Kénigreich
des Vaters und des Sohnes und
des Heiligen Geistes ...«
Bittlitanei um Frieden fiir die
gesamte Menschheit und ihre
jeweils einzeln aufgefiihrten
Gruppierungen
(Stillgebete schlieBen in der
Regel mit einer laut gesungenen
Lobpreisung Gottes)
Wihrend der ersten beiden Anti-
phonen schaut der Diakon erst
auf das Bild Christi an der Iko-
nostasis und dann auf das Bild
der Gottesmutter, um die Glau-
bigen darauf aufmerksam zu ma-
chen, daB ihre Schau tiber die
Abbilder hinweg hingefiihrt wird
zu den Urbildern
In der 2. Antiphone bedeutende
Weissagungen des AT tiber Chri-
stus.
Hymnus: »Eingeborener Sohn,
Logos Gottes, der Du unsterb-
lich! Du hast es auf Dich ge-
nommen, Fleisch zu werden um
unseres Heiles willen ...«
Seligpreisungen der Bergpredigt
nach Matth. 5, 3-12 (Maka-
rismen)
Der kleine Einzug bedeutet die
erste Ankunft Christi in der Welt
als Logos, reprasentiert durch
das Evangelienbuch (Mensch-
werdung Christi). Bedeutet
gleichzeitig den Beginn seiner 6f-
fentlichen Tatigkeit als Prediger
und sein Offenbarwerden als
Gottes Sohn bei der Taufe im
Jordan
Vom 11.Jh. an wurden die einzel-
nen Teile der Liturgie als rituell
dramatisierte »Ikonen« der Heils-
ereignisse gesehen. Damals wurde
jedem Teil ein Abschnitt aus dem
Leben Jesu zugeordnet. Wie die
Gesamtheit der Wandmalerei einer
Kirche und gleichzeitig auch die
Ikonen der Ikonostasis das gesamte
Evangelium darbieten soll, so sol-
len auch seine Heilsgeschehnisse in
der Liturgie wieder aufleben.
Folgerichtig lassen sich auch die
verschiedenen Ikoneninhalte den
verschiedenen Liturgieteilen
zuordnen. Die hierzu mitgeteilte
Zuordnung folgt zwei Liturgiekom-
mentaren des 11. Jh.s
— Verkiindigung Maria im Sinne
des Beginns der Menschwerdung
Christi.
—>» Geburt Christi: »Und das Wort
ward Fleisch ...« Joh. 1.14
Taufe Christi im Jordan
Eucharistiel/Abendmahl
(Fortsetzung) Ubersicht I: Die Liturgie der Katechoumenen des heiligen Johannes Chrysostomos
Liturgie
Priester: Gebet um das Geleit
durch Engel. Einzug durch die
K6nigspforte und Ablage des
Buches auf dem Altar
Chor: Troparion oder Kontakion
des jeweiligen Fest- oder Ge-
denktages
Dazu der Priester: Stillgebet
zum Trisajion
Chor: Trisajion (dreimal heilig) --
dreimal hintereinander gesun-
gene Lobpreisung
Gang zum Thron
Priester und Diakon begeben
sich hinter den Altar.
Priester: Lobpreist Christus auf
dem himmlischen Altar tiber den
Cherubim. Setzt sich auf seinen
Priesterstuhl. In Kathedralgot-
tesdiensten nimmt der liturgie-
rende Bischof die Kathedra hin-
ter dem Altar ein, der Priester
den Stuhl rechts daneben.
Epistellesung
Lektor und Chor: Wechsel-
gesang (Prokimenon)
Lektor: Lesung aus Briefen des
NT oder aus der Apostel-
geschichte.
Dazu der Diakon: Beréuchert
Altar, Altarraum, Ikonostas,
den Priester und die Andach-
tigen
Lektor und Priester: Austausch
des Friedenssegens.
Diakon: Ruf zur Aufmerksam-
keit: »Weisheit«.
Priester: Stillgebet am Altar vor
der Evangelienlesung. Reicht
dann dem Diakon das Evange-
lienbuch und segnet ihn
Textinhalt/
symbolische Bedeutung
Wenn ein Bischof die K6nigsttir
passiert, kann das auch die Him-
melfahrt Christi bedeuten
An Samstagen, an denen der
Toten gedacht wird, wird das
Kontakion »Auch im Grabe lie-
gend bist Du unsterblich ...«
gesungen. Das Buch reprasen-
tiert Christus als den Logos, der
Altar, auf dem es liegt, das Grab
Christi
Heiliger Gott, heiliger starker,
heiliger unsterblicher, erbarme
Dich unser
Der Bischof, der die Kathedra
besteigt, vollzieht symbolisch
die Thronbesteigung Christi im
tiberhimmlischen Allerheilig-
sten. Gleichzeitg bedeutet diese
Zeremonie den Ubergang vom
alten Bund des Gesetzes zum
Gnadenbund des NT
Auf das Tagesereignis oder den
Tagesheiligen bezogener Vers,
gewohnlich aus den Psalmen
Segnung und Lesung bedeuten
die Berufung der Apostel sowie
den Auftrag, heilige Schriften
zu verfassen
Der das Evangelium verlesende
Diakon wird zum Engel, der auf
dem Stein vor Christi Grab den
Myrrhentragerinnen das Evan-
gelium verkiindet (— Ostern).
Die Lesung selbst stellt Christi
Wirken auf Erden dar
Jeweils zugeordnete Motive
(Wandbilder und Buchmalerei)
Himmelfahrt Christi = Ubergang
aus der sichtbaren Welt (= Ge-
meinderaum) in die unsichtbare
(= Altarraum)
Die ausgelegte Tagesikone stellt
den Heiligen bzw. das Festereignis
vor, das in den Troparien oder
Kontakien des Tages besungen
wird
Der — leere Thron Christi
(Etimasia, auch > Endgericht)
beachten!)
— Berufung der Jiinger,
— Evangelisten (in den 4 Eck-
zwickeln unter der Kuppel)
Liturgen in Priestergewandern
(Apsisrund) halten Textbander mit
den vom Priester am Altar verlese-
nen Stillgebeten, Propheten mit
den in den Gebeten enthaltenen
ATlichen Texten ᾿
103
Eucharistiel/Abendmahl
(Fortsetzung) Ubersicht I: Die Liturgie der Katechoumenen des heiligen Johannes Chrysostomos
Liturgie
Textinhalt/
symbolische Bedeutung
Jeweils zugeordnete Motive
(Wandbilder und Buchmalerei)
Diakon: Evangelienlesung am
Pult vor der Bilderwand. Seine
Stimme wird immer héher, als
Ausdruck der Freude tiber das
Gelesene
Ausklang bzw. Ubergang
Diakon und Chor: Ektenia ftir
alle Lebenden
Dazu der Priester: schlagt auf
dem Altar das > Antiminsion
(—> Altar) auf und spricht ein
Stillgebet mit laut gesprochener
abschlieBender Lobpreisung
Diakon und Chor: Ektenia fiir
die Verstorbenen (entfallt an
grofen Feiertagen)
Dazu der Priester: Stillgebet
Diakon und Chor: Ektenia fiir
die Katechoumenen
Diakon: Entlassung der Kate-
choumenen »Katechoumenen
geht hinaus...«
Inbriinstiges Gebet fiir Regie-
rung, Kirche, Priesterschaft,
Chor, die Glaubigen, auch fir
die Feldfriichte: es symbolisiert
die Lehrtatigkeit Christi
In dieser Folge dreier Bittlita-
neien — kann auch als groBes
dreiteiliges Bittgebet aufgefaBt
werden — wird fiir den gesamten
Kosmos, insbesondere aber fiir
die gesamte Menschheit gebetet:
den Katechoumenen mége Got-
tes Wort offenbar werden
Die Taufanwarter werden hin-
ausgeschickt. Sie durften frither
nicht am Abendmahl teilnehmen
Verkiindigung von Christi Auf-
erstehung durch die Engel
(— Ostern)
Der Kosmos der Menschenwelt ist
in der Kirche gegenwartig: im Kup-
peltambour mit dem Gewélbe
Apostel und Propheten, in der Ap-
sis Kirchenvater und Priesterhei-
lige, im Kirchenschiff Martyrer und
Kriegerheilige. Innen gesellen sich
die Glaubigen im Kirchenschiff zu
und die Taufanwarter (Katechou-
menen), die friiher nur die Vor-
halle (Narthex) betreten durften
An Kirchenbau und Liturgie sind
die Einschrankungen — réumlich
und zeitlich —, denen friiher die
Katechoumenen in ihrer Teilnah-
me am Gottesdienst unterlagen,
abzulesen
‘Ubersicht II: Liturgie der Glaubigen des heiligen Johannes Chrysostomos
Liturgie Textinhalte / Jeweils zugeordnete Motive
symbolische Bedeutung (Wandbilder und Buchmalerei)
Einftihrung
Diakon und Chor: Ektenia fiir »Ihr Glaubigen, lasset uns wie- --
die Glaubigen der und wieder in Frieden beten
. Dazu der Priester: Erstes Still- zum Herrn.« Priester dankt fiir
gebet der Glaubigen die Gnade am heiligen Altar, am
Diakon und Chor: Zweite
Ektenia der Glaubigen
Dazu Priester: Zweites Stillgebet
mit abschlieBender lauter Lob-
preisung
104
irdischen und am unsichtbaren
tiberhimmlischen zugleich, ste-
hen zu diirfen
Bittlitanei um den Frieden im
gesamten Kosmos. Gebet des
Priesters: »... schau auf unsre
Bitte und reinige unsre Seelen
und Herzen von allem Unrat des
Fleisches und des Geistes ...«
—» Darstellung Christi im Tempel,
in seiner Bedeutung einerseits als
Opfer von Brot und Wein durch
die Glaubigen, andererseits als des
geopferten Christus
Eucharistie/Abendmahl
(Fortsetzung) Ubersicht II: Liturgie der Gliubigen des heiligen Johannes Chrysostomos
Liturgie
Der grofe Einzug
Prozession zur Ubertragung der
heiligen Gaben vom Riisttisch in
der Prothesis (Nordapsis oder
Nordnische im Altarraum) durch
die Nordttir der Ikonostas ins
Schiff und von da durch die
Schéne Pforte zum Altar
Offnung der Schénen Pforte.
Diakon: berauchert mit Weih-
rauch den Altar, den Altarraum,
den Priester, den Chor und die
Glaubigen
Chor: Cherubimhymnus
Dazu der Priester: Priesterliches
Einzugs- und Opfer-Stillgebet
Priester und Diakon: Dreimali-
ges cherubinisches Gebet
Priester und Diakon: Schreiten
zum Riisttisch. Priester berau-
chert die Opfergabe, legt das
Aér (~ Altar) auf die Schulter
des Diakons und reicht ihm den
Diskos mit dem Brot, ergreift
den Kelch mit dem Wein. Die
Prozession wird von Traégern mit
Lichtern und Ehrenfachern
(Rhipidien — Pfau) begleitet.
Halt vor der Schénen Pforte
Diakon: Gebet
Priester: Gebet
Chor: Cherubimhymnus, zweiter
Teil
Diakon und Priester: Sie durch-
schreiten die K6nigspforte.
Priester: Stellt Diskos und Kelch
auf den Altar, spricht das Gebet
der Grablegung und bedeckt da-
bei die Gaben mit den Tiichern
Textinhalte/
symbolische Bedeutung
Der Einzug ist der > Einzug
Christi in Jerusalem zu seinem
Leiden, seiner Kreuzigung und
seiner Auferstehung, der Gang
Christi zum Geopfertwerden.
Christus selbst handelt durch den
Priester. Chor und Glaubige fith-
len sich erhoben zum tiberhimm-
lischen Altar Gottes, sie wandeln
sich, wie der Hymnus sagt, zu
Cherubim: »... die wir geheim-
nisvoll darstellen die Cheru-
bim...«
»Die wir die Cherubim geheim-
nisvoll darstellen und der leben-
digmachenden Dreieinigkeit das
dreimal heilige Loblied singen:
LaBt uns nun ablegen jede irdi-
sche Sorge«
»Da wir nun an diesem heiligen
Geheimnis die Stelle der Cheru-
bim vertreten ...«
Die Rhipidien weisen ihre Tra-
ger und dariiber hinaus die Glau-
bigen als geheimnisvoll in Cheru-
bim Verwandelte aus.
Gebete fiir den Metropoliten,
die Priesterschaft und alle Glau-
bigen
Der »Herr des Alls« wird »von
Engelscharen unsichtbar ge-
leitet«
Das Aufsetzen der Gaben auf
den Altar stellt Kreuzabnahme
und Grablegung dar. »Der ehr-
same Joseph nahm Deinen
makellosen K6rper herab vom
Holze, wickelte ihn in reines
Linnen, bedeckte ihn auch mit
aromatischen Salben und legte
ihn in ein neues Grab«
Jeweils zugeordnete Motive
(Wandbilder und Buchmalerei)
Die »himmlische Liturgie«, als
Darstellung der unsichtbaren Li-
turgie, die parallel zum Ritus in der
Kirche oben vor Gottes Thron
stattfindet: Cherubim, Seraphim
und Engel, in Priestergewandern
mit Leuchtern, Rhipidien und Al-
targeraten schreiten vom Rlisttisch
weg auf einen Altar zu. Die vom
frithen 14. Jh. an haufige Dar-
stellung gibt direkt den Inhalt des
cherubinischen Hymnus wieder,
erscheint in der Hauptapsis, der
Prothesis oder aber vor allem im
Kuppeltambour: Unterhalb des
—> Pantokrators bewegt sich die
Engelsprozession von einem Riist-
tisch im Westen zu einem Altar im
Ostteil des Tambours
Kreuzabnahme, Grablegung (dar-
gestellt auch auf dem Antiminsion
auf dem Altar (—> Passionszyklus)
105
Eucharistie/Abendmahl
(Fortsetzung) Ubersicht II: Liturgie der Glaubigen des heiligen Johannes Chrysostomos
Liturgie
Textinhalte/
symbolische Bedeutung
Jeweils zugeordnete Motive
(Wandbilder und Buchmalerei)
Priester: Berauchert die Gaben
auf dem Altar dreimal.
Diakon: SchlieBt Fliigel und
Vorhang der Schénen Pforte
Priester und Diakon: Wechsel-
seitiges Gebet fiireinander
Diakon und Chor: Bitt-Ektenia
Priester: Stillgebet der Darbrin-
gung mit abschlieBender lauter
Lobpreisung
Bedeutet, da8 der Stein vor
Christi Grab gerollt wird, damit
sein Leichnam nicht geraubt
werden kann
Gebet um Errettung.
Chor: Herr erbarme Dich
»Nimm dieses Opfer an und laB
den Geist Deiner Gnade in uns
wohnen ...«
Weihrauchschwingende Engel in
den Darstellungen der himm-
lischen Liturgie wie auch der
Apostelliturgie
FriedenskuB
Priester: KiBt die heiligen
Gaben, den Rand des Altars und
alle mit ihm zelebrierenden
Geistlichen
Beispiel fiir die Liebe zum ge-
samten Kosmos, zur sichtbaren
und unsichtbaren Welt
Die Glaubigen ktissen beim Betre-
ten der Kirche die Ikonen (— KuB)
Glaubensbekenntnis
Diakon: Κἄβι das Kreuz auf
seinem Orarium und ruft: »Die
Tiiren, die Tiiren, lasset uns auf-
merken in Weisheit«
Ein Vertreter der Gemeinde:
Spricht das nikaéno-konstantino-
politanische Glaubensbekennt-
nis.
Der Vorhang der Schénen Pforte
geht auf. Dazu der Priester:
Er bewegt das Aér tiber dem
Altar mit den Gaben
Friiher Aufforderung an die Tiir-
hiiter, keine Unglaubigen mehr
einzulassen, heute die géttliche
Weisheit durch die Ohren als die
Tiiren des Menschen einzulassen
Die Bewegung des Aér wird
einerseits als das Erdbeben beim
Tode Christi betrachtet,
andererseits auch als Wehen des
heiligen Geistes
Ikone der heiligen Weisheit
(— Sophia)
— Kreuzigung
ent
Die Anaphora ᾿
Diakon: Fordert dazu auf, »vor
Gott zu stehen«. Befachelt die
Gaben mit den Rhipidien. Der
Ritus des »Erneuten Vollzie-
hens« ist Héhepunkt der Liturgie
106
Erneutes Vollziehen: Das histo-
rische Kreuzesopfer Christi wird
rituell erneut volizogen— am
Altar der Kirche und zugleich
vor dem tiberhimmlischen Altar
Gottes
Darstellung der Abendmahlslitur-
gie (Apostelkommunion): Christus
als Priester zwischen zwei Cheru-
bim. Wahrend der gesamten Ana-
phora wird der Priester von zwei
unsichtbaren Cherubim flankiert
Eucharistiel/Abendmahl
(Fortsetzung) Ubersicht IJ: Liturgie der Glaubigen des heiligen Johannes Chrysostomos
Liturgie ᾿
Priester und Chor: Laut gesun-
genes Gebet
Priester: Eucharistisches Still-
gebet zum Preise Gottes
Diakon: Entfernt den Asteriskos
(Stern) vom Diskos (— Altar)
und macht das Kreuzeszeichen
tiber den Gaben
Chor: »Heilig, heilig, heilig ...«
Dazu Priester: Stillgebet: die
laut gesprochenen Einsetzungs-
worte.
Dazu der Diakon: Weist mit der
Rechten, mit der er das Orarion
halt, zu den entsprechenden Ein-
setzungsworten auf Brot und
Wein
Darbringung des Opfers
(Anamnese)
Diakon: Halt mit tiberkreuzten
Handen Diskos und Kelch hoch.
Macht damit das Zeichen des
Kreuzes tiber dem Altar
Dazu der Priester: Singt laut:
»,.. bringen wir Dir das Deine
von dem Deinen dar ...«
Chor: Lobpreis Gottes
Textinhalte/
symbolische Bedeutung
»,.. erheben wir unsere Her-
zen ...«
Die Glaubigen steigen rituell
empor zum tiberhimmlischen
Thron Gottes (Anaphora!). Sie ©
schauen jetzt geistig die Urbilder
der Symbole: In Brot und Wein,
die dem Glaubigen gezeigt wer-
den, erblickt er Christus selbst
Durch das Medium des Priesters
wiederholt Christus selbst als der
Hohepriester mystisch das
Abendmahl in der Nacht vor
seinem Tode: »Nehmet hin und
esset, das ist mein Leib, fiir euch
gebrochen zur Vergebung der
Siinden ... Trinket alle daraus,
das ist mein Blut des neuen
Testaments, fiir euch vergossen
zur Vergebung der Stinden«
Die zum himmlischen Altar
hochgehobenen Gaben bedeuten
den Opfertod des Lammes Chri-
sti, gleichzeitig jedoch auch seine
Auferstehung — Christus zieht
die Toten aus dem Hades mit
sich nach oben. Dariiber hinaus
stellen die nach oben gehaltenen
Gaben auch den zum Himmel
auffahrenden Christus dar
»Dir singen wir, Dich preisen
wir, Dir danken wir, o Herr, und
beten zu Dir, unser Gott«
Jeweils zugeordnete Motive
(Wandbilder und Buchmalerei)
Auferstehung Christi (—> Ostern):
So wie Christus Adam zu sich
hochzieht aus dem Grab, zieht er
jetzt wahrend der Anaphora die
Herzen der Glaubigen hoch hin zu
seinem tiberhimmilischen Altar. Er
ist der Todesiiberwinder fiir alle
Adamskinder
Christi Abendmahl vor seiner
Kreuzigung.
Apostelkommunion: Christus —
bisweilen im Bischofsgewand —
erscheint zweimal an einem mit
einem — Ziborium tiberwélbten
Altar. Nach links gewandt, reicht
er sechs Aposteln das heilige Brot,
nach rechts gewandt, den sechs an-
deren Wein. Auf den Altaren die
heiligen Gerate. Als Diakone assi-
stierende Engel halten Rhipidien
— Taufe Christi im Jordan. Der
Heilige Geist kommt auf Christus
herab, so wie er im Austausch ge-
gen die Opferung von Brot und
Wein auf die Abendmahlselemente
herabfahrt
Epiklese (Herabrufung)
Priester und Diakon: Gebet mit
der Bitte um das Herabsenden
des Heiligen Geistes, damit er
Brot und Wein in Fleisch und
Blut Christi verwandle
Diakon: Befachelt die Gaben.
Dazu der Priester: Stillgebet
Als Gegengabe fiir das darge-
brachte Opfer wird der Heilige
Geist herabgerufen. Dies ent-
spricht der Herabkunft des Heili-
gen Geistes im Austausch gegen
den zum Himmel aufgefahrenen
Christus
Das Facheln bedeutet den Ein-
zug des Geistes in die Gaben.
Bitte um Gemeinschaft mit dem
heiligen Gott
— Einzug in Jerusalem.
Bereitet den Opfertod Christi vor
sowie das Herabflehen des Geistes
die Opferung Christi in Gestalt von
Brot und Wein fiir die Glaubigen
vorbereitet
Dreieinigkeit (— Pfingsten) in Ge-
stalt des Engelbesuches bei Abra-
ham. Die Trinitat ist Empfanger
und Spender des Opfers zugleich
107
Eucharistie/Abendmahl
—
(Fortsetzung) Ubersicht II: Liturgie der Glaubigen des heiligen Johannes Chrysostomos
Liturgie
Gediachtnis der Heiligen:
Priester, unterstiitzt vom Chor:
Gedenket laut
- der Gottesmutter (Berauche-
rung des Altars),
- Johannes des Taufers als An-
fiihrer der Propheten,
- aller Heiligen sowie aller Ver-
storbenen (auch bestimmter
Namen, die von AngehGrigen
genannt werden),
~ der Regierung, der Priester-
schaft und aller Lebenden
(auch mit bestimmten
Namen),
— der Leidenden und Gefahr-
deten, der Kranken und Rei-
senden
Textinhalte /
symbolische Bedeutung
Jeweils zugeordnete Motive
(Wandbilder und Buchmalerei)
Das, was bei der Vorbereitung
des Abendmahls (> Prosko-
midie) unbemerkt von der Ge-
meinde geschieht, wird nunmehr
im Angesicht der gesamten
Abendmahlsgemeinschaft aufge-
griffen: Gedacht wird des gesam-
ten Kosmos, darunter der vier
Gruppen, die durch die vier Pro-
sphoren (Abendmahlsbrote) re-
pradsentiert werden (die Allheili-
ge, Johannes der Taufer und die
Heiligen, die Lebenden und die
Toten)
—» Maria zwischen den Engeln in
der Apsis: »Du bist wiirdiger als
die Cherubim ...«
Johannes der Taufer als Prototyp
aller Propheten, Apostel und Hei-
ligen
— Konstantin und Helena, als die
erste christliche Regierung und
Prototyp aller Regierungen (es gibt
allerdings auch Regierungen, fiir
die zu beten sich das Gewissen der
Priester straubt)
Priester: Spendet Segen
Diakon und Chor: Ektenia mit
der Bitte, daB der Genu& der
Gaben zum Heile gereiche
Dazu der Priester: Stillgebet
Gemeinde: Vater unser
Priester: Spendet Segen
Diakon und Chor: Fordert die
Gemeinde auf, das Haupt zu
beugen
Priester: Stillgebet des Haupt-
beugens mit abschlieBendem lau-
tem Lobpreis
Diakon: SchlieBt den Vorhang
der Schénen Pforte
Priester: Hebt das heilige Brot
(das Lamm) hoch und ladt zur
Teilnahme am Abendmahl ein
Chor: Heiligpreisung, anschlie-
Bend Kinonikon des Tages bzw.
des Tagesheiligen
Spende und Empfang der Eucharistie
»DaB unser, den Menschen
liebender Gott, diese (heiligen
Gaben) zu sich hinaufnehmen
mdge, zu seinem heiligen iiber-
himmlischen geistwesenhaften
Opferaltar als einen geistigen
Blumenduft, und daf er uns als
Gegengabe dafiir herabsende die
gOttliche Gnade und das Ge-
schenk des Geiligen Geistes,
dafiir laBt uns beten ...«
»Das Heilige den Heiligen«
»Einer ist heilig, einer ist Herr,
Jesus Christus, zur Herrlichkeit
Gottes, des Vaters. Amen«
Brechung des Lammes
Priester: Spricht Stillgebet und
bricht das Lamm (das Siegel des
Prosphorenbrotes) in vier Teile.
Legt sie auf den Diskus in den
vier Himmelsrichtungen aus
108
»Gebrochen und geteilt wird das
Lamm Gottes. Das Lamm, das
gebrochen, doch unzerteilt
bleibt, das gegessen, doch nie
aufgezehrt wird, das alle, die es
empfangen, heiligt«
Das geheimnisvolle Abendmahl
am Vorabend der Kreuzigung
Tempelgang Maria und Speisung
der Gottesmutter durch den Engel
(— Marienzyklus), als Vorbild fiir
die Eucharistie
— Heimholung Maria. Wie Chri-
stus am Sterbebett der Gottesmut-
ter anwesend ist, so soll er auch
jetzt fiir die Glaubigen gegenwartig
sein
EucharistielAbendmahl
| orteetetn g) Ubersicht II: Liturgie der Glaubigen des heiligen Johannes Chrysostomos
Liturgie ᾿
Priester: Legt die gesiegelten
Teile des Brotes in den Wein im
Kelch
Diakon: GieBt warmes Wasser
hinzu
Priester: Fordert den Diakon
auf, das Abendmahl zu nehmen,
spendet es sich selbst und dem
Diakon
Priester: Legt die restlichen ge-
siegelten Brotteile in den Kelch,
spricht dann ein Stillgebet
Diakon: Offnet die K6nigspforte
und trégt den hocherhobenen
Kelch zum Ambo, fordert die
Glaubigen zur Teilnahme am
Abendmahl auf
Priester: Spricht den Teilneh-
mern das Abendmahlsgebet vor,
das sie nachsprechen, teilt das in
Wein getrankte Brot mit dem
Léffel aus und spricht zu den
einzelnen: »Der Knecht / die
Magd ... empfangt den ehrwiir-
digen und heiligen Leib unseres
Gottes und Heilands Jesus Chri-
stus zur Vergebung seiner Stin-
den und zum ewigen Leben«
Dazu der Chor: Eucharistischer
Gesang
Priester und Diakon: Kehren
nach der Austeilung des Abend-
mahls zum Altar zurtick
Diakon: Schiittet die auf dem
Diskus zuriickgebliebenen Teil-
chen in den Kelch und betet den
Auferstehungshymnus
Diakon: Nimmt den Schwamm
und wischt sorgfaltig die auf dem
Diskus verbliebenen Brotreste
zusammen, um sie in den Kelch
zu geben
Diakon und Priester: Bringen in
einer Prozession die Gaben vom
Altar zum Riisttisch zuriick
Textinhalte/
symbolische Bedeutung
Blut und Wasser entfloB Christi
Seitenwunde. Die Warme des
Wassers weist auch auf die
Lebenskraft und die verleben-
digende Kraft des Blutes Christi -
hin, wird als Wirkung des Heili-
gen Geistes, der auf die Gaben
herabkam, angesehen
Abendmahlsgebet: »... nimm
mich auf in die Gemeinschaft
Deines geheimnisvollen Mahles,
Sohn Gottes. Nicht will ich Dei-
nen Feinden von Deinem Ge-
heimnis sagen, nicht will ich Dir
den JudaskuB geben ..., nicht
zur Verdammnis werde mir die-
ses Heilige ..., sondern zur Rei-
nigung und Heiligung meiner
Seele und meines K6rpers ...«
Der Léffel heif®t »Lawis« = Zange,
die Zange, mit der ein Engel glii-
hende Kohlen vom himmlischen
Altar ergriff, um damit die Lip-
pen des Propheten Jesaia zu rei-
nigen (Vision Jes. 6, 6)
Die Einnahme des Abendmahls
symbolisiert die Auferstehung
»Nachdem wir die Auferstehung
Christi gesehen haben, lat uns
den heiligen Herrn Jesus an-
beten, den allein siindlosen ...
O groBes Ostern, o heiliges
Ostern, Christus ...«
Dies symbolisiert die Reinigung
der Glaubigen von allen Stinden
Jeweils zugeordnete Motive
(Wandbilder und Buchmalerei)
Blut und Wasser, das der Seiten-
wunde Christi auf den Darstellun-
gen seiner > Kreuzigung entquillt
Vision des Heiligen Petrus von
Alexandrien. Dem unter Maximi-
lian 311 zum Martyrertod Verur-
teilten erscheint im Gefangnis das
Christuskind auf dem Altar (als
Abendmahlsgabe) mit zerrissenen
Kleidern: Der abtriinnige Arius hat
die Kleider zerissen und soll wegen
seiner falschen Abendmahlslehre
keinesfalls zum Abendmahl zuge-
lassen werden
Auferstehung Christi (— Ostern)
109
Eucharistie!Abendmahl
Ubersicht II: Liturgie der Glaubigen des heiligen Johannes Chrysostomos
Liturgie
Textinhalte/
symbolische Bedeutung
Jeweils zugeordnete Motive
(Wandbilder und Buchmalerei)
Diakon und Chor: Ektenia der
Darbringung
Dazu der Priester: Stillgebet der
Danksagung mit abschlieBender
lauter Lobpreisung. Er faltet da-
bei das Antiminsion zusammen
Entlassung der Glaubigen
Priester: Tritt durch die Schéne
Pforte aus dem Altarraum her-
aus in den Gemeinderaum, betet
das »Gebet hinter dem Ambo«
Diakon: Steht wahrenddessen
rechts von der Sch6énen Pforte
vor dem Bild Christi, sein Ora-
rium (— Gewander) haltend mit
gesenktem Haupt
Priester: Geht zum Riisttisch
und betet, teilt dann das Anti-
doron (— Brot) aus und segnet
die Anwesenden
Priester und Chor: Lobpreisung
Priester: Reicht den Andachti-
gen das Kreuz zum Ku8, segnet
sie mit dem Kreuz
Priester: Bitte an den Auferstan-
denen um Segen fiir den Patriar-
chen, Johannes Chrysostomos,
die Tagesheiligen
Chor: Entlassungsgesang mit
gesungenem Vaterunser
Troparion und Kontakion des
heiligen Johannes Chrysostomos
Die Schéne Pforte wird ge-
schlossen
Priester: Spricht die Entlassung
aus, legt die heiligen Gewander
ab
Diakon: Versorgt die heiligen
Gaben, betet die Entlassung
»... damit der ganze (Lebens)tag Christus und die Jiinger in Gethse-
heilig ... und stindlos sei ...«
»LaBt uns gehen in Frieden«
»Heilige, die die Pracht Dei-
nes Hauses lieben, verherrliche
Du sie mit Deiner géttlichen
Kraft ...«
Gebet am Riisttisch: »Der Du
selbst die Erfiillung des Gesetzes
und der Propheten bist, Chri-
stus, unser Gott, der Du den
ganzen Ratschlu8 des Vaters er-
fiillt hast, erfiille mit Freude und
Fréhlichkeit unsre Herzen alle-
zeit, jetzt und immerdar und in
alle Ewigkeit«
Troparien des Chrysostomos:
»Die einem Flammenzeichen
gleich strahlende Anmut Deines
Mundes hat den Erdkreis er-
leuchtet ... Vater Johannes
Chrysostomos, bitte das Wort,
Christus, unsern Gott, da8 unsre
Seelen gerettet werden«
»Nun entlagt Du Deinen
- Knecht, o Herr, nach Deinen
Worten in Frieden, denn meine
Augen haben Dein Heil gese-
hen ...« (Luk. 2, 29-32)
mane (— Passionszyklus), Gemeint
ist die Aufforderung (Matth.
26, 40) zu wachen (siindlos zu
leben)
— Verklarung Christi: Die Teil-
nahme am Abendmahl ist ein Vor-
geschmack der Vergéttlichung der
Welt, so wie die Verklarung ein
Vorgeschmack der Vergéttlichung
Christi ist
— Kreuzigung, als Erfiillung des
géttlichen Heilswirkens (das Anti-
doron — nicht konsekrierte Teile
des Abendmahlsbrotes — ist eine
Segensgabe, die an das altchrist-
liche, im Anschlu8 an die Euchari-
stie gefeierte, Liebesmah! erinnert)
Darstellung des + Johannes Chry-
sostomos hinter dem Altar im
Apsisrund (er gilt als Schépfer der
nach ihm benannten Liturgie)
Ikone des Tagesheiligen
—> Darstellung Christi im Tempel
(Luk. 2)
110
Eucharistie/Abendmahl
Historische Entwicklung eucharistischer Beigesetzten), spaiter das Abend-
Motive mahl (Mosaik, San Vitale, Ravenna,
Mitte 6. Jh.) ab 4.1}.
wx Opfer Abels
—> Adam und Eva, (Sant’Apollinare
in Classe, Ravenna, 520/525) _ 80 6.1}.
τς Unblutiges Opfer durch den Priester
Melchisedek (1 Mose 14, 18-20)
(Santa Maria Maggiore, Rom, 440;
San Vitale, Ravenna) ab Mitte 5.Jh.
te Mannalese: Gott versorgt das
Volk Israel in der Wiiste mit 2. Halfte 4.1}.
»Himmels-Tau« (2 Mose 16) (selten)
ve Das Gastmahl Abrahams: Anfang 4. Jh.
Abraham bewirtet den in Gestalt
dreier Engel erscheinenden
dreieinigen Gott.
Alle Motive werden detail-
reicher ausgemalt, auch in mittel-
und spat- byz. Zeit dargestellt.
Das in den Evangelien beschriebene letzte
Abendmahl Christi (Matth. 26. 17-30, Mark.
meee ΤΕΣ : 14, 12-26, Luk. 22, 7-23, Joh. 13, 21-30) wird
Rechte Seite einer zweiteiligen Apostelkommunion: erst in nachkonstantinischer Zeit dargestellt:
Christus reicht Paulus den Kelch zu. Kloster Studenica, Die Jiinger umgeben einen runden Tisch. Bei
Serbien, 14.Jh. den altesten Bildern liegen sie noch nach anti-
ker Sitte aufgestiitzt zu Tische. Christus nimmt
τ Die frithe Sepulkralkunst (Katakomben- die linke Seite ein. Spater sitzt er in der Mitte
fresken und Sarkophagreliefs des 2.-6.Jh.s) der halbkreis- oder kreisf6rmigen Tischplatte,
weist durch vorbildhafte Ereignisse, zeichen- die Jiinger um ihn. Johannes neigt sich ihm
haft verkiirzt, auf das Abendmahlsgeschehen freundschaftlich zu. Auf dem. Tisch roter
hin. Die Themen werden dem AT, haufiger. Wein, das Abendmahlslamm, gelegentlich er-
noch dem NT entnommen. setzt durch den —» Fisch als Symbol Christi
NT (Kappadokien, frith- und mittelbyz.).
tx Speisung der 5000 aus fiinf Broten
und zwei Fischen: Christus, mit
einem oder zwischen zwei Aposteln,
segnet Brotund Fische — ab 2. Jh.
(—> Wunderspeisungen)
x Hochzeit zu Kanaan: Christus
beriihrt mit einem Zauberstab
1-7 Kriige, um das Wasser darin
in Wein zu verwandeln ab 2.Jh.
(— Wunderspeisungen)
Beide Themen werden in mittel-
byz. Zeit szenisch immer reich-
haltiger ausgebaut.
AT
τς Opfer Isaaks: Symbolisierte auf Vierpunktekreuz als Symbol Christi in seiner Er-
zunachst die Rettung Isaaks Sarkophagen scheinung als eucharistisches Brot. Barbara Kilise,
(als Vorbild fiir die Rettung des ab 2. Sh. Géreme, Kappadokien, 9. sh.
111
Eucharistie/Abendmahl
Die Bilderstiirmer (726-842) sahen die Abend-
mahlselemente als einzig legitimes Abbild
Christi an und stellten sie auch an wichtigen
Stellen in ihren Kirchen zentral, vor allem in
der Kuppel und in der Apsis, dar (— bilder-
feindliche Ornamente).
Auf mittelbyzantinischen Bildern des letzten
Abendmahls wird Judas — ohne Nimbus, oft
haBlich und als einziger in Vollprofil — heraus-
gehoben. Laut Liturgie greift er recht gierig
nach den Speisen.
Der Legende nach hat er etwas vom heiligen
Abendmahl versteckt und den Feinden Christi
gezeigt. Gebéude im Hintergrund deuten den
Innenraum an, ein Leuchter mit Flamme die
Nachtzeit. (Ubrigens: Die frithesten Belege
fiir das Vorkommen der Speisegabel finden
sich auf Abendmahlsbildern Kappadokiens
(Elmali und Carikli Kilise, G6éreme, 12./
13. Jh. (?)).
Das dem Griindonnerstag zugeordnete Motiv
erscheint als Wandbild im Rahmen des —> Pas-
sionszyklus, als Ikone in ausgebauten Festtags-
Bildreihen der Ikonostase und als selbstandige
Abbildung iiber der Schénen Pforte (in neue-
rer Zeit als Abklatsch des Abendmahls von
Leonardo).
Ab 1000 kommt mit dem wachsenden Interes-
se an liturgischen Inhalten die Apostelkommu-
nion in der Form des Wandbildes auf (Kiew,
Sophienkathedrale, ca. 1046). Auf Disken fiir
das Brot und in der Miniaturmalerei erscheint
das Motiv bereits vom 6. Jh. an: entweder teilt
Christus an einem Altar, tiberw6lbt von einem
~» Ciborium, mit der Rechten das Brot, mit
der Linken den Wein aus, oder er reicht in
zweifacher Gestalt, mitunter an zwei Ciborien-
altéren, zu seiner Rechten sechs Apostel, an-
gefiihrt von Petrus, das Brot, zu seiner Linken
den sechs anderen, mit Paulus an der Spitze,
den Wein.
Das Motiv findet sich gewohnlich in einer Zo-
ne unterhalb einer Muttergottesdarstellung
(Symbol des Abendniahlsléffels) in der Haupt-
apsisw6lbung (Ochrid, Periwleptos-Kirche,
1295; Ajios Nikolaos Fountoukli, Moni Thari
und Kimesis Kattawid Rhodos). Das Abend-
mahl-Bild besetzt ab 13. Jh. auch die Wélbung
selbst, die Gottesmutter in deren Scheitel
drangend.
112
ἘΣ ΕΣ ΟΝ κε ει F SERGE eats
Das Christuskind als Abendmahlsgabe auf dem
Diskos. Prothesisnische in der Kirche von Sopoéani,
Serbien
Die Liturgie der Kirchenvater — sie zelebrieren
die Eucharistie, unterstiitzt von Engeln, Rhi-
pidien schwenkend — entstand aus dem Bild
der Kirchenvater, die in der untersten Zone
der Hauptapsis der Reihe nach den Altar um-
stehen.
Ab 11.Jh. wird ein gemalter Altar (Bulgarien
Poljana) zwischen die Vater gesetzt. Verbrei-
tet ist die Kirchenvater-Liturgie im balkansla-
wischen Raum, mitunter verkiirzt zu einer
Szene in der Prothesisnische der Nordapsi-
diole: Zwischen den beiden Liturgieschépfern
— Johannes Chrysostomos und — Basilios
liegt Christus als Kleinkind auf dem eucharisti-
schen Teller (Jugoslawien, Sopoéani, nach ~
1250).
Spatbyzantinisch ist die himmlische Liturgie
(ab 14.Jh. Buchmalerei ab 12. Jh.): der groBe
Einzug mit den Gaben als die von Engeln zele-
brierte Bischofsliturgie.
Das Thema entfaltet sich in fast allen gréBeren
‘Apostelkommunion: links Petrus, dem das Brot gereicht wird, rechts Paulus mit Wein.
Kimesis tis Theotékou, Kattawia, Rhodos
Kirchen im Kuppelrund um den — Panto-
krator.
Nach der Befreiung Konstantinopels von den
Lateinern neigt die byz. Kunst dazu, geistige
Wirklichkeiten starker zu betonen — die un-
sichtbare Wirklichkeit des Opfers vor dem
tiberhimmlischen Altar Gottes, die sich gleich-
zeitig mit der sichtbaren Wirklichkeit des litur-
gischen Geschehens vor dem Altar in der Kir-
che vollzieht und im Cherubimhymnus geschil-
dert ist, wird im Bilde herausgehoben. Engel
tragen die heiligen Gaben zum Altar, hinter
dem Cliristus steht. (Athos, Chilandariou,
17.Jh.; Ajios Nikolaos Anapawsas, Anfang
16.Jh.). Der als Priester amtierende Christus
trigt auf spét- und postbyz. Darstellungen
haufig ein Bischofsgewand.
In Ausnahmefallen fiillt das letzte Abendmahl
auch die Apsiswélbung (Athos Stawronikita,
um 1546).
Eule
HKOYKOYBATIA
I Koukouwajia
Der Nachtvogel ist, wie schon bei den Agyp-
tern und Juden, ein Ungliicksbote und Todes-
ankiinder. Er hangt eng mit > Totenbraéuchen
zusammen. Sein Bild schiitzt vor dem — Bo-
sen Blick.
Die Eule in Antike und Frithchristentum
In der Antike gilt die Eule, Attribut der »eu-
lenaiugigen« Athene, als Sinnbild der Weis-
heit. Mit ihren Blicken durchdringt sie die
Dunkelheit. Basilios vergleicht den heidni-
schen Gottervogel mit den heidnischen Wis-
senschaftlern, die sich um miiBige Weltweis-
heit bemiihen, ohne die wahre christl. Er-
kenntnis zu finden. Der Physiologos (vor 200)
sieht die Eule gerade wegen ihrer Unreinheit
113
Evangelisten und ihre Symbole
als Bild Christi, denn »er hat sich selbst ernied-
rigt, damit er uns alle rette und wir erhdht
wiirden.«
Andererseits war die Eule schon im alten Kre-
ta ein Unterweltsdamon. Altgriech. und rémi-
scher Volksglaube sieht in ihr, ebenso wie der,
der Agypter und Inder, eine Todesankiinderin
und eine Unheilsbotin.
Neugriechischer Volksglaube —
Totenvogel und Amulett
Gelaufige Beinamen fiir das Kauzchen sind
»Totenvogel« (Chropoiili, Thanatopouli), He-
xenvogel (Stringopouli), Unglticksvogel (Ka-
kopouli). Ein Eulenvogel nachts auf dem
Dach bedeutet, da8 im Hause jemand sterben
muB8. So lautet ein frommer Wunsch auf Ke-
phalonia: »Mégen die Kauzchen auf deinem
Haus kreischen!« Um drohendes Unheil abzu-
wehren, rufen die Frauen der Insel beim An-
blick eines Eulenvogels dreimal beschwichti-
gend: Ξ ἢ
»Der gute Vogel (Kalopouli, anstatt Kakopouli) er-
scheint und bringt uns gute Nachrichten. Nimm we-
der Asche von meiner Ecke noch Dreck von meiner
Nachbarschaft.«
Dort gelten eine gerade —> Zahl von Eulenru-
fen als Unheilszeichen, eine ungerade als
gliickbringend. Wer einen Eulenvogel um-
bringt, ist selbst des Todes.
Wegen ihrer eindrucksvollen grofen runden
Augen wird Eulen auch unterstellt, daB sie ei-
nen mit dem — Bésen Blick verhexen kénnen
(Waskania).
Weil man sich gegen Bésen Blick und Unheil
am besten mit dem schiitzt, was das Unheil
bringt, waren in Griechenland von altersher
Eulenamulette im Gebrauch.
Evangelisten und ihre Symbole
OI EYATTEAICTEC
I Evangelistes
Verfasser der vier kanonischen, im NT enthal-
tenen Evangelien (gute Botschaften, Schilde-
rungen des Lebens Jesu).
Matthaus, Markus, Lukas und Johannes
Als Verfasser der vier in griech. Sprache auf-
gezeichneten Evangelien gelten:
114
vr Matthdus (16.November). Zéliner, einer
der zw6lf —> Apostel, identisch mit Lewi
(Matth. 9, 9). Nach der Legende missionierte
er erst in Palistina, spaiter am Pontus, in Per-
sien, auch in Athiopien (starb nach einer kop-
tischen Uberlieferung den Martyrertod). ᾿ς
vy Markus (25. April). Begleiter des Paulus
(1. Reise). Passagen seines Evangeliums sollen
auf Mitteilungen des Petrus beruhen, als des-
sen Dolmetscher er gilt. Nach venezianischen
Legenden sei sein Schiff wahrend eines Stur-
mes in die Lagune, an der Stelle des dort spa-
ter entstandenen Venedig, verschlagen wor-
den, er habe dort eine Engelsvision gehabt, sei
weitergereist nach Alexandrien, habe dort die
Bischofstradition begriindet und sei anno 62
als Martyrer gestorben.
828 tiberfiihrten die Venezianer seine Gebeine in
_die Lagunenstadt. Seither ist der gefliigelte Lowe
mit Heiligenschein, die Vorderpranke auf einem
Buch aufgestiitzt mit der Inschrift: »Pax tibi, Marce
_ Evangelista meal« das Hoheitszeichen der Stadt.
Der Schatz des Markusdomes enthalt eine reiche
Sammlung an byz. Kunstschatzen, von Kreuzrittern ἡ
und Venezianern bei der Pliinderung Konstantino-
pels geraubt.
ve Lukas (18.Oktober). Arzt und Reisebe-
gleiter des Paulus. VerfaBte auch die Apostel-
geschichte. Wegen seiner farbigen Schilderun-
gen des Weihnachtsgeschehens wird er als der
erste Portratist der Muttergottes angesehen
(— Ikonenwunder) und als Maler mit der Staf-
felei dargestelit. Soll in hohem Alter in Grie-
chenland gestorben sein.
yy Johannes der Evangelist (6.September),
einer der Zw6lf, wie sein Bruder Jakobus Fi-
scher. Das NT stellt die beiden zusammen mit
Petrus als Christi Lieblingsjiinger heraus (>
Kreuzigung). Jesus hat ihm am Kreuz seine
Mutter anvertraut, der Legende nach ist er zu-
sammen mit ihr nach Ephesus tibergesiedelt.
Dem Verfasser dreier Briefe des NT wird zu
Unrecht die Urheberschaft an der -> Apoka-
lypse angelastet.
Nach Patmos verbannt, soll er sie in einer Héhle
seinem Schiiler Prochoros diktiert haben (Fresken
in den Kirchen von Patmos schildern verschiedene
Wundertaten des Johannes). Bisweilen wird sein
Tod im hohen Alter nach dem Vorbilde der >
Heimholung Maria angelegt. Von der Kirche nicht
tibernommene Uberlieferungen enthalten die apo-
Evangelisten und ihre Symbole
kryphen Johannesakten: Der Evangelist nennt ein
heimlich von ihm angefertigtes Bild wertlos, tiberre-
det in einer Herberge eine Wanzenschar, ihn und
seine Mitreisenden fiir eine Nacht in Ruhe zu las-
sen, legt sich zum Sterben in seinem ausgehobenen
Grab nieder.
Die vier Beine des Altars reprasentieren in der
Orthodoxie die zu den Aposteln gerechneten
Evangelisten.
Die Ursprungsformen der Evangelisten-
symbole und die vier Himmelsrichtungen
In friihchristl. Zeit werden ihnen vier Fligel-
wesen aus der — Hesekiel-Vision zugeordnet.
Jahwe, menschendahnlich gestaltet, sitzt ZWwi-
schen‘und tiber vierfliigeligen Tieren, ausge-
stattet mit je einem Menschen, einem Léwen-,
einem Stier- und einem Adlergesicht. Diese
Reprasentanten der vier Himmelsrichtungen
treten an anderen Stellen in kanonischen und
apokryphen Schriften zum AT als die vier
Winde oder die vier Angesichtsengel (~ En-
gel) auf. Aufgegriffen wird das Bild von
Offbg. Joh. 4, 1-9: Hiner, der auf einem Stuhl
im Regenbogen sitzt, ist umgeben von vier au-
geniiberséten Tieren mit sechs Fligeln, die
den Evangelistensymbolen bereits ziemlich
ahniich sind.
»Denn man kann nicht zugestehen, daB es mehr
oder weniger als vier Evangelien gibt. Da es aber
vier Gegenden der Welt, in der wir leben, gibt und
vier Winde der vier Himmelsgegenden, da anderer- °
seits die Kirche iiber die ganze Erde ausgebreitet
und das Evangelium und der Geist des Lebens die
Saule und der Grund der Kirche sind, ist es folge-
richtig, daB diese Kirche vier tragende Sadulen hat«
(Irenaeus, um 180/189).
Die Anschauung, da die Welt von vier Enden
eingegrenzt werde, war es, die dazu fiihrte,
da® vier Evangelien kanonisch festgelegt wur-
den und da die Evangelisten mit den Fliigel-
wesen der vier Richtungen verschmolzen:
tv Die Evangelisten wurden als die vier Mis-
sionare, die das Evangelium zu den vier Enden
der Welt tragen, verstanden.
te Origines (2.Jh.) kniipft in seinem Kom-
mentar zum Johannesevangelium an die Vor-
stellung an, daB die Welt auf vier Sdulen ruhe
(— Ciborium):
»Ich glaube, daB, so wie die vier Evangelien die
Grundlagen des Glaubens der Kirche sind, und da
wie auf dieser Grundlage das in Christus und Gott
befriedete Weltall ruht ... so auch das johanndische
Evangelium die Grundlage der anderen Evangelien
ist.«
vr Die schon sehr friih abgebildeten vier Flts-
se (— Berg) unter einem Hiigel weisen nicht
nur auf das Paradies hin, sondern werden auch
als die Evangelien gedeutet. Zugleich sind die
Paradiesesfliisse aber auch die die vier Seiten
der Welt begrenzenden Gewéasser.
»Deine lebensspendende Seite, Christe, die auf-
sprudelt als Quelle aus Eden, trinkt Deine Kirche,
die da ist das geistige Paradies, und die sich dort teilt
als wie im Anfang in vier Evangelien, die den Kos-
mos bewassern, die Schdpfulhg erfreuen und die
Volker getreulich unterweisen, Dein K6nigtum
kniefillig zu verehren.« Akolouthia der Leiden des
Herrn vom »Roten Donnerstag«
Ubersicht: Evangelistensymbole als Sinnbild Christi
Evangelist Symbol Altchristliche Deutung Deutung nach Hieronymus (gest. 420)
Matthdus Mensch Christus ist Mensch Das Matthausevangelium beginnt mit der Mensch- .
geworden werdung Christi
Markus Lowe Ist wie ein Lowe Das Markusevangelium beginnt mit Johannes in der
auferstanden Wiiste, wo die Lowen hausen
Lukas Stier Wurde wie ein Stier Das Lukasevangelium beginnt mit dem Opferdienst
geschlachtet des Priesters Zacharias
Johannes Adler Ist wie ein —> Adler Johannes hat mit der Niederschrift seines Evange-
zum Himmel gefahren
liums einen adlergleichen Héhenflug vollzogen
115
Evangelisten und ihre Symbole
Evangelistendarstellungen
Evangelist auf einem Eckzwickel (Pendentif) unter
dem Kuppelrund.
Die byz. Kunst stellt, im Gegensatz zur friih-
christl., die Evangelisten als Personen und
nicht mehr als Symboltiere dar. Das Trullan-
um (691/92) hat am Beispiel der Darstellung
des —> Lammes kategorisch gefordert, die hei-
ligen Gestalten selbst und nicht ihre Symbole
abzubilden. :
So verschwinden die Symbole aus der byz.
Kunst, tauchen erst wieder unter abendlandi-
schem Einfluf8 in postbyz. Zeit auf.
In Ajios Nikélaos Fountoukli (Rhodos, ver-
mutlich 14. Jh.) sind Stier- und Menschenfigur
als Schnitzerei in die Lesepultstander von Mat-
thdus und Lukas eingefiigt.
116
Standardplatze der Evangelisten sind vom
9.Jh. an in Vierstiitzen-Kreuzkuppelkirchen
die vier Eckzwickel, auf denen die Kuppel mit
dem Pantokrator ruht.
Sie sitzen mit einem Buch oder einer Schrift-
rolle vor einem Schreibpult, mit Schreibzeug,
Leuchter und Lichtputzschere (Elmali, Karan-
lik und Carikli Kilise, Géreme, mittelbyz.).
Matthdaus ist alt, mit weiBem vollem Haar und
Bart, Markus jung, mit braunem Haar und ge-
stutztem Bart, Lukas braunhaarig, mit tonsur-
ahnlicher Stirnglatze und Backenbart (in spat-
byz. Zeit mit Staffelei und Marienikone). Der
weiBhaarige, langbartige Johannes hat oft sei-
nen jugendlichen Schreiber Prochoros bei sich.
Unter dem Namen des Prochoros, einem der
sieben von der Urgemeinde gewdahlten »So-
zialarbeiter« (Apg. 6. 5), wurde Anfang des
5.Jh.s ein Johannesroman verfaBt, der als
Quelle die apokryphen Johannesakten nutzte.
Zu der Zeit entstand die Uberlieferung von
Prochoros als Sekretar des Evangelisten. Auf
den abgebildeten Biichern sind meist die An-
fangsworte der Evangelien zu erkennen.
Evangelisten-Medaillons aus Goldemail finden sich
regelm4Big auf Staurotheken (Reliquienbehdlter ftir
Splitter des heiligen Kreuzes) und auf Evangelien-
biichern (viele davon im Schatz von San Marco).
Um ein Kreuz gruppiert, versinnbildlichen die
Evangelistenbilder die vier Paradiesesstréme, die
vom wahren -- Lebensbaum des Kreuzes ausgehen
als die vier Enden der Welt.
Historische Entwicklung des
Evangelistenmotivs
In einem Fliesenornament (Santa Constanza,
Rom, Anfang 4.Jh.) erscheinen die Evangeli-
sten als vier Lammer, was der Symbolisierung
der zw6lf Apostel (Sant’ Apollinare in Classe,
Ravenna, Mitte 6.Jh.) bzw. die des —> Petrus
und Paulus (Sarkophag, Ravenna, 5.Jh.) ent-
spricht. Die friihestbekannten Darstellungen
als Fliigelwesen stammen von 340 (Markus
und Marcellinus-Katakombe, Rom). Im 5.1}.
tragen sie den Nimbuskranz des — Himmel-
fahrtschristus (Rom, Santa Sabina, 430) oder
sie umschweben in Wolken, wie die vier kos-
mischen Winde, das Gemmenkreuz tiber dem
von den Apostelin in Menschengestalt flankier-
ten Christus (Santa Pudenziana, Rom, Ende
4. Jh.).
Farben
Fliigellos sind Stier und Lowe in der Apsis von
Osios David (Thessaloniki, Ende 5.Jh.) sowie
in San Vitale (Ravenna, Mitte 6.Jh.). Dort sit-
zen die Evangelisten, nach oben blickend, mit
ihren Biichern in der Hand in der Landschaft,
iiber ihnen ihre realistisch gehaltenen Sym-
bole.
Der sog. »Stuhl des heiligen Markus« (Schatz San
Marco), urspriinglich ein Kreuzreliquiar aus Alex-
andrien (6.Jh.), kombiniert ebenfalls Reliefbildnis-
se der Evangelisten mit den Symbolen, ausgebildet
als Sternbilder.
Vom ausgehenden 7. Jh. an werden die symbo-
lischen Fliigelwesen in Byzanz von den sich auf
ihre Werke konzentrierenden Evangelisten
vor dem Schreibpult verdrangt.
Engel tibernehmen jetzt ihre Platze rund um
die Regenbogennimben der Himmelfahrt bzw.
der Majestas Domini; die Evangelisten jedoch
besetzen in mittel- und spétbyz. Zeit die kup-
peltragenden Eckzwickel. Durch die Zuord-
nung der Evangelisten zu entsprechenden
funktionellen Partien der Kirchenarchitektur
wird das gleiche ausgedriickt, wie durch das
friihchristl. Motiv der Symbole, die Christus
tragen.
Die Evangelistensymbole umschweben post-
byz. Darstellungen von Christus als Erzprie-
ster, als Fresken auf den Steinbilderwanden
der Mani (Peloponnes).
Farben
TA XPQMATA
Ta chrémata
Die byz. Kultur ist farbenfreudig. Bestimmten
Motiven werden festgelegte Farben zugeord-
net (s. Kasten). Zwischen dem 4. und dem
15.Jh. ergeben sich erhebliche Anderungen in
der Farbcharakteristik, die besonders den in
der byz. Kunst bedeutungsvollen Hintergrund
betreffen.
Antike Plastizitat — byzantinische Farbigkeit
Antiker Gétterglaube driickt sich aus in pral-
ler K6rperlichkeit, dstliches spirituelles Chri-
stentum in leuchtenden Farben. Mit dem Reli-
gionsumschwung Anfang des 4. Jh.s verflachte
die monumentale Bildhauerei in Stein zum
Relief, auch wurden die Figuren kleiner und
verloren ihre hellenistisch-spatantike Bewegt-
heit. Dafiir leuchteten an Gew6lben und Wan-
den sakraler Raiume Mosaiken aus farbfrohen
Glaswiirfeln auf. Zuvor hat es nur Fu8boden-
mosaiken gegeben — aus Natursteinen, weil
᾿ Hellenismus und Kaiserzeit die Geddmpftheit
heller gebrochener Farben bevorzugte.
Auch fiir die Architektur wurden vom 4. Jh. an
buntere Steinsorten verwendet, z.B. der rotli-
che, den kaiserlichen Purpurfarben entspre-
chende Porphyr fiir die Palaste und Sarkopha-
ge der Herrscher. Farbenfreudiger wurden
auch die Kleidermoden (was zu Protesten der
Kirchenvater gegen den Luxus der farbigen
Stoffe fiihrte!).
Der allma&hliche Riickzug des k6rperlich plastischen
Bildwerks in die Flache und das Herausstrahlen von
Licht und Farbe aus zweidimensionalen Schépfun-
gen signalisiert einen Wandel der Geistigkeit.
Zuvor hatte der Mensch in seinen eigenen
idealen Eigenschaften das Wirken der Gétter
verspiirt. Ihnen hatte man dann das eigene
Ideal schéner K6rperlichkeit als Behaltnis ed-
ler Gesinnung ausgeformt in Stein und Bronze
dargebracht — das Gottliche fiir die Gétter.
Die christlich-neuplatonische Gottheit hingegen ist
das Licht, dessen Strahlen, dadurch daf sie ins Fin-
stere dringen und sich abschwachen, alles was exi-
stiert, erschaffen. Das eigene Selbst ist noch ein
schwacher Abglanz dieses Lichts. Das Ziel des ma-
lerischen und des damit untrennbar verbundenen
architektonischen Abbildens ist es jetzt, das gdétt-
liche Licht selbst bildlich zu verwirklichen, nicht zu-
letzt auch die Strahlenstufen, die noch naher der
Gottheit sind, und daher auch noch starker leuchten
als das eigene Selbst. Eindrucksvoll gelungen ist das
in den beiden ravennatischen Baptisterien, im
Grabmal der Galla Placidia und in der Ajia Sophia
in Konstantinopel.
Der Glaubige weif sich eingebunden in die himmli-
sche und kirchliche Hierarchie. Da diese innere .
Einstellung auch eine wesentlich nach innen ge-
wandte ist, driickt sich besonders darin aus, daB
auch jetzt Architektur vor allem eine Kunst des In-
nenraumes ist — und da das greifbar FaBliche zu-
riicktritt hinter den sich im Flirren der Mosaiksteine
auflésenden Erscheinungen, die wie Visionen in den
Augen aufstrahlen. ;
Hier bereitet sich schon das gewaltige Thema der
mittel- und spatbyz. Mystik vor — die »Theoria«, die
mystische Schau Gottes.
117
Farben
Festgelegte und frei gewahite Farben
vv Zwischen Frihchristentum und Nachby-
zantinik unterliegt das Kolorit einem beachtli-
chen Wandel.
Christus: Seine Tunika ist zundchst purpurfarben
(blauliches Rot bis rétliches Violett — nicht immer
von Rot zu unterscheiden). In San Vitale (6.Jh.)
entspricht das hoheitsvolle Blau-Purpur seines Ge-
wandes den Farben der Kaisertracht Justinians und
Theodoras.
Der mittelbyz. Himmelfahrts-Christus und vor al-
lem der — Pantokrator tragt ein goldschraffiertes
(= Licht) Untergewand und einen blauen (= Him-
mel) Uberwurf. Doch wird Gold auch durch Licht-
wei} ersetzt, in Fresken, durch gelblich-braunliche
Tone. Der Christus der — Verklarung ist wei8 ge-
wandet, der auf Erden wandelnde purpurfarben
oder wei, jeweils mit blauem Uberwurf. Der Auf-
erstehungs-Christus kann goldfarben sein, weiB
oder rot. Der Christus Immanouil auf dem Arm der
Gottesmutter ist in der Regel goldschraffiert.
Gottesmutter: Zundchst purpurfarben gekleidet,
trigt sie spater — in mittelbyz. Zeit — ein blanes Un-
tergewand und ein ins Violette spielendes purpurnes
Ubergewand. Sie kann aber auch blau gekleidet
sein, ihr blauer Uberwurf zusdtzlich gold schraffiert
(Apsis Sophienkathedrale, Kiev). In spatbyz. Zeit
ist ihre Manteltunika rot, so wie die ihrer Mutter
Anna. Nachbyz.-griech. Ikonen stellen sie dar mit
blaurotem oder auch weiSem Uberwurf.
vr Die Freiheit in der Wahl der Farbe ist den-
noch iiberraschend gro8. Liturgische Farben
hat die griech. Kirche nie festgelegt, bei den
Priestergewandern gibt es lediglich unverbind-
liche Tendenzen:
v% Von Ostern bis Himmelfahrt soll die Gewan-
dung wei8 oder hell sein, auch bei Bestattungen.
vv Wahrend des groRen vorésterlichen Fastens wer-
den dunkle Téne bevorzugt, meist blau oder violett,
auch rot, als Hinweis auf Christi Blut.
x Am Karfreitag und bei Bestattungen wird
schwarz gewiahit.
vr Die priesterlichen Untergewander sollen hell
sein (> Gewdnder).
Beispiele fir ungewdhnliches Kolorit von
Fresken:
ἧς Barbara Kilise So’anli (Kappadokien)
1006/21: Leuchtend rote Lichtmandorla des
Auferstehenden wirkt stark expressiv; ge-
wOhnlich wird sie wei8 oder goldfarben ge-
halten.
vv Shakli Kilise, Géreme, 11.Jh.: Nur oran-
gefarbene braune (Gewdnder, Lippenrot,
118
Holz) und griine Tone (Gesichter, Gewandde-
tails, Laub) sind — unterschiedlich stark mit
Wei aufgehellt — auf den hellen Felsenunter-
grund aufgetragen; von aparter Wirkung.
Weifs und Gold als Farbe des Lichtes
Farbflachen im Hintergrund bedeuten himm-
lisches Licht oder Himmel. Im frithen 4.Jh.
dient Lichtwei8 - 415. Hintergrundfarbe (Mo-
saik, Santa Constanza, Rom) — noch in An-
kniipfung an die Naturfarbe der steinernen
Mosaikfu8béden.
Im 5. Jh. herrscht dunkelblaues, nachtiges Mo-
saik vor, aus dem goldene Kreuze und Christo-
gramme sonnenhaft herausleuchten (Galla
Placidia, Baptisterium der Orthodoxen, Ra-
venna ).
Vom 6. Jh. setzt sich Goldmosaik als Himmels-
licht-Hintergrund durch.
Daneben hielt sich blauer Untergrund (Ajios
Dimitrios, Thessaloniki, Mitte 7.Jh.), beson-
ders in einfacheren landlichen Bauwerken mit
Freskomalerei.
Aus mittelbyz. Zeit stammen die groBen Gold-
mosaikkirchen Konstantinopels und Griechen-
lands, aber auch die bescheideneren ménchi-
schen Héhlenkirchen Kappadokiens mit dun-
kelblauem Untergrund. In kleineren Kirchen
setzte man die Figuren einfach auf den unver-
putzten Grund — Steinfarbe als Lichtwei des
Hintergrundes.
Fiir die Anlage von Lichtmandorlen hat man
in Kappadokien haufig Wei anstelle des kost-
spieligen Goldes benutzt. Im verarmten βρᾶϊ-
byz. Reich wurde Goldmosaik (Chora-Kirche,
Konstantinopel, 1315-1321) zur Raritat, in
Einzelfallen ersetzt durch goldgelbe Fresko-
malerei (Sopocani, Serbien, Mitte 13.Jh.).
Blau wird zur Regel-Hintergrundfarbe — was
kaum auffallt, weil Figur und Landschaft, im-
mer detailreicher ausgefiihrt, den Hintergrund
bis nahe an den oberen Rand der Bildflache
zurtickdraéngen (Mistras). In der spat- und
postbyz. Kunst beschrankt sich das Gold auf
kleine Flachen, etwa auf einzelne Heiligen-
scheine in der Wandmalerei, auf tragbare Iko-
nen und auf die > Ikonostase. Naive griechi-
sche Ikonen (19. und 20.Jh.) fiillen den Hin-
tergrund mit Landschaft, halten den Himmel
blau oder ahmen den Goldton mit Hilfe von
Helibraun nach.
Farben
[ Ubersicht: Friihchristlich-byzantinische Farbpalette
Farbe Positive Bedeutung Negative Bedeutung
Gold Gdttliches Licht, Sonne Luxus
Silber Mond (griinliches Silber, ersetzt durch Blaugriin) -
Weil Licht (wie Gold), Leichentiicher,
verklarter Christus (Theophanien), Trauerfarbe fiir Verwandte
Nimben, : 1. Grades des Kaisers
Reinheit (Braut), (nach orientalischem
Selige, Vorbild)
Heilige (friihchristlich),
Priestergewander der Kirchenvater,
Paradies
Schwarz Selbsterniedrigung (Humilitas) Finsternis,
BuBe, Trauer,
Abtétung des Fleisches, Ungliick,
Weltferne, Entriicktheit (schwarze Madonna) Damonen,
Tod,
Aufenthaltsort der Toten,
Satan und seine Engel,
Ort der Strafe
Grau Asketengewander, -
verstorbene Asketen
Purpur Macht, Gerechtigkeit, Herrschaftsfarbe, fiir Christus und Martyrerblut, Martyrium,
(teilsmehr den Kaiser (zeitweise durfte nur der Kaiser Purpur tragen, Spottgewand Christi
rétlich, Porphyr war ihm vorbehalten), Farbe Marias und ihrer (vor der Kreuzigung)
teils mehr Prafigurationen, eucharistische Farbe von Altartiichern,
violett) dem Tuch der Bundeslade, von Baldachinen
Violett Bekennertum Luxus, Hetéren
Blau Himmel, Himmelssehnsucht, Ewigkeit, Wasser -
Griin Erde, Pflanzenschmuck im Paradies, Hoffnung auf das -
Paradies (griines Lebensbaumkreuz), Auferstehung (der
Natur im Friihling, und des Menschen), Erdverbundenheit
(Johannes der Taufer, Propheten), Tinte des unmtindigen
Kaisers oder des Kaiser-Stellvertreters
Gelb Licht (Ersatz fiir Gold), Heiligenscheine auf Fresken Farbe der BuBe
(schmutziges Gelb), Tod,
Irrglaube, Heuchelei und
Neid (gelbgriin)
Orange Erde, Licht (Ersatz fiir Gold) -
Rot Herrschaftsfarbe (als Ersatz fiir Purpur), Heilige, Martyrer, Blut, Siinde (Gewandung
Liebe (Brautigam), antikonische Ornamente (Bilderstreit), Evas bei der Auferstehung),
Tinte des Kaisers, irdische Lebendigkeit (Gewandung Feuerstrom der Hille,
Annas) Gewalt, Putzsucht, Eitelkeit
Braun Erde, Demut, Bescheidenheit, Niedrigkeit, Eremitentum, -
Asketentum, Erdverbundenheit (Johannes der Taufer)
Viel- Géttliche Vollkommenheit (symbolisiert etwa durch viel- -
farbigkeit farbige Edelsteine auf Evangeliaren und Reliquiaren),
Regenbogen als Triumphzeichen (Nimbus), AuBenmauer
des himmlischen Jerusalem (Apokalypse 21)
119
Festtagskalender
Festtagskalender
TO AQAEKAOPOON
To dodekaérthon
Die »Zwolferordnung« umfaBt die zwdlf
Hochfeste des Kirchenjahres und als 13. das
Osterfest, das so hoch iiber den andern steht
wie Christus tiber den zw6lf Aposteln (-5 Zahl
13).
Unbewegliche und bewegliche Hauptfeste
τς Unbewegliche Hoch-Feste (vier Marien-,
fiinf Christusfeste);
ve — Geburt der Gottesmutter, mariologisch.
8. September
vy — Kreuzerhéhung, christologisch-kosmologisch,
14, September
yr —» Tempelgang Marid, mariologisch, 21.No-
vember
ve — Geburt Christi, christologisch. 25. Dezember
ve — Taufe Christi im Jordan (Theophania = Got-
tesoffenbarung), christologisch, 6. Januar
vr —» Darstellung im Tempel, christologisch, 2.Fe-
bruar
vr —> Verkiindigung Maria, mariologisch, 25. Marz
vr — Verklarung Christi, christologisch, 6. August
wv -ὁἡ Heimholung Maria, mariologisch, 15. August.
vy Bewegliche, vom Ostertermin abhangige,
christologische Feste:
vr -—> Einzug in Jerusalem (Palmsonntag), am
Sonntag vor Ostern
ve — Auferstehung Christi (> Ostern)
vy —» Himmelfahrt Christi, 40 Tage nach Ostern,
donnerstags
xv — Pfingsten, 50 Tage nach Ostern.
Der zeitliche Ablauf innerhalb des beweglichen
Festkreises stimmt mit dem zeitlichen Ablauf des
Passions- und Ostergeschehens nach den Evange-
lien tiberein.
Die Sonntage der Vorfastenzeit
und der Fastenzeit
Vom beweglichen Festkreis hangt die Vorfa-
stenzeit mit Apokreos (griechischer Fasching)
und die Fastenzeit (Passionszeit) ab:
Vier Sonntage der Vorfastenzeit:
Sonntag der Zdllner und Pharisaer
Sonntag des verlorenen Sohnes
Sonntag des Fleischverzichtes (Apokreos-Sonntag)
Sonntag des Kaseverzichts.
120
Sechs Fastensonntage (~ Einzug in Jerusa-
lem, — Kreuzigung, --Ὁ Kreuzerhéhung):
Sonntag der Orthodoxie
Sonntag des Gregor Palamas
Sonntag der Verehrung des heiligen Kreuzes
Sonntag des Gedichtnisses des Johannes Klimakos
Sonntag der ehrwiirdigen Maria von Agypten
Sonntag des Einzugs (Palmsonntag).
Bildzyklen der Hauptfeste
Dargestellt werden die Hauptfeste als Mosai-
ken oder Fresken im Hauptschiff der Kirchen
und zusitzlich als Ikonen in der Festbildreihe
der -- Ikonostase. Der Zyklus umfa8te im
7.Jh. sieben, im 8.Jh. zehn, ab 11.Jh. zehn,
zwolf, 13, 16, 18 oder 19 Feste. Um 1000 war
der Zyklus voll ausgebildet (altestes erhaltenes
Beispiel mit zehn Darstellungen: Osios Lukas,
Anfang 11.Jh.). In der Auswahl der Feste gibt
es betrichtliche Abweichungen. Haufig wer-
den die - Anbetung der Weisen, —> Lazarus,
— Kreuzigung und der unglaubige —- Thomas
einbezogen, dafiir andere Motive, wie der —>
Tempelgang Mariae weggelassen. In christolo-
gisch orientierten Zyklen wird die — Kreuzer-
hédhung durch die Kreuzigung ersetzt. Die
Festbildprogramme in den Wand- und Gewél-
bezonen unterliegen einer Spannung:
Sie wollen die Szenen in erzahlender Reihen-
folge wiedergeben und zugleich das liturgisch-
kalendarische Element betonen. Oft zwingt
der Platz im Kircheninneren dazu, die Fest-
bildzyklen entweder zu verkiirzen oder auszu-
bauen.
Hochfeste zweiter Ordnung
ye — Beschneidung Christi (taucht selten im Dode-
kaorthon auf), 1. Januar
vx Geburt—> Johannes des Taufers, 1. Oktober
ye Fest der Apostelfiirsten —» Petros und Paulos,
29. Juni ,
yy Enthauptung — Johannes des Taufers, 29. Αυ-"
gust.
Fisch
O IX@YC
O ichthys
Wichtigste Zuspeise zum Brot fiir unbegtiterte
Menschen. Im Neugriechischen heiBt der
Fisch »fo psarix, von altgriechisch »to opsa-
Fisch
rion«, d.h. zubereitete Zukost zum Brot. In
frithchristl. Zeit kryptographisches Zeichen
fiir Christus.
Fisch als Kost in Palastina und Griechenland
Fisch war in Palastina die wichtigste Zukost
der Armen, auch fiir Jesus und seine Jtinger.
Noch nach seiner Auferstehung nimmt er
Fisch zu sich (Luk. 24, 41; Joh. 21, 9-13).
Fleisch erwahnen die Evangelien nur im Hin-
blick auf das Osterlamm des Abendmahls (>
Lamm). Fiir die Griechen der Antike und des
Mittelalters war der Fisch das Hauptnahrungs-
mittel.
Ritzzeichnung, Katakomben, Rom.
Fische als Sinnbilder der zu rettenden
Menschen
Mindestens vier der Apostel waren Fischer.
Fischfang ist das Gleichnis fiir ihre Missions-
sendung: »... Ich will Euch zu Menschenfi-
schern machen.« Matth. 4, 19. Gemeint ist die
Rettung der Menschen (= Fische) vor dem
Untergang im Chaos (= Meer; —-> Wunder am
Meer, —> Taufe Christi, -> Noah). Clemens
Alexandrinus (2. Jh.):
»Fischer der Sterblichen, die sich retten lassen aus
dem Meer der Bosheit ... aus feindlicher Flut.«
Nach Eusebios gehen die Fische zugrunde,
wenn sie gefangen werden, die Menschen, wenn
sie sich dem Fischfang durch die Apostel ent-
ziehen. In seinem Traktat iiber die Taufe (vor
200) wendet Tertullian die Fischmetapher an:
»Aber wir Fischlein werden gema8 unserm Ichthys,
unserm Jesus Christus im Wasser geboren und nicht
anders als durch den Aufenthalt im Wasser sind wir
gerettet.«
Alle Bilder tiber den Fischfang und die — Be-
rufung der Jiinger spielen auf das Menschenfi-
schermotiv an. Die Fische im Jordan auf Bil-
dern der —> Taufe Christi meinen Tauflinge,
ebenso wie die auf einem ikonoklastischen
Wandbild abgebildeten Fischlein an Angelru-
ten, herabhingend von einem im Wasser auf-
gepflanzten Gemmenkreuz (Zelve, Kappado-
kien, — Kreuz).
Fisch — Akrostichon fiir Christus
Obiges Tertullianzitat ist der friiheste bekann-
te Hinweis auf die Gleichsetzung Fisch = Chri-
stus — nach vorherrschender Auffassung das
Ergebnis eines Buchstabenspieles:
I Jesotis Jesus
Xx Christés _ Christus
Θ Theot Gottes
Y Jids Sohn
ς Sotir Retter
Der griechische Schriftzug Ichthys -- fir die
verfolgten Christen ab Mitte des 2.Jh.s ein
Geheimzeichen — findet sich auch im lateini-
schen Bereich haufig (Santa Sabina, Rom,
422-432, auf der Schriftrolle des Christus der
Theophania; Sant’ Apollinare in Classe, Ra-
venna, 6.Jh. iiber dem Triumphkreuz in der
Apsis; auf dem FuBbodenmosaik der Geburts-
kirche in Bethlehem, frihjustinianisch; Grab-
und Sarkophaginschriften 200-600, auf Tiir-
sttirzen, Siegeln und Amuletten).
Selten sind Fischsymbol-Zeichnungen (einige
Beispiele auf Sarkophagen).
Nachtraglich wurden noch zusatzlich bildhafte Be-
deutungen in das Akrostichon hineingelegt:
x Der Fisch Christus gibt sich als Abendmahlsspei-
se hin. (Joh. 21, 1-14, das Fischmahl Christi nach
seiner. Auferstehung; wundersame Vermehrung der
finf Brote und zwei Fische).
x Christus ist der Fisch im Meer der Bosheit. Das
Meer wird dabei einerseits verstanden als die Welt,
andererseits als Totenwelt, so daB die Metapher
auch die — 6ésterliche Hadesfahrt Christi meinen
kann.
Im 6.Jh. geht im Sinne der Tendenz, Sinnbil-
der durch ihre Vorbilder zu vertauschen, die
Darstellung des Fischsymbols als Schrift wie
als Zeichen zuriick. Doch vertritt noch auf
mittelbyz. Darstellungen des letzten Abend-
mahls der eucharistische Fisch das Brot bzw.
das Lamm (Karanlik Kilise, Géreme 12. (7)
Jh.); Pskow (Pleskau) um 1156, Mirozski Klo-
ster).
121
ee :
Relief mit Fischen, 8. oder 9. Sh.
Nawplion, Peloponnes.
oe
cy
Der groBe Fisch als Verkérperung
des Chaos im Urmeer
Der Riesenfisch bedeutet das Chaos des die
Erde umgebenden Meeres (—-> Wunder am
Meer):
Ungeheuer des Jonas, in alttestamentlicher
wie christlicher Auffassung. Riesenfisch und
—» Drache sind austauschbar: Oben auf griech.
Bilderwanden (— Ikonostasen) erscheinen un-
ter dem Kreuz als Schnitzereien zwei Drachen
oder Fische.
Fub
Ο πούς
O pous
Bestandteil des menschlichen K6rpers, der die
innigste Beriihrung mit der Erde hat. Untere
GliedmaBe, als schmutzig und niedrig ange-
sehen.
122
, eingebaut in einen Kirchenbau aus der 2. Hiilfte des 12. Jh.s, Ajia Trias bei
ia Ses ἰδῆς
Heilvolle und unheilvolle Erdkontakte
liber die Fiibe
Die heilsamen Kriafte, mit denen die Erde be-
sonders im Bezirk eines Heiligtums geladen
ist, dringen in den barfu8 Gehenden von unten
her ein.
Zwecks Vermeidung von kultischen Verunrei-
nigungen darf auch der jiidische Tempel zu Je-
rusalem nur barfu8 mit gewaschenen FiiBen
betreten werden:
»Und er (Christus) nahm sie (die Jiinger) mit hin
zum Reinigungsort (im Tempelvorhof) und ging im
Tempel umher ... Levi, ein hoher Priester, sagte:
Wer hat Dir gestattet, an diesem Reinigungsort her-
umzulaufen, da weder Du Dich gebadet hast noch
Deine Jiinger die FiiRe gewaschen ...« Der Heiland
... Sagte: Du also bist rein?« Sagte jener zu ihm:
»Ich bin rein, habe ich mich doch im Davidsteich
gebadet und bin tiber die eine Treppe hinunterge-
gangen und iiber die andere hinaufgegangen und
habe weiBe Kleider angezogen.« Nazarierevange-
liurn (judenchristlich apokryph) Vers 9
τ
Der auferstehende Christus tritt mit seinen FiiBen auf den gefesselten Hades. Barbara Kilise, So’anli,
Lewi pflegte zwei verschiedene Treppen zu benut-
zen, um sich nach dem Bad nicht an seinen eigenen
unsauberen Fufspuren zu verunreinigen. Schuhe
sind grundsatzlich unrein, auch weil sie aus der Haut
getéteter Tiere bestehen. Kopten und athiopische
Christen betreten auch heute den Altarraum bar-
fuB, wie es auch — Basilios unter Berufung auf
2.Mose 3, 5 verlangt hat (+ Brennender Dorn-
busch).
Fiir Muslims besteht das strikte Gebot, sich
die Fii®e zu waschen, bevor sie ohne Schuhe
die Teppiche einer Moschee betreten.
Der FuB des Herrschers im Nacken
des Unterlegenen
Das demonstriert sinnfallig die Uberlegenheit
des Siegers:
»Du hast ihn zum Herrn gemacht tiber das Werk
Deiner Hinde, alles hast Du unter seine FiiBe ge-
tan.« Ps. 8, 7
Auf einer Statue in Konstantinopel setzt Kai-
ser Hadrian seinen Fu8 auf den Nacken eines
= TE Seer
besiegten Barbaren. Bei sportlichen Spielen
_ im Hippodrom trat Justinian II. 705 anlaBlich
seiner Riickkehr zur Macht auf die Halse zwei-
er unterworfener Gegenkaiser. Der auferste-
hende Christus tritt auf den sich unter ihm
kriimmenden Hades (—> Ostern).
ea cf
ick 5 SPIRIT Sea
Christus wascht Petrus die FiiBe. Goldmosaik Osios
Lukas, Phokis, um 1000.
123
Geburt Christi
FuBverehrung und FuBwaschung
Jemandem etwas zu FiiBen zu legen, sich ihm
zu FiiRen zu werfen (wie Maria und Martha
vor Christus bei der Auferweckung des --Ὁ La-
zarus), bedeutet ihn als Héherrangigen anzu-
erkennen.
In Stidostasien war eine Anrede fiir den Herrscher
Pada (Fuf). Der Sprechende stuft sich als so winzig
ein, daB er nur den FuB des Herrschers vor sich
erkennen kann (dem ins Gesicht zu sehen keines-
falls erlaubt war). Ahnlich im AT:
»Wir wollen in seine (Jahwes) Wohnung gehen und
anbeten vor seinem FuBschemel« Ps. 132, 7. »Der
Himmel ist mein Thron und die Erde der Schemel
meiner FiiRe.« Aussage Jahwes Jes. 66, 1
Im Tréumen weisen laut altgriechischer Deutung
Fii®e auf Sklaven und Dienerschaft hin. Den Gasten
die staubbedeckten FiiBe zu waschen, war bei Grie-
chen, R6mern und Juden eine feste Sitte; die Juden
muteten diesen niedrigsten Dienst nur nichtjiidi-
schen Sklaven zu. Die Fu8waschung Christi (> Pas-
sionszyklus) war ein Zeichen a4uBerster Selbsthinga-
be. Johannes der Taufer sagte tiber Christus: »Ich
bin nicht wert, die Riemen seiner Sandalen aufzu-
schniiren.«
FuBabdriicke
FuBabdrticke Christi werden in Jerusalem an
der Stelle seines Verhéres gezeigt, die letzten
Spuren des zum Himmel Auffahrenden auf
dem Olberg. In der kappadokischen Sandalen-
kirche (Carikli Kilise, Géreme) sollen die Ab-
drticke der Himmelfahrt im Fu8boden nachge-
formt worden sein. Riesenhafte Héhlungen
auf dem Adams Peak in Sri Lanka gelten als
die FuBspuren Buddhas, Shivas, Mohammeds
oder Adams.
Dagegen die gnostische Tradition:
»Ich wollte aber oftmals, wenn ich mit ihm (Chri-
stus) ging, seine Fu®spur auf der Erde sehen, ob sie
eigentlich wahrzunehmen sei, denn ich beobachtete,
wie er (beim Gehen) sich von der Erde weg erhob.
Ich habe niemals eine gesehen« Johannesakten 93
Geburt Christi
HTENECIC TOY XPICTOY
I Génesis tou Christot
Die Menschwerdung bedeutet Herabstieg
Gottes in die Niederungen der Finsternis. Mit
dem Geborenwerden beginnt ftir Christus die
Passion, wahrend der Menschheit das géttliche
124
Licht aufstrahlt. Das byz. Weihnachtsbild ist
voller bedeutungsvoller Anspielungen, ein
ikonographischer Mikrokosmos fiir sich selbst.
Das Weihnachtsfest im Osten und im Westen
Weihnachten wurde vom 4.Jh. an in Rom am
25.Dezember, im ostrémischen Reich zu-
ndchst am 6. Januar gefeiert. Dem Fest der Er-
scheinung Christi (Epiphanie), urspriinglich
nur auf die —> Taufe im Jordan bezogen, wur-
de das Geburtsmotiv angelagert — als Gegen-
gewicht gegen die haretische Lehre, da Chri-
stus erst durch die Taufe die Gottessohnschaft
erwarb. Auch gegeniiber Sekten, die Christus
die menschliche Natur absprachen, war seine
Geburt als Mensch zu betonen. Beide gleich-
zeitig gefeierten Ereignisse gelten dem Anfang
des irdischen Auftretens Christi gema8 seiner
menschlichen Natur und als friiheste Offenba-
rung seiner Gottlichkeit. Bei Christi Geburt
»dem Fleische nach« und bei der Taufe leuch-
tet das géttliche Licht auf — einmal als Stern
und einmal als Strahl, in dem wie eine Taube
der Heilige Geist auf Christus niederfahrt.
Das Hochfest der'Geburt Christi (— Festtags-
kalender) wird in Griechenland erst seit der
Einfiihrung des gregorianischen Kalenders an
dem auch im Westen iiblichen Weihnachtsda-
tum (25.Dezember) begangen. Eine halbe
Million Anhanger des alten Kalenders feiern
ihre Kirchenfeste, wie die Russisch- und Ser-
bisch-Orthodoxen, nach dem julianischen Ka-
lender 13 Tage spater.
In Rom war die Feier der alljahrlichen Neugeburt
der Sonne mit der Geburt Christi als der Sonne des
Heils und dem Licht des Lebens verschmolzen. Im
Osten war und ist Christi Geburt der Beginn der
Neuschépfung einer in die Finsternis abgeglittenen
ersten Schépfung. Dies kosmische Verstiéndnis be-
ruht auf dem im NT enthaltenen Schépfungsbericht,
einer Zusammenschau der Urschépfung und ihrer
Neuschépfung durch Christus:
»Im Anfang war das Wort und das Wort war bei
Gott und Gott war das Wort ... In ihm war das
Leben und das Leben war das Licht der Menschen.
Und das Licht schien in der Finsternis und die Fin-
sternis hat es nicht begriffen ... Und das Wort ward
Fleisch ...«, Joh. 1
Geburt Christi und Liturgie
Den Einzug des géttlichen Wortes in die Welt
wiederholt auf symbolische Weise der Priester
Geburt Christi
allsonntaglich in der Liturgie der Katechoume-
nen. Beim »kleinen Einzug« tragt er feierlich
das Evangelium durch die Nordtiir der Bilder-
wand heraus und schreitet mit ihm durch die
K6énigspforte ins Allerheiligste. Dies bedeutet
zugleich »Geburt des Logos« und Beginn des
6ffentl. Wirkens Christi nach seiner Taufe..
»Als Sdugling geruhst Du Kind zu sein, Du, der Du
das HimmelsgewOlbe mit Sternen geschmiickt und
in die Krippe der unverniinftigen Tiere hast Du
Dich gebettet, der Du in Deiner Faust zusammen-
hiltst die Enden der Welt.« Aus der Liturgie des
Weihnachtstages
Die Liturgie gedenkt durch Lesungen aus dem
AT und rituell-symbolische Handlungen auch
der ErstschOpfung; sie wird erst dadurch voll-
endet und erneuert, daB der Schépfer selbst
zum Geschépf wird:
+ Die schéne Pforte der Bilderwand ist zu Weih-
nachten weit aufgetan: Die Pforten des Himmels
sind gedffnet.
ἧς Das Evangelium wird im Hauptschiff der Kirche
ausgelegt: Das Wort kam in die Welt — der Logos ist
geboren.
vy In der Mitte der Kirche wird nach der Feier der
Eucharistie eine groBe Kerze angeziindet: die neu-
geborene Christussonne.
Volkstiimliches Brauchtum zu Weihnachten
Die orthodoxe Liturgie betont das géttliche
Wirken im Heilsgeschehen, der Volksbrauch
mehr das Menschliche an der Geburt des Hei-
lands.
Am 24., dem letzten Tag des strengen vor-
weihnachtlichen Fastens, werden traditionsge-
maR Trockenfriichte gegessen. Am 25. nach
der Morgenliturgie findet »die Tafel der Mut-
tergottes« statt, ein Festmahl, dessen wichtig-
ster Bestandteil das am Vorabend gebackene
siiBe Christopsomo (Christusbrot) ist.
In Sinope am Schwarzen Meer tischten die ponti-
schen Griechen den Uberrest des Christusbrotes der,
Haus-Ikone auf. In einigen thrakischen Dérfern be-
reiteten die Hausfrauen neun verschiedene Speisen,
stellten sie auf einem kleinen Tisch vor den Haus-
Ikonen auf und entziindeten Weihrauch: Die von
der Geburt entkraftete Gottesmutter und der kleine
Jesus sollten sich stérken.
Hirten und Herdenbesitzer segnen ihre Stalle und
Schafpferche mit Weihrauch.
Die zwélf Tage zwischen Weihnachten und dem
Theophaniefest bilden die Umbruchperiode vom al-
ten zum neuen Jahr:
»Guten Tag, Ihr hohen Herrn! Was steht denn nun
zu Diensten? Des Christus géttliche Geburt, in Eu-
rem Gutshaus zu verktinden. Christus, der ist gebo-
ren heute, in Bethlehem, dem Stddtchen. Die Him-
mel jauchzen laut vor Freud’ und alle Natur ist froh-
lich. Tief in der Hohle kam er zur Welt, in der Futter-
krippe der Pferde, der Herr iiber alle Himmel, und
der Schépfer des Alls. In diesem hoheitsvollen Hause
soll das Felsenfundament nicht bersten, und des Hau-
ses hoher Herr, viele Jahre soll er leben.« Kalin imér-
an drchontes, Weihnachts-Kalanta.
An Weihnachten wie auch am 1. und 6. Januar
ziehen junge Leute von Haus zu Haus, singen
Kalanta (calendae waren in Rom die jeweils
ersten Tage der Monate) mit Segenswiinschen.
Die Hausfrauen revanchieren sich mit Ge-
back, Niissen, Trockenobst und Kleingeld.
Ebenfalls nach antikem Brauch wird der Herd
kreuzweise mit Wein oder Ol begossen.
Die Menschen schiitzen sich mit Kerzenlicht und
Herdfeuer, das wahrend der zwélf Tage nicht ausge-
hen darf, vor den Kallikantzari, den gespenstischen,
Erdhéhlen bewohnenden »Stiefelwadlern«.
Das Jahr tiber versuchen diese Erdgeister, alle Bau-
me auf Erden mit ihren Axten zu vernichten. Kurz
vor Weihnachten sind sie fast am Ziel, aber da wird
Christus geboren und die Baume schieSen erneut in
die Héhe. Voller Wut stiirmen die Erdgeister auf
die Erdoberflache, trampeln mit ihren Eisenstiefeln
darauf herum, dringen nachts durch die Schornstei-
ne in die Hauser und erschrecken die Leute. Die
Natur ist in Unordnung, das Wasser hat keine Rei-
nigungs- und Heilkraft mehr, es herrscht Chaos — bis
zum 6.Januar, wenn durch die Wasserweihe die
Kallikantzari in ihre Erdhéhlen zurtickgescheucht
werden, sich mit der —> Taufe Christi das Licht of-
fenbart und die Welt firs neue Jahr wiedergeboren
wird.
Das Geburtsmotiv —
Beschreibung und Deutung
»Heute gebar die Jungfrau den, der schon war, be-
vor alles andere war, und die Erde bereitet eine
Hohle dem Unnahbaren. Die Engel lobpreisen mit
den Hirten, die Weisen folgen dem Stern nach,
denn fiir uns ist Gott, der tiber allen Zeiten ist, als
kleines Kindlein geboren worden«, Liturgie zum
Fest von Christi Geburt dem Fleische nach
Dies Kontakion entspricht, mit Ausnahme des
Hinweises auf die Héhle, den Geburtsberich-
ten der Evangelien (Matth. 1, ‘5-2, 12 und
Luk. 2, 1-21) und fiihrt auf die knappste For-
mel gebracht, zum Kern der byz. Weihnachts-
125
Geburt Christi
th
Christi Geburt, Barbara Kilise, So’anli,
Kappadokien.
126
darstellung. Die Gesamtheit ihrer Details sym-
bolisiert das Erl6sungswerk Christi einschlie8-
lich Tod und Auferstehung. Weil es Mensch-
sein und Géttlichkeit Christi zugleich heraus-
stellt, wird das Geburtsmotiv seit der friithen
mittelbyz. Zeit vorzugsweise oben im Gewél-
be, das als Zwischenzone zwischen Erde und
Himmel anzusehen ist (> Kirchenbau), ange-
ordnet, in den Kirchen des Acht-Stiitzen-Sy-
stems oft in der Stidost-Trompe: Osios Lukas,
Anfang 11.Jh.; Daphni bei Athen, Ende
11. Jh.; Nea Moni Chios, 11. Jh.
Historische Entwicklung des
Weihnachtsmotivs
Die friihesten, auf Christi Geburt verweisen-
den Motive finden sich als Reliefs auf Deckel-
oder Seitenwanden von Sarkophagen (etwa ab
300).
Weltweit ist die Uberzeugung verbreitet, da8 der
Zustand des Menschen vor dem Eintritt ins Leben
vergleichbar sei mit dem nach seinem Tode. Wie der
Geburt Christi
Verstorbene straff in Binden (— Lazarus) gewickelt
wird, wird auch das Neugeborene so straff gewik-
kelt, daB es sich kaum bewegen kann. Die Geburt
auf dem Sarg besagt: Christi Geburt ist Ursache da-
fiir, daB der Verstorbene zu einem jenseitigen Le-
ben wiedergeboren wird. Aus dieser Tradition her-
aus ist es zu verstehen, wenn auf der weihnachtli-
chen »Tafel der Muttergottes« auch Speisen fiir die
Toten bereitgestellt werden.
Die frithen Weihnachtsdarstellungen lassen
sich in zwei unterschiedliche Motive einteilen:
tr, Das »Kind in der Kri, ippe« Motiv (Anfang
4. Sh. ): Christus liegt in einem Korb oder einer
Futterwanne, flankiert von Ochs und Esel.
(Prophetenwort des AT:
»Ein Ochse kennt seinen Herrn und ein Esel die
Worte seines Herrn, aber mein Volk hat nicht be-
griffen ...« Jes. 1, 3.)
Maria und Joseph fehlen noch, doch wird gele-
gentlich ein Hirte dargestellt. Gregor_von-Nys-
sa, Ambrosios von Mailand und Augustinus
sehen den ‘unters Joch _gepreBten Ochsen als
Vertreter des Judentums,. _auf dem_ das “Gesetz
Mose 1 lastet, den Esel als Symbol des Heiden- -
tums an. Beiden Teilen der christlichen 1 Ge-
Heidenchr isten, ist Christus im Futterkorb vor-
gesetzt — ein deutlicher Hinweis auf die > Eu-
charistie.
Folgerichtig wird spater aus Christi Krippe ein eu-
charistischer, aus Hausteinen gefiigter Altar (auf El-
fenbeintafelchen und Pilgerflaschchen, 5.Jh.). Bis
heute bedeutet die Weihnachtskrippe zugleich den
Grabsarkophag (—> Passionszyklus) Christi, der sei-
nen toten Leib birgt, und den Abendmahlsaltar, auf
dem sein Leib als unblutiges Opfer der Gemeinde
vorgesetzt wird. Die Krippe verweist auf den Diskos
mit der Prosphora, der ebenfalls Christi Krippe und
Christi Grab darstellt (+ Proskomidie).
yw Das »Anbetungsmotiv« (Satkophagreliefs
1.Halfte 4.Jh.): Die Weisen aus dem Mor-
genland beten die Gottesmutter an. Sie sitzt
mit dem Kind im Scho auf einem herrschaftli-
chen Thron: Die ikonografisch folgenreichste
Darstellung befand sich in der Apsis der Ge-
burtskirche in Bethlehem, einer Griindung
von Helena, der Mutter —> Konstantins
(2. Viertel 4. Jh.).
Ab Mitte des 4. Jh.s wurden die beiden Motive
miteinander kombiniert. Hirten und Magier
erscheinen nun gleichzeitig im Bild und vertre-
ten, ihnlich wie Ochs und Esel, den jiidisch-
christlichen und den _heidnisch-christlichen
Teil des Gottesvolkes. Der Stem mit seinen
acht Zacken, urspriinglich nur ein Leitgestirn
fiir die > Weisen, wandelt sich zum Licht der
Epiphanie.Gottes. Er strahlt jetzt direkt her-
aus aus einem Himmelssegment, hinein in die
Finsternis dieser Welt (Joh. I, 1-8).
Unheilvolle Dunkelheit wird dargestellt durch
die Bildmetapher der Hohle (vom 5.Jh. an) --
in Schriften erwahnt — von der Mitte des 2. Jh.s
an.
»Und er (Joseph) fand dort eine Hohle und geleitete
sie (die hochschwangere Maria) hinein, und er lieB
seine Sdhne ihr zur Seite und zog aus, um eine he-
braische Hebamme in der Nahe von Bethlehem zu
suchen.« Protevangelium des Jak. 18, 1, apokryph
Auch Justinus der Martyrer kennt die Hohle
(Dialog mit Tryphon 78, Mitte 2.Jh.), der Kir-
chenvater Epiphanius (2. Halfte 4.Jh.) zitiert
Luk. 2, 7 und ersetzt dabei das Wort Krippe
durch H6hle:
»... Und sie gebar ihren erstgeborenen Sohn, wik-
kelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Héhle.«
Die Liturgie des Weihnachtstages ruft Christus
an:
»Der Du in einer Héhle geboren und in eine
Futterkrippe gebettet zu unserer Rettung ...«
Abgebildet wird die Héhle auf palastinensi-
‘ schen Pilgerflaschchen vom 5.Jh. an, in Form
symbolischer Zeichen als Krippenaltar der Ge-
burtskirche in Bethlehem, der einen Durch-
blick erlaubt hinab in die als Krypta ausgebil-
dete Geburtshéhle unter der Apsis (nach dem
gleichen Prinzip war auch der konstantinische
Altar iiber dem Heiligen Grab angelegt wor-
den (— Darstellung im Tempel).
Da in Palastina Hohlen als Stalle benutzt wur-
den, kann die Héhlengeburt eine historische
Tatsache gewesen sein. Das Motiv erinnert
ebenso an die mythischen Héhlengeburten an-
tiker Gottheiten, SS area
einer Hohle des Berges Ida auf Kreta, des
Zeussohnes Dionysos durch die Erdmutter Se-
mele — nach anderen Quellen durch Demeter
oder Persephone. Mithras, oft gleichgesetzt
mit sol invictus (unbesiegbare Sonne), ist am
25.Dezember aus einem Felsen geboren und
von Hirten angebetet worden.
127
Geburt Christi
Die Griechen sehen in den vorchristlichen Mythen
iiber hdhlengeborene Gottheiten geheimnisvolle
Vorbildungen, die auf das Christuskind in der Héh-
le hinweisen. Spekulationen tiber die Historizitat
treten fiir die orthodoxe Kirche hinter den theologi-
schen Aspekt der Héhle (= Finsternis = auferste
Gottesferne) zuriick. Sie stellt die bildliche Verkér-
perung der Lehre von der »Entduferung« (Kenosis)
dar: Christus hat, indem er in die 4uBerste Dunkel-
heit der Héhle hinabstieg, durch seine Geburt als
Mensch auf alle Gottlichkeit verzichtet.
Die Geburtshéhle weist bereits hin auf die Hades-
héhle, die Welt der Toten, in die Christus nach sei-
ner Kreuzigung herabsteigt, um das géttliche Licht
hinabzutragen in die auBerste Gottesferne. Von
mittelbyz. Zeit an wird die Héhle inmitten einer
Felslandschaft (> Berg) als ovaler Spalt wiederge-
geben. Die Gottesmutter lagert auf einem roten
ovalen Kissen, in oder vor der dunklen Hohle — tie-
fenpsychologisch ist die Héhle als Symbol der Ge-
barmutter und dariiber hinaus des weiblichen Prin-
zips mit seinen lebensspendenden und bedrohlichen
(Dunkel!) Aspekten zu verstehen.
Erganzende Detailmotive
yr Das Kind wird von zwei Frauen gebadet. Dieses
Motiv ist als Szene in der Szene eingefiigt -- das
Christuskind erscheint in der gleichen Darstellung
zweimal. Mitunter wird die Verbindung zwischen
dem Hauptmotiv und dem Nebenmotiv verstarkt:
Die Gottesmutter blickt an Jesus in der Krippe vor-
bei zu Jesus im Bad, und der Strahl des aus einem
den Himmel wiedergebenden Kreissegment heraus-
strahlenden — Sterns von Bethlehem zielt auf das~
Kind im Bad (anstatt auf die Krippe). Durch Bei-
schriften werden die beiden stets sehr klein wieder-
gegeberien dienstbaren Frauen als die Hebammen
Zelanu und Salome (—> Marienzyklus) gekenn-
zeichnet.
Eine oder beide treten zunichst in Zusammen-
hang mit der Uberpriifung der Jungfraulich-
keit der Gottesmutter auf. Auf Geriten und
Miniaturen vom 6.Jh. und auf nachikonokla-
stischen Wandmalereien vom 9.Jh. an baden
die beiden das Kind in einem kelchférmig ge-
formten Becken, das an einen Taufstein erin-
nert. Neugeborene gelten in friihchristlicher
Zeit, wie bei Griechen, R6mern und Juden als
k6rperlich und kultisch unrein, sie miissen un-
bedingt gebadet werden. Das Motiv nimmt zu-
gleich die > Taufe Christi im Jordan vorweg.
Wie die Hohle, ist auch das Meer, reprdsentiert
durch das Taufbecken, der Ort der Gottesferne, des
128
Todes. Eingetaucht werden bedeutet sterben — aber
auch Freiwerden zu einer geistigen Wiedergeburt
als Glaubiger. Das Bad symbolisiert Tod und Aufer-
stehung Christi, so wie die Taufe Tod und Auferste-
hung dessen bedeutet, der den Lebensweg Christi
nachvolizieht. Die enge Bindung zwischen Weih-
nachtsereignis und Taufe Christi wird auf manchen
Festtagsbildanordnungen an Kirchenwanden her-
vorgehoben: Der Stern tiber den beiden Szenen sen-
det einen Strahl hin zum Kind in der Krippe, den
andern zum Christus im Jordan.
Die Hebamme links neben dem Badebecken
halt das Kind oder priift die Temperatur des
Wassers. Rechts steht Salome und schiittet
Wasser aus einem Krug ins Bad.
Der Krug ist ein Zeichen fiir die Gottesmutter
selbst, ihr symbolischer Beiname, weil aus ihr
das »Wasser des Lebens« — der Gottessohn,
den sie gebiert — hervorgeht. Sie ist die — le-
bensspendende Quelle; unterhalb von Salome
wird gelegentlich ein Brunnen dargestellt.
Geburt Christi, Tokali Kilise, Géreme,
Kappadokien, Ende 10. Sh.
ye Links tiber der Felsenkuppe, die die Héhle
birgt, mehrere Engel, zwei bis zehn --, die mit
ehrfiirchtig verhiillten — Handen das Neuge-
borene anbeten oder darauf zeigen. Sie vernei-
gen sich wie die - Weisen. Rechts vom Gipfel
drei Verkiindigungsengel, teils zur Krippe,
teils zu den Hirten unter ihnen gewandt und
Geburt der Gottesmutier
mit der »Christusgeste« (+ Hande) auf das
Kind weisend. Haufiger Textzusatz Luk. 2, 9:
»Fiirchtet Euch nicht«. Die Beischrift »Haltet
ein mit dem Umbherschweifen in Feld und
Flur«—- eine Anspielung auf Luk. 2, 8 (»Und es
waren Hirten auf dem Felde, die schweiften
umher in Feld und Flur und weideten des
nachts ihre Herden«) — haben die Byzantiner
m.E. anders verstanden, nimlich: »Haltet ein
mit dem Spiel der Hirtenfléte!«. Sie haben
agrawlourites (= Umherschweifende) als »Hir-
tenfléte (wilde Fléte) Spielende« interpretiert.
Eine Aufforderung, mit dem Flétenspiel inne
zu.halten, kommt in der Weihnachts-Liturgie
vor. Ab 10.Jh. taucht in den Geburtsdarstel-
lungen ein Hirtenjunge auf, der die Fléte spielt
oder sie vom Mund absetzt.
In der Nahe der zumeist zwei oder drei Hirten,
die sich der Héhle zuwenden, weiden Schafe
und Ziegen. In einigen kappadokischen H6h-
lenkirchen haben die Riicken der Tiere runde
rote Flecken, ein Markierungsverfahren, das
noch heute in Inneranatolien angewandt wird.
Joseph sitzt, das Gesicht in einer Hand vergra-
ben, abgesondert in einer (unteren) Ecke des
Motivfeldes.
Haufig redet ein stehender Hirte auf ihn ein. Dessen
Wiedergabe im Vollprofil, sonst nur dem Teufel
bzw. Judas vorbehalten, legt es nahe, in ihm eine
Erscheinungsform des Versuchers zu sehen. Er blast
dem vaterlichen Beschiitzer der Gottesmutter Zwei-
fel an der jungfraulichen Geburt ein:
»Joseph aber, ihr Mann, war rechtschaffen und
wollte sie (ihrer Schwangerschaft wegen) nicht bloB-
stellen. So beabsichtigte er, sie heimlich zu verlas-
sen.« Matth. 1, 19
Nach dem Bilderstreit wird das schon weitge-
hend vervollstindigte Motiv zunachst einge-
reiht in mehr oder minder ausfiihrlich ausge-
baute Bildfolgen des > Marienzyklus.
Innerhalb der einzelnen Bildstreifen ist die
Szenentrennung lediglich dadurch angedeutet,
daB die jeweils am Rande stehenden Figuren
einander den Riicken zuwenden. Spater wer-
den sie mit den gleichen roten und weiSen
konturierten Linien unterteilt, die auch die
FuBleisten der Zeilen bilden. Nach 1000 bildet
sich der —> Festtagszyklus heraus, dem das
Weihnachtsbild zugeordnet wird. Der Rest des
Marienzyklus schrumpft, entfallt ganz oder
wird in den Vorhallenbereich abgedrangt.
Geburt der Gottesmutter
TO ΓΕΝΈΘΛΙΟΝ THC QEOTOKOY
To Genéthlion tis Theotékou
Der Uberlieferung nach ist Maria das Kind
von Joachim und Anna. Ihr Geburtstag gehért
zu den zw6lf Hochfesten.
Erster Festtag des Kirchenjahres
Das Kirchenjahr beginnt am 1.September, die
Mariengeburt ist das erste Hauptfest am 8. Sep-
tember, doch wird es nicht in jedem —> Fest-
tagszyklus beriicksichtigt. Maria ist gezeugt
und geboren wie alle Sterblichen. Das ré-
misch-katholische Dogma, ihre Mutter Anna
habe sie bereits »unbefleckt« von Joachim
empfangen, wird von der Ostkirche abgelehnt.
Da bereits Justinian I. der Mutter Anna eine
Kirche erbauen lieB, diirfte das Fest schon
Mitte des 6.Jh.s in Konstantinopel bekannt
gewesen sein.
Anna, zunachst kinderlos, gebar erst in fortge-
schrittenem Alter Maria; sie gehért deswegen
zu den Heiligen, die von den Wéchnerinnen
angerufen werden. Ihr Typus ist Sara aus dem
AT, die dem — Abraham erst mit 100 Jahren
Isaak gebar.
Das Motiv der Geburt des Matienkindes
»Joachim und Anna wurden befreit von der Schan-
de der Kinderlosigkeit, und Adam und Eva vom
Verwesen im Tode, o Allerreinste, infolge Deiner
Geburt. So freuet sich denn auch Dein Volk, erldést
von der Schuld seiner Missetaten und es ruft Dir zu:
Die Unfruchtbare gebar die Gottesgebarerin und
die Nahrerin unseres Lebens ...« Liturgie des Festes
der Mariengeburt
Maria wird in einem Haus geboren. Wie so oft
in der byz. Kunst, deuten bildliche Kurzfor-
meln der AuSenfassaden einen Innenraum an.
Anna, in ein hellrotes Maphorion gehiillt, liegt
oder sitzt auf einem Bett. Das eben geborene
Kind hat ihr eine Hebamme abgenommen, um
es zu baden. Der Vater Joachim halt sich ent-
weder, nach dem Vorbilde Josephs (~ Geburt
Christi) zuriick, steht z.B. unter der Tiir, fehlt
mitunter véllig (Daphni, Athen, Ende 11. Jh.)
oder sitzt Anna mit einer Kerze in der Hand
gegeniiber. Dienerinnen bringen GefaBe. In
der Chorakirche (Konstantinopel) sind es die
»Téchter der Hebréer«. Quelle fiir die im NT
129
Georg, der siegreiche Reiterheilige
Sak
Chora
nicht erwahnte Legende von der Mariengeburt
ist das apokryphe Protevangelium des Jakobus
(um 140). Dargestellt wird sie auf Einzeliko-
nen, haufiger auf Wandmalereien innerhalb
des —> Marienzyklus.
Brauchtum rund um die Geburt
In der Chorakirche werden die »Téchter der
Hebréer« (aus dem Protevangelium) als Patin-
nen aufgefaBt. Nach griechischer Sitte steuern
sie zum Fest das ΟἹ fiir die Myronsalbung (>
Mysterien) bei, eine bringt die Taufkerze oder
eine Fackel. Die Kumpares (Paten) haben fiir
alles, was zum Tauffest bendtigt wird, auch fiir
Taufkleid und Geschenke, zu sorgen. Sie brin-
gen geweihte Kerzen aus der Kirche mit nach
Hause. Die leuchten, wenn das Leben be-
ginnt, bei der Geburt, vor der Ikone des Heili-
gen —> Eleutherios, und auch wenn es ver-
léscht, am Totenbett (+ Heimholung Maria).
Im alten Griechenland hatte die Geburtsgéttin
Eileithia die Fackel getragen, wie auch Thana-
tos (Tod), der sie jedoch nach unten hielt.
Mitunter macht sich eine Dienerin an »Marias
Wiege« zu schaffen. Die Griechen stecken ei-
130
a
SEY, ran Te
kirche, Konstantinopel, 1315-21.
nem Neugeborenen eine Knoblauchzwiebel
zwischen die Kissen, der scharfe Geruch ver-
treibt die Damonen.
-Ikonen der Heiligen Anna gibt es erst seit
postbyz. Zeit. Von Marienikonen des Typs
Odijitria (+ Maria) unterscheidet sie sich le-
diglich durch das hellrote Maphorion, und
durch die als winzige Erwachsene dargestellte
Maria auf ihrem Arm.
ὁ Georg, der siegreiche Reiterheilige
O ATIOC TEQPTIOC NIKH®OPOC
O Ajjios Jeérjios nikiféros
Drachentéter zu Pferde, Schutzpatron der
Landleute und der Krieger, der in Griechen-
land popularste Heilige. Sein Pendant ist --ὸ
Demetrios.
Festtag und Volksglaube
Der griechische Bauer halt sich an zwei Jahres-
zeiten, Sommer und Winter. Die Wendepunk-
te dazwischen werden von zwei Reiterheiligen
markiert. Am Georgstag (23. April) beginnt
Georg, der. Reiterheilige
mit dem Sommer das landliche Wirtschafts-
jahr, am Tag des -> Demetrios (26. Oktober)
der Winter. O Ajios Jiorgos ist Schutzpatron
der Bauern und Hirten ~ die Sommerkontrak-
te fiir Landarbeiter und Schafhirten gelten von
seinem Namenstag an — er schiitzt auch die
Gefangenen, die Armen und die Soldaten. .
Finer byz. Legende nach hatte ein Sarazene in Pala-
stina in einer eroberten Kirche, die die Gebeine des
Heiligen barg, auf ein Georgsmosaik im Gewélbe
geschossen. Dicht vor dem Bild wendete der Pfeil
und traf den Schiitzen mitten ins Herz. Der Mosaik-
Géorg streckte seine Hand aus, die Sarazenen gerie-
ten in Panik und trampelten sich gegenseitig tot. Die
Berichte der Davongekommenen hatten zur Folge,
da sich die Sarazenen einem Georgsheiligtum von
nun an nur zitternd und ihn lobpreisend naherten.
Aus Kleinasien vertriebene Griechen berich-
ten, Georg sei oftmals hoch zu Rof als Licht-
erscheinung aufgetaucht, um von muslimi-
schen Tiirken bedrangte Christen zu retten.
Im alten RuBland hatte man Georg als Schutz-
patron gegen die Tataren angerufen. Ein Bild
des Heiligen schmiickte die Kaiserbanner von
mittelbyz. Zeit an, und heute noch die Regi-
mentsflaggen des griech. Heeres.
Georgslegende
In einem See in Lykien (Kleinasien) hauste ein
gewaltiger Drache, von den Umwohnern als
Gott verehrt. Als Tribut fiir die allsommerli-
che Bewdsserung der Felder verlangte das Un-
getiim jahrlich ein Kind zum Fra8. Als die Rei-
he an die Kénigstochter Elisabe kam, griff der
Heilige aus Lydda in Kappadokien ein, ritt ge-
gen den Drachen an und tétete ihn. Dieser Tat
wegen haben sich viele Heiden, darunter auch
die Frau des Kaisers Diokletian, zum Chri-
stentum bekehrt — Ursache fiir Georgs Marty-
rertod gegen 303. Nach einer anderen Uberlie-
ferung wurde er als Soldat seines Christenglau-
bens wegen gemartert. Seine Standhaftigkeit
léste eine Welle von Bekehrungen aus. Nach
dieser Version war es die Seele des bereits ge-
téteten und zum Heiligen gewordenen Georg,
die gegen den Drachen antrat.
Nach orthodoxer Auffassung leben die Verstorbe-
nen bis zur Wiederkunft Christi in einer ihnen vor-
behaltenen Totenwelt. Die Heiligen jedoch werden
gleich nach ihrem Tode vergéttlicht und k6nnen als
Helfer bedringter Menschen
schehnisse
auf der Erde eingreifen. :
Andros, 18. Th. i
Darstellung Georgs als Drachentéter
Auf griechischen, serbischen, rumanischen
und russischen Ikonen reitet der Heilige, ju-
‘gendlich bartlos, mit militérisch kurzem Haar,
tiblicherweise von links her auf einem lichtwei-
Ben RoB. Wei® hat die gréBtmégliche Nahe
zum gottlichen Licht (in der griech. Mytholo-
gie besiegt der Lichtgott Apollo die Schlange
Python). Als Lichterscheinung haben auch die
kleinasiatischen Griechen den Heiligen gese-
hen. Sein Militarmantel, rot, in der Farbe des
Martyrerblutes und. des Triumphes, flattert
fliigelgleich hinter ihm her. Georg rammt dem
Drachen unter ihm seine Lanze ins Maul. (Ei-
ne friihe Fassung dieses Motivs bringt ein fla-
ches Aufenrelief an der Nordwestwand der
Kirche von Achtamar, Ostanatolien, 916-921;
vom 13.Jh. an wird dieser Darstellungstyp po-
pular. Der altere - Georg zu Pferde, aber ohne
Drachen — ist selten.) Das als Kreuz ausgebil-
dete Lanzenende bedeutet: Georg verdankt
seinen Sieg nicht eigener Kraft, sondern der
Gottes. Auf postbyz. Ikonen ist rechts als win-
131
Gewénder
zige Gestalt Elisabe vor einer Stadtmauer zu
sehen. Gelegentlich ragt von der rechten obe-
ren Ecke aus die -> Hand Gottes, umgeben
von einem mehrstrahligen blaulichen Him-
melskreis, ins Bild; 6fters halt ein schweben-
der Engel die Krone des Martyriums tiber den
Heiligen. ;
Georg als stehender Kriegerheiliger
Zusammen mit den Megalomartyrern — De-
metrios, Theodoros und Merkurios wird Ge-
org bereits vom 9.Jh. an als stehender junger
Mann in der Ritterriistung mit Schild und Lan-
ze in den unteren Bildreihen an Kirchenwan-
den dargestellt.
Der heilige Georg in Ritterriistung, Ajios Nikolaos
Orphanos, Thessaloniki, Anfang 14. Sh.
wa
Szenische Darstellungen mit Georg
Als eigenstandige Wandmalerei oder als Mi-
niaturbilder an den Randern von Ikonen kom-
men folgende Szenen haufig vor:
vr Georg wird gemartert oder getétet (wird gefan-
gengenommen, aufs Rad geflochten, aber von ei-
132
nem Engel befreit, mit gliihenden Stiefeln gequalt,
enthauptet).
ve Georg tétet den besiegten Drachen, den er ge-
fesselt in eine Stadt fiihrt, mit dem Schwert.
yw Georg befreit -- eine der Wundertaten nach sei-
nem Tode -- den Thermodatis (Teewasser-Einschen-
ker). Er prescht durch ein Gewdsser. Auf der Krup-
pe seines Pferdes ein orientalisch gekleideter Junge
mit Teekanne oder Pokal in der Hand, er hatte See-
raubern dienen miissen (Nikolaos Phountoukili,
Rhodos, 14. Jh.).
x Georg tétet hoch zu Ro& den Kaiser Diokletian
(— Demetrios).
Religionsgeschichtlicher und psychologischer
Hintergrund des Drachenkampfes
Georgs Drachenkampf wird als Sieg des Chri-
stentums tiber das Heidentum, des Guten tiber
das Bose (die Schlange des Paradieses ist der
Teufel), des Lichtes iiber die Nacht angese-
hen. Hinter dem weitverbreiteten Drachent6-
termotiv steckt der Kampf der géttlich geord-
neten Menschenwelt, des Kosmos, gegen das
Chaos — letzteres symbolisiert durch das Dra-
chenungeheuer der Unterwelt bzw. des Uroze-
ans. (Germanisch: Siegfriedsage; mesopota-
misch: Marduk tétet den Drachen des Herrn
der Meere Tiamat und formt dessen Leiche
um zur Welt; griech.: Apollon t6tet Python,
Zeus Typhon, Herakles die Hydra.)
Eine psychologische Interpretation im Jungschen
Sinne legt das Néebenmotiv der Jungfrauenbefreiung
nahe: Drache als chaotisch-zerstérerische Seite des
miitterlichen Prinzips, das den Jugendlichen nicht
loslassen und sich entfalten 1a8t. Erst wenn dessen
Einflu8 tiberwunden ist, kann die »Jungfrau erobert
werden«. Der Kampf stellt einen Reifeproze8 des
Jugendlichen dar, in dem sich dessen Einstellung
zur Frau wandelt. O Jeorgios heiBt im Alt- wie im
Neugriechischen »der Bauer«, wortlich, »der, der
die (miitterliche) Erde bearbeitet«.
Gewander
TA ®OPEMATA /OI CTOAEC
Ta forémata/I stolés
Die Kleidung auf byz. Bildern sagt viel tiber
die aus, die sie tragen. Jedem Einzelteil von
Priester- und Herrschergewandern wird eine
besondere symbolische Bedeutung zugespro-
chen.
Gewédnder .
Kleidung als abgrenzende und
kennzeichnende Haut
»Anlegen wollen wir des Fastens leichtes Ge-
wand und ablegen des Rausches dunkles und
driickendes Kleid.« Klésterliche Morgenliturgie
vom Montag der ersten Fastenwoche
Gewandung, eine zweite, ktinstlich geschaffe-
ne Haut des Menschen, dient
τς seinem Schutz — vor Kalte, Nasse, Sonne
und Austrocknung. Kettenhemd oder Riistung
verhindern Verletzungen durch Stich und
Hieb oder Wurfgeschosse.
Kleidung ist Abgrenzung gegen die Umwelt
und ihre schadigenden Einwirkungen.
ας der Kennzeichnung des Standes (Herr-
‘scher,
Krieger, Priester, Gewerbetreibender)
oder der Lebensverhaltnisse (unverheiratete
Frau, Verheiratete, Witwe). Auch die Uber-
gangszustainde werden mit besonderer Klei-
dung markiert (z.B. durch Tauf-, Hochzeits-
oder Trauergewand). Kleidung dient also auch
der Abgrenzung der Angehdérigen einer Grup-
pe von den anderen.
τς dazu, einen Menschen zum Trager beson-
derer (Amts-)Eigenschaften oder Aufgaben zu
machen. Mit magischer Kraft geladene Klei-
der tibertragen diese auf den Trager. Das
Monchs- oder Nonnengewand tiberdeckt sinn-
liche Reize, die der K6rper ausstrahlt, und
schiitzt zugleich seinen Trager vor den Einwir-
kungen der AuSenwelt. Es soll dem Menschen
Unk6rperlichkeit verleihen -- weshalb das
Ménchsgewand auch »Engelkleid«, Kleid der
»unkérperlichen Mdchte« (= Engel) genannt
wird. Im Friihchristentum, auch bei den Kop-
ten, ist es, der Lichtgestalt der — Engel ent-
sprechend, weiB. Wei8B ist auch die Farbe der
Unschuld, weswegen Neugetaufte, wie Jung-
frauen, weiBgewandet sind (—> Farbe).
Priester und Diakone werden erst dadurch zu
amtierenden Liturgen, daf} sie eine Art von
Stola anlegen. Kleidung ist notwendig, um
Menschen ‘in einen bestimmten Zustand oder
mit bestimmten Aufgaben anderen gegentiber
abzugrenzen.
Paulus wahlt darum fiir innere Einstellungen
und geistige Zustinde das Bild des Kleides:
»... das was verweslich ist, muf sich bekleiden
mit Unverweslichkeit, was sterblich ist, mit Un-
sterblichkeit.« 1. Kor. 15, 53
x Diejenigen némlich, die in Christo getauft
sind, haben sich mit Christus bekleidet ...«
Gal. 3, 27 (auch 2. Kor. 5, 3, Eph. 4, 24; 6, 14,
Kol.3,10). Kleidung bedeutet den durch Chri-
stus verliehenen geistlichen Reichtum, Nackt-
heit dagegen Armut, Not und hilfloses Aus-
gesetztsein, auch Siindhaftigkeit. »... Alles ist
nackt fiir seine (Gottes) Augen.« Hebr. 4, 13
Von der kultischen Nacktheit der Antike
(Gott geweihte Wettkampfe im »Gymnasion«
= Nacktstatte), in der alle inneren und duBe-
ren Grenzen zwischen den Menschen und der
Gottheit aufgehoben werden sollten, ist im
christlichen Ritus nach dem Vorbild des AT
nur die BarfiiRigkeit im Altarraum (Kopten,
Athiopier, — Fu) geblieben.
Priester in liturgischer Gewandung, bekleidet mit
Sticharion, Epitrachilion und Phelonion.
133
Gewdnder
Ubersicht I: Priestergewinder
Gewand Hypodiakon Diakon (unter- Priester (spendet die Bischof/Metropolit/
(dient dem Bi- stiitzt den Priester -—» Mysterien- Taufe, Patriarch (spendet alle
schof bei feier- in der Liturgie, Abendmahl, Kranken- Mysterien fiir Gemeinde
lichen Anlds- —_ vermittelt zwi- Glung -- fiir die Ge- und Priester, auch Prie-
sen) und Lek- schenGemeinde meinde) sterweihe!)
tor (liest NT- und Priester,
Texte und trigt handelt nicht
Kerzen) selbstandig)
Stola Orarion -- Orarion (=Binde). Epitrachilion (=um den Omophorion (= tiber der
kreuzférmig Heller, seidener Hals Herumlaufendes). Schulter Getragenes).
tiberdem Sti- Zeugstreifen, Verstarktes Seiden- Band, 25 X350.cm, meist
charion getra- ὃ bis 10 250 bis band, 8 bis20X120cm, aus weiSer Seide. Wird
gen. Unterdia- 400cm,tiberdie oft kunstvoll bestickt. locker um beide Schultern
kone durften _linke Schulter ge- © Unterdem Obergewand gelegt, und zwar so, daB
nichtzuallen hangtundschar- getragenundmitdem sich vor der Brust eine
Zeiten eine penartigum Brust Giirtel befestigt. Umschlagfalte bildet und
Stola tragen und Riicken ge- Form A: Um den Hals _ vor jeder Schulter ein gro-
(Verbot im wunden herumgeschlagen mit Bes Kreuz zu sehen ist.
4. Sh.). Rundeinschnitten fiir Ein Ende wird unter der
Der Lektor, den Kopf. Beide Enden Wickelung tiber der lin-
obwohl eben- fallen parallel nach ken Schulter durchgezo-
falls mit einer vorne herab und sind gen und fallt vorne herab.
Weihe verse-_ miteinander vernght. Verziert mit mindestens
hen, darf keine Sieben Kreuze, eines fiinf, meist dunklen Kreu-
Stola tragen davon im Nacken. zen. Zusatzlich trigt der
Form B:Nurein Band _ Bischof das Epitrachilion
fallt nach vorne herab.
Am oberen Ende Aus-
schnitt fiir den Kopf.
Drei Kreuze
Historische Ab 860: Schmales Ab 1000: Wei, schma- Ab5.Jh.: Vor dem 7.1}.
Formen Band, lose iiber ler als heute, Enden sind Omophorien schma-
(auf Ab- die linke Schulter hangen bald neben-, ler. Oft verdecken sie die
bildungen) gelegt, vorne und __ bald iibereinander. Linke, die das Evange-
hinterdem Rik- Abetwa 1300: lienbuch oder eine Schrift-
kenherabfallend Heutige Form rolle halt. Die Stoffarbe
ist immer wei, die Kreuze
sind schwarz
Gewand Sticharion — Sticharion -- Sticharion —sackartiges, Sticharion — sackartig sich
(liturgische entsprichtder Hauptgewanddes weifes,sichnachunten nach unten erweiterndes
Tunika) Diakonstunika, Diakons, sackartig erweiterndesGewand | Gewand mit engen Ar-
ist aber ge- sich nach unten mit engen Armein. meln, meist wei8 mit eini-
girtet. Heute erweiternd. Die Dient dem Priester als gen roten oder dunklen
tragen auch Armel sind weit, — gegiirtetes Unter- Vertikalstreifen (Potami),
Lektorenein _ wird ungegiirtet gewand gegiirtetes Untergewand
Sticharion als —_ getragen
Untergewand,
allerdings un-
gegiirtet
Armel- - Epimanikia, liber Epimanikia, Stulpen, Epimanikia, Stoffstulpen,
stulpen die Armel gescho- meist aus dem Stoffdes meist aus dem Stoff des
bene Stoffstulpen Obergewandes Obergewandes ,
134
Gewdnder
| (Fortsetzung) Ubersicht I: Priestergewander
Zonarion, Stoffgiirtel,
ca.6X100cm, unterhalb ca. 6X100cm, unterhalb
der Brust befestigt
des Priesters)
3. Epigonation (Aus-
zeichnung fiir ver-
diente Priester), iiber
Eck gestelltes qua-
dratisches Tuch, ca.
5050 cm, riickwarts
versteift, mit einer
Schnur rechts am
Giirtel getragen
Sakkos, Obertunika mit
weiten Armeln. Urspriing-
lich (12. Jh.) nur vom
Patriarchen, spater vom
Metropoliten bei beson-
deren Anlassen getragen.
Mandyas, Manteliiber-
wurf fiir den Aufenthalt
im Freien, vorne offen, an
Hals und vor den FiiBen
geschlossen
Sakkos-Darstellungen
sind selten. Meist sind sie
mit Kreuzen im Kreis ge-
mustert. Ab 11. Jh. tragen
Patriarchen, ab Polystaw-
rion, ein iiber und tiber
mit Kreuzen bedecktes
Phelonion
Mitra, Bischofskrone auf
der Grundlage zweier sich
kreuzender gewdlbter Bii-
gel (ab 15. oder 16. Jh.)
1. Stawrion (Brustkreuz)
2. Panajia (Muttergottes-
medaillon)
3, Epigonation (als Aus-
zeichnung)
4. Paterissa (= Bischofs-
stab)
Giirtel Zonarion, 9 bis — Zonarion, Stoffgiirtel,
10 X 250 bis
300 cm groBes der Brust befestigt
Band mit drei
Kreuzen
Um die Taille | Der Diakon legt
gelegt, werden unmittelbar vor
seine beiden der Austeilung des
Enden nach hin- Abendmahls sein
ten gefiihrt, hin- Orarion so an wie
ter dem Riicken der Hypodiakon
gekreuzt, iiber seinen Giirtel
die Schulter ge-
legt und nach
unten fallend Zonarion des Hypodiakons.
unter dem Gtir-
telmittelteil
festgesteckt
Ober- Hypodiakone - Phelonion, halbkreis-
gewand tragen kein férmig zugeschnittener
(MeB- Obergewand, Uberwurf. Im Mittelteil
gewand) Lektoren ein ein Durchschlupf fiir
knappes Lekto- den Kopf. Auf dem
ren-Phelonion Ricken ein grofes,
(Kamision) aufgesticktes Kreuz
Historische -- - Α09.1}.: Auf Abbil-
Formen in dungen tragen Priester,
alteren Bischéfe, Metropoliten
Abbil- und Patriarchen haufig
dungen ein einfarbiges Phelo- .
nion
Liturgische -- - Kamilawki, tibliche
Kopf- schwarze Kopfbedek-
bedeckung kung des Priesters
Insignien “- - 1. Stawrion (Kreuz)
2. Ewcholojion (= Hie-
ratikon, Gebetbuch
135
Gewiinder
Die beiden Epitrachilion-Typen, die von griechischen
Priestern verwendet werden. Armenische Priester
halten sich ausschlieBlich an die rechts abgebildete
Form. :
Priestergewander
1. Die Stolen:
»Gepriesen sei Gott, der seine Gnade ausgieBt tiber
seinen Priester wie kostbares Salbél auf das Haupt,
das herabflieBt auf den Bart, ja auf den Bart Aa-
rons, das herabflie&t auf den Saum seines Gewan-
des.« Lobpreis des Priesters, wenn er bei der feier-
lichen Selbsteinkleidung vor der Liturgie das Epitra-
chilion anlegt (+ Proskomidie).
Die verschiedenen Typen von Stolen — aufge-
kommen 2.Hilfte 4.Jh. — befahigen erst die
priesterlichen Wiirdentriéger dazu, den Got-
136
tesdienst zu versehen. Das Band wird ihnen
bei der Weihe verliehen.
Folgende Gesichtspunkte spielen eine Rolle:
yw Heiliges wird vor dem Kontakt mit Profa-
hem geschiitzt. Man ergreift es nur mit ver-
hillten Handen, ἃ es nicht mit der blofen
Erde in Bertihrung kommen, sondern breitet
Stoffe unter ihm aus (—> Einzug in Jerusalem).
Die Bischéfe auf mittel- und spatbyz. Bildern
halten das Evangelienbuch oder Schriftbander
mit dem Omophorion.
w In der zitierten Gebetsformel setzt der
Priester das Epitrachilion gleich mit von Gott
gespendetem Weihed]. Der von Gott zum
Priester gesalbte Aaron im AT ist Typus des
Priesters.
In frihchristl. Zeit hat man iiber das heilige Kreuz
in Jerusalem und iiber andere Reliquien -- Ol lau-
fen lassen (—> Altar). Die Reliquie sollte mit Salbél,
wie der Leichnam Christi durch die Myrrhetragerin-
nen, geehrt werden. Zugleich fing man das Ol wie-
der auf, das durch die Beriihrung damit selbst zu
einer heilkraftigen Reliquie zweiter Ordnung ge-
worden war. Friihchristl. Kirchen wurden tiber Mar-
tyrergrabern errichtet oder bargen Reliquien. Di- .
tekt dariiber stand der Altar. Durch einen Fenster-
durchbruch an seiner Vorderseite konnte man Ol
auf die Reliquie aufgieBen. Wegen der Schwierig-
keiten, die fliissige Reliquie zweiter Ordnung wie-
der aufzufangen, lieB man Bander, sog. Brandea,
m.E. urspriinglich durchtrankt mit Ol — durch die
Confessio hinab. Sie sollten sich vollsaugen mit der
Kraft des Heiligen — wie die salbgetrankten Binden,
mit denen die sterblichen Reste der M&rtyrer um-
wickelt waren.
Wir wissen, daB in Rom die Orarien vor der Prie-
sterweihe auf die Confessio des Petrusgrabes gelegt
wurden. Alles spricht dafiir, daB die frithesten Prie-
ster- und Diakonenstolen geélte Brandea waren,
daB8 sie aus praktischen Griinden das Reliquiendl fiir
die Priesterweihe ersetzten. Das Epitrachilion wies
den Priester als den mit Reliquienél Gesalbten des
Herrn aus.
Auch ein anderer Gesalbter Gottes tragt ein stolen-
ahnliches Gewandteil, der ostrémische Kaiser.
(Ubertragung von Heilkraft durch aufgeladene Ti-
cher, —> Mariengiirtel).
Weitere symbolische Andeutungen der Stolen
vom 7.Jh. an:
a) Das Orarion der Diakone als das Linnen-
tuch, das die Engel fiir ihren Dienst brauchen
(Deutung des 4. Jh.s), aber auch als Fliigelpaar
[Dees ae rer
Οσοεινάμαον
Die Gottesmutter iiberreicht als Inhaberin des wundertatigen Giirtels dem Heiligen Nikolaos von Myra das
bischdéfliche Omophorion, Christus tibergibtihm das Evangelienbuch. Ajios Nikolaos Orphanos, Thessaloniki,
Anfang 14. Jh. (auch in Ajios Nikolaos bei Charaki, Rhodos, 17. Jh.).
der Engel (Diakon in der Liturgie als > En-
gel). Spatbyz. liturgierende Engel tragen oft
prachtvolle Diakonengewander.
b) Das Epitrachilion der Priester wird von
Pseudogermanos als Halsfessel Christi be-
zeichnet. Der linke Streifen wird als Rohr ge-
deutet, das Christus bei seiner Verspottung
halten muBte, der rechte als das Kreuz, das er
getragen hat. Vom spaten Mittelalter an darf
der Priester ohne Epitrachilion keine Amts-
handlung vornehmen. Im Notfall muB er ein
Band oder einen Giirtel segnen und ihn ent-
sprechend umlegen.
c) Das von Bischéfen, Metropoliten und Pa-
triarchen wahrend der Liturgie benutzte Omo-
phorion (rém.-kath. Pallium) als Sinnbild des
verlorenen Schafchens (> Lamm), das der gu-
te Hirte (Bischof in Vertretung Christi) zur
Herde zuriickbringt. Urspriinglich aus Wolle,
hat das Omophorion manchmal anstelle eines
Kreuzes ein Lamm aufgestickt. Ein Omopho-
rion zu verleihen bedeutet, jemanden zum Bi-
schof zu ernennen. Seine Riickgabe (z.B. an
den Patriarchen) beinhaltet Amtsverzicht.
2: Das Untergewand
»Freuen wird sich meine Seele in dem Herrn, denn
er hat mir das Kleid des Heils angezogen und mit
dem Gewande der Freude hat er mich bekleidet;
wie einem Brautigam setzte er mir den Kranz auf
und mit Schmuck hat er mich gezieret wie eine
Braut.« Jes. 61, 10. Priester und Diakon beim An-
legen des Sticharions (-- Proskomidie).
Heute tragen alle Geweihten, vom Hypodia-
kon bis zum Patriarchen, das Sticharion, ein
Untergewand vom Typ Tunika. Bis gegen
1300 trugen Subdiakone und Lektoren an sei-
ner Stelle ein Obergewand.
3. Die Armelstulpen
»Deine Rechte verherrliche sich in Kraft; Deine
137
Gewdnder
rechte Hand, Herr, zerschmettere die Feinde; mit
der Fiille Deiner Herrlichkeit hast Du die Wider-
sacher zermalmt.« 2. Mose 15, 6-7. Priester und
Diakon beim Anlegen der rechten Stulpe.
»Deine Hande haben mich geschaffen und gebildet,
unterweise mich und ich werde Deine Gebote ken-
nen.« Ps, 119 (118), 73. Priester und Diakon beim
Anlegen der linken Stulpe.
Die sog. Epimanikia sind nur in der éstlichen
Kirche bekannt und etwa ab 1000 in Ge-
brauch.
4. Giirtel
»Gelobet sei Gott, der mich mit Kraft umgiirtet und
_meinen Weg ohne Tadel macht; meinen FiiBen gab
er die Schnelligkeit des Hirsches und er erhob mich
in die Héhen des Himmels. Ps. 18 (17), 33-34. Prie-
ster beim Anlegen des Giirtels.
Die Zoni oder das Zonarion des Priesters
gleicht dem rém.-kath. Cingulum. Im AT und
in der griech. Antike symbolisiert die vollkom-
mene Kreisform des den Menschen ringartig
umgebenden Giirtels Konzentration und Kraf-
tesammeln. Der lederne Giirtel der Propheten
(— Elias; + Johannes der Taufer) tibertragt
auf sie Kraft und Emotionalitat der Tiere.
»Sehet zu, (45 Eure Hiiften gegiirtet sind und eure
Lichter brennen!« Luk. 12, 35. Gegiirtet sein hei®t
im NT jederzeit aufbruchbereit zu sein: Das End-
reich kommt mitten in der Nacht. Fiir die frithen
M6nche war der Giirtel auch Schutzwall gegen die
Damonen, gegen die sexuellen Liiste — ein Gegen-
satz gegen die Verfiihrungskraft des Giirtels der
Aphrodite. Der Giirtel ist fiir den K6rper ein
Schutzwall, wie ein Mauerzug fiir eine Stadt (> Ma-
riengiirtel). Die koptischen Ménche nehmen wah-
rend der Feier der Eucharistie den Giirtel ab, um
sich dem Heiligen véllig zu éffnen.
5. Obergewand
»Deine Priester kleidest Du in das Gewand der Ge-
rechtigkeit und Deine Heiligen jauchzen vor Freude
jetzt und immerdar und in Ewigkeit, Amen.« Prie-
ster beim Anlegen des Phelonion.
Das Phelonion der Griechen, Bulgaren und
Russen (vergleichbar mit der r6m.-kath. Glok-
kenkasel des Mittelalters) ist hervorgegangen
aus einem besonders in der Kaiserzeit (ab 3. Jh.
v.Chr.) verbreiteten mantelartigen Uberwurf
(griechisch: Phaenolis, lateinisch: Paenula) —
einem strapazierfaéhigen, auch von Soldaten
getragenen Mantel. Das rund zugeschnittene
138
Tuchstiick mit gesiumtem Kopfdurchschlupf
war bis Indien verbreitet (graeko-buddhisti-
sche Gandara-Buddha-Statuen), wird spater
zu einem Kleidungsstiick der Vornehmen,
vom 9. Jh. an liturgisches Gewand.
Das Polystawrion — auf Darstellungen (vom
11.Jh. an) getragen von Kirchenvatern und
priesterlichen Heiligen, ist ein Phelonion, be-
deckt mit grofen ineinandergreifenden,
schwarzen und weifen Kreuzen, Schachbrett-
kreuzen oder — eucharistischen Kreuzen im
Rechteckwinkel (auf Altardecken appliziert =
Grab Christi).
Kirchenvater, angetan mit einem als Polystawrion
ausgebildeten Phelonion. :
Pannaristos-Kirche, Konstantinopel, 1310-20.
Der Sakkos (lat. Dalmatik), heute Bischofs-
gewand, ist im 12. Jh. vom Patriarchen in Kon-
stantinopel aus der Kaisertracht entlehnt wor-
den.
Den Mandyas, einen Manteliiberwurf, tragt
der Bischof beim Einzug in die Kirche.
6. Kopfbedeckungen
Als liturgische Kopfbedeckung ist lediglich die
nachbyz., bei Griechen und Russen tibliche
del
Gewédnder
Mitra der Bisch6fe, Metropoliten und Patriar-
chen bekannt. Auf kretischen und anderen
spaten Ikonen wird diese geschlossene vergol-
dete Krone von -- Christus als Erzpriester ge-
tragen.
Amtierende Geistliche sind auf alteren Dar-
stellungen meist barhauptig; Heilige aus dem
Bischofsstand — Bischéfe stammen alle aus
dem Ménchsstand und sind unverheiratet —
tragen mitunter Ménchskapuzen. Einige rémi-
sche Pépste aus der Zeit vor der Trennung
werden mit spitzer weiBer Miitze dargestellt,
dem »Kamelauciume« oder »Phrygium«, frither
auBérhalb der Kirche bei feierlichen Anlassen
getragen.
Schon vor 950 tragen die Patriarchen von
Alexandrien eine kreuzverzierte, konisch sich
zuspitzende, weiBe Kappe. Beide Spitzmiitzen
ahneln den phrygischen Miitzen der drei Ma-
gier (+ Anbetung der Weisen).
7. Insignien
Haufig dargestellt das Epigonation, ein qua-
dratisches Stoffstiick, das rechts unter dem
Phelonion hervorlugt oder auf dem Sakkos
aufliegt. Vom 8.Jh. an wird es — Enchirion
genannt — zunachst als reich verziertes, weich
in Falten herabfallendes, tiber Eck gestelltes
Tuchquadrat getragen (Gregor von Nyssa, So-
phienkathedrale, Kiew, Mitte 12.Jh.; Torcel-
lo, 11Jh.; Monreale, Ende 12.Jh.; San Marco,
Venedig, 12. Jh.). Ein Zipfel des Tuches wur-
de durch den Giirtel hindurchgesteckt. Die
Wandlung zum riickseitig versteiften Epigona-
tion setzte im 12. und 13. Jh. ein; heute zeigt es
ein Schwert oder Kreuz auf blauem Grund,
gilt als Schwert des Geistes Christi.
Die Marienmedaille (Panajia) des Bischofs
geht letztlich auf das Enkolpion zurtick, eine
kleine Reliquienkapsel, in frithbyz. Zeit von
Laien wie von Priestern getragen.
Rockartiges, meist 4armelloses
Untergewand. Die Seiten ver-
naht, mit einem Giirtel bauschig
zusammengehalten. Lange Chi-
tone wurden bei festlichen Anlas-
sen von Vornehmen, auch von
Frauen, getragen, kurze von
Handwerkern, Wanderern, Sol-
daten. Der Chiton chalkeos war
ein lederner, mit Erzplattchen be-
schlagener Waffenrock
Chiton
(griechisch)
Uber dem Chiton, seltener der
Haut, getragenes, viereckig oder
rund zugeschnittenes Tuch —
vom linken Arm aus unter dem
rechten durchgezogen, mit tiber
die linke Schulter geworfenem
Endzipfel. So blieb der Bewe-
gungsspielraum der rechten Hand
erhalten. Halbwiichsige und
Frauen zogen das Himation gele-
gentlich tiber den Kopf
Himation
(griechisch)
Schultermantel, urspriinglich fiir
mannliche Jugendliche, Reisen-
de, Reiter und Soldaten, spater
Bestandteil zeremonieller Trach-
ten. Langsrechteckiges Tuch-
stiick, iiber die linke Schulter
Chlamys
(griechisch-
hellenistisch)
Ubersicht II: Antike Gewandformen in der byzantinischen Kunst
geworfen und iiber der rechten
zusammengesteckt oder geknépft
(Zierspange). Die Ecken (mit
eingenahten Bleistiicken be-
schwert) zipfelten herab
Dalmatika
(rémisch,
spatkaiser-
zeitlich)
Ungegiirtetes Obergewand mit
weiten Armeln — teils T-férmig
zugeschnitten, teils sich nach un-
ten verjiingend oder erweiternd.
Sonderform einer Obertunika.
Mitunter wurde dariiber ein
Mantel getragen. H6fische Dal-
matiken haben oft vorne ein
unter dem rechten Unterarm
schrag aufgesetztes Besatzstiick
aus farbigem Stoff. Dieses sog.
Tawlion diente, nur lose ange-
naht, dazu, die Hande zu verhiil-
len, um Ehrengeschenke vom
Herrscher entgegenzunehmen
Uberwurfmantel, wird vor der
Brustmitte mit einer ZierschlieBe
zusammengehalten. Das symme-
trisch getragene Kleidungsstiick
1aBt vorne einen Schlitz frei.
Beide Hande haben Bewegungs-
spielraum
Lacerna
(rémisch)
139
Gewdnder
(Fortsetzung) Ubersicht II: Antike Gewand-.
formen in der byzantinischen Kunst
Divitision Uber einer Tunika getragene
Obertunika mit halb- oder drei-
viertellangen engen Armein.
Ahnelt der langerarmeligen Dal-
matika
Maphorion Grofes quadratisches Tuch, von
(rémisch: Frauen als Mantelkopftuch be-
Maforte) nutzt (etwas gréBer als die Kopf-
tiicher der Tiirkinnen heute).
Meist mit kostbarer Stickerei um-
bordet. Die unteren, Waden und
Knie umspielenden Teile, oft mit
Troddein geschmiickt
Paenula Manteltuch mit Kopfdurch-
(rémisch) schlupf, Vorform des priester-
' lichen Phelonion
Colobium Sehr lange armellose oder kurz-
(rémisch, armelige Untertunika. Besteht
spatkaiser- meist aus zwei, seitlich und oben
zeitlich) zusammengenahten langlichen
Tiichern mit freigelassenem
Durchschlupf fiir Kopf und Arme
(kolowos = verstiimmelt, fehler-
haft geschnitten)
Antike Kleidung fiir Personen des NT und AT
Bis zum Untergang des byz. Reiches folgten
die Kleidermoden Traditionen, die in der An-
tike wurzelten, unterschieden sich jedoch
durch lebhaftere Farbigkeit, reicheren orna-
mentalen Dekor, tippigere Verwendung von
edlen Metallen und Steinen (besonders welt-
liche und geistliche Zeremonialtracht). Bibli-
sche Gestalten tragen vom 4.Jh. bis heute
schlichte antikische Gewdnder.
w Christus, die Apostel sowie griech. Phi-
losophen sind mit Chiton und Himation be-
kleidet. Der Chiton des Pantokrator und das
Himation des Christos Emmanouil sind meist
goldschraffiert.
Der Christus der Kreuzigung tragt in altchristl.
Zeit, mitunter noch bis zum Jahre 1000, ein
purpurfarbenes Colobium, spater ein einfa-
ches Lendentuch, der Oberkérper bleibt unbe-
kleidet.
Christus bei der Verspottung ist angetan mit
einem purpurnen armellosen Colobium.
140
vy Fast alle Frauengestalten des AT und NT —
die Gottesmutter, die Marien am Grab, Eva —
tragen einen langen Chiton, dariiber das Ma-
phorion. Marias Maphorion ist dunkelblau,
purpurn oder in spatbyz. Zeit rot, verziert mit
drei goldenen Kreuzsternen (vor der Stirn und
tiber den Schultern).
vr Prophetengestalten des AT tragen Chiton
und Chlamys, Johannes der Taufer wie Elias
einen zottigen Manteliiberwurf oder ein Hima-
tion liber einer Kamelhaartunika.
vw Jtidische Priester aus dem AT und NT --
Melchisedek, Zacharias, der Hohepriester bei
der Verurteilung Jesu — tragen Chiton und La-
* cerna.
ye Engel haben Chiton, dariiber Himation,
beides in Weif}, als Diakonierende ab spatbyz.
Zeit entsprechend Diakonenkleidung.
ve Erzengel sind kaiserlich gekleidet: Diviti-
sion, dariiber Chlamys und gelegentlich Loros.
Auf russischen Ikonen tragen sie eine Lacerna
liber dem Divitision oder Chiton und Hima-
tion in kostbarer Ausfiihrung.
vr Weibliche Allegorien, z.B. die Weisheit
und Prophetie sind in Chiton und Himation
gekleidet.
Gewandung von Kaisern, Herrschern,
Wirdentragern
Die kaiserliche Tracht kommt auch K6nigen
des AT zu (David und Salomon), haufig auch
Erzengeln.
In der frihen Zeit (Ravenna, 6.Jh.) tragen
Kaiser (Justinian) und weltliche Wiirdentriger
eine Chlamys mit Tawlion tiber einer langérm-
ligen Tunika (ahnlich dem Divitision). Die
Kaiserin Theodora hat — wie ihre Hofdamen —
iiber ihrer Tunika einen purpurnen Uberwurf-
mantel, 4hnlich einem Himation, der den ge-
samten Oberk6érper verhiillt. Nur durch die
groBen Diademe hebt sich das Kaiserpaar von
den barhauptig Umstehenden ab.
Zur mittelbyz. Zeit hin wandelt sich die kaiser-
liche Tracht stark. Ihre Grundbestandteile:
Krone, Divitision und der auffallige Loros (= -
Riemen, ein breiter Zeremonialschal). Zwi-
schen dem 8. und 10. Jh. ist es ein langer, brei-
ter, mit Edelsteinen besetzer Goldgewebe-
streifen, um den Hals gelegt und mehrfach in
komplizierten Windungen um den Kérper ge-
wickelt. Sein Ende liegt tiber dem linken Un-
Gideon
terarm. Diese dltere Loros-Form kommt auf
Erzengeldarstellungen spater noch vor. In der
Kaisergewandung setzt sich um 950 eine neue
Form durch, die andere orthodoxe Herrscher
(von Serbien bis Nubien) tibernehmen: Von
einem breiten Schlupfkragen hangt der Loros
glatt nach unten herab, fast bis zum unteren,
die Knéchel verdeckenden Gewandsaum. Ein
weiterer breiter Lorosteil ist um die Htifte ge-
schlungen.
Die Wiedergabe der Kleidung von — Kon-
stantin und Helena paBt sich der jeweils zeitge-
ndssischen Kaisertracht an. Abbildungen He-
lenas aus dem 10. und 11.Jh. zeigen einen mit
dem Loros verbundenen, tiber das rechte Bein
gebreiteten Gewandumschlag, schildartig ver-
steift und verziert mit dem Patriarchenkreuz.
Dieses »Thorakion« — genaue Ausfithrung und
Bedeutung sind nicht bekannt — tragen im 11.
und 12. Jh. alle Kaiserinnen. (Irene, 1087-1118,
Emaille, Schatz San Marco; Theodora,
1042-1050, Diademplatte, Budapest; Eudokia,
11. Jh., Emaille Istambul).
Kostbare Gewebe wurden als so wichtig einge-
schatzt, daB viele Werkstatten ausschlieBlich fir den
Hof arbeiteten. Der Kaiser hatte das Privileg zu
Herstellung, Vertrieb spezieller Stoffe (seit Justi-
nian). Gemalte Zierbander der Innendekoration
von Kirchen (Direkli Kilise, Belisirma, Kappado-
kien, nach 1000) sind ahnlich ornamentiert wie die
Loren von Kaisern und Erzengeln. Stoffmuster wer-
den auch als Hintergrund fiir Kaiserdarstellungen.
verwendet. (Yilanli Kilise, Ihlara, Mitte 11.Jh.) Die
reichen Fresko- und Mosaikornamente in byz. Kir-
chen sind Umsetzungen textiler Vorlagen. Vom
kiinstlerischen Ejindruck her sorgen die tippigen
Muster fiir eine Auflésung der schweren Steinw4n-
de, auch der architektonischen tragenden Teile, in
luftige Gewebe- und Teppichwande.
Kriegertracht
Soldatenheilige (+ Demetrios, -> Georg) und
kampferische Erzengel (—> Michael) tragen ei-
ne kurzérmelige knappe Tunika. Nach unten
schurzartig gerundet, mit Metallplattchen oder
Lederstiickchen besetzt, wird sie zum Panzer-
hemd. Darunter ragt eine Untertunika hervor
oder schlie&t sich das altrémische Cingulum
militiae an, ein gepanzerter Kurzrock, beste-
hend aus drei tibereinanderliegenden Girteln,
beschlagen mit rechteckigen Metallplatten.
Die Unterschenkel sind mit Gamaschen oder
Flechtmuster aus Cavusin, héufig verwendetes
byzantinisches Textilmuster.
ledernen bzw. metallenen Beinschienen ge-
schiitzt, die Unterarme oft mit Armschienen.
Helme sind selten.
Fast nie fehlt ein knapper chlamysahnlicher
Mantel — rot oder auf der Innenseite ornamen-
tiert (besonders bei —-> Michael). Bewaffnung:
Lanze oder Schwert, Rund- oder Ovalschild
bzw. in spatbyz. Zeit tropfenférmiger Schild.
Kleidung von Heiligen und Martyrern
Ihre Gewander folgen teils antikem Stil, teils
der zum Darstellungszeitpunkt tiblichen Mo-
de. Wert wird darauf gelegt, den Stand, dem
sie in ihrem Leben angehérten, herauszu-
stellen.
Eremiten und Ménche sind in verschiedenarti-
ge, stumpf einfarbene — dunkelgelbe, graue,
braune — lange Gewdnder gehiillt und tragen
haufig eine Kapuze. Ein graues Epitrachilion
unter dem Obergewand kennzeichnet sie als
Priesterménche.
Gideon
OTEAEQN
O Gedeén
Charismatischer Heerfiihrer der Vorkénigszeit
(AT), besiegt die Mideaniter (Richt. 6-8). For-
derte von Gott vor einer riskanten Schlacht ein
Orakelzeichen: Ein Widderfell soll sich tiber
Nacht voll Tau saugen, wahrend das Erdreich
drumherum trocken bleibt. Seltenes spat- und
nachbyz. Motiv: Gideon driickt aus einem Fell
Wasser heraus, das eine Schale fiillt. Tau gilt
als befruchtender Same Gottes, daher bildet
141
Granatapfel
die Szene typologisch die —+ Verktindigung
Marié, die damit verbundene Empfangnis
Christi, sowie die jungfrauliche Geburt vor.
Granatapfel
TO PQIAI
To rhoidi
Eine in éstlichen Mittelmeerlandern weit ver-
breitete Baumart, deren Friichte eSbar sind.
Frucht- und Wurzelextrakte werden in der
Volksmedizin verwendet.
»... DaS wir friih aufstehen zu den Weinbergen,
da wir sehen, ob der Weinstock sprosse und seine
Bliiten aufgehen, ob die Granatbaume bliihen; da
will ich Dir meine Liebe geben.« Hohelied Salomo-
nis 7, 13
Wegen seiner vielen tiefroten Kerne gilt der
Granatapfel als Symbol der Liebe, des Kinder-
segens, des Reichtums und der Fruchtbarkeit,
aber auch als Symbol des Todes, der Unter-
welt, der Gliickseligkeit der Verstorbenen. Im
AT wird er mehrfach in der Liebeslyrik des
Hohenliedes erwaéhnt. Granatapfelf6rmige
Anhangsel zierten im Wechsel mit goldenen
Gléckchen den unteren Saum des Priesterge-
wandes Aarons (2. Mose, 33).
Auf antiken Grabreliefs halt oder empfangt
haufig der Verstorbene einen Granatapfel,
und die Friichte kommen auf Totenmahl-Dar-
stellungen vor. Die in die Unterwelt ver-
schleppte Persephone (- Demetrios) muB all-
jahrlich fiir die Winterzeit dahin zurtickkeh-
ren, weil sie gedankenverloren einige Granat-
apfelkerne genascht hat. Doch auch bei Hoch-
zeitsbrauchen hat der Granatapfel eine Rolle
gespielt. Einen Granatapfel auf den FuBboden
zu schmettern, so daB die Kerne nach allen
Seiten spritzen, ist ein verbreiteter neugriech.
Volksbrauch — zu Neujahr, nach dem Kirch-
gang oder nach der Hochzeitszeremonie, wenn
das Brautpaar erstmalig das Haus betritt: Das
soll Kindersegen und Wohlstand sichern. Mit-
unter wird den Verstorbenen ein Granatapfel
in die Hand gedriickt, und die Totenspeise
Kollywa mu8 Granatkerne enthalten (— To-
tenbréuche); damit Aussaaten aller Art még-
lichst reiche Frucht bringen, werden ihnen
Granatkerne beigefigt.
142
Granatapfelornament im Seitenschiffgew6lbe der
Ajia Sophia, Konstantinopel.
Friihchristl. Autoren werten das Rot der Gra-
natkerne als Bild des Blutes und Leidens Chri-
sti, die Vielzahl der Kerne als Bild fiir die vie-
len Menschen, die sich als Glaubige innerhalb
der Kirche versammeln, auch als Fiille des Le-
bens, die den Glaubigen dermaleinst in der
Gottesstadt zuteil wird. Granatapfelornamen-
te in justinianischen Kirchengewélben spielen
als naturtypologische Zeichen auf Christus-
symbole an — der vierkammrige Granat auf das
— Kreuz im Kreis, der achtkammrige (wie das .
achtstrahlige Spinnennetzornament) auf das
Sonnen-Christus-Monogramm im Kreis (Ajia
Sophia, Konstantinopel, Seitenschiff- und Em-
porengewélbe).
Griechische Philosophen und Weise
OI EAAHNIKOI ΦΙΛΟΟΟΦΟΙ KAI ΟΟΦΟΙ
I Elliniki philos6fi ke s6fi
Nach griech. Auffassung haben auch altgriech.
Philosophen, ahnlich wie die Propheten und
Patriarchen des AT, prophetisch auf Christus
hingewiesen. Daher werden u.a. Aristoteles,
Platon und Thukydidés in Wandmalereien
dargestellt.
Das Verhiltnis der christlichen Hellenen
zur griechischen Antike
Die nordischen Vélker haben das Christentum
mehr oder weniger zusammen mit der lateini-
schen Kultur ibernommen. Zu den Griechen
war es zuvor als rein religidse Lehre gelangt:
Griechische Philosophen und Weise
Paulus hatte seine Verkiindigung — die in griech.
Sprache abgefaBten »Briefe« — bewuSt vom
kulturellen Umfeld des Judentums abgekop-
pelt. So konnten die Griechen das Christen-
tum in ihre eigenen kulturellen Traditionen
einbauen. MaBgeblich daran mitgearbeitet ha-
ben die > Kirchenvater des 4. Jh.s. Folgerich-
tig ist die heidnische Antike fiir die griech. Or-
thodoxie nicht nur eine Periode der Finsternis.
Auch sie hat einen Abglanz géttlichen Lichtes
(—> Schatten) empfangen.
Griechische Weise in der byzantinischen
Kunst
vy O AIIOAAONIOC/ Apollonios von Tyana.
Wundertatiger Philosoph aus Kappadokien
(1.Jh. n.Chr.), anspruchsloser Pythagoraer
und Heliosverehrer, unternahm weite Reisen
nach Indien, Babylon, Agypten. Seine Ableh-
nung des Tieropfers gilt als Hinweis auf die
~» Eucharistie.
Darstellung: Greis mit Turban und langem,
grauem, gespaltenem Bart.
Text: »Ich verkiindige in Dreien einen einzigen
hochherrschenden Gott, dessen untilgbares Wort in
einer Jungfrau empfangen werden wird. Dieser wird
wie ein feuriges GeschoB dahinlaufen, dieser wird
die ganze Welt lebendig fangen und dem Vater als
Geschenk zufiihren.«
τ O APICTOTEAHC/Aristoteles, Philo-
soph aus Stajira/Chalkidiki (384-322 v. Chr.).-
Erst Schiiler, dann Kritiker Platons. Erzieher
Alexanders des Groen. Seine logischen Re-
flexionen fiihrten zu einer Definition Gottes
als »des sich selbst denkenden Denkens«. Be-
sonders die » Quelle der Erkenninis« von --ὸ Jo-
hannes Damaszenus enthilt aristotelische Ein-
fitisse.
Darstellung: Greis mit binsenférmig sprieBen-
dem Bart.
Text: »Das Entstehen Gottes ist seinem Wesen nach
miihelos; denn aus ihm nimmt derselbe Logos We-
sen an.« -
¥% OTIAATQN/Platon, Philosoph aus Athen
(427-347 v.Chr.). Schiiler des Sokrates. Pla-
tons Ideenlehre beeinflu8te, insbesonders
liber den christ]. Neuplatonismus des Diony-
sios Areopagita (-> Himmlische und kirchliche
Hierarchie) die byzantinische Bildtheologie.
Darstellung: Greis mit breitem Bart.
Text: »Der Alte ist neu und der Neue ist alt; der
Vater ist im Sohne, und der Sohn ist im Vater; das
Eine verteilt sich in drei, und drei sind eines.«
x O MAOYTAPXOC/Plutarch, Philosoph
und Historiker aus Chaironea (ca. 50-125
n. Chr.) im byz. Reich gern gelesener Autor.
Darstellung: Greis mit kahlem Kopf und spit-
zem Bart.
Text: »Uber der Héchsten von allem wird nichts
anderes gedacht; der Logos ist aus ihr und nicht aus
einer anderen, es wird aber gelehrt, daB die Weis-
heit und der Logos Gottes die Grenzen der Erde
umschlieBen.«
¥ O ®IAQN/Philon, Religionsphilosoph jii-
dischen Glaubens aus Alexandria (13 vor bis
45/50 n.Chr.). Versuchte, hellenistische Phi-
losophie und jiidische Religiositaét miteinander
zu versOhnen. Bezeichnet den Logos als Mitt-
ler zwischen Gott und der Welt. Origines und
Clemens Alexandrinus (2.Jh.) haben Anre-
gungen Philons aufgegriffen.
Darstellung: Kahlképfiger Greis mit langem,
gespaltenem Bart.
Text: »Dieser schreitet tiber den groSen Himmel
und wirft heriiber ein immerstrahlendes Licht und
ein unsterbliches Feuer; vor ihm zittern die Him-
mel, die Erde und das Meer, die Tiefe, die Unter-
welt und die Teufel. Er ist aber der Urvater, der
Vaterlose, der Allselige.«
x O OOYKYAIAHC/Thukydides, Histori-
ker aus Athen (ca. 460-400 v. Chr.), Teilneh-
mer am peloponnesischen Krieg und ebenso
zuverlassiger wie kritischer Geschichtsschrei-
ber: Sein »Peloponnesischer Krieg« (zwischen
Athen und Sparta) hat Prokopius, Hofhisto-
riograph Kaiser Justinians I., beeinfluBt.
Darstellung: Grauhaarig, mit dreigespaltenem
Bart.
Text: »Gott ist ein geistig Licht, und ihm kommt
Lob zu. In seinem Geiste halt er alles, da er eins ist
aus allem. Es gibt keinen anderen Gott, nicht einen
Engel, nicht die Weisheit, nicht einen Damon, noch
ein anderes Wesen; Er ist allein der Herr und der
Schépfer des Alls, der vollendete Logos, das
Fruchtbare aus dem Fruchtbaren; Er hat, kommend
tiber die fruchtbare Natur, Wasser gemacht.«
xr O COAQN/Solon der Athener (ca. 640-561
v.Chr.), Gesetzgeber und Dichter. Ordnete
die Gliederung der Biirgerschaft Athens neu.
Wurde zu den sieben Weisen gezahlt.
143
Hades
Darstellung: Greis mit rund geformtem Bart.
Text: »Wird er einmal tiber diese vielgestaltige Erde
erhoben werden, so wird das Fleisch ohne Makel
werden. Als fortgesetztes Ziel wird die Gottheit die
Verderbnis unheilbarer Leiden lésen. Und darum
wird er zum Tode werden durch das unglaubige
Volk. Und er wird auf der Héhe aufgehangt wer-
den, und er wird alles mit Sanftmut leiden, freiwillig
tragend.«
¥ O CO®OKAHC/Sophokles, Tragdédien-
dichter aus Athen (ca. 496-406 v.Chr.). Von
seinen 130 Dramen sind sieben erhalten, dar-
unter »Antigone«, »K6nig Odipus« und
»Elektra«.
Darstellung: Kahlképfiger Greis mit fiinfzipfe-
ligem Bart.
Text: »Gott ist ohne Anfang und einfach seiner Na-
tur nach, der den Himmel mit der Erde erschaffen
hat.«
Nichtgriech. Seher sind Thules, Kénig von
Agypten, und der Syrer Walaam (> Bileam).
Die Seherin Sibylle
Sibyllen sind ekstatische Seherinnen — ver-
gleichbar der Kassandra. Der Name stammt
von Sibylla Herophile, die in einer Héhle im
kleinasiatischen Eritrea weissagte (vermutlich
8.Jh). Sie gilt — falschlich — als Verfasserin der
Sibyllinen, antiker Weissagebiicher und jiidi-
scher Bticher mit nachtraglichen christl. Ein-
schtiben (2. Halfte des 2.Jh.s). Im Abendland
sind zundchst acht, spater zw6lf Sibyllinen als
auRerbiblische Prophetinnen bekannt, in der
byz. Malerei ist nur eine dargestellt: Sie sagte
das Kreuz Christi und den Untergang Roms
voraus.
Text: »Es wird vom Himmel kommen der K6nig der
Ewigkeit, und er wird richten alles Fleisch dieser
Welt.«
Hades
O AAHC
O adis
Unterwelt als Aufenthaltsort der Toten und
deren Personifikation. Kann den Tod (Tha-
natos), den —> Charos, den Satan vertreten
(— Ostern). Der Hades ist nicht die Holle.
144
Der Hades in der Antike
Bei der Dreiteilung der Welt fiel Zeus der
Himmel, Poseidon das Meer und Hades, Sohn
des Kronos und der Rhea, die Unterwelt zu.
Er war zugleich Herr tiber die Toten und die
unterirdischen Schatze (Beiname Pluton = »der
Reiche«).
In der Spatantike wurde auch der — meist als
unerfreulich angesehene — Aufenthaltsort der
Toten Hades genannt. Erwahnt werden das im
Westen gelegene Tor oder Haus des Hades —
kosmische Parallelen zum Verstaindnis des
Grabes als Offnung der Erde und als Aufent-
haltsort der Toten.
Der Hades im neugriechischen Volksglauben
»Sagt uns, was wiBt ihr Neidischen unten im unteren
Kosmos, wo kein Reigentanz stattfindet, wo es kei-
ne Freude gibt, wo die WeiBen schwarz werden und
die Schwarzen noch schwarzer, und wo innerhalb
der 40 Tage Gelenke sich von Gelenken trennen.
Es fallen aus die blonden Haare, es schwinden
die schwarzen Augen, und Trennung erleiden der
Rumpf und die Haut.« Klagelied aus Kephalonia
(> Totenbrauche, — Zahi 40)
Die gegensdtzlichen Vorstellungen, daB die
Toten einerseits weit weg in der Unterwelt
hausen, andererseits als lebendige Leichname
in den Grabern wohnen, sind im Volksglauben
miteinander verquickt. Als personifizierte Ge-
stalt erscheint der Hades nirgendwo mehr
(— Charos).
Der Platz des Hades im orthodoxen
Christentum
Nach orthodoxer Auffassung steigen die Ver-
storbenen in den Hades hinab, hausen dort in
einem Zwischenzustand bis zur Wiederkunft
Christi; sie ahnen etwas voraus von ewiger Se-
ligkeit oder Abgleiten ins Dunkel. Die Fiirbit-
te der Lebenden kommt den Toten zugute, oh-
ne da jedoch Leistungen der Lebenden mit
Erleichterungen fiir die Toten »verrechnet«
wiirden. Gott erhért die Gebete aus Gnade. —
Das Purgatorium (reinigendes Fegefeuer) wird
von der Orthodoxie abgelehnt.
Die Heiligen ruhen, nach —- Johannes Damas-
zenus, in der Hand Gottes: »... Der Tod der
Heiligen ist eher ein Schlaf als Tod ...«, sie
kénnen bei Gott Fiirbitte fiir die Lebenden
einlegen und aus ihrem Zwischendasein her-
Hiinde
aus durch Wunder auf der Erde eingreifen
(» Georg). Den Herrscher der Unterwelt,
auf den Christus bei seiner -- Auferstehung
(— Ostern) tritt, wird in Beischriften teils als
Hades, teils als —> Charos, teils als Satan
(-» Teufel) bezeichnet. Das apokryphe Niko-
demus-Evangelium nennt die Totenwelt wie
ihren Beherrscher Hades.
Hande
TA XEIPIA
Ta chéria
Gesten auf byz. Bildern haben genau fest-
gelegte Bedeutungen. Handhaltungen, die nur
vage »Gestimmtheiten« ausdriicken, sind sel-
ten.
In den Mittelmeerlandern sind Handzeichen, die
das gesprochene Wort unterstreichen oder ersetzen,
traditionell starker verbreitet als im Norden. Asiati-
sche Kulturen verfiigen iiber einen reichen »Wort-
schatz« an religidsen Gesten (Mudras), Gebete, die
mit den Fingern ausgeformt werden (Buddhadar-
stellungen).
Segensgestus Christi
»Wenn du die segnende Hand malst, so verbinde
- nicht die drei Finger miteinander, sondern verbinde
den Daumen und den, der neben dem Mittelfinger
ist (Ringfinger), wodurch dann der gerade Finger,
der Zeigefinger und die Biegung des Mittelfingers
den Namen J 5 andeuten: Der Zeigefinger bezeich-
net das J, der gekriimmte (Mittelfinger) aber, der
neben ihm ist, das S (das gekriimmte byz. groBe
Sigma). Der Daumen aber und der Ringfinger, wel-
che kreuzweise miteinander verbunden sind, und
die Biegung des kleinen Fingers daneben deuten
den Namen Ch S an. Denn die Querstellung des
Daumens, der mit dem Ringfinger ist, zeigt deri
Buchstaben Ch, der kleine Finger, der die krumme
Gestalt hat, deutet das S an, wodurch der Name Ch
S gebildet wird. Darum wurden durch géttliche Vor-
sehung vom Weltenschépfer die Finger der mensch-
lichen Hand in solcher Weise geformt, deren nicht
mehr und nicht weniger notwendig sind, um diesen
Namen zu kiinden.« Ermenia (Malerhandbuch vom
Berge Athos)
Die charakteristische Fingerhaltung der rech-
ten Hand, die die Abktirzung des Namens Je-
sus Christus formt, kommt bereits auf Mosai-
ken: des 6.Jh.s vor (Metamorphosis Christi,
Apsis Katholikon, Sinai, 565/66; San Vitale
ἰΞΞΡ ΣΤ tex rica ANS Sat
Die Rechte des Kuppelpantokrators in Daphni (Ende
11. Jh.) formt die Christusgeste.
und Sant’Apollinare, in Classe, Ravenna,
Mitte 6.Jh.). Anfanglich ist die Fingerhaltung
nicht immer von der Zweifingergeste (zwei
Naturen Christi) klar zu unterscheiden. Ab
mittelbyz. Zeit zeigen alle Christusabbildun-
gen deutlich die Christusgeste. Mit ihr voll-
zieht Christus seine Wunder, mit ihr deutet
der Verkiindigungsengel auf die Gottesmut-
ter. Sie wird von Heiligen und Propheten, von
Geistlichen beim Segnen geformt.
Bekreuzigung .
Die orthodoxen Christen bekreuzigen sich
dreimal (Trinitat), wenn sie an einer Kirche
vorbeikommen, wenn sie eine Ikone kiissen,
auch bei bestimmten Héhepunkten der Litur-
gie: Die Rechte tippt an die Stirn, schwingt im
Bogen nach unten vor die Brust, beriihrt dann
—im Gegensatz zur rémisch-katholischen Pra-
xis — erst die rechte und dann die linke Schul-
ter. Die Hand selbst bildet dabei eine Dreiheit
aus Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger
(Trinitatszeichen), wahrend Ring- und kleiner
Finger angewinkelt bleiben.
Die Dreifinger-Bekreuzigung wurde 1653 vom russi-
schen Patriarchen Nikon verfiigt. Daraufhin spalte-
ten sich die Altglaubigen von der Orthodoxie ab; sie
halten an der zuvor tiblichen Zweifinger-Bekreuzi-
gung mit gestrecktem Daumen und Mittelfinger fest
(Hinweis auf Christi gdttliche und menschliche
Natur).
145
- Hand Gottes
Das Verhiillen der Hinde
Spatestens um 300 unter Diokletian ist der ur-
sprtinglich orientalische Brauch, die Hinde
mit seinem Gewand, einem besonderen Man-
tel oder Tuch zu verhiillen, wenn man dem
Herrscher etwas zu geben oder etwas von ihm
zu empfangen hatte, am rémischen Hof einge-
fiihrt worden. Die Geste, die auch die Kleider-
mode (Tawlion an der Dalmatika + Gewan-
der) beeinfluBte, betonte den Abstand zwi-
schen Kaiser und Volk. Den Kaiser mit blo8en .
Handen zu beriihren konnte das Leben ko-
sten. Wie anderes aus dem Kaiserkult, wurden
die »verhiillten Hande« in christlichen Huldi-
gungsszenen tibernommen — zundchst in die
- Anbetung Christi durch die drei Weisen
(Sarkophag um 320, Vatikan, Museo Pio Chri-
stiano ex Lat 121, 1). Auf mittel- und spatbyz.
Bildern verhiillen die diakonierenden Engel
ihre Haénde (-5 Geburt Christi, — Taufe Chri-
sti); hier wird angespielt auf die Diakone, die
in der Liturgie die Engel verkérpern und die
heiligen Gaben mit verhtillten Handen anfas-
sen. (Gleichsetzung des neugeborenen bzw.
getauften Christus mit den Abendmahlsgaben,
der Engel mit den Diakonen.)
Vergleichbar mit dem Verhiillen der Hinde
sind ;
sy das Verhiillen der Gaben mit Tiichern, dem Aér
(—> Proskomidie),
vr das Ausbreiten des Antiminsion (> Altar), be-
vor die Gaben auf den Tisch gestellt werden,
xx das Ausbreiten von kostbaren Tiichern bei Pro-
zessionen mit Reliquiensarkophagen (> Einzug in
Jerusalem). Das Heilige darf nicht in Beriihrung
kommen mit dem Profanen — der Haut des Men-
schen oder der nackten Erdoberflache.
Auf 8ρᾶϊ- und postbyz. Bildern der — Heim-
holung Maria schlagt ein Engel einem Frevler
die Hiande ab. Dieser hatte versucht, das To-
tenlager der Gottesmutter dadurch zu entwei-
hen, daB er es mit bloBen Handen anfaBte.
Wangenstiitze als Geste der Trauer
Johannes der Evangelist unter dem Kreuz,
stiitzt die rechte Wange seines geneigten Kop-
fes mit der rechten Handflache ab — eine Geste
intensiver Trauer. Die trauernde Gottesmut-
ter zieht ihr Gewand zusammen, als ob sie fré-
stelte (> Hand Gottes, -> Oranten).
146
Hand Gottes
TO XEIPI TOY @EOY
To chéri tou Theoti
Verkérpert das Wirken Gottes. In seiner Ge-
stalt als Vater und Schépfer darf Gott selbst
nicht abgebildet werden.
Gottes Hand im Alten und Neuen Testament
»O Herr, sende Deine Hand herab aus der Hohe
Deiner himmlischen Wohnung und stirke mich zu
diesem mir bevorstehenden Dienst, auf da8 ich un-
gerichtet vor Deinem furchtbaren Thron stehe, und
das unblutige Opfer darbringen mége.« Priester vor
der Schénen Pforte bei der Vorbereitung auf die Ein-
kleidung fiir die Liturgie.
Im AT ist die starke Hand Gottes bildhafter
Ausdruck seines machtvollen Wirkens. Die
Ekstase der Propheten wird durch Gottes
Hand verursacht: »Da seine Hand tiber mich
kam ...« Jes. 8, 1, »... da fiel die Hand Gottes
auf mich.« Ez. 8, 1
Im NT versteht Christus sein eigenes Wirken
als Fingerzeig Gottes:
»So ich aber durch Gottes Finger die Teufel austrei-
be, so kommt das Reich Gottes ja zu euch!« Luk.
11, 20
Der Finger hat die Welt gemacht:
»Wenn ich sehe, die Himmel Deiner Finger Werke,
den Mond und die Sterne, die Du bereitet hast ...«
Ps. 8, 4
und der die Gesetzestafeln beschrieben:
»... gab er (Gott) ihm (Mose) zwei Tafeln des
Zeugnisses: die waren steinern und beschrieben mit
dem Finger Gottes.« 2. Mose 31, 18
Darstellungen der Hand Gottes
Auf spatjiidischen (Dura Europos, Syrien, ca.
245 n.Chr.), frithchristl. und byz. Darstellun-
gen vertritt die Hand Gottes den undarstellba-
ren Gott selbst. Bereits auf den ersten christl.
Miinzen reicht die Hand Gottes Kaiser Kon-
stantin den Siegeskranz oder streckt sich ihm
bei seiner Apotheose (> Himmelfahrt) aus’
dem Himmel entgegen. Auf Elfenbeintafeln
um 400 greift die Hand nach der Rechten des
zum Himmel auffahrenden Christus oder ver-
wehrt dem -—> Abraham seinen Sohn zu opfern
(auch auf Sarkophagen, Mosaik, San Vitale,
Ravenna, Mitte 6. Jh.). Im 4. und 5. Jh. ist die
Hase
Hand als Reprasentation Gottes austauschbar
mit dem Engel des Herrn. Vom 6.Jh. an er-
scheint Gottes Hand iiber der —> Taube Chri-
sti, bei der — Verklarung (Apsis, Sant’Apolli-
nare in Classe, Ravenna, 6.Jh.), spater auch in
—> Verkiindigung und der —> Kreuzigung. Jetzt
nimmt sie die Form der Christusgeste an. .
Den Texten des AT entsprechend wird Gottes
Hand abgebildet bei der Ubergabe der Geset-
zestafel an Mose (Sarkophage 4. und 5. Jh.),
bei der —- Hesekielvision (Giilliider, Kirche zu
den drei Kreuzen). In spat- und postbyz. Zeit
erscheint die hinweisende Hand Gottes inner-
halb eines als Kreissegment ausgebildeten
Himmels in der rechten oberen Ecke von Iko-
nen. Ein mittelbyz. Sondermotiv ist die groB
aufgefaBte, die Christusgeste vollziehende
Hand vor einem Kreuz inmitten eines Sternen-
himmels (Osios Lukas, Anfang 11.Jh., Yilanli
Kilise, Ihlara).
Hase
O AATOC
O lagés
Symboltier mit mehrschichtiger Bedeutung,
verbunden mit dem Mond, dem Ablauf der
Zeit, der Vergdnglichkeit. Hat auch zu tun mit
Fruchtbarkeit, Sinnlichkeit, Liisternheit und
Luxus.
Hase — Mond — Zeit
Dunkle Flecken im Mond (Mare) werden u.a.
in Europa, Indien, China und Altmexiko als
Hase (bzw. als Kaninchen) gesehen. Seiner
Verbindung zum Mond und seines schnellen
Laufes wegen wird der Hase zum Sinnbild der
verganglichen Zeiten. Die eilt dahin und lauft
sich tot, wie der Hase im Marchen vom Swin-
egel — ein Motiv, das schon auf griech. Vasen
(5.Jh. v.Chr.) den »Wettlauf« zwischen Son-
nen- und Mondjahr beschreibt (—> Ostern).
Hasen auf altchristl Sarkophagen sind ein
»memento mori«x. Ihr reicher Kindersegen
macht die Hasen zum Symbol der Fruchtbar-
keit. Aus traditioneller béuerlicher Sicht sind
Tod und Fruchtbarkeit, Winter und Sommer,
Saat und Ernte nur zwei verschiedene Seiten
einer Medaille.
148
sat
ἢ
ASE
‘sera faiahls ΔΩ ἢ PLATA 3% Acad i 846,
ey eit ie) 8Ogod tae 166 ἐν
Hasen im Weinlaub trinken aus der Mondschale.
Relief aus Konya (Ikonium), Inneranatolien,
ca. 8.Jh., Archéologisches Museum Istanbul.
Hasen in Verbindung mit Weinlaub in Tier-
friesen auf byz. Bildern (Géreme, Eustachios-
Kirche, Mitte 12.Jh.; Héhle Nahe Aufstieg zu
Goreme Shakli Kilise; AuRenrelief Achtamar,
1. Viertel 10.Jh.) geben immer noch Ratsel
auf. Aufschliisse liefert die Interpretation ei-
nes Reliefs, das in der ostanatolischen Stadt
Konya aufgefunden wurde — vermutlich aus
dem Umfeld des — Ikonoklasmus.
Deutungsschicht 1: Zwei Hasen trinken aus ei-
ner Mondsichelschale: In Mittelamerika wie in
Stidostasien wird der Viertelmond als Becher
fiir heiliges Wasser (Tirtha, das getrunken wird)
angesehen. In Griechenland war die Mondgét-
tin Selene die Tauspenderin, in Indien der
Mond der Becher des Géttertrankes Soma.
Die Weinstécke hinter den Hasen weisen auf
den Inhalt des Mondbechers hin ~ den Wein
der — Eucharistie. Auf dem Kopf unter ihnen
sprieBt eine Ahre heraus durch die Mondscha-
le hindurch — Sinnbild des eucharistischen Bro-
tes, das als neuer —> Lebensbaum Erde und
Unterirdisches mit dem Himmel verbindet.
»Die jungfrauliche Erde gebar Adam, das Haupt
der Erde. Die Jungfrau gebar heute Adam (den °
zweiten Adam Christus), das Haupt des Himmels.«
Ephrém der Syrer, Proph. XUI, 14
Der Kopf ist als Verstorbener zu verstehen,
der aufersteht wie das Weizenkorn:
»Es sei denn, daB das Weizenkorn ...
bringet es viele Frucht.« Joh. 12, 24
erstirbt, so
Heilige
Er reprasentiert zugleich den neuen Adam,
der begraben wurde und auferstand, und den
alten, der durch Christus der Auferstehung
teilhaftig wird.
Das Symbolbild bringt das Mysterium des Abend-
mahls mit einem Gestirn zusammen — was gut in
eine Zeit paBt, die Christus mit der Sonne, die Apo-
stel mit den Monaten und die Taufe mit Jahresan-
fang und Sonnenwende (—> Taufe Christi) in Bezie-
hung setzt. Da das Abendmahl im Dunkeln stattfin-
det, liegt es nahe, dieses Mysterium dem Mond zu-
zuordnen (die Muttergottes, dem —> Mond verbun-
den, gewinnt nach der Uberwindung des Ikonoklas-
mus groBe Bedeutung fiir die Eucharistie).
Deutungsschicht 2: Die aufsprieBende Ahre
wirkt schon von der 4u8eren Form her phal-
lisch, sie schieBt aus einem mannlichen Kopf
hervor und zielt direkt auf die Mondsichel.
Der Mond, in Asien wie in Griechenland
weiblichen Geschlechtes, steht in Beziehung
zur weiblichen Sexualitét. Hasen sind Sinnbil-
der der Sinnlichkeit. In der Antike war ihr
Fleisch ein Aphrodisiakum. Der Wein ist Chri-
sti Blut. Blut gilt in nahezu allen Religionen
als Konzentrat gefahrlicher weiblicher Kraft
(— Darstellung Christi im Tempel). Irendus
weist in seiner Schrift »Gegen die Haresien«
(2.Jh.) mit Abscheu auf eine gnostische Sekte
hin, die ein Abendmahl mit Sperma und Men-
struationsblut feiert. Extreme Praxis einer ex-
tremen Sekte! Subtiler kommt die Zuordnung
des Abendmahlsblutes in den Kaisermosaiken
in San Vitale, Ravenna, Mitte 6. Jh., zum Aus-
druck: Theodora spendet einen kostbaren
Abendmahlskelch, Justinian einen Diskos fiir
das Brot.
Deutungsschicht 3: Der Hase als Fruchtbar-
keitssymbol spielt mit der aufkeimenden Ahre
an auf die zyklische Wiederkehr von Saat und
Ernte, Tod und Wiedergeburt.
Hasenbilder mit oder ohne Weinranken wei-
sen auf die Verkniipfung der Eucharistie mit
der Astralebene, der Vegetation und der Auf-
erstehung hin.
Lagos — Logos — lagnos
Wegen seiner Namensdhnlichkeit — Lagos --
soll der Hase auch als Hinweis auf das géttli-
che Wort Christus — Logos — zu verstehen sein.
Der negativen Bewertung des Hasen als »wol-
liistig« durch einige Kirchenvater liegt m.E.
eine volksetymologische Ableitung von »la-
gnos« — wollistig, geil—zugrunde.
Heidenchristliche Kirche
HEKKAHCIA TQN EONQN
Ekklisfa ton ethnén
Friihchristlich-allegorische Frauengestalt, ver-
tritt die heidenchristliche Gemeinde, dem
Paulus zugeordnet (~ Peter und Paul, >
Kranz). Im Westen entwickelte sich daraus die
Personifikation der Ekklesia (Kirche). Gegen-
stiick ist die Allegorie der judenchristlichen
Gemeinde, dem Petrus zugeordnet, Vorbild
fiir die westliche Personifikation der Synagoge
(Santa Sabina, Rom, Anfang 5.Jh.; Santa Pu-
denziana, Ende 4. Jh.).
Heilige
OLATIOI
1 Ajii
Im Gnadenzustand Verstorbene, die im Lichte
Gottes leben. Wie die Gottesmutter kOénnen
sie von Menschen gebeten werden, Fiirbitte
bei Gott einzulegen. Manche Heilige greifen
bei Notlagen in die Menschenwelt ein, voll-
bringen Wunder (-> Georg).
Kalender der Heiligen (Minolojion)
Der 1. Fastensonntag, Sonntag der Orthodoxie
(— Bild), ist Gedenktag der Heiligen. Das Mi-
nolojion weist aus, da8 jedem Tag im Jahr
mehrere mannliche oder weibliche Heilige zu-
geordnet sind. Kirchen feiern den Tag ihres
Namenspatrones mit einem Fest (Panijiri).
Seine Ikone wird ausgelegt, sein Name im
Gottesdienst genannt. Fiir alle Orthodoxen ist
der Tag ihres Namensheiligen ihr gr6Btes per-
sOnliches Jahresfest.
Heilige — Vermittler zwischen Gottes- und
Menschenwelt
Die Kirche umfaBt die Lebenden und die Ver-
storbenen (— Hades). Die Heiligen, auch sie
siindige Menschen, hat Gott aus Gnade schon
in ihrem Leben der géttlichen Natur teilhaftig
149
Heimholung Marié
werden lassen. Wie im geweihten Wasser (—>
Taufe Christi) wird in ihnen der vergéttlichte
Zustand vorweggenommen.
Als verbindende Zwischenglieder zwischen
der g6ttlichen und der menschlichen Welt sind
sie in mittel- und spatbyzantinischen Kirchen
an den Wanden aufgereiht — umgeben die
Lebenden, die den untersten Rang in der
(— himmlischen Hierarchie einnehmen, dem
die Heiligen einst selbst angehérten. Die Hei-
ligen gliedern Zeit und Raum — Kirchenjahr
und Kircheninneres.
Die Bilder der Heiligen
Die byz. Heiligen haben eindeutige Namens-
beischriften, nur selten Attribute. Ihre — Ge-
wander sind eine Identifizierungshilfe. Im Kir-
chenschiff, den Glaubigen zundchst, werden
die Martyrer und Bekenner mit dem Kreuz in
der Hand abgebildet, sowie die Kriegerheili-
gen (-5 Demetrios, > Georg). Priesterheilige
besetzen das Allerheiligste. Die groBen Kir-
chenvater und Liturgen umgeben in der Apsis
den Altar.
Apostel, Evangelisten und Propheten stehen
iiber ihnen, sind als Weissagende oder Zeugen
des Heilsgeschehens in die Gewélbezone zwi-
schen die Bilder der Heilsereignisse des NT
entriickt.
»Herr unser Gott, Du hast erschaffen den Men-
schen nach Deinem Bilde und Gleichnis. Nachdem
er entweiht worden ist, durch die Ungehorsamkeit
des Ersterschaffenen (Adam), hat Du es (das Bild)
erneuert durch das Menschwerden Deines Christus,
der arinahm die Gestalt eines Knechtes und seiner
Erscheinung nach erfunden wurde als ein Mensch.
So hast Du zuriickgefiihrt Deine Heiligen zur ur-
spriinglichen Wiirde und indem wir Dein Abbild
fromm verehren, ehren wir die Heiligen, die Dir
Bild und Gleichnis sind. »Stillgebet bei der Weihe
einer Heiligenikone.
Im Kloster Warlaam, Meteora (1548 und 66)
tragen alle Heiligen (Martyrer, Eremiten,
Krieger) das Antlitz Christi: Von seiner Be-
stimmung her ist der Mensch als Gottes Bild
gedacht (1. Mose 1, 27) und in der kiinftigen
vergottlichten Welt wird er zum Bild des
fleischgewordenen Gottes.
150
Die Versammlung aller Heiligen um Christus, in der
Mitte Konstantin und Helena mit dem wahren Kreuz,
naive Ikone. Kykladeninsel Andros, 20. Sh.
Heimholung Maria
H KOIMHCIC THC Q@EOTOKOY
I kimisis tis Theoté6kou
Tod der Muttergottes im Kreise der Apostel.
Christus holt ihre Seele in den Himmel.
Der Festtag liegt am Ende des Kirchenjahres,
die bildliche Darstellung der Heimholung Ma-
ria findet sich am 4uBersten Ende des Kirchen-
schiffes an der Westwand (austauschbar gegen
das —> Endgericht).
Fest der »Entschlafung Marié«
und Volksbrauchtum
»Auferstehe, Herr, zu Deiner Ruhe, Du und die’
Lade Deines Heiligtums.« Ps. 131, 8 (132, 8).
Die — Bundeslade ist Typus der Gottesmutter
— Maria, der Vers gilt daher als prophetischer
Hinweis auf ihre Heimholung.
Das gré8te Marienfest und letzte Hochfest (-»
Festtagskalender) im am 1.September begin-
Heimholung Maria
nenden Kirchenjahr (im Westen bezeichnet als
»Marientod«, »Marié Heimgang« oder »Him-
melfahrt Maria«), wird seit Anfang des 7. Jh.s
in Konstantinopel am 15. August gefeiert.
1821 am 25.Marz, dem Tag der — Verktindigung
Maria — hatte der Metropolit Jermanos von Patras
als Signal fiir den Beginn der griech. Volkserhebung
gegen die Osmanenherrschaft das Lawaron aufge-
richtet (eine Altardecke, bestickt mit der Heimho-
lung Maria, heute in einem Kloster bei Kalawrita).
Am 15. August des gleichen Jahres wurde auf Tinos
(Kykladen) eine wundertatige Marien-Ikone aufge-
funden.
Beide J ahrestage werden in Griechenland, beson-
ders in Tinos, festlich begangen. Die Marine entsen-
det ein Schiff zur Insel.
Die Pilgerscharen auf Tinos
vv feiern ein religidses und zugleich nationales Fest.
Die Gottesmutter ist Schutzheilige Griechenlands,
das Fest der Verkiindigung Maria heute National-
feiertag.
x erhoffen vom Gnadenbild der Gottesmutter
Heilung ihrer Leiden und Gebrechen oder wollen
ein Geliibde einlésen. Vor allem Frauen laufen am
15. August in Tinos barfu8 vom Hafen zur Kirche
oder steigen die Treppe nach oben auf Knien hoch.
Die Pilger drangen sich um die »nicht von Handen
gemachte« Ikone (—> Ikonenwunder), um sie zu kiis-
sen, ihr eine Weihegabe (ex voto) anzuhangen
(Weihegabe, Nachbildung einer Person oder eines
erkrankten Gliedes in Silber oder Goldblech).
Kranke verbringen die Nacht vor dem 15. in der
Kirche (+ Kosmas und Damian). Am Morgen nach
der Liturgie trigt der Bischof, gefolgt von Honora-
tioren und Marinesoldaten, die Ikone in einer feier-
lichen Prozession rund um den Ort.
Kranke Pilger legen sich vor der Ikone auf den Weg,
damit sie tiber sie hinweggetragen werde.
Auf Paros findet in der Ekatontapyiani-Kirche eine
ahnliche Zeremonie statt. Mancherorts wird auch
die Bahre der Gottesmutter, tiber und tiber mit Blu-
men bedeckt, durch die StraBen getragen (Elassona,
Insel Patmos, Kassiopi auf Korfu) -- unverkennbar
eine Ubernahme der Zeremonie um den Epitaphios
am Karfreitag (Grablegung Christi, - Passionszy-
klus), ἡ
Der Kern des Heimholungs-Motives
Die Gottesmutter ist gerade verstorben, liegt
ausgestreckt — ihr Kopf meist nach rechts ge-
wandt ~ auf einer Liege. Um sie herum die 12
Apostel, die Marias Wunsche entsprechend,
durch die Luft aus allen Teilen der Welt zu
Heimholung der Gottesrnutter, Kloster Panajia
Mawrotissa bei Kastoria.
ihrem Totenbett getragen wurden — je nach
Uberlieferung in Jerusalem oder Ephesus.
Hinter ihr steht Christus in einer Mandorla, im
Arm ihre Seele in der Gestalt eines straff ge-
wickelten kleinen Kindes.
Die Wiedergabe der toten Seele als Wickelkind
kniipft an die uralte Gleichsetzung von Toten, die
auch gewickelt werden, und Ungeborenen an (Krip-
pe = Wiege — Altar, -» Geburt Christi). Die byz.
Tradition setzt den Tod Marias voraus, im Gegen-
satz zum rémisch-katholischen Dogma der leibli-
chen Aufnahme Marias in den Himmel.
MaBgebend fiir das Bildmotiv sind auf alteren
syrischen Vorlagen aufbauende Predigttexte
der Kirchenvater des 7. und 8. Jh.s (Modestus
von Jerusalem, Homilien des Johannes von
Thessaloniki, Andreas von Kreta, Germanos
von Konstantinopel, Johannes Damaszenus).
Der theologische Hintergrund: Maria war das
Werkzeug der Menschwerdung Gottes — und sie ist
auch der erste Mensch, bei dessen Tod deren Be-
deutung fiir die Menschen sichtbar wird — die Ver-
géttlichung des Menschen nach seinem Tod. Als
siindiger Mensch kann sie nicht selbst zum Himmel
auffahren wie Christus; ihr Sohn holt sie heim.
Entstehung und weitere Ausgestaltung
der Heimholung
Ob ein Relieffragment aus dem 6.Jh. (Bolnis-
Kapanakci-Basilika, Georgien) gegentiber der
Himmelfahrt Christi das dlteste Bild der
Heimholung Maria darstellt, ist umstritten.
Die Uberlieferung verbreitet sich um 600, das
Bildmotiv erscheint um 900, unmittelbar nach
dem Ende des Bilderstreites. Auf einem Fres-
ko in einer winzigen Héhlenkirche (A’aci Alti
151
Hesekiel-Vision
Kilise, Ihlara, 10. Jh.) greift Christi Hand nach
dem gedffneten Mund der liegenden, nach
links blickenden Gottesmutter und entnimmt
ihm die Seele, die sie gerade aushaucht. (Vor-
stellung vom Lebensodem als ‘Trager der See-
le; »Atem« ist verwandt mit dem Sanskrit-
Wort »Atman« = Hauch, Seele.)
Vom 10. bis 12. Jh. reicht Christus Marias See-
le mit temperamentvollem Armschwung (G6-
reme, Shakli Kilise, 11.Jh.) einem der beiden
Engel zu, die tiber ihm schweben und sie mit
verhiillten —» Handen in Empfang nehmen
(Matorana, Palermo, 1143; Elfenbeinevange-
liar Otto III., Ende 10. Jh.). ;
Das Motiv wird jetzt haufig neben oder gegen-
iiber der + Himmelfahrt Christi angeordnet.
Aus der Apostelschar um die mit gekreuzten
Armen — Geste des Betenden, Haltung des
Verstorbenen (— Totenbriéuche) — lang ausge-
streckte Gottesmutter heben sich heraus: Pe-
trus, mit weiBem, gekrauseltem Bart, die
Wange auf die rechte Hand aufstiitzend, meist
links vom Lager; Paulus mit schwarzem Bart
und Halbglatze, neigt sich tiber Marias FiBe;
Johannes, als gealterter Mann mit weiBem
Bart, sitzt hinter Maria und halt sein Gesicht
an ihre Wange (wie der jugendliche Johannes
auf Abendmahlsbildern an die Christi).
Ab dem 13.Jh. halt Christus die Marienseele
in beiden verhiillten Handen oder in der Arm-
beuge, kann auch die Rechte zur Christusgeste
erheben (Sopocani, 1265, Serbien, Panajia
Mawrotissa bei Kastoria).
Ab spatbyz. Zeit umgibt ihn eine mehrschalige
Mandorla, angefiillt mit Engeln, oft bekrént
mit einem —> Cherubim. Die Seelenfigur wie
die Engel werden durch ihre weiB-blasse Er-
scheinung als AngehGrige der Welt des Un-
sichtbaren charakterisiert (Chora-Kirche,
Konstantinopel, 1315-1321, Festbildikonen an
Bilderwanden).
Oft ist eine Sterbekerze (-9 Geburt Maria) ab-
gebildet, und Petrus schwingt am Totenbett
das WeihrauchfaB (-» Totenbrauche). Der
Duftrauch soll der Seele den Weg nach oben
bahnen.
Klagefrauen ziehen ins Bild mit ein, Kirchen-
vater versammeln sich in priesterlichen Ge-
wandern um das Sterbelager: Basilius, Gregor
der Theologe, Johannes Chrysostomos, auch
Johannes Damaszenus. Spat- und postbyz.
152
Fresken quellen iiber vor Figuren: Christus
wird von der Mandorla des — brennenden
Dornbusches umgeben, mitunter angefiillt mit
roten Cherubim. Maria ist nach westlichem
Vorbild als winzige Erwachsene ausgebildet,
manchmal mit Fliigelchen (Totenseelen als
Végel, - Adler, > Pfau). Zusiatzlich wird di-
rekt tiber dem Kopf Christi eine thronende
Mutter Gottes im Kreisnimbus ahnlich dem
des Himmelfahrtsnimbus Christi von zwei En-
geln nach oben zur Paradiesespforte getragen
(Kloster Warlaam, Meteora, 1548). Engel tra-
gen auf Wolkenteppichen die Apostel »aus
den vier Ecken der Erde« (Liturgie Abendgot-
tesdienst) herbei.
»Die Hand der Uneingeweihten soll in keiner Weise
beriihren die beseelte Lade Gottes ...«. Liturgie des
Festes Maria Tempelgang.
Vor dem Sterbelager kauert mit ausgestreck-
ten Handen der Fanatiker Athonius: Das win-
zige Figiirchen will die Allheilige entweihen.
Ein Engel ziickt sein Schwert oder hat dem
Frevler bereits die Hande abgehackt, die sich
noch an das Lager klammern. Fiirbittend hebt
die Liegende ihre Rechte, um Athonius zu hei-
len und zu bekehren (~ Hinde; — Bundes-
lade als Typus Marias nach 2. Sam. 6, 6-7).
Hesekiel-Vision
TA OPAMATA TOY IIPO®HTH
TEZEKTHA
Ta ordmata tou Profiti Jesekifl
Bedeutender — Prophet, sagte im babyloni-
schen Exil den Untergang Israels voraus. Die
Schilderung seiner Gottesschau (Buch Hese-
kiel des AT), seine endzeitlichen Prophezeiun-
gen hatten erhebliche Auswirkungen auf die
jiidische und christl. + apokalyptische Litera-
tur sowie auf byz. Darstellungen von Gottes-
visionen.
Prophet des Exils im AT
Gegen 608 wird Jojakim vom Agypterkénig —
Necho als K6nig iiber Israel eingesetzt. Er un-
terwirft sich 605 Nebukadnezar 11., der Necho
geschlagen, fallt dann wieder von den Babylo-
niern ab. Deshalb entftihrt Nebukadnezar 597
Jojakim und die gesamte Oberschicht, auch
Hesekiel, nach Babylon. Der Vasallenkénig
Hesekiel-Vision
Nebukadnezars, Zedekia, konspiriert mit
Agypten (Ez. 17, 15). 589-87 belagern die Ba-
bylonier Jerusalem, zerstéren Stadt und Tem-
pel, fiihren die Bevélkerung in die babyloni-
sche Gefangenschaft. 538 nimmt der Perserk6-
nig Kyros (Kores) Babylon ein und 148t die
Juden heimkehren.
Hesekiel schaut nach Jojakims Entfiihrung
und vor der Babylonischen Gefangenschaft
Visionen der g6ttlichen Herrlichkeit (Ez. 1).
Zunachst verkiindet er in ekstatischen Zustan-
den (»... da fiel die Hand des Herrn auf mich«,
Ez: 8, 1) (= Hand Gottes) seinen bereits im
Exil weilenden Landsleuten den Untergang
Rest-Israels als Strafe fiir die Vereunreinigung
des: Tempels durch fremde Géotterbilder und
Kulte. Mit einem Ziegelstein als Modell fiir
Jerusalem spielt er die Belagerung und Erobe-
rung der Stadt durch. Nach dem Fall (Ez. 33,
2) weissagt er die Wiederkehr Davids als des
gerechten Konigs, ein neues > Jerusalem und
einen neuen — Tempel, in dem Gott weilt.
Der Verfasser der Offenbarung Johanni (+ Apoka-
lypse) iibernimmt die Bildsprache Hesekiels, meint
jedoch die Himmelsstadt — kein irdisches Reich.
Hesekiels Gottesschau als Vision des Kosmos
Die Himmelsvisionen (Ez. 1, 4-28; 10, 1-21)
schildern eine menschengestaltige Lichter-
scheinung auf einem Thron in einem Regenbo-
gennimbus. Um sie herum vier --ῦ Cherubim
als Tetramorphen mit je vier Gesichtern --
menschen-, lowen-, stier- und adlerférmig --
sowie vier Fliigeln. Ihnen zugeordnet ein Sy-
stem aus vier ineinander geschachtelten R4-
dern — wie die Cherubim iibersat mit Augen,
zwischen denen es blitzt und donnert.
Die Tetramorphen sind die vier Weltenrichtungen.
(Die Institution der vier Tetrarchen — der vier Herr-
scher in den griechischen Kaiserreichen des Orients
und im rémischen Reich zur Zeit Diokletians --
griinden sich auf vergleichbare kosmologische Vor-
stellungen.)
Sie bilden zugleich den bronzenen Thronwagen Jah-
wes, der tiber den Himmel rollend den Donner er-
zeugt. Die Augen sind Sterne (—> Pfau), die vier
Gesichter bezichen sich auf Sternbilder.
Hesekiels Visionen sind beeinflu8t von der Ausstat-
tung des salomonischen Tempels: Als Thronsitz
Jahwes gilt die mit Cherubim geschmtickte Bundes-
lade. Zehn eherne vierradrige Kesselwagen, ge-
schmiickt mit Lowen-, Stier- und Cherubimmotiven
(1. Kén. 7, 27-35), lieferten kiinstlichen Donner zur
Beschwérung von Regen. Jahwe schickt Regen oder
versagt ihn.
Das Visionsbild und seine Verkniipfung
mit der Himmelfahrt Christi
Ausschnitt aus der Hesekielvision. Fresko auf der
Flachkuppel der Héhlenkirche zu den drei Kreuzen
in Giiliidere, Kappadokien. Wahrscheinlich vor
dem Bilderstreit entstanden.
Dargestellt wird die Hesekiel-Vision vom
5.Jh. an als knappe Zusammenfassung der >
Himmelfahrt Christi mit seiner Wiederkehr
(Tiiren, Santa Sabina, Rom, ca. 430). Die vier
Tiere werden jedoch entsprechend ihrer Ab-
wandlung nach der Apokalypse als je ein ge-
fliigelter Stier, Lowe, Adler und Mensch aus-
geformt, von vornherein gleichgesetzt mit den
— Evangelisten, deren vier Schriften das
Evangelium zu den vier Enden der Welt hin
verbreiten. In der Apsis von Osios David
(Thessaloniki, Ende 5.Jh.) erscheint Christus
auf dem Regenbogen, umgeben von den vier
Evangelistensymbolen tiber den vier Wassern
des Paradieses, flankiert von Hesekiel und Ha-
bakuk. Bis zum Bilderstreit (8.Jh.) wurde das
Motiv haufig in Apsiden (Karabas Kilise, Kap-
padokien) und Deckenwélbungen (Giilliidere,
Kirche zu den drei Kreuzen: Tetramorphen
mit Sonne und Mond um ein Kreuz) darge-
stellt. Einige ikonoklastische Symbole lassen
sich als Anspielung sowohl auf die Himmel-
fahrt, wie die Hesekielvision auffassen (— Bil-
derfeindliche Ornamente). Danach wird das
153
Himmel
eS
Gottvater mit dem Kreuznimbus Christi erscheint am Ende der Tage. Das Viereck bezeichnet den Kosmos mit
seinen vier Enden. Athoskloster Xeropotamou.
=
Motiv aufgesogen von der Himmelfahrt Chri- —- Himmel
sti, dem Christus — Pantokrator, auch vom
-ὦ Endgericht (ab 12. Jh.).
In der nachbyz. Wiederkunft Christi (Majestas
Domini) werden Elemente der Visionen Hese-
kiels, — Jesajas, + Daniels und der Johannes-
apokalypse zusammengefafit (Athoskléster).
Apsisbild Moni Thari auf Rhodos (1506): der trium-
phierende Christus hat bereits den bis dahin — lee-
ren Thron besetzt. Ihn umgibt eine Kosmos-Raute,
hinter der vier Wesen hervorblicken, selbst wieder
eingefaBt in zwei blaue Strahlen aussendende Krei-
se. Flankiert wird die Erscheinung links von Hese-
kiel und der Gottesmutter, rechts von Jesaia und
Johannes dem Taufer.
154
O OYPANOC
O ouranés
Unsichtbarer Herrschaftsbereich Gottes, Auf-
enthaltsort der Seligen nach der Wiederkunft
Christi, symbolisch wiedergegeben durch
Kreis (als die vollkommene Form), Kuppel,
Baldachin, Zelt oder Paradiesesgarten.
Kreis — Kugel — Halbkugel
Ein komplettes Stichkappengew6lbe mit musi-
vischer Kreuzessonne und Sternen (Galla Pla-
cidia, Ravenna, ca. 422) oder ein Kreis mitten
in einer Apsiswélbung (San Apollinare in
Himmel
Classe, Ravenna, 549) ist Darstellung des
Himmels. Die friihchristl. Kranze mit Chri-
stusmonogramm, Kreuz oder Lamm sind, wie
die engelgetragenen Kreisnimben der > Him-
melfahrt, der Regenbogennimbus des Panto-
krators zeichenhaft verkiirzte Hinweise auf ihn
— siehe die Scheiteldarstellung im Presbyte-
rienkreuzgewélbe von San Vitale (Ravenna,
vor 547): Das Lamm vor Sternenhintergrund
im Bliitenkreis, gehalten von den vier Engeln
der Himmelsrichtungen.
In mittelbyz. Zeit deuten Halbkreise oben im
Bild, von denen Strahlen ausgehen, den Him-
mel an,.auf'spat- und postbyz. Ikonen Viertel-
kreissegmente in der rechten oberen Bildecke,
in denen die Hand Gottes, Christus oder auch
Gottvater erscheint.
In der byz. Architektur reprasentiert die
Hauptkuppel den Himmel. Eine Kugel kann
den Himmel (Apsisw6lbung San Vitale, 6. Jh.)
“oder den—> Kosmos ineinen-
: cee narra Caen
Klosterkirche Daphni, Ende 11.Jh.
Baldachin und Zelt als Himmel
Baldachin und — Ciborium sind Bildzeichen
des Himmels. Baldachinartig ist auch das
Tuch, das die seltene frithchristl. méannliche
Allegorie des Himmels iiber ihrem Kopf aus-
spannt. Dariiber thront Christus (Sarkophag
des Junius Bassus, Vatikan, 359; Buchmalerei)
— ein richtiges Himmelszelt:
»Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mam-
mon, damit sie, wenn es euch schlecht geht, euch
aufnehmen in die ewigen Zelte.« Luk. 16, 10
Im Baptisterium der Orthodoxen (Ravenna,
5.Jh.) stehen die Apostel (= Sternbilder) un-
ter hochgerafften, am Scheitelreifen befestig-
ten Stoffen des Himmelszeltes (Erinnerung an
die Stiftshiitte fiir die > Bundeslade des AT).
Die tippigen Textildekore auf frith- und mittel-
byz. Mosaiken und Fresken verwandeln Ge-
wolbe und Decken der Architektur in Bahnen
des Himmelszeltes.
Das Paradies
Gleichbedeutend mit dem Himmel ist das Pa-
radies, friihchristl. als Htigel mit vier Wasser-
quellen (1.Mose 2), oft direkt unter einer
Himmelskugel oder einem Himmelsnimbus,
oder in Form von Palmen unter tippiger Vege-
tation (San Vitale) dargestellt, mittelbyz. als
lichtweiBer Garten mit Pflanzen (> Endge-
richt), als > Abrahams Schof oder als himm-
lisches > Jerusalem.
Zusammengerollter Himmel. Motiv aus der Apoka-
lypse des Johannes. Chorakirche, Konstantinopel,
1315-1321.
155
Himmelfahrt Christi
Himme\lfahrt Christi
H ANAAEIWIC TOY XPICTOY
I andlipsis tou Christoti
»Emporhebung« Christi durch Engel in den
Himmel. Wichtiges Motiv, angeordnet in
hochgelegenen Teilen der Kirchenréume, hau-
fig mit Visionsdarstellungen oder denen der
Wiederkunft Christi verschmolzen.
Das Himmelfahrtsfest und sein Brauchtum
Nach seiner Auferstehung »lieS er (Christus)
sich sehen unter ihnen (den Jtingern) 40 Tage
lang und redete vom Reiche Gottes« Apg. 1, 3.
Das Hochfest (-» Festtagskalender) wird am
Donnerstag 40 Tage (—> Zahl 40) nach Ostern
gefeiert. In apostolischer Zeit hatte das Urfest
der Christenheit, Ostern, auch Himmelfahrt
und Pfingsten mit eingeschlossen: die vollen-
dete Auferstehung. Im 3.Jh. kam ein eigenes
Pfingstfest auf, von dem sich im 4.Jh. das
Himmelfahrtsfest abspaltete. Der Brauch der
Griechen, zu Himmelfahrt erstmals im Jahr im
Meer zu baden, erinnert an die gemeinsame
Feier von Himmelfahrt und Pfingsten und den
dabei verlesenen Evangelientext: »Wer an
mich glaubt ... von dessen Leib werden Stréme
des lebendigen Wassers flieBen!« Joh. 7, 38
Die Hauser der Kiistenregionen werden mit
Seewasser bespritzt, in den Bergen segnen die
Papades die Herden. Himmelfahrt ist auch der
Tag der Hirten und Herdenbesitzer.
Das Himmelfahrtsmotiv in der Gewélbezone
und der Kuppel ;
»Er (Christus) fithrte sie (die Jiinger) in Richtung
Bethanien (auf den Olberg), hob die Hande auf und
segnete sie. Und wahrend er sie segnete, geschah es,
da8 er von ihnen schied und in den Himmel auf-
fuhr.« Luk. 24, 50-51
Im oberen Bereich des zweiteiligen Motives
wird eine Kreisaureole von vier (oder zwei)
Engeln nach oben getragen. Der darin als
Weltenherrscher thronende Christus hat die
Rechte segnend erhoben, halt in der Linken
die Schriftrolle. So wird er am Ende der Tage
als Weltenrichter wiederkommen:
»... da standen bei ihnen (den Aposteln) zwei weib-
gekleidete Manner und sagten: ... dieser Jesus, auf-
gehoben von euch weg in den Himmel, der wird
156
wiederkehren auf die gleiche Weise, wie ihr ihn ge-
sehen habt, in den Himmel fahren.« Apg. 1, 10-11
In der Mitte des unteren Teils steht frontal
zum Betrachter gewandt, in souveriner Ruhe
mit erhobenen —> Handen (> Oranten) Maria
als Reprasentantin der Kirche zwischen zwei
weiBgekleideten Engeln.
Links und rechts von ihr je sechs Apostel, die,
im Gegensatz zu ihr, mit ekstatischer Gestik
zum Himmel aufblicken. Die Festtagsliturgie
regt die Glaubigen an, sich in die Lage der
Jiinger zu versetzen:
»Kommt, laBt uns aufrecht stehen, die Augen und
Gedanken, die Blicke und Gefiihle erheben ... als
~ wenn wir auf dem Olberg stiinden und den auf Wol-
ken getragenen Erléser schauten.«
Olivenbiume vertreten den Olberg (El Nazar,
Goreme, Ende 10. Jh.; Cavusin, 964; Ajia So-
phia, Thessaloniki, ca. 1000), symbolisieren
zugleich den offenen Zugang zum Himmel
(—> Baum, — Berg, + Himmelsleiter).
Die obere himmlische und die untere irdische Mo-
tivhalfte werden auch raumlich getrennt, auf zwei
Ikonen aufgeteilt oder an unterschiedlichen, jedoch
tibereinander gelegenen Stellen dargestellt: Christus
in der Kuppel bzw. im Gewdlbe, die Zuriickbleiben-
den im Kuppeltambour bzw. an der Hochwand. So
wird im Himmelfahrtsbild -- zugleich Bild der Wie-
derkunft Christi (= Endgericht) — die Spannung be-
tont zwischen der Jenseitigkeit Gottes und seiner
Vereinigung mit der Welt. Dem Motiv wird bis zum
11.Jh. eine Vorzugsstelle reserviert: Apsis, Haupt-
kuppel, Nebenkuppel, Hochwand iiber der Apsis,
Gewiolbe, héchster Teil der Naos-Riickwand. Ab
dem 12.Jh. nimmt der — Pantokrator — zu verste-
hen als bildliche Kurzformel des Himmelfahrts-/
Wiederkunftsmotivs — die Hauptkuppel in An-
spruch.
Entwicklung und Ausgestaltung des
Himmelfahrtsmotivs
Zur Vorgeschichte und zum Umfeld des Him-
melfahrtsbildes zu zahlende Darstellungen
sind:
zr die Kaiserapotheose (Consecratio)
vr das engelgetragene Siegeskreuz (Tropaion)
auf Sarkophagen (> Kreuz)
¥ die feurige Auffahrt 468 --ὸ Elias
¥ die —> Hesekielvision
% die—> Orantin.
Himmelfahrt Christi
fa Sn
Himumelfahrtsdarstellung aus der Héhlenkirche vom Taubenschlag in Cavusin, Kappado
42 v.Chr. 181 Augustus, ankntipfend an den
Kult um Alexander den GroBen, den ermor-
deten Julius Caesar durch Senatsakt (Conse-
cratio) fiir géttlich (divus) erklaren. Fir seine
eigene Verbrennung schreibt er vor, einen Ad-
ler — Verkérperung seiner Seele — vom Schei-
terhaufen auffliegen zu lassen. Hauptsymbole
auf den Kaisergedenkmiinzen sind von nun an
Scheiterhaufen, — Adler (fiir Kaiserinnen --ὸ
Pfau), von Genien gehaltene Ehrenkranze, an
den Sonnenwagen erinnernde Zwei- oder
Viergespanne (Vergéttlichung des Herrschers
als Gestirn). Auf der letzten vom rémischen
Senat ausgegebenen Consecrationsmiinze
fahrt Konstantin, der Elemente des Sonnen-
kultes ins Christentum einbrachte, auf dem
Sonnenwagen zum — Himmel hoch, aus dem
sich ihm die +> Hand Gottes (friiheste Darstel-
lung!) entgegenstreckt.
Die Sonnenwagenvorstellung wirkte sich auf
die jtidische (Synagoge Dura Europos, 3.Jh.)
wie die christliche Wiedergabe der Himmel-
fahrt Elias aus. Als Typus fiir die Himmelfahrt
Christi hat sie ihrerseits deren Darstellung be-
einfluBt.
= Gee
kien.
Die Reidersche Tafel sieht Auferstehung und
Himmelfahrt als Einheit:
Christus vom Grabe her kommend, schreitet direkt
iiber eine Flanke des Olberges hinauf nach oben.
Aus den Wolken heraus ergreift die Hand Gottes
seine Rechte. Darunter kauern zwei Jiinger, rechts
am Grab Wachter.
Drei Frauen, darunter (ohne Spezereien) wenden
sich dem — noch fliigellosen -- Engel zu, der ihnen
seine Rechte segnend entgegenstreckt. Hinter ihm
die konstantinische Grabkapelle tiber dem Heiligen
Grab (2.Viertel 4.Jh.). Die Tir ist verschlossen,
wie das Grab, aus dem der Auferstehende entwich.
Aus der Kapelle wachst der -> Lebensbaum -- Zei-
chen des offenen Zugangs zum Himmel. Die friich-
tepfliickenden Seelenvégel in den Zweigen sind die
Raben, die Elias Nahrung bringen (1. K6n. 17, 6).
Drei Anspielungen auf die Himmelfahrt ent-
halten die Holzreliefs von Santa Sabina (Rom,
430, ostmittelmeerische Kistler):
yr Auf einem Feld im unteren Teil fahrt Elia
auf dem Feuerwagen nach rechts oben. Ein
iiber ihm schwebender Engel zieht den an ei-
nem Stab hangenden Propheten kraftvoll
Richtung Himmel.
157
Himmelfahrt Christi
yw In einem Feld links dartiber wird Christus
auf einer Anhéhe von zwei tiber ihm schwe-
benden Engeln buchstablich »nach oben ge-
zerrt«. Vier Jiinger, darunter, kauern er-
schrocken oder gestikulieren ekstatisch.
vv Auf dem Felde rechts daneben, direkt tiber
der Eliasdarstellung, triumphiert Christus in
einem Kreisnimbus stehend. Die ihn umge-
benden vier Fliigelgestalten sind als — Evan-
gelisten wie als apokalyptische Tetramorphen
(— Hesekiel-Vision) zu sehen (Kombination
von Auffahrt und Wiederkunft).
-ς S|
Elfenbeinrelief, sog. Reidersche Tafel, mutmaflich
Milano, um 400, jetzt in Miinchen, faBt Auferstehung
und Himmelfahrt zusammen.
Unter dem Kreisnimbus als Himmel Gottes
der irdische Himmel mit Sonne und Mond
tiber einer Orantin — zugleich Allegorie der
Kirche und der Muttergottes. Petrus und Pau-
lus (?) halten tiber sie einen Kranz mit dem
Triumphkreuz, irdisches Symbol (-» Kreuz)
158
ftir den hoch iiber ihm im Himmel schweben-
den triumphierenden Christus (Kombination
von Symbol und Bild des Symbolisierten).
Nahe steht dem Relief das koptische Apsis-
fresko von Babit (5. oder 7.Jh.; Koptisches
Museum Kairo). Im 150 Jahre spater voll ent-
wickelten byz. Motiv sind die Inhalte der drei
Himmelfahrtsdarstellungen miteinander ver-
schmolzen: Christus bewegt sich nicht mehr
selbstandig oder von Engeln gezogen nach
oben. Dem Evangelientext entsprechend wird
seine Mandorla von vier Engeln »aufgehoben«
(Kastchen Sancta Sanctorum, Rom, 6.Jh.),
mitunter auch noch von den Tetramorphen
der — Hesekielvision (Rabula-Evangeliar,
586).
Bereits auf dem Relief des Prinzensarkophags
(Konstantinopel, um 400) tragen vier Engel
die Lichtgloriole des darin thronenden Chri-
stus. Das bis zum Bilderstreit haufige Motiv
eines von vier Engeln getragenen Kranzes
oder Kreises (Bildchiffre fiir Himmel) um das
Kreuz, das Christusmonogramm, das Lamm
oder eine Christusbiiste, ist zeichenhafter Hin-
weis auf den zum Himmel fahrenden und wie-
derkehrenden Heiland (Erzbisch6fliche Ka-
pelle, Ravenna, um 500; Lamm im Kranz in
San Vitale, um 550).
Christusmonogramm im Kranz, von zwei Engeln ge-
halten, Triumphzeichen Christi und Anspielung auf
die Himmelfahrt Christi und in seiner Nachfolge des
bestatteten Verstorbenen. Sarkophag, Archdologi-
sches, Museum Istanbul, 4. Sh.
Da8 Christusmonogramme, in der Aureole oder im
Kranz von zwei Engeln getragen, die gleiche Bedeu-
tung haben, wird nahegelegt
xv durch frie mittelbyz. Himmelfahrtsbilder mit
nur zwei Engeln,
x durch einen koptischen Grabstein (5. Jh., jetzt in
Recklinghausen): zwei Engel ziehen eine Christus-
biiste mit einem Kreuzsymbol vor der Brust am
Haupthaar nach oben (wie Habakuk den — Da-
niel). i
Himmelsleiter
Zeichenhaft verkiirzte Wiedergabe des triumphierend
auffahrenden Christus in der Barbara Kilise, Gére-
ime, Kappadokien.
Bilderfeindliche Christen des 8. und 9.Jh.s
(Ikonoklasten) reduzierten das seit dem 6./
7.Jh. voll entwickelte Himmelfahrtsmotiv zu
einem schlichten Zeichen: Ein eucharistisches
Kreuz im Kreis reprisentiert den Christus
triumphans, einfache Standartenzeichnungen
die ihn tragenden Engel (Barbara Kilise; >
Bilderfeindliche Ornamente).
Christus triumphans zum Himmel fahrend vor seinem
Monogramm, A’aci Alti Kilise, Ihlara, Kappadokien,
10. Sh. oder frither?
Der naive Himmelfahrtschristus in der Kuppel
der A’aci Alti Kilise (Kappadokien) ist mit ei-
nem groben, an ikonoklastische Zeichen erin-
nernden Christusmonogramm unterlegt (— Bil-
derfeindliche Ornamente).
Vom 9./10.Jh. an kristallisiert sich aus dem
Himmelfahrtsmotiv in der Hauptkuppel die >
Pantokratordarstellung heraus.
Himmelsleiter
H KAIMAE TOY IIAPAAEICOY
I klfmax tou paradisou
Zugang zum Himmel fiir aufsteigende Men-
schen oder fiir herabsteigende Himmelswesen,
in Visionen geschaut, symbolisch dargestellt
oder als Allegorien in religidser Literatur be-
schrieben. Himmelsleitern sind auch — Berge
und Baume (— Lebensbaum).
Archetypisches Oben und Unten
Die universelle Vorstellung, da8 das Géttliche
immer oben in unerreichbarer Hohe zu suchen
ist, hat das Bediirfnis geweckt, eine Verbin-
dung zwischen Himmel und Erde herzustellen,
auf der die Menschen nach oben (Mose auf
dem Sinai, Christus auf dem Berg der Verkla-
rung) oder die géttlichen Wesenheiten nach
unten gelangen kénnen, um den Menschen zu
erscheinen. Ein Erscheinungsort ist stets heilig
— eine Himmelspforte. Natirliche »Himmels-
leitern« sind + Berge und Baume (—> Lebens-
baum). Kiinstliche Berge.mit Himmelsleiter-
funktion sind die Pyramiden Agyptens und die
Zikkurat-Ttirme Babylons (> Turmbau zu
Babel).
Die Schamanen Zentralasiens und Nordameri-
kas nutzen rituell oder ekstatisch Berg, Baum
oder Vogelflug, um in eine andere Welt vorzu-
dringen.
Die Jakobsleiter und ihre Symbolik
»Und Jesus ... sagt zu ihm: Amen, amen, ich sage
Euch, ab sofort werdet Ihr den Himmel sehen auf-
getan und die Engel Gottes herauf- und herabstei-
gen tiber den Menschensohn (wie tiber eine Leiter)«
Joh. 1, 51.
»Wenn die heilige Pforte sich auftut, und der Vor-
hang zur Seite geschoben wird, dann stell Dir vor,
daB sich der Himmel 6ffnet und Engel emporstei-
gen.« Johannes Chrysostomos
159
Himmelsleiter
1. Mose 27, 11-22 berichtet tiber eine Vision
des Enkels von Abraham:
»Und er nahm einen Stein an dem Ort und legte ihn
an sein Kopfende und legte sich dort schlafen. Und
ihm tréumte: Siehe, eine Leiter stand auf der Erde,
die riihrte mit der Spitze an den Himmel, und siehe,
die Engel Gottes stiegen herauf und herab. Und
obenan stand der Herr ... Als Jakob aus dem Schlaf
erwachte ... fiirchtete er sich und sagte zu sich
selbst: Wie heilig ist diese Statte. Das hier ist nichts
anderes als das Haus Gottes, hier ist die Pforte des
Himmels ... Nahm den Stein, den er an sein Kopf-
ende gelegt, richtete ihn auf als Malzeichen und goB
— Ol darauf. Und er nannte die Statte Beth-el
(Haus Gottes).«
Jede orthodoxe Kirche ist Pforte des Himmels.
Ihr Grundstein als der Stein Jakobs, auf den
sich die Himmelsleiter stiitzt, wird bei der
Grundsteinlegung vom Priester mit Ol geweiht
(— Kirchenbau).
Vom Friihchristentum an gilt die Jakobsleiter als
Typus der Himmelfahrt Christi. Auf der Reider-
schen Tafel (-> Himmelfahrt) klettert Christus re-
gelrecht in den Himmel. Bei Jakobs Traum liegt das
Gewicht eher auf dem Herabsteigen géttlicher Kraf-
te. In Goethes Faust wirkt das Bild nach: »... wie
Himmelskriifte auf- und niedersteigen und sich die
goldnen Eimer reichen ...«
Referees shad
Die Paradiesesleiter fiir die Ménche, Trapeza
(Speisesaal) eines Athosklosters.
160
Johannes Klimakos. Chorakirche, Konstantinopel,
Dargestellt wird die Leiter zusammen mit Ja-
kobs Engelkampf. Gottvater an der Himmels-
pforte ist meist ersetzt durch die Gottesmutter
(Chorakirche, Konstantinopel, 1315/21), als
der Himmel und Erde verbindenden Pforte
und Leiter zugleich:
»Sei gegriiRet (Maria), himmlische Leiter, tiber die
herabsteigt Gott! Sei gegriiBet, Brticke in der an-
dern Richtung zum Himmel fiir die, die von der
Erde sind!« Akathistos Hymnos (—> Maria).
Sues)
1315-1321.
Himmilische und kirchliche Hierarchie
Die Ménchsleiter des Johannes Klimakos
Der Abt des Katharinenklosters auf dem Si-
nai, Johannes Klimakos (7.Jh.), beschreibt in
einer Erbauungsschrift fiir Ménche eine 30stu-
fige, nach oben fiihrende Himmelsleiter.
Ikone des 12.Jh.s (Sinai): 24 Ménche steigen
von der linken unteren Ecke nach rechts oben,
wo in einem Himmelssegment Christus die Ar-
me nach ihnen ausstreckt. Engel in der linken
oberen Ecke neigen sich ihnen mit verhiillten
Handen zu. Schwarze Engel versuchen sie mit
Fangleinen, Zangen, Pfeilen zu Fall zu brin-
gen. Sechs Miénche klammern sich mit den Fi-
Ben an der Leiter fest. Einer ist schon abge-
sttirzt, aus dem Rachen eines schwarzen Rie-
senkopfes ragen seine Beine. Einem Ménch
ganz oben reicht Christus ein Tuch hin. Ohne
Christi Hilfe schafft niemand den Aufstieg.
Spat- und postbyz. Wandmalereien in kléster-
lichen Speisesilen wie auf Athos, erweitern
das Motiv um die Andeutung eines Klosters,
aus dem Ménche heraus- und zur Leiter hin-
treten. Der Héllenrachen entspricht dem Dra-
chenkopf des — Endgerichts. Engelscharen
greifen ein, halten erschépfte M6nche am Ge-
wandzipfel fest. Christus ergreift den obersten
mit der Rechten, setzt ihm einen Kranz auf
den Kopf oder halt ein Spruchband:
»Kommet her zu mir alle, die ihr miihselig und bela-
den, ich will Euch erquicken!« Matth. 11, 18
Bildbeischrift laut Malerhandbuch (Ermenia):
»... da Du die Engelchére hast als Schutz, so kannst
der bésen Geister Schar Du heil passieren; hast erst
des Himmels Pforte Du erreicht, empfangst Du aus
des Retters Hand der Tugend Kranz.«
Johannes Klimakos hat die spatantike kosmi-
sche Vorstellung, da8 die Totenseelen tiber
die sieben von den damonischen Archonten
beherrschten Planetensphéren hinaus in die
Seligkeit klettern, ins Ethische umgedacht.
Himmilische und kirchliche
_ Hierarchie
H THC OYPANIAC/
EKKAHCIAC IEPAPXIA
I tis ouranfas /ekklisfas ierarchia
Neuplatonisch beeinfluite ontologisch-kosmo-
logische Vorstellung, sieht die unsichtbare und
die sichtbare Welt aufgebaut aus abgestuften
Rangordnungen. Ursprung dieser Ordnungen
ist die géttliche Lichtausstrahlung, die sich her-
absinkend von Stufe zu Stufe immer mehr ab-
schwacht. Die Ranghohe einer Ordnung hangt
von ihrer Nahe zum gottlichen Ursprung ab.
Die pseudodionysischen Schriften tiber die
himmilische und kirchliche Hierarchie
Um 500 hat ein syrischer Autor unter dem Na-
men des im NT erwahnten Dionysios Areopa-
gita (Gedenktag 3. Oktober) Schriften »Uber
die himmlische und die kirchliche Hierarchie«
verfaBt. Eine grandiose Zusammenschau
christ]. und neuplatonischer Vorstellungen hat
als ganzheitliches Weltbild die orthodoxe Gei-
stigkeit, Kultur und Kunst entscheidend ge-
pragt. Die katholische Kirche hat den »Pseu-
dodionys« immer geschétzt (Bernhard von
Clairvaux, 11153, Hildegard von Bingen,
+1179), der Protestantismus ihn véllig ver-
kannt — Luther: »Fabeln«, »Hirngespinste«,
»Truggeschichten«.
Die areopagitische Sicht des Kosmos
Gott ist seinem Wesen nach unbegreifbar und
unbeschreibbar. Sein tiberstrémender Uber-
flu8 ergieBt sich wie Sonnenlicht. Aus den
tibergeflossenen Emanationen besteht alles,
was existiert. Die aus dem Urgott als das Licht
Christus entstrémende und von oben nach un-
ten entsprechend der Entfernung vom gdttli-
chen Urquell abgestufte Heilsordnung umfaBt
eine obere in drei mal drei Ordnungen unter-
gliederte Hierarchie der Unsichtbaren und
Unkérperlichen (Engel) und eine untere sicht-
bare Hierarchie der Kirche. Darunter noch ei-
ne Hierarchie des Gesetzes des AT, die ihren
Zweck erfiillt hat und von Dionys nur knapp
gestreift wird (— Schatten).
Die Darstellungen der Hierarchien
auf dem Athos
»Die Chore der heiligen Engel sind nach dem heili-
gen Dionys, dem Areopagiten, neun, welche in drei
Ordnungen zerfallen. Die erste Ordnung: Throne,
Cherubim, Seraphim.
Die Throne werden wie feurige Rader dargestellt,
welche ringsum Fligel haben. Mitten in den Fligeln
haben sie Augen; sie sind miteinander verschlungen
und werden wie ein kéniglicher Thron dargestellt.
161
Himmlische und kirchliche Hierarchie
co
Ubersicht: Der Stufenbau der Hierarchien in der areopagitischen Mystik
Christus als hervorquellendes g6ttliches Licht
Himmilische 1, Ordnung 1. Throne Die drei Gruppen der reinen,
Hierarchie (Kol. 1,16) 2. Cherubim beschauenden und vollendeten
(unsichtbar, geistige 3. Seraphim Engel werden von Gott selbst
Schau, immaterielle erleuchtet. Singen das Trisajion
Kenntnis Gottes) (— Eucharistie)
2. Ordnung 4. Herrschaften werden erleuchtet von der
(Eph. 1, 21; 5. Gewalten ersten Engelordnung
1. Kor. 15, 25; 6. Machte
Rom. 8, 38)
3. Ordnung 7. Firstentiimer werden erleuchtet von der
(Rém. 8, 38) 8. Erzengel zweiten Engelordnung und
9. Engel erleuchten die erste Ordnung
der kirchlichen Hierarchie
Kirchliche Hierarchie 1. Ordnung 1, Myronsalbung Vollendung
(sichtbar, geistig-sinn- Drei» Myste- 2. Eucharistie Erleuchtung
lich, angewiesen auf rien 3. Taufe Reinigung
sinnlich einsehbare
Bilder der geistigen 2. Ordnung 4. Bischéfe vollenden
Wirklichkeit) Mysterienspen- 5. Priester erleuchten
dende Kirche 6. Diakone reinigen
3. Ordnung 7. Ménche werden vollendet
H6rende Kirche 8. Gemeindemitglieder | werden erleuchtet
9. Unvollkommene wie —_ werden gereinigt
Bii®er, Katechoumenen
Hierarchie Obere Ordnung Geistige Kultur der Eingeweihten vor dem Zelt der
des Gesetzes Bundeslade
(Alttestamentliche,
jetzt tiberholte Welt) Untere Ordnung Dunkle Bilder (— Schatten) der Wahrheit, weit entfernt
von den Urbildern
Die Bezeichnungen Throne, Herrschaften, Gewalten, Machte, Fiirstentiimer werden von Paulus im
Hinblick teils auf Engel, teils auf dimonische Machte (Astrologie) benutzt
Die Cherubim haben einen Kopf mit zwei Fliigeln,
die Seraphim sechs Fliigel, wovon zwei das Ange-
sicht und die zwei anderen die FiiRe bedecken, und
mit den zwei anderen fliegen sie und tragen in den
Handen einen Ehrenfacher mit dieser Schrift: Hei-
lig, heilig, heilig usw. (Eucharistie). So sah sie der
Prophet Isaias (Kap 6, 3).
Die zweite Ordnung, welche Regierungen genannt
wird: Herrschaften, Krafte, Machte. Sie tragen Sti-
charien (—> Gewdnder) bis zu den FiiRen, sie sind
umgiirtet und haben goldgriine Orarien. In der
Rechten haben sie einen goldenen Bandstreifen, in
der Linken aber ein Siegel.
Die dritte Ordnung: Fiirstentiimer, Erzengel, Engel
162
... Sie tragen Kriegergewander und sind mit golde-
nen Giirteln umgiirtet, und in den Handen halten
sie Lanzen mit Axten und SpieBe ...« Malerhand-
buch (Ermenia)
Abgebildet in spatbyz. Gewélbekuppeln wird
die himmlische Hierarchie — die kirchliche ist .
in der Priesterschaft —-in der Gemeinde und in
den— Mysterien gegenwartig.
Eine erweiterte Fassung der kirchlichen Hierarchie
zeigt Christus in einem sechsstrahligen Stern, um-
sdumt von der Schrift: »Die ganze Geisterwelt mége
den Herrn loben, lobet ihn in der Héhe, Dir dem
Gotte gebiihrt ein Lobgesang.« In der Rechten hilt
Hirsch
Ubersicht II: Das areopagitische System in der abbildenden Architektur
Mittelbyz. Kreuzkuppel-
Ajia Sophia,
Baptisterium der Orthodoxen,
kirchen (Naos) Konstantinopel, 6.Jh. Ravenna, um 450
Christus Pantokrator hell beleuchtet Hauptkuppel mit — Taufe Christi auf Goldgrund
als g6ttliche © (Helligkeit nimmt nach unten Kreuz, hell durch (Theophania!)
Lichtquelle πίη ab!) . Fenster beleuchtet
Abstufungen Gewélbezone: Erscheinun- Hauptkuppelruht auf Goldornament auf blauem
nachunten ρθη der Gottlichkeit Christi zwei Halbkuppeln, die Grund wird nach unten hin
(Theophanien).
Wandzonen oben: Mensch-
liches Wirken Jesu (Passion).
᾿ Wandzonen halbhoch:
Heilige, Martyrer.
Unten im Schiff: Gemeinde
wieder auf drei (bzw.
zwei) kleineren Halb-
kuppeln aufliegen
(Kuppelkaskade)
sparsamer, raumliche Reali-
tat, erst als Relief und spater
in Form von Nischenbildun-
gen, an den acht Seiten des
Oktagons nimmt nach unten
hin zu
Himmlische Hierarchie. Die neun Engelchére sind
allerdings in Kreissektoren um Christus herum
angeordnet, nicht in konzentrischen Kreisen.
Athoskloster Mega Lawra. ~
Christi ein aufgeschlagenes Buch Joh. 18, 36: »Mein
Reich ist nicht von dieser Welt. «
Der Stern, hinter dem die vier Evangelistensymbole
hervorlugen, sitzt in einem Kreisgebilde mit Sonne,
Mond und den zwilf Tierkreiszeichen. Die davon
ausgehendéen Achtstrahlen-Zacken formen Nischen
fiir die Engelchére (Dochiariou, Athos, ca. 1568).
AuBen gruppieren sich verstorbene Repradsentanten
der kirchlichen Hierarchie: Erzvater, Propheten,
Apostel, Bischéfe, Martyrer, rechtglaubige K6nige,
Martyrerinnen, gottgeweihte Frauen.
Die neun Engelchére kommen in spat- (Vene-
dig, San Marco) und nachbyz. Zeit vor
(Athos): Sie entfalten sich jedoch nicht kon-
zentrisch, sondern gruppieren sich um den
triumphierenden Christus -- auf dem Athos
hdufig auf acht verringert.
Die tiberzeugendste Darstellung der himmli-
schen und kirchlichen Hierarchie verk6rpert
sich in der Architektur des byz. Kultraumes in
Verbindung mit dem Bildprogramm (s. Ka-
sten).
Auf dem H6hepunkt der Feier der Auferste-
hung Christi (+ Ostern) wird der mystische
Kosmos des Areopagiten rituell umgesetzt:
Der Priester gibt das Kerzenlicht weiter an den
Vordersten in der Kirche, und, von da aus
wird es weitergegeben nach hinten, bis die Kir-
che von Licht durchflutet ist.
Hirsch
O EAA®OC
O élaphos
Als Schlangentéter Bild Christi, der den Satan
besiegt, als diirstendes Tier Symbol des Glau-
bigen, den es nach lebensspendendem Wasser
verlangt.
Hirsch und Schlange
»Der Physiologus sagt vom Hirsch, daB er der
Schlange Feind ist. Wenn die Schlange vor dem Hir-
schen in die Spalten der Erde fliichtet, kommt der
Hirsch und fillt seinen Mund mit Quellwasser, speit
es in die Erdritzen und schwemmt die Schlange her-
aus, zertritt sie und bringt sie um ... Der Herr kam
und verfolgte die geistliche Schlange mit himmli-
163
Hélle
schem Wasser, er hatte sich verborgen in den inner-
sten Tiefen der Erde, der Teufel. Und der go aus
seiner Seite Blut und Wasser. Er machte zunichte
alle unter uns verborgene teuflische Gewalt durch
das Bad der Wiedergeburt.«
Die Aussage des Physiologus (Schrift des
2.Jh.s) basiert auf der Behauptung Plinius
ἃ. A. (gest. 79 n. Chr.), der Hirsch téte Schlan-
gen; auch auf Ps. 42, 2 als Hinweis auf Taufe
und Eucharistie gedeutet.
»Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser, so
schreit meine Seele, Gott, zu Dir.«
Auf Rhodos — mit dem Wahrzeichen Hirsch
und Hindin — glaubt man, die Insel ware friiher
von Schlangen verseucht gewesen, Hirsche
hatten sie alle mit ihren Geweihen umge-
bracht.
Hirsch und Wasser
Von Leoparden angesprungener Hirsch,
PalastfuBboden, Konstantinopel, 6. Sh.
Wassertrinkende Hirsche verkérpern in friih-
‘christl. Memorienbauten und Baptisterien
(Ravenna, Galla Placidia, Anfang 5. Jh.; Salo-
na, Baptisterium, 5.Jh.) die nach Gott und der
Taufe diirstenden Seele, Hirsche und Wein-
trauben den Schrei nach eucharistischen Ga-
ben. In mittelbyz. Zeit erscheint das Seelen-
und Taufsymbol in Tierfriesen (Achtamar
916-21). (In China ist der Hirsch ein Bild fiir
Trockenheit und Dire!)
Holle
- Endgericht
164
Hochzeit
Hochzeit zu Kanaa — Wunderspeisungen
Ikone
— Bild; — Ikonostase
Ikonenabdeckung
TO ENAYMA
To éndyma
Schiitzende »Zinhiillung« der Ikone; Silber-
oder Goldblechabdeckung mit einer getriebe-
nen Reliefnachbildung des Motivs. Gesicht,
auch Hande oft ausgespart. Naheres > KuB.
Ikonenweihe
— KuB
Ikonenwunder
TA OAYMATA TQN EIKONQN
Ta thdwmata ton ikénon
Ubernatiirliche Ereignisse in Verbindung mit
Ikonen — wunderbare Entstehung, Heilungen,
Hilfe gegen Bedrohungen. Verursacht werden
die Wunder von den Urbildern derer, die auf
den Kultbildern dargestellt sind.
Acheripiita — nicht von Handen gemachte
Ikonen
»Das Abbild seines allreinen Bildes bewirkte Er
(Christus) nicht von Menschenhand geschaffen — in-
dem er ein Tuch auf sein allheiliges Antlitz legte. Er
libersandte dieses Abbild dem Fiirsten von Edessa
und heilte ihn damit von der Krankheit.« Aus dem
ersten Gebet bei der Weihe einer Christusikone
Bedeutende wundertatige Ikonen, darunter
die Urikonen Christi und der Gottesmutter,
gelten als nicht von menschlichen Handen ge-
macht. Das Abgartuch (+ Mandylion) ist die
bekannteste Christus-Urikone. Friiheste Hin-
weise auf eine Christus-Acheripiita stammen
von 560 und 574: Das Bild, aufgefunden von
einer Heidin in Kamulia, Kappadokien, »stell-
te zwei Kopien von sich selbst her und tat viele
Wunder«. Aus dem 8. und 9.Jh. sind Marien-
Achiropiita bekannt. Spater wird die Urikone
der Muttergottes auf den Evangelisten — Lu-
kas zurtickgeftihrt. Auch Engel haben Ikonen
Tkonostase
gemalt, z.B. die Georgsikone im Athoskloster
Zographou. Auf einem Feld aufgefunden wur-
de 1821 das Gnadenbild von Tinos (> Heim-
holung Maria).
Tricherotisa — Panajia mit drei Handen
Die Tricherousa von Chilandariou (Athos) gilt
als Werk des Evangelisten Lukas bzw. als Ko-
pie danach. Sie gehérte -> Johannes Damasze-
nus (ca. 670--750). Der Kalif hatte ihm damals
auf Betreiben Leos III. seine Rechte abschla-
gen lassen, damit er keine Streitschriften ge-
gen die Bilderstiirmer mehr verfassen k6nne.
Die Allheilige der Ikone heftete ihm die abge-
schlagene Hand wieder an.
Aus Dankbarkeit stiftete ihr Johannes Dama-
szenus eine Silberhand, die an der Ikone ange-
bracht wurde.
Die dritte Hand der Ikone Panajia Tripiti
(Aghion) ist die Hand, mit der sie beim Bau
der Kirche mitgeholfen hat.
Ikonen, die verschwinden und wiederkehren
Zahllos sind die Legenden iiber Ikonen, die
sich ihren derzeitigen Aufenthaltsort selbst
ausgesucht haben. Wahrend des Bilderstreites
verletzte ein Soldat Leos III. in Konstantino-
pel mit einem Sabelhieb die Panajia auf einer
Ikone. Blut flo8 aus ihren Wangen. Zu Tode
erschrocken zog sich der Missetater als M6nch
auf den Athos zuriick. Dort fand er die Ikone,
noch immer blutend, am Strand. Sie war von
der Hauptstadt aus tibers Meer zum Athos ge-
schwemmt worden. Zitternd trug er sie zur
Kirche des Athosortes Karies. Dort hérte das
Bluten auf (Ikone »Axion Esti« im Protaton,
Karies). Die »Portaitissa«, Iwiron, wurde im
Bilderstreit von einem Glaubigen bei Nikaa
dem Meer tibergeben und erreichte schwim-
mend den Athos. Die Ikone des Tsambiko-
Klosters (Rhodos) ist von alleine aus Zypern
entschwunden und in Rhodos wieder aufge-
taucht.
Ikonen als Abwehrschilder und Wunderwaffen
Im byz. Heer wurden Ikonen, besonders die
Panajia Odijitria (Weggeleiterin > Maria), als
Paladion (Schutzschild) mitgefiihrt.
626 belagerten die Awaren Konstantinopel.
Am Vorabend vor dem Sturmangriff sang die
Bevélkerung vor einer Marienikone aus Wachs
in der Ajia Sophia einen 24strophigen Marien-
hymnus und wiederholte ihn, ohne sich zu set-
zen, die ganze Nacht hindurch. Akathistos
Hymunos: der, bei dem man sich nicht setzt. Im
Morgengrauen zog der Patriarch mit der Ikone
in einer Prozession hinauf auf die Stadtmauer
und richtete sie gegen die anstiirmenden Awa-
ren. Plétzlich schossen Blitze und Flammen
aus dem Bild heraus und brachten die Angrei-
fer in Verwirrung. Die Byzantiner konnten sie
vertreiben.
Alexios III. aus Trapezunt (1330-90) schenkte
die Ikone dem Heiligen Dionys (heute in dem
vom Heiligen gegrtindeten Kloster Dionysiou,
Athos).
Als einst islamische Piraten sich der Insel Folegan-
dros naéherten, nahm der Papas die Marienikone aus
der Kimisiskirche, postierte sich an der Steilkiiste
und richtete sie auf das erste Schiff: es ging sofort
unter. So versenkte er Schiff um Schiff.
Die Gottesmutterikone Phowera Prostasia hiillte
das Athoskloster Koutloumousiou bei einem Sturm-
angriff osmanischer Soldaten in dichten Nebel. Die
Osmanen verirrten sich und konnten das Kloster
nicht mehr finden. ‘
Ikonoklasmus
—> bilderfeindliche Ornamente; —> Kreuz
Ukonostase
TO TEMITAON
To témplon
Trennwand zwischen Gemeinderaum und Al-
lerheiligstem, friiher aus Stein, heute meist aus
oft vergoldetem Holz. Mit ein bis drei Ttiren
und Ikonen als Fenster in die unsichtbare
Welt.
Grenze und Verbindung zwischen der
sichtbaren und der unsichtbaren Welt
»Nicht um sie zu vergottlichen, haben wir sie (die
Christusikone) gemacht, sondern damit die dem
Bild erwiesene Ehre zu seinem Urbild emporsteige,
um ehrfurchtsvoll Deiner Majestat vorgelegt zu wer-
den« Aus dem 1. Gebet fiir die Weihe einer Christus-
ikone
Die ein- bis dreitiirige Bilderwand wird im
Griechischen als Templon bezeichnet.
Ikonostasion ist der Stainder, auf dem im
Gemeinderaum Festtagsikonen ausgelegt
werden.
165
Ikonostase
Das Templon verhiillt das Allerheiligste, spie-
gelt aber zugleich in seinen Ikonen die gesam-
te vergdttlichte Welt, ermdglicht somit die An-
schauung dessen, was das vergottlichte Auge
schauen wird. Das Templon ist eine durchlas-
sige Wand zwischen der geistigen unsichtbaren
Welt, symbolisiert durch den Altarraum, und
der dinglichen Welt (dem Gemeinderaum).
Zur Zeit des AT war die gottliche Wirklichkeit ver-
hiillt - der Vorhang des Tempels zugezogen —, nur
wy)
schattenhaft (—> Schatten) in Symbolen zu erahnen.
In der vergéttlichten Welt nach der Wiederkunft
Christi haben die Glaubigen ungehinderten Zugang
zu Gott, um ihn zu schauen. Gegenwartig ist die
Welt des Géttlichen noch nicht unmittelbar zu be-
treten, doch iiber seine Spiegelungen — die Ikonen -
von ferne zu schauen.
Die Verehrung vor dem Abbild -- Gebete in
Worten, in Kiissen, Opfer von Weihrauch —
geht aufs Abbild iiber (—> Deisis).
Cos
FCLEL LT
166
~
[konostase
Aufbau der Bilderwand (Zeichnung S. 166)
Grundschema einer griechischen Bilderwand.
A. Letztes Abendmahl
B. Vorhang mit Christus als Hohepriester, in der
Hand einen Abendmahlskelch, oder mit einer
anderen eucharistischen Szene
C., D. Der Verktindigungsengel vor Maria
E., F, G., H. Die vier Evangelisten oder vier
liturgische Vater
1. Schéne Pforte (kirchenslavisch: K6nigspforte)
I. und Π|. Nord- und Stidtiir (in kleineren Kirchen
ist die Siidtitr entbehrlich),; auf den Vorhangen
Erzengel oder Diakone
IV. und V. -- Deisis -- Christus zwischen der furbit-
tenden Muttergottes und dem fiirbittenden Johannes
dem Téaufer — beide auf je einem Drachen oder Wal-
fisch stehend.
1. Christusikone
2. Marienikone
3. Ikone Johannes des Taufers
4. Ikone des Heiligen, dem die Kirche geweiht ist
a)—n) Zwélf Ikonen des —> Festtagszyklus, zusdtz-
lich 13. Auferstehungsikone (—> Ostetn) oder zwolf
Ikonen einschlieBlich Auferstehungsikone. Die Fest-
bildreihe ist je nach Platz oder theologischer Absicht
stark verktirzt oder ausgeweitet.
Russische Bilderwande sind hoch,
griechische breit
Griech. Bilderwande enthalten nicht so viele
Ikonen-Range iibereinander wie russische.
Meist erhebt sich tiber der Festbildreihe sofort
das Kreuz mit der Deisis, wahrend die Russen
die Deisis durch die zw6lf Apostel zu einer
Bilderreihe erweitern und zusdtzliche Bildran-
ge mit den Propheten, den Patriarchen, und
oft noch russischen Heiligen aufsetzen. In gro-
Ben griech. Kirchen wird das Templon verbrei-
tert: so die Ikonostase der Athanasios-Basilika
in Dimotikon (Thrakien) aus zwélf Gliedern
mit zw6lf Hauptbildern (unter denen — eine
Seltenheit! - Szenen aus dem Heiligen Land;
-Ὁ Jerusalem); Festbildreihe erweitert auf 25
Ikonen. Patriarchatskirche Fanari, Konstan-
tinopel (17.Jh.) - Templon mit drei Festtags-
bildreihen iibereinander mit tiber 70 Ikonen.
In kleinen Kirchen haben Bilderwande meist
nur eine Tiir, allenfalls zwei Hauptbilder
(Christus und Maria), drei bis vier Festtags-
ikonen.
Historische Entwicklung der Abtrennung
des Allerheiligsten vom Gemeinderaum
Die Abgrenzung des Altarraumes gegeniiber
dem Naos setzte, laut Eusebios (339-40) im
4.Jh. ein. Es galt das reliquiensiichtige Volk
vom — Altar abzuhalten. Die niederen Chor-
schranken und Vorhange spielten schon eine
Rolle im Ritus, wurden — im Hinblick auf den
Jerusalemer Tempelvorhang — symbolisch ge-
deutet. ,
Steintemplon aus Kappadokien.
Einfache Formen von Chorbriistungen, auch
tibermannshohe Chorabschliisse aus Stein mit
einem Durchgang in der Mitte aus dem 9. bis
12. Jh. haben sich in Kappadokien erhalten.
Vorbildlich fiir die Weiterentwicklung waren
die mit Silberblech verkleideten Chorschran-
ken in der Ajia Sophia — nach Paulus Silenta-
rios (562) geschmiickt mit dem Bild Christi
zwischen Engeln, Darstellungen der Prophe-
ten und Apostel. Die Liturgie war im 7. bis
8.Jh. weitgehend ausgebildet; wegen ihrer Be-
deutung innerhalb des Ritus muB sich die
Ikonostase zu der Zeit allgemein durchgesetzt
haben.
167
Isaak
In RuBland, wo die Kirchenbauten bereits ab der
2. Halfte des 12. Jh.s zum turmartigen Héhenwachs-
tum tendierten, entwickelten sich im 14.Jh., beein-
flu8t durch Theophanes den Griechen und seinen
Schiiler Rubliev, die typisch russischen Hoch-Ikono-
stasen, eine Parallelentwicklung zum gotischen Flt-
gelaltar (Anfang 13. Jh.).
Wahrend es im Westen die Chorschranken, tiber die
man hinwegblicken konnte, zulieBen, da® der
Hochaltar selbst zum wichtigsten Bildtrager wur-
de, tibernahm im Osten diese Funktion die Bilder-
wand.
Eine Besonderheit stellen die nachbyz. mit
Fresken (anstatt mit Tafelbildern) geschmiick-
ten steinernen Bilderwande in der Mani (Pelo-
ponnes) und auf Agina dar.
Bilderwand einer Kirche auf Chios.
Isaak
Erzvater, Sohn —> Abrahams, Vater Jakobs.
Jakob
Erzvater, Sohn Isaaks, Enkel—> Abrahams.
— Himmelsleiter.
168
Jerusalem
TA TEPOCOAYMA
Ta Jerosolyma
Hauptstadt des Volkes Israel, Ort des Tempels
und des Kénigspalastes (Stadt Davids). Heili-
ge Stadt fiir Juden, Christen und Muslims. Das
himmlische Jerusalem der Christen ist Bild des
Himmelreiches.
Heilige Stadt der Juden
Von David um 1000 v. Chr. den Philistern ab-
genommen, zur Hauptstadt des GroBreiches
Juda — Israel gemacht, wurde Jerusalem von
Salomo um 975 durch den Bau des —-> Tempels
und des K6nigspalastes aufgewertet.
Die Stadt Davids — nach dem AT auf dem Berg
Morija gelegen, wo —> Abraham Isaak opfern
wollte — ist bis heute der Orientierungspunkt
der jtidischen Religiositét. Zum Passahfest
wiinscht man sich: »Niachstes Jahr in Jeru-
salem.«
Dereinst wird der endzeitliche David als Mes-
sias von dort aus die Welt beherrschen. Das
nach der ersten Zerstérung 578 von Hesekiel
in der babylonischen Gefangenschaft visionaér
geschaute neue Jerusalem (— Hesekiel-
Vision), erwartet in weltlich aufgefaBter Heils-
. zukunft, trug mit seinen dreimal vier Toren,
entsprechend den zwélf Stémmen Israels, als
Grundri®quadrat die Ziige eines kosmografi-
schen Modells. Die Weltbeschreibung des Bu-
ches Henoch (Kap. 34 u. 36, 2.Jh. v.Chr., in
der dthiopischen Bibel enthalten) spricht von
drei Toren an den Enden der Welt im Westen,
Norden, Stiden und Osten; das Allerheiligste
im Tempel hatte eine quadratische Grund-
flache.
Heilige Stadt der Christen
Wahrend die Judenchristen an Jerusalem und
am Kult im Tempel bis zu seiner Zerst6rung
im Jahre 70 festhielten, wandten sich die Hei-
denchristen noch vor Entstehung des NT einer
vergeistigten Heilsstatte zu:
»Und er (der Engel) fiihrte mich auf einen hohen
Berg und zeigte mir die groBe Stadt, das heilige Je-
rusalem, herniederfahren aus dem Himmel von
Gott ... Und sie hatte eine grofe und hohe Mauer
und zw6lf Tore und auf den Toren zwélf Engel, und
Namen darauf geschrieben, namlich der zwélf Ge-
Jesaias
schlechter der Kinder Israels. Vom Morgen drei
Tore, von Mitternacht drei Tore, von Mittag drei
Tore, vom Abend drei Tore ... und die Stadt liegt
viereckig und ihre Lange ist so groB wie ihre Breite«
Offbg. Joh. 21, 10 ff.
»... Nicht ndémlich haben wir hier eine Stadt,
die uns bleibt, sondern die zukiinftige suchen
wir.« Hebr. 13, 14 ;
Anfang 4.Jh. wurde mit dem rémischen Reich
Jerusalem christlich. + Konstantin lieB an den
wichtigsten heilsgeschichtlichen Erinnerungs-
stétten Kirchen errichten, deren Bildmotive
maBgeblich wurden fiir die byz. Kunst. 451
wurde Jerusalem Sitz eines Patriarchen.
Nach der islamischen Eroberung Anfang 7. Jh. blieb
Jerusalem ein wichtiges Pilgerziel. Nachdem der
Fehlschlag der Kreuzztige die r6m.-kath. Welt dazu
zwang, sich mit dem Verlust des irdischen Jerusalem
abzufinden, schuf man in den Chéren der gotischen
Kathedralen sinnbildliche Darstellungen des himm-
lischen Jerusalem.
Die leuchtenden Farbglasfenster der Chére
erschienen als die edelsteingeschmiickten
Grundsteine der Stadt nach Offbg. Joh. 21,
19-21.
Heilige Stadt der Muslims
Mohammed wurde vom Ort des Allerheilig-
sten des Tempels in Jerusalem auf dem Him-
melspferd Burak in den Himmel entriickt, um
von Allah den Koran zu empfangen. Wenig
spater, 637, eroberte der Kalif Omar die Stadt.
Um 700 wurde der muslimische »Felsendom«
an der Stelle des Tempelallerheiligsten er-
richtet.
Abbildungen und Bildzeichen fiir Jerusalem
Bereits auf Elfenbeintafeln des 4. Jh.s steht ein
Teil der Stadt — der konstantinische Kuppel-
bau tiber dem heiligen Grab — fiir das Ganze.
In Santa Pudenziana, Rom (4.Jh.) bildet das
irdische Jerusalem mit dem kreuziiberragten
Golgatha in der Mitte, Typus der Himmels-
stadt, den Hintergrund einer Anbetung Chri-
sti. Auf dem Triumphbogen von Santa Maria
Maggiore (Rom, 1. Halfte 5. Jh.) steht Jerusa-
lem (= Ursprungsort der Judenkirche) auf der
rechten Seite, gegentiber Bethlehem, aus dem
die Weisen (= Vorboten der Heidenkirche)
heraustreten.
Bildkiirzel des heiligen Grabes erscheinen auf
Pilgerflaschchen des 6. Jh.s (> Ol).
Kurzzeichen fiir Jerusalem, Fresko in Osios Lukas,
bei Stiri in Phokis.
In mittel- und spatbyz. Zeit wird Jerusalem
von einem Mauerring umgeben. Allegorische
Darstellungen — Frau unter Torbogen mit Bei-
schrift Jerusalem -- kommen vom 9. bis 11. Jh.
vor. Jerusalem bildet eine »Kulisse« fiir ein
heilsgeschichtliches Geschehnis (z.B. -- Ein-
zug in Jerusalem). Als Fresken erscheinen
vom 12.Jh.‘an Bildktirzel in “Ziermedailions
der Ornamentik (Osios Lukas). Modernere
Drucke mit den wichtigsten Pilgerstaétten der
Stadt finden sich tiberall in griechischen Kir-
chen und Haushalten (Umsetzungen davon in
Malerei z.B. unterste Templonzone: Athana-
sioskirche Dimotikon).
Kronleuchter als Himmlisches Jerusalem
Die Kronleuchter in der Mitte des Naos gelten
als Planetenbahnen (—> Kirchengebaude), wer-
den zugleich als »himmlisches Jerusalem« ge-
deutet — besonders wenn sie mit zw6lf torahn-
lich geformten Kleinikonen der Apostel ge-
schmiickt sind.
Jesaias
OTIPO®HTHC HCAIAC
O profitis Isafas
Bedeutender Prophet, nach dem das erste pro-
phetische Buch des AT benannt. Seine Vision
Gottes wird von der orthodoxen Kirche aufge-
faBt als Typus der Erscheinung Gottes in der
Eucharistie und in der Liturgie rituell nach-
vollzogen.
169
Jesaias
Druck mit den wichtigsten Pilgerstitten Jerusalems und der weiteren Umgebung.
Martyrium des Jesaias
Erster der vier groBen Propheten (sein Tag ist
der 9. Mai), lebte in der 2. Halfte des 8. Jh.s in
Jerusalem unter den Kénigen Ahas, Hiskia
und Manasse. Uber seinen Tod berichtet die
jiidisch-apokryphe Schrift »Das Martyrium des
Jesaia«.
»Der Prophet Jesaia ist an einen Baum gebunden.
Zwei Soldaten zersigen ihn mit einer Baumsage.
Und der Kénig Manasse sitzt ihm gegentiber auf
einem Throne. Viele Hebraer sind neben ihm.
Ringsherum stehen Gétzenbilder und Altére.« Ma-
lerhandbuch (Ermenia)
Eucharistische Deutung der Berufungsvision
Dargestellt wird sie in spat- und postbyz. Zeit
in Nebenkuppeln oder auf Schildbogen. Die
Malerhandschrift vom Berge Athos beschreibt
die Darstellung der Berufung:
»Ein Haus, in ihm viele Wolken und Licht. In der
Mitte sitzt Christus auf einem hohen und erhabenen
Throne wie ein Kénig, mit der Rechten segnet er,
mit der Linken halt er ein Blatt und sagt: Wen wer-
170
de ich senden und wer wird gehen zu diesem Volke?
(Jes 4, 5). Um ihn herum sechsfliigelige Cherubim,
welche rufen und sprechen: Heilig, heilig, heilig ist
der Herre Zabaoth, die ganze Erde ist voll Herrlich-
keit. Auf der rechten Seite der Ikone der Prophet
Isaias, allein, zitternd. Es heift in einem Blatte: O,
ich ungliicklicher, da ich, ein Mensch seiend, und
unreine Lippen habend, den Kénig, den Herm Ze-
baoth gesehen habe mit meinen Augen. (Jes. 4, 7)
Vor ihm halt ein Engel mit seiner Rechten eine koh-
letragende Zange und bringt sie zu seinem Munde.
Mit der Linken halt er ein Blatt, auf dem steht:
Siehe, dies hat Deine Lippen beriihrt und nimmt
hinweg Deine Ubertretungen, und reinigt Deine
Siinden. -- Auf der linken Seite der Ikone steht
(nochmals) der Prophet Isaias, mit Furcht, und
(man) liest in einem Blatte: »Siehe, hier bin ich,
sende mich.« (Jes. 4, 3)
Die Vision wird jedesmal wahrend des grofen
Einzugs der — eucharistischen Gaben neu ver-
gegenwartigt, sobald der Chor den Cherubim-
Hymnus anstimmt und sich dabei geistig in die
Schar der Cherubim wandelt. Der Abend-
mahlsl6ffel (-» Altar) wird zur Zange mit gli-
Johannes Chrysostomos
hender Kohle, die die Lippen der Empfangen-
den reinigt (Lawis als Beiname der Gottesmut-
ter —> Maria).
Einzeldarstellungen des Jesaias
und ihre Zuordnungen
ot vi
Jesaias aus der Prophetenreihe in der Kuppel der
Pammakaristoskirche, Konstantinopel 14. Sh.
Ab spatbyz. Zeit halt Jesaia haufig als Attribut
die Kohlezange in Handen. Wegen seiner
Weissagung: »Siehe eine Jungfrau wird
schwanger werden und wird einen Sohn gebd-
ren, den wird sie heiBen Emmanuel.« (Jes. 7,
14) wird der Prophet bereits in die alteste Ma-
riendarstellung in der Priszilla~-Katakombe
(Rom, 3.Jh.) einbezogen. In mittelbyz. Zeit
steht er dicht bei der — Geburt Christi, wird
auch den Hirten zugestellt. Seinen Platz unter
der — Wurzel Jesse verdankt er Jes. 11, 1-2:
»Und es wird eine Rute aufgehen von dem
Stamm Isais ...«
Spaét- und postbyz. Attribut Jesaias ist die
Kohlenzange.
Johannes Chrysostomos
O ATIOC IRANNHC O XPYCOCTOMOC
O ajios Jodnnis o Chrysostomos
Bedeutender Kirchenvater, sehr beredsam
(»Goldmund«) und liebevoll. Seinen Namen
tragt die meistbenutzte der beiden griech.
Liturgien.
Leben des Johannes Chrysostomos
Geboren zwischen 344 und 345 in Antiochien
(sein Tag ist der 13. November). Erhielt eine
Ausbildung als Rhetoriker, zog sich 372 als
Einsiedler in die Wiiste zuriick, war dann Pres-
byter in Antiochien, wurde 398 zum Patriar-
chen von Konstantinopel berufen. MitreiBen-
de Predigten und groBe Herzensgiite trugen
ihm die Freundschaft der Bevélkerung und die
Feindschaft einfluBreicher H6flinge, beson-
ders die der Kaiserin Eudoxia, ein. Zu der
Zeit stritten sich die Theologen um die Lehre
des Origines von der Apokatastasis Panton,
der Gesamterlésung der Welt einschlieBlich des
Satans. Theophilos, der Patriarch von Alex-
andrien, verfolgte seit 399 die Originisten.
Chrysostomos war Anhanger der antiocheni-
schen Schule (—> Basilios; Gregor von Nyssa) —
sie verfocht die sympathischen Gedanken des
Origines. Als er 50 aus Alexandrien geflohene
originistische Ménche aufnahm, kam 403
Theophilos nach Konstantinopel und erreichte
auf einer Synode die Absetzung des Patriar-
chen (404). Eine empérte Menschenmenge
lieB die erste Ajia Sophia von 360 in Flammen
aufgehen und erzwang die Riickkehr des Chry-
sostomos auf den Patriarchenstuhl. Wenig spa-
ter schickte ihn Kaiser Arkadios endgiiltig in
die Verbannung. Er starb 407 in Comana am
Pontus. Nach seiner vollen Rehabilitierung
wurden seine Gebeine 438 feierlich nach Kon-
stantinopel tiberfiihrt (Gedenktag der 27. Ja-
nuar).
Nachwirkungen des Chrysostomos
»Wer fromm ist und Gott liebt, genieBe dieses gute
und glanzende Fest ... Hat einer gearbeitet von der
ersten Stunde an, nehme er heute seinen gerechten
171
Johannes Damaszenus
Lohn entgegen. Kam einer nach der dritten Stunde,
feiere er mit nach Herzenslust. Erscheint einer nach
der sechsten Stunde, sollen ihn keine Zweifel qua-
len: Er wird nicht zu Schaden kommen. Wenn einer
sich verspatet bis zur neunten, soll er ohne Zégern
dazukommen. Erschien aber einer erst in der elften,
habe er keine Angst wegen der Verspatung; der
Herr namlich ist groBmiitig, er nimmt den Letzten
an, wie den Ersten ... Kommet alle in der Freude
unsres Herrn ...« Osterpredigt des Johannes Chry-
sostomos zum AbschluB der Osterliturgie
Die anrtihrende Osterpredigt ist wahrschein-
lich das einzige authentische Sttick des Chryso-
stomos innerhalb der nach ihm benannten Li-
turgie — wichtig ftir die orthodoxe wie fiir eini-
ge orientalischen Kirchen. Sein reichhaltiger
schriftlicher Nachla8 besteht aus Predigten
und Bibelexegesen. Bei ihm finden wir (PG
62, 29) das friiheste Zeugnis fiir die Gleich-
setzung des Altarraums mit dem Himmel
(— Himmelsleiter, + Pfau).
Johannes Chrysostomos in bischéflichem Ornat,
Goldmosaik, Osios Lukas, um 1000.
Johannes Chrysostomos im Bilde
Abbildungen des Heiligen betonen asketische
Ziige: spitzen Mund, hohe Stirn mit Schlafen-
locken, Stirnglatze, braunlichen, kurzen, bis-
weilen schiitteren Bart. Tragt ein Bischofsge-
wand — bis in mittelbyz. Zeit ein helles Phelo-
172
nion, spater das Polystawrion (~ Gewéander)
mit viereckigem Halsausschnitt und locker ge-
schlungenem Omophorion. Man findet ihn in
Seitennischen, dicht unter dem Gewdlbe
(friihbyz.) oder in der unteren Zone des Apsis-
rundes (ab mittelbyz. Zeit) mit anderen Litur-
gen und Kirchenvatern den Altar umstehend
(— Basilios, - Eucharistie, --ὁ Heimholung
Maria).
Johannes Damaszenus
OIQANNHC O AAMACKHNOC
O Joannis o Damaskinés
Bedeutendster Verteidiger der Ikonen und ih-
rer Ehrung wahrend des Bilderstreites (Ikono-
klasmus, 8./9.Jh.), Verfasser einer bis heute
giiltigen orthodoxen Glaubenslehre, hat die
Theologie des Bildes entscheidend gepragt.
Leben des Johannes Damaszenus
Der von der Ostkirche als der letzte ihrer Kir-
chenvater und der gréBte ihrer Kirchenlehrer
bezeichnete Johannes Damaszenus (4. Dezem-
ber) wird um 676 im sarazenisch beherrschten
Damaskus geboren. Der Vater Sergios Man-
sur, vornehmer Abkunft, Christ und dennoch
in hoher Stellung am Hofe des Kalifen Abdul
Malek tatig, nutzt Vermégen und Einflu8, um
von sarazenischen Piraten versklavte Christen
freizukaufen. Einer davon, der Ménch Kos-
mas, unterrichtete Johannes und seinen Adop-
tivbruder in Rhetorik, Dialektik, Philosophie,
Theologie, Naturgeschichte, Astronomie und
Musik. Johannes wollte Ménch werden, wurde
aber vom Kalifen gen6tigt, ein Regierungsamt
anzunehmen. In mehreren aufsehenerregen-
den Schriften wandte er sich gegen die bilder-
stiirmischen Edikte des byz. Kaisers Leon III.
von 726 und 730.
Leon lie8 einen Brief mit gefalschter Unter-
schrift des Damaszeners anfertigen: danach
hatte der ihm angeboten, Damaskus den By-
zantinern auszuliefern. Die Falschung sandte-
der Kaiser dem Kalifen und erreichte, daB der
»verfluchte Giinstling der Sarazenen, verrate-
rische Bildanbeter« und »Verfalscher Christi«
in Ungnade fiel. Wenig spater rehabilitiert,
zog er sich in das Sabas-Kloster bei Jerusalem
zurtick, widmete sich der Schriftstellerei und
Johannes der Téufer
Charakterisierung des Damaszeners
auf Abbildungen
Johannes Damaszenus in der Heimholung Marié,
Chorakirche, Konstantinopel, 1315-1321.
der Neuordnung der Liturgie. Zwischen 753
und 787 verstorben.
Als Greis mit gespaltenem Bart wird der Da-
maszener haufig in das Kirchenvatergefolge
von —> Basilios und —> Chrysostomos in der
untersten Zone des Apsisrunds eingereiht.
Text auf Schriftrolle: »Nimm unser Abendge-
bet anl« Als Verfasser dreier Homilien tiber
die — Heimholung Maria wird er den mit den
Aposteln das Totenbett der Gottesmutter um-
ringenden Liturgen und Kirchenvater zuge-
sellt.
Wichtige Schriften
‘Zu den Werken des auch Chrysorhoas (Gold-
flu8) genannten gehéren:
yy Zwolf Festtags-Homilien (Predigten).
yy Das Sammelwerk »Quelle der Erkenntnis« (Piji
Gnéseos). Die 1000 Kapitel des 3. Teils »Genaue Dar-
legung des orthodoxen Glaubens« sind bis zum heuti-
gen Tag die Grundlage der orthodoxen Dogmatik.
w Drei Briefe fiir die Bilder: »Verteidigende (apolo-
getische) Worte gegen die die heiligen Ikonen Durch-
einanderwerfenden« (Diawallontas =Teufel). 728-730
entstanden, Grundlage der Bildertheologie.
τς Liturgische Hymnen und Troparien fiir die Li-
turgie.
ἐπ »Warlaam und Joasafat« (Barlaam et Joasaph),
erbaulicher, in Indien spielender Roman, nimmt
Elemente der indischen Buddhalegenden auf und
deutet sie christlich-dogmatisch; von groBer Wir-
kung im Mittelalter.
Joasafat soll von Boddhisattva abgeleitet sein).
Johannes der Theologe
— Apokalypse, — Apostel, > Evangelisten
Johannes der Taufer
O IRANNHC O IIPOAPOMOC
O Jodnnis o prédromos
Prophetengestalt des NT, Vorldufer (= Pro-
dromos) Christi, taufte Christus, bevor dieser
sein Offentliches Wirken begann. Angesehen
als wiedergekehrter Prophet — Elias.
Johannes, der Vorlaufer im Neuen Testament
»So hat es angefangen mit der frohen Botschaft von
Jesus Christus als dem Sohn Gottes! Wie die Pro-
pheten geschrieben haben: Siehe, ich lasse meinen
Engel (Boten!) vor Dir (Christus) hergehen, der
Deinen Weg vor Dir vorbereitet. Und: Die Stimme
eines laut Schreienden in der Wiiste bereitet den
Weg des Herrn vor, sorgt dafiir, daB Dein Pfad gut
begehbar ist — so war nun Johannes in der Wiiste,
taufte und kiindete die Taufe (als Ausdruck) des
Sinneswandels (Bue) zur Vergebung der Stinden...
Johannes aber war gehiillt in Kamelhaar mit einem
ledernen Giirtel um die Hiifte und nahrte sich von
Heuschrecken und wildem Honig.« Mark. 1, 1-6
Nach spftjtidischer Vorstellung sollte ein Vor-
laufer, der wiederkehrende -- Elias, den -er-
warteten Messias ankiindigen. Johannes wirk-
te etwa 27/28 ἢ. Chr. als asketischer Prediger,
spendete die Taufe, um die Stindigen vor Be-
strafung beim Hereinbrechen der Endzeit zu
retten. Joh. 1, 29 zufolge hat er auf Christus
hingewiesen: »Siehe, das ist Gottes + Lamm,
das der Welt Stinde trigt.« Die — Taufe Christi
durch Johannes ist der Beginn des 6ffentlichen
Wirkens Jesu. Um 29/30 nahm Herodes Anti-
pas Johannes gefangen. Der hatte sein Ver-
haltnis mit Herodias, der Frau seines Bruders,
getadelt. Salome, Herodias Tochter, fihrte
dem Herodes anlaBlich eines Gelages zu sei-
nem Geburtstag einen Bauchtanz vor. Hellauf
begeistert davon, stellte er ihr einen Wunsch
frei. Sie lie® sich Johannes’ Kopf auf dem
sprichwGrtlich gewordenen silbernen Tablett
prasentieren.
173
Johannes der Taufer
So hat man sich den Tanz der Salome vorzustellen.
Bei Hochzeitsfeiern muslimisch-makedonischer Ein-
wanderer in Inneranatolien feuern noch heute einzel-
ne Zigeunerinnen mit Handzimbeln Mannergruppen
zum Bauchtanz heraus. Spdtr6misches Relief, Argos,
Museum.
Festtage und Brauchtum um Johannes
Am Namenstag (7. Januar), dem Tag nach der
Taufe Christi, bespritzen sich die Leute in
thrakischen Dérfern gegenseitig mit Wasser,
bis sie vOllig durchweicht sind. In ostrumeli-
schen Gegenden, z.B. in Achialos, wurden
friiher die neuverheirateten Manner unter Mu-
174
sikbegleitung zum Strand gebracht und ins
Wasser geworfen. Der Geburtstag des Taufers
(24.Juni — im Westen Johannistag) fallt mit
der Sommersonnenwende zusammen (Ende
der Periode der sich verlingernden Tage), wie
der Geburtstag Christi mit der Wintersonnen-
wende (die Tage werden wieder linger): Jo-
hannes beendet die Ara des AT, —> Christus
leitet die des NT ein. Von friihchristl. Zeit an,
als man biblische Gestalten und Ereignisse mit
den Gestirnen gleichsetzte (= Apostel), wur-
de die Umkehr der Sonne (in siidlichere Bah-
nen) als Symbol der Aufforderung des Johan-
nes zur Bue gesehen.
In Nenita auf Chios sammeln sich die Leute nach
dem Kirchgang auf den Dreschplatzen (Alonia) und
imitieren in einem Tanz die Riickwendung der Son-
ne. Johannisfeuer, auch in Griechenland tiblich,
sind Sinnbilder der Sonne. Der Sprung dariiber be-
deutete in der Antike Entstihnung durch die reini-
gende Kraft des Feuers — Johannes entstihnte durch
Eintauchen ins Wasser.
Die Ereignisse nach Johannes Geburt (apo-
kryphes Protevangelium des Jakobus) werden
in Bildfolgen des > Marienzyklus, seltener auf
Nebenbildern seiner Ikone dargestellt: Flucht
der Mutter Elisabeth mit dem Kind vor Hero-
des in einen Berg, Ermordung des Vaters Za-
charias im Tempel. Am Tag der Enthauptung
(29. August) versuchen die’ Kyprioten am
Himmel ein Gebilde in Form des Johannes-
hauptes auf der Silberschale vor der aufgehen-
den Sonne zu beobachten. Die Griechen mei-
nen, daB das Schwert den K6rper des Johan-
nes so zum Erzittern gebracht habe, da da-
durch alle mit Zittern verbundenen Krankhei-
ten — Fieber, Schtittelfrost, Malaria — entstan-
den seien. Dagegen kann nur der Verursacher,
Johannes »der Fiebrige«, helfen. Erkrankte ge-
loben, ihm am 29. August Ol, Kerzen, einen
Hahn oder eine Ziege zu opfern.
Um eine antike Saule in der Kirche »des Johannes
von der Sadule«, Athen, wickeln Fieberkranke eine -
rote Schnur, mit der sie ihre eigene Kérperlange
ausgemessen haben. Das »K6rpermaf« — eine ent-
sprechend zugeschnittene Schnur — reprasentiert
den Menschen selbst. Mit Ausnahme des metri-
schen Systems sind alle Mae von Kérperteilen —
FuB, Elle, Spanne — abzuleiten. Sich abzumessen ist
ein verbreitetes sympathetisches Heilverfahren.
Jonas
Am Gedenktag der Hinrichtung mtissen schwarze
Trauben, Feigen, Beeren gemieden werden — des
Taufers Blut hat sie dunkel gefarbt (Johannisbee-
ren!). In Chios wird dann kein Messer angefaft, das
Brot wird gebrochen.
Die Ikone des Vorlaufers
Johannes in der Wiiste. Fresko in der Shakli Kilise
bei Géreme, Kappadokien.
»Wie werden wir Dich nennen, o Prophet? Einen
Engel, einen Apostel oder einen Martyrer? Einen
Engel, denn Du lebtest als kérperloses Leben, einen
Apostel, denn Du lehrtest die Vélker, einen Marty-
rer, denn Dein Haupt wurde fiir Christus abgeschla-
gen« Esperinos (Abendgottesdienst) 29. August
Fiir die Ostkirche ist Johannes nach Maria der
gréBte Mensch, nach Wladimir Losky auch
oder Gipfel der Heiligkeit im alten Bund« und
Urbild des altchristl. Eremiten und Martyrers.
Auf griech. — Ikonostasen — nicht immer auf
russischen — ist seine Ikone rechts neben der
Christi angebracht.
Johannes wird meist in Halbfigur mit langem,
sehr schmalem Gesicht, breiter Nase, langem,
zerzaustem Haar und einer Haarstraéhne vor
dem Mittelscheite] dargestellt, mit zottigem
Bart, haarigem Felliiberwurf oder blutrotem
Mantel, eine Schale (eucharistischer Diskos)
mit seinem Kopf in der Hand haltend (mit
Heiligenschein, postbyz. auch Kreuznimbus).
Sein Martyrium ist als Prafiguration des Op-
fertodes Christi sowie des Abendmahles zu
verstehen. Auffiallig sind seine groBen, dunk-
len, seit dem 13.Jh. tiblichen Fliigel: Markus
nennt ihn »Angelos«, was sowohl Bote wie En-
gel bedeutet. Zudem ist Johannes Vorlaufer
der Eremiten und Ménche, die ein weltabge-
wandtes, »engelgleiches« Leben fiihren. Auf
manchen Ikonen steht der Gefliigelte ganzfi-
gurig inmitten einer bréunlichen gebirgigen
Wiistenlandschaft, flankiert vom Diskos und
einem Busch, dem »die Axt und die Wurzel
gelegt ist« (+ Taufe Christi). Die Rechte voll-
zieht die Christusgeste, die Linke halt ein
Schriftband.
Szenische Darstellungen
Oben auf jeder Bilderwand bildet »der Vor-
laufer« (Vertreter des AT) zusammen mit Ma-
ria (Kirche bzw. NT) die Fiirbitt-Gruppe der
— Deisis. Auf frithchristl. Sarkophagen er-
scheint er, verstarkt ab 5.Jh., innerhalb der
—> Taufe Christi (Motiv im Kuppelscheitel von
Baptisterien). Seine Berufung durch einen En-
gel in der Wiiste, sein Leben als Asket er-
scheint in Eremitenkirchen (Shakli Kilise, G6-
reme, 11.Jh.). Als Vorléufer Christi selbst
im Hades, wo er den Verstorbenen predigt,
hat er einen festen Platz im Auferstehungsbild
(— Ostern). Ikonen und Fresken mit seinem
Martyrium sind meist postbyzantinisch.
Jonas
OTIPO®HTHC I2NAC
O prophitis Jonas
Von Jahwe zum Prophetenamt berufene Ge-
stalt des AT wird auf der Flucht vor dieser
Aufgabe von einem Seeungeheuer verschlun-
gen, nach drei Tagen wieder ausgespien. Im
NT wird das Ereignis als typologisches Vorbild
von Tod und Auferstehung Christi gewertet,
daher haufige Darstellung in der friihchristl.
Sepulkralkunst.
Berufung des Jonas und Prophetenamt im AT
Das ins 3. Jh. v. Chr. datierte Buch Jonas (AT)
berichtet tiber den im 8.Jh. im Nordreich le-
benden — Propheten. Jonas flieht auf einem
Schiff vor dem Auftrag Gottes, der Stadt Nini-
ve den Untergang zu verkiinden. In Seenot ge-
raten, ermitteln die Schiffsleute mit dem Los
den, dem sein Gott so ziirnt — Jonas. Er selbst
ermuntert sie, ihn ins Meer zu werfen -- und
der Sturm verstummt:
175
Joseph von Agypten
»Aber der Herr bestimmte einen gro8en Fisch Jonas
zu verschlingen. Und Jonas war im Leib des Fisches
drei Tage und drei Nachte. Und Jonas betete zum
Herrn, seinem Gott im Leib des Fisches. Und
sprach:
Ich rief zu dem Herrn in meiner Angst und er ant-
wortete mir, ich schrie aus dem Bauch der Hdlle,
und Du hértest meine Stimme . ..« Jona 2, 1-3
Vom Untier an den Strand gespien, begab sich
Jonas nach Ninive. Als die Bewohner hérten,
da ihre Stadt in 40 Tagen untergehen solle,
taten sie BuBe in Sack und Asche, so da Gott
»seinen EntschluB bereute«. Jonas argerte sich
maBlos tiber die Verschonung Ninives. Daher
lieB Gott in einer Nacht einen gewaltigen Fla-
schenkiirbis-Strauch (laut griechischem AT)
aufwachsen, und Jonas streckte sich in dessen
Schatten aus. Doch ein »Wurm« stach den
Strauch, Ostwind fegte die abgestorbenen Re-
ste hinweg. Auf die Beschwerde des Prophe-
ten hin belehrte ihn Gott, daB es doch viel
schlimmer gewesen ware, eine ganze Stadt mit
120000 Menschen und vielen Tieren zu ver-
nichten.
Frihchristliche und byzantinische
Darstellungen
Nr. 119, 290-300 n. Chr.
Jonasdarstellungen sind die haufigsten Motive
in der friihchristl. Sepulkralkunst. 60 Kata-
kombenmalereien (friiheste Lucinagruft um
220) und 90 Sarkophage sind allein aus Rom
und Ostia bekannt: Meereswurf oder Jonas
wird dem Ungeheuer ins Maul geschoben, das
Ausspeien und die Ruhe unter dem Kiirbis-
strauch — einzeln als Bildserie oder zu einer
Kompositdarstellung zusammengezogen. Jo-
nas ist jung, bartlos und nackt, der Fisch ein
176
mythisches Seeungeheuer mit Raubtierzahnen
und Drachenleib.
»Denn so wie Jona drei Tage und drei Nachte in des
groBen Fisches (des Kitos) Bauch, also wird des
Menschen Sohn drei Tage und drei Nachte mitten in
der Erde sein.« Matth. 12, 40
Das Verschlingungsmotiv ist Prafiguration des
Todes und der Auferstehung Christi, des Ster-
bens und Erléstwerdens der Glaubigen. Ande-
re typologische Bildkiirzel werden beigesellt —
die Auferweckung des —» Lazarus, —> Noah in
der Arche, die Taube (hebraisch Jonah = Tau-
be!) entsendend. Des Jonas Verweilen im
Meer, die Sintflut selbst sind Prafigurationen
der — Taufe.
»Eingefangen, aber nicht festgehalten wurde im In-
neren des Ungeheuers Jonas: Dein Vorbild trug er,
des Leidenden und dem Grab Ubergebenen, indem
er aus dem Schlafraum im Tier heraussprang.«
6. Ode der Liturgie des groBen Freitag
In mittel- bis postbyz. Zeit beliebt ist die Aus-
spei-Szene: Jonas steigt Kopf voraus in voller
Kleidung aus dem Kitos-Rachen (Athos Do-
chiariou 1586). Als Einzeldarstellung unter
den — Propheten ist Jonas alt, bartig, kahl-
k6épfig; er hat im Fischbauch die Haare ver-
loren.
Die Flaschenkiirbisbaum-Szene — in der frii-
hen Sepulkralkunst gro® und auffallig gestal-
tet, oft durch bukolische Hirtenmotive (Para-
dies!) erweitert — steht fiir die ewige Ruhe des
in Gott Verstorbenen.
Joseph von Agypten
OIQCH® ΑΠΟ TON AITYTNTO
O Josif apo ton Egypto
Joseph, Sohn Jakobs, Urenkel —> Abrahams,
ist seiner Leiden wegen Typus Christi. Seiner
Schénheit wegen, die Potiphars Frau reizte, ist
er fiir den islamischen Mystiker Maulana
Dschelaleddin Rumi Vorbild Allahs als des
idealen Geliebten. ,
Die orthodoxe Liturgie nennt ihn als Vorbild
der Standhaftigkeit gegeniiber Verlockungen
der Welt.
Eine Flachkuppel in der Vorhalle von San
Marco (Venedig, 12.Jh.) greift in einer Folge
konzentrisch umlaufender, ineinander ver-
Kaiser
zahnter Szenen die Josephsmotive aus der Tra-
dition der friihbyz. Bibelillustration auf:
¥ Joseph traumt, da8 sich seine elf Briider als
Sterne bzw. Getreidegarben vor ihm vernei-
en.
"ἢ Seine aufgebrachten Briider verkaufen ihn
iiber Sklavenhandler nach Agypten.
zr Im Palast des Pharao halt ihn das Weib des
Potiphar am Mantel fest. Er sucht das Weite.
yr Durch falsche Beschuldigungen ins Ge-
fangnis geraten, deutet er den Traum eines
mitgefangenen Mundschenks und den eines
Backers. ©
vr Der Pharao la8t Joseph auf Veranlassung
des Mundschenks rufen, damit er ihm seine
Trdéume von den sieben fetten und den sieben
mageren Kiihen, den sieben vollen und den
sieben armseligen Garben klare (sieben fette
und sieben magere Jahre!).
yr Der Pharao setzt Joseph als Statthalter ein,
schenkt ihm einen goldenen Wagen.
yx Josephs Briider kommen, um wahrend der
Hungerperiode Getreide zu erbitten, erken-
nen ihn aber nicht.
w Joseph 148t im Gepack des Jiingsten einen
Silberbecher verstecken. Er gibt sich ihnen zu
erkennen.
¥ Sein Vater Jakob zieht nach Agypten.
x Jakob segnet seine beiden Enkel.
Josua
OIECOYC
O Iesotis
»Die Heiden besiegend, brachte Josua die Sonne
zum Stehen; Du hast sie verborgen als Du nieder-
warfst den Fiirsten der Finsternis.« Liturgie vom
Karfreitag.
Nachfolger des Moses, in griech. Schreibweise
namensgleich mit Jesus, fiihrt die Hebréer
tiber den Jordan ins gelobte Land — deshalb
Typus Christi.
Als Greis mit abgerundetem-Bart tragt er
Kriegerriistung und Krone und halt ein Szep-
ter. Szenische Darstellungen in mittel- und
spatbyz. Illustrationen des Oktateuchs (= Zu-
sammenfassung der ersten acht Biicher des
AT).
Judenchristliche Kirche
H EKKAHCIA ΤΩΝ EK TON IOYAAIQN
J Ekklisfa ton ek ton Judiion
Frihchristl. weibliche Allegorie (Mosaik, San-
ta Sabina, Rom) steht fiir die judenchristl. Ge-
meinde, ist dem Petrus zugeordnet (— Peter
und Paul, > Kranz). Im Westen wurde daraus
die verschleierte Figur der Personifikation der
Synagoge. ©
Kaiser
O AYTOKPATQP
O awtokrator
Herrscher, verstand sich als der Statthalter
Gottes, wird im Laufe der byz. Geschichte
mehr und mehr zu einem verkleinerten Abbild
des Kosmokrators Christus. Die Hofhaltung
Christi stellte man sich als kosmische Uberstei-
gerung des Hofzeremoniells im kaiserlichen
Palast vor. Von Konstantin an tragen Kaiser
und Kaiserinnen einen Nimbus.
Der Kaiser als Abbild und als Vasall
des Allherrschers
Im spaten rémischen Kaisertum galten ver-
storbene Kaiser als G6étter. Bei der Verchrist-
lichung der Reichsidee hat Konstantin die
Stellung des Kaisers herabgestuft, sich selbst
den Aposteln zugeordnet. Das byz. Herrscher-
tum wurde nach und nach zur Ikone géttlicher
Herrschaft.
Gleichzeitig fiihlte sich der Kaiser als erster Diener
Christi.
Die byz. Auspragung des Christentums lediglich als
Disziplinierungsideologie fiir die Untertanen anzu-
sehen hiefie, die byz.-neuplatonisch gefarbte, aufs
Jenseits gerichtete Geistigkeit der damaligen Zeit
mit der Elle unseres materialistischen Zeitgeistes zu
messen. Der Weltenherrscher hat den irdischen
Herren Autoritat verliehen, ihnen zugleich Grenzen
gesetzt. Die byz. Herrscherdarstellungen sprechen
eine deutliche Sprache:
vy Kaiserdarstellungen in Kirchen sind selten, hau-
figer nur in der Ajia Sophia in Konstantinopel.
vx Der Abbildungsmafstab des Kaisers ist stets
kleiner als der des Weltenherrschers.
vx Die Stellung des Kaiserpaares zu Christus ist
deutlich untergeordnet. Kaiser und Kaiserin flan-
kieren Christus, nicht wie Maria und Johannes in
177
Kaiser
der Deisis ihm, sondern nahezu frontal dem Be-
trachter zugewandt.
ve Kaiser werden grundsatzlich nur an zweitrangi-
ger Stelle dargestellt (in San Vitale, Ravenna, an
den Seitenwanden des Presbyteriums; in der Ajia
Sophia auf der Galerie; Ausnahme: zwei Ltinetten
iiber Hauptportalen der Ajia Sophia).
Christus. Ajia Sophia, Konstantinopel.
¥ Die Selbstdemiitigung eines Kaisers ist tiber der
Kaisertiir vor der inneren Vorhalle zur Ajia Sophia
im Mosaik verewigt: Leon VI. fleht Christus in
Proskynese um Vergebung fiir seine Tetragamie an
- den von der Orthodoxie verbotenen Abschluf ei-
ner Viertehe. Er ging sie ein, um seinen mit einer
Geliebten gezeugten Sohn als Thronerben zu legali-
sieren. (Andere Deutung fiir den Knienden: Basi-
lios I., 867-886, Leons Vorginger, tut Bufe fiir die
Mitbeteiligung am Mord an Michael III.).
vr Auf Elfenbeintafeln -- z.B. des 10. Jh.s — setzt
Christus dem Kaiser bzw. Kaiserpaar die Krone aufs
Haupt.
vr Mehrere alternde Kaiser beschlossen ihr Leben
als Ménche. In spatbyz. Zeit wird oft ein und diesel-
be Kaisergestalt nebeneinander in vollem Ornat und
als biiender M6nch dargestellt.
vr Kaiser und Kaiserinnen werden stets nur in ihrer —
Funktion abgebildet
a) als Stifter. Sie bieten Christus ein Kirchenmo-
dell, Gold oder eine Stiftungsurkunde dar, auch
kostbares Abendmahlsgerat (San Vitale) -- entrich-
ten ihm ihren Tribut, so wie-die von ihnen abhangi-
gen Potentaten ihnep-fribut entrichten;
-b) als Vertreter Christi in kaiserliches Purpur ge-
kleidet. SieVerstehen sich als lebendige Ikone, hin-
weisend auf das groBe Urbild Christus.
178
Bilder zeitgendssischer Kaiser in der
Ajia Sophia
Die kaiserliche Kirche Ajia Sophia ist beson-
ders reich an Kaiserbildern. Heute noch zu se-
hen sind, auSer Leon VI., auf der Empore ein
weiterer Kaiser und zwei Kaiserpaare. Ver-
mutlich war ein drittes Paar der grofen frag-
mentarisch erhaltenen Deisis (Mitte 54) zu-
geordnet. Die Briider Fossati hatten bei ihren
Restaurierungsarbeiten 1847-49 eine unter
dem osmanischen Verputz verborgene Dar-
stellung Johannes II. Palaiologos voriiberge-
hend freigelegt. Kaiser und Kaiserinnen tru-
gen ihre eigenen Kostiime, Kronen und Insi-
gnien (keine Reichskleinodien, wie im Heili-
gen Rémischen Reich Deutscher Nation). Sie
konnten Insignien verschenken — so als Zei-
chen besonderer Huld oder aber als Zeichen
der Begnadigung das von ihnen getragene En-
kolpion. Dennoch haben sie Krone und Insi-
gnien als ihnen von Christus oder der Gottes-
mutter verlichen aufgefaBt (Christus setzt
Konstantin VII. 913-959 die Krone aufs
Haupt, Elfenbein, Moskau). Vor Betreten des
Hauptschiffes der Ajia Sophia mute der Kai-
ser Krone und Schwert in der »Vorhalle der
Krieger« ablegen. Kaiser, in spatbyz. Zeit
auch andere hohe Wiirdentrager, halten als
Vasallen Christi Geschenke in Handen — Kir-
chenmodelle, Geld fir Stiftungen, Stiftungs-
urkunden.
vw Zoe mit der Stiftungsurkunde und Konstan-
tin IX. mit der Geldbérse (Apokombion) flankieren
Christus.
ὑπο
Kaiserin Zoe und ihr Gatte Konstantin LX. Empore
Ajia Sophia, Konstantinopel, 1028/39 und nach 1043.
Kaiser
Zoes liebliches Gesicht verrat nicht, daB sie, Jung-
frau bis zum 50.Lebensjahr, drei Ehemanner und
eine ungeklarte Zahl von Liebhabern verschli® und
zu der Zeit 65jaéhrig war. Bei der Veranderung der
ersten Fassung (1028-1039), bei der das Gesicht ih-
res ersten Gatten in das ihres dritten umretuschiert
wurde (nach 1042), hat man vermutlich an ihrem
Kopf nicht viel verindert. Doch werden ihr groBe
politische Fiihrungskraft und frauliche Schénheit bis
ins hohe Alter nachgesagt. Ihre Stiftungsurkunde
bezieht sich auf ein Georgskloster innerhalb der
Stadt.
ve Johannes, II. und Irini - mit Apokombion bzw.
Stiftungsurkunde — flankieren die Gottesmutter mit
dem Immanouilknaben.
Kaloyannis (der gute Hannes) mit dem Kamelaw-
kion auf dem Kopf, zeichnete sich durch Giite aus.
Zusammen mit seiner mildtatigen ungarischen Frau
stiftete er das Pantokratorkloster (um 1220, auf
einer Anhéhe neben dem Atatiirk-Boulevard gele-
gen). Stereotype Darstellungsweise mit portraithaf-
ten Elementen.
vr An einer abgelegenen Stelle der Nordempore
halt Kaiser Alexander (912-913) die Akakia und die
Sphaira.
Das Bild entstand innerhalb der 13 Monate zwi-
schen seiner Krénung und seinem weinseligen Tod;
es zeigt ihn mit Y-formig geschlungenem Loros
(> Gewander).
Darstellungen historischer Kaiser
in der Ajia Sophia
An herausragender Stelle in der Vorraum-Liinet-
te hinter dem Stidportal ein Mosaik (890-920):
Konstantin (rechts), Griinder Konstantin-
opels, gestorben 337, iiberreicht der Gottes-
mutter ein Modell der Stadt, Justinian (links),
Erbauer der Ajia Sophia, gestorben 565, ein
Modell der Kirche. ,
Die Gottesmutter selbst ist die schéne Tiir, die
»Orea porta« — so wird diese Tiir, so wird auch die
Mittelpforte der Bilderwand genannt: durch sie
kommt das géttliche Heil in die Welt. Prafiguriert
wird Maria durch den Tempel zu Jerusalem, den die
Ajia Sophia ersetzt. Maria ist gleichzeitig Reprasen-
tantin der christl. Kirche.
So thront die Muttergottes in der Apsis und so muB
ihr Bild als Vorankiindigung dessen, was den Glau-
bigen in der Kirche erwartet, iiber dem Hauptportal
aufscheinen.
Von allen Kaiserpaaren am haufigsten abge-
bildet wird Konstantin und Helena.
Entwicklung des byzantinischen Kaiserbildes
Konstantin selbst hat sich noch im antikem Stil
als Statue darstellen lassen (Kopf einer Kolos-
salstatue, Palazzo dei Conservatori, Rom), auf
Miinzen als r6mischer Imperator.
Letzter erhaltene Statuenkopf ist eine Por-
phyrplastik auf der Aufengalerie von San
Marco in Venedig ~ wahrscheinlich Justinian I.
(Mitte 6. Jh.).
Nachrichten iiber Statuen reichen bis gegen
800 (Konstantin IV., Irene). Nach dem Bilder-
streit des 8./9.Jh.s gab es nur noch flachige
Kaiserdarstellungen.
Konstantin lie® sich auch als Drachentéter abbilden
(— Drache), er schaffte das Opfer vor der Kaiser-
statue ab. Kaiser und Kaiserinnen werden selbst zu
Opfernden, die dem Weltenherrscher Christus ihren
Tribut darbringen. Friihestes Beispiel: Justinian I.
und Theodora (San Vitale, Ravenna, Mitte 6.Jh.;
-» Hase).
Urspriinglich nur mit ornamentalem Goldmosaik
ausgestattet, ist die Ajia Sophia bis zum Ende des
Bilderstreites bildlos geblieben. Das Mosaik tiber
der Schénen Pforte mit Konstantin und Justinian als
eines der ersten Kaiserbilder in der Ajia Sophia an-
gebracht, entstand wenig spdter als Vorbild aller
weiteren Darstellungen kaiserlicher Stifter.
Bezeichnend fiir die byz. Denkungsart: Histo-
rischen Gestalten wurden die Ztige lebender
Herrscher — z.B. Konstantins VII.'- verliehen
(K6nig Abgar von Edessa auf einer Ikone des
Katharinenklosters auf dem Sinai). Auch Er-
zengel tragen kaiserliche Gewander und Insi-
gnien (> Engel; -> Gewander).
oe ee fi ἐν ἀρ Θ αὶ : ΕΤΟΥΣ ΡΟΣ ΠΤ τὶ
Kaiserin Zoe (Ausschnitt). Mosaik. Ajia Sophia,
Konstantinopel.
179
Kaiser
Ubersicht: Kaiserliche Insignien
I. Kaiserliche Kostiime
a) sog. Triumphalkostiim (friih- bis spatbyz.)
~ Loros: breite, edelsteinbesetzte, um den
Kérper gewickelte oder gehangte (Y-Loros)
Stola. Ab friihbyz. Zeit anstelle eines toga-
ahbnlichen Gewandstiickes getragen (— Ge-
wander, — Konstantin).
— Tunika (-» Gewdnder) mit reicher Verzie-
rung.
(Fortsetzung) Ubersicht: Kaiserliche Insignien
— Krone (Fortsetzung): Plattendiadem (aus be-
weglichen Einzelplatten): Ende 5. bis Anfang
7. 5h.
— Diademreif: sog. Sternmma, Reif mit Perlen- .
saum, perlgerahmtem Stirnjuwel, Perlschnur-
Pendilien, die hinter dem Ohr herabfallen
(ab 2, Halfte 4. Sh.).
Kronenartige kaiserliche Helme, geschmiickt
mit einem Pfauenfederbusch: in Abbildungen
zwischen 313 (konstantinische Mtinzpraégung)
und 1050/60 (Gunthertuch, Bamberg) fafsbar.
Kamelawkion (persisch »das zum Kopf gehé-
rige«), Kombination Kronenhaube mit Dia-
- Dibetesion ab spatbyz. Zeit Sakkos: eine Abart
der antiken und frithchristl. Dalmatika (der spat-
byz. Sakkos verdeckt auf Bildern die Tunika).
~ Kaiserliche Schuhe: purpurfarbene verzierte
Stiefeletten.
— Krondiadem und entsprechende Insignien.
dem, erwahnt Anfang 7. Jh., in mittel- und
spatbyz. Zeit haufig dargestellt.
— Szepter: In konstantinischer Zeit tibliches
b)
Sog. militérisches Friedenskostiim
(frith- und mittelbyz.).
- Tunika— bis zum 7.Jh. knielang, dann Κηδ-
chellang (sog. Skaramangion).
~ Zoni: Girtel zum Skaramangion.
— Purpur-Chlamys: Umhang (-9 Gewdnder),
zusammengehalten tiber der rechten Schulter
von einer Fibel. Ab Ende 4. Jh. (ihre An-
nahme zusammen mit Krone und Purpurstie-
feln bezeichnet den Beginn der Herrschaft
eines Kaisers).
— Hosen (Tsouwia).
- Schuhe (Tsankia).
- Kronendiadem und entsprechende Insignien.
c) Kriegskostiim (friihbyz. spater nur vereinzelt
dargestellt)
— Purpur-Chlamys (Feldherrnmantel).
-- goldener Panzer: ausgefiihrt als Muskelpanzer
mit muskelstiitzenden Schienen (Paradepan-
zer) oder als Schuppenpanzer, aus dem sassa-
nidischen Persien des 3. Jh.s stammend. Beide
spater mit einem Gorgonaion (abschreckende
Fratze) versehen.
- Helm mit Diadem.
— Stiefel.
~ Kampfinsignien: Schwert, Lanze, Schild.
iI.
Kaiserliche Insignien
~ Krone: In der Antike Lorbeerkranznachbil-
180
dung in Gold, in spatrémischer Zeit (Galienus
260-268), vor allem seit Konstantin, Diadem
mit Bindung hinter dem Kopf.
Schlichtes Banddiadem (konstantinische
Zeit): mit Edelsteinen und Perlen besetztes
Diadem bzw. perlengesdumtes Diadem mit
Stirnjuwel (konstantinische bis friihbyz. Zeit).
Adlerszepter wurde vom 5. Jh. an vom Kreuz-
szepter abgelést (lateinisches Kreuz tiber sei-
nem oberen Ende, ab 7.Jh. gelegentlich mit
zwei Balken), nach 1025 -- vom Lawaron zu-
riickgedrangt — nur noch auf Miinzen. Ein-
fache Stabszepter sind selten, lange waren
wahrend der gesamten byz. Epoche, kurze
nur im 4. Jh. tiblich.
- Lawaron (Labarum): Mit dem Christusmono-
gramm (— Kreuz) verzierte Kaiserstandarte
(Gunthertuch, Bamberg 1050/60), hervorge-
gangen aus dem Christusmonogramm, das die
Truppen Konstantins 312 auf ihren Schildern
anbrachten. Bei der Ausrufung des Freiheits-
kampfes 1821 wurde eine Altardecke als La-
waron aufgerichtet (> Heimholung Mariae).
~ Sphaira: Reichsapfelahnliche Kugel, die der
Herrscher in der Linken halt, wird auch als
Polos (Himmelskugel) bezeichnet, in der Lite-
ratur als Symbol des Himmels wie der Erde
beschrieben. Nachweisbar auf Kaiserbildern
zwischen dem 5. und dem Ende des 12. Jh.s in
drei verschiedenen Formen:
a) mit Ornamentik, die sie als Himmelskugel
ausweist,
Ὁ) mit einer kleinen Statue der Siegesgéttin
(Viktoria, konstantinisch),
c) mit Kreuz (ab 5. Jh.).
Die Kugel, die wohl nicht nur, wie vermutet,
auf Abbildungen existiert hat, findet sich hau-
fig als Erzengelsphaira, in mittelbyz. Zeit mit
der auf die + Proskomidie (> Brot,
- Eucharistie) hinweisenden Aufschrift
IC XP NIKA
Jesous Christos Nika. Dies weist die Kugel als
kosmisches Symbol aus (kosmologischer Cha-
rakter der Proskomidie).
(Fortsetzung) Ubersicht: Kaiserliche Insignien
— Mappa/Akakia: Urspriinglich war die Mappa,
ein Tuch oder locker gefiilltes Stoffsackchen,
Signaltuch zur Eréffnung von Spielen, vom
4.Jh. an. Insignie des Kaisers (auch von Kon-
suln). Nach dem Bilderstreit (Michael IIT.)
gewandelt zu einem mit einem Tuch umwik-
kelten buchrollenahnlichen, mit Staub gefiill-
ten Beutel (Kaiser Alexander, Ajia Sophia,
Konstantinopel 912), der »Akakia«; soll auf
die Demut des Kaisers und seine Sterblichkeit
hinweisen. '
-- Enkolpion (Pectorale): groBes Schmucksttick
mit eingelegter Reliquie, an einer Kette vor
der Brust getragen, meist kreuzf6rmig, einen
Splitter des heiligen Kreuzes bergend (trag-
bare Stawrothek).
- Schwert (Spathi) und Schild (Skoudarion):
Vom Gefolge des Kaisers ihm vorausgetra-
gen, stellten in der friihbyz. Zeit wichtige
Kaiserinsignien dar. Bis 602 war die Schild-
erhebung zusammen mit der Kettenkrénung
(Torques) durch das Heer vor der Krénung
durch den Patriarchen Bestandteil des kaiser-
lichen Krénungszeremoniells — Erinnerung an
Wahl, Schilderhebung und Akklamation des
Kaisers durch das Heer (Julian 360, Valenti-
nian 364).
- Lanze: Spatestens seit dem 5. Jh. kaiserliche
Insignie. Auf Darstellungen tiberreicht die
Gottesmutter dem Kaiser (Leon IV., Elfen-
bein, Berlin) Lanze und Sphaira, oder Engel
verleihen ihm Lanze und Krone (Cod. Gr. 17,
Bibl. Maz. Venedig).
Die Reichsinsignie bedeutete vermutlich die
heilige Lanze, mit der Christi Seite durch-
bohrt worden ist und bezog sich auf die + Eu-
charistie (— Proskomidie), wie Sphaira und
Standarte mit dem Dreimal-Heilig.
+ Kirchengebaude
H EKKAHCIA
Tekklisia
Schauplatz des in der byz. — Liturgie immer
wieder neu heraufbeschworenen heilsge-
schichtlichen Dramas. Kirchengebaude und
Kirchenjahr — heiliger Raum und heilige Zeit —
bilden dadurch, da der Kirchenraum (ab
1000) zum Trager der Bilder des > Festtags-
zyklus geworden ist (> Kirchenjahr), eine un-
auflésliche Einheit.
Kirchengebéude
Abbildender Charakter der
Kreuzkuppelkirche
Das orthodoxe Kirchengebadude hat darstel-
lenden Charakter. Als raumliche Ikone ver-
bildlicht sie wie die zweidimensionale Ikone
das, was sie darstellt, nicht auf illusionistische,
sondern auf symbolische Weise.
Symbolische Deutungen durch verschiedene
orthodoxe Autoren:
1. Die Kreuzkuppelkirche ist der Kosmos —
das Kuppelrund der Himmel, das Quadrat des
Naos (Schiff) die Erde.
Der FuBboden (Ajia Sophia: gemaserter Mar-
morboden; Kirchen in Rhodos; an Wellen
erinnernde Zackenmuster aus schwarzen und
weiBen Kieseln) versinnbildlicht die Unter-
welt: der Urozean, auf dem die Kirche als Ar-
che schwimmt. Laut lokaler Uberlieferung be-
stehen die Hauptportale der Ajia Sophia aus
dem Holz der Arche Noah. Im Innenraum ent-
falten sich die Bilderwelten, Emanationen der
von Christus —> Pantokrator als Lichtquelle
abgestrahlten Lichtstrahlen (> Himmlische
und kirchliche Hierarchie). Nach Maximus
dem Bekenner (Konstantinopel) gibt die
Kreuzkuppelkirche den aus unsichtbaren und
sichtbaren Wesenheiten zusammengesetzten
Kosmos wieder, indem sie eingeteilt ist in das
— den amtierenden Priestern vorbehaltene —
Allerheiligste hinter der Bilderwand und das
Kirchenschiff, das allen Glaubigen offensteht.
2.Da die Kreuzkuppelkirche selbst die Ver-
sdhnung zwischen Himmel und Erde bewirkt
(wie Christus), ist sie Darstellung der himmli-
schen Kirche als des mystischen Leibes Christi.
3. Die mégliche Unterteilung in Allerheiligstes
und Schiff bedeutet die zwei Naturen Christi,
der gleichzeitig wahrer unsichtbarer Gott und
wahrer sichtbarer Mensch ist (Simeon von
Thessaloniki).
Die Zweiteilung weist auch auf den Menschen
hin, bestehend aus der unsichtbaren Seele und
dem sichtbaren Leib (Simeon von Thessalo-
niki).
4. Die Zweiteilung weist auf die Trinitét hin,
weil diese ihrem Wesen nach (Ousia) unzu-
ganglich, ihrer Wirkung nach aber erkennbar
ist.
5. Altarraum und Schiff stehen im gleichen
Verhaltnis zueinander wie Himmel und Erde --
181
Kirchengebaude
was auch ftir die Beziehung zwischen Kuppel-
rund und Naos-Quadrat gilt.
6. Die mégliche Unterteilung in drei Teile —
Vorhalle, Schiff und Allerheiligstes — repréa-
sentiert die drei Teile des Tempels zu Jerusa-
lem (auch die Unterteilung der Stiftshiitte) in
seiner neuerschaffenen himmlischen Form
(Hebr. 9 --» Schatten).
7. Die Dreiteilung wird ebenso als Hinweis auf
die Dreifaltigkeit verstanden wie auf die drei
Engelordnungen der himmlischen Hierarchie:
»... Der gdttliche Tempel (ist) ... ein Bild dessen,
was auf Erden, was im Himmel und was tiber dem
Himmel ist, der Narthex ist ein Abbild dessen, was
auf Erden ist, das Schiff des Himmels; das aber, was
iiber dem Himmel ist, verk6rpert der allerheiligste
Altarraum.« Simeon von Thessaloniki
8. Die Kirche entspricht der Dreiteilung des
Gottesvolkes in Priester, denen das Allerhei-
ligste offensteht, in getaufte Glaubige, denen
das Hauptschiff zuganglich ist und in Unge-
taufte, die Katechumenen, die den Taufunter-
richt in der Vorhalle erhalten.
9. Die Kirche nimmt das kiinftige Reich Gottes
vorweg und ist nach Johannes Damaszenus
Bild des kommenden Guten.
Deutungen der Ausstattungsdetails
einer Kirche
Grundstein, der bei der
Einweihung gesalbt wird:
1. Jakobs Opfertisch, FuB8punkt der ~ Himmels-
leiter, Ort, wo das vom Himmel ausgehende Gatt-
liche auf die Erde hinabsteigt.
2. Christus als der Eckstein, auf dem die Kirche
ruht.
3. Jungfrau Maria, die der Grundstein, Ort der
Vereinigung Gottes mit den Menschen ist.
FuBboden aus Marmor mit Maserungen
(den sog. Strémen):
1. Flu8 Jordan.
2. Unterwelt (Urozean), die durch die > Taufe
Christi vergéttlicht ist.
Die Kirche ist die Arche, die auf dem Unheils-
meer schwimmt.
Altar:
1. Grab Christi.
2. Krippe Christi.
182
Pfeiler der Kirche:
Hierarchen, Martyrer, Asketen (zwei mal sechs
Pfeiler oder Séulen: Apostel).
Leuchter:
Sterne.
Zentraler Kronleuchter:
Planetenbahnen, Tierkreiszeichen, Apostel.
Solea, Stufe zwischen Schiff und
Allerheiligstem:
Feuriger FluB (1. Kor. 3, 12-15), der die Werke der
Menschen priift.
Ambon fiir die Schriftverlesung:
Stein, der von Christi Grab gew4lzt, auf dem der
Engel saB und die frohe Botschaft der Auferstehung
verkiindete (der Diakon auf dem Ambon wird bei
der Verlesung des Evangeliums zum Engel).
Bilderwand (Templon):
Trennwand zwischen der sichtbaren und der
unsichtbaren Welt (--» Ikonostase; —> Schatten).
KIRCHENBAUSYSTEM
Zweiteilung des Dreiteilung des
Kirchenraumes i) Kirchenraumes
Zuging- Symbolik nach
lich fir © Symeon von
Thessaloniki
Priester Oberhimmlische
Unsichthare Welt _
nung
(Gott, Engel) Gottes,
entspricht im AT Himmel ber
der Bundeslade den Himmeln
Sichtbare Welt
(Menschen) Gliubige Paradies, ver-
entspricht dem Heiligtum gottlichte Welt -
des Tempels zu Jerusalem -- Naos oben Himmel,
unzuginglich und unein- (Hauptschiff) unten Erde
sehbar fiir die Anhanger (verklarte,
des Alten Bundes nach ΜΝ 9 gerechtfertigte,
dem AT, zuginglich jedoch sichtbare Welt)
fiir die Glaubigen (NT)
Narthex Katechou- —Stindige Welt
(Vorhalle) menen (jetziger
(Tau€- Zustand)
anwarter)
1. Pforte symbolisiert Chri-
stus: »Ich bin die Pforte.
Wer durch mich eintritt,
der wird gerettet wer-
den.« Joh, 10,9. (Im
Tympanon der Pforte ist
in der Regel der Christus
Pantokrator dargestellt.)
2. Eingang in das Reich
Gottes.
Kirchengebdude
Pamakaristoskirche Fetije Dschami, Konstantinopel, 1310-1320.
183
Kirchengebdude
Plan A: Grundschema einer Fiinf-Kuppel-Kreuz- Plan B: Schema des Reliquienkreuzes Justins IL.,
kuppelkirche (z. B. untergegangene Apostelkirche, 6.Jh. Der Vergleich mit dem GrundriB der Kreuz-
Konstantinopel, 6. Sh.; San Marco, Venedig, kuppelkirche (links) verdeutlicht die Ahnlichkeiten
11. Jh.). in der Anordnung der Kreisfelder.
Plan C: Grundschema einer Fiinf-Kuppel-Kreuzkup- Plan D: Rechter Fligel eines Zweifliigel-Tragaltir-
pelkirche mit zusdtzlicher Kuppel tiber der Vorhalle chens (Diptychon) aus dem Athoskloster Chilanda-
(z. B. Ajios Theodoros — jetzt Kilise Cami —in riou (zweite Halfte 13. Jh.). Die Quadrat- und Kreis-
Konstantinopel, 12. Jh.). Der Grundrif ist mit dem flachen enthalten Emaille-Darstellungen. (Der linke
Schema des Tragaltirchens (rechts) zu vergleichen! Fligel ist nach dem gleichen, allerdings auf dem
Kopf stehenden Schema angelegt.)
184
Kirchenjahr
Weitere Darstellungsfunktionen der
Kreuzkuppelkirche
yx Orthodoxe Kirchen sind geostet, weisen
mit dem Chor auf die aufgehende Sonne hin,
die Christus als das Licht der Welt symboli-
siert, und mit der 4uBeren Vorhalle auf den
Westen, deutbar als Reich der Finsternis. ἡ
»Weil nun Gott ein geistig Licht und Christus in den
Schriften Sonne der Gerechtigkeit und (Sonnen-)
Aufgang genannt hat, darum ist ihm der Aufgang
zur Anbetung geweiht. ... Und dann sagt auch die
Schrift (1. Mose 2, 8): Und Gott der Herr pflanzte
ein Paradies gegen Morgen und setzte den Men-
schen hinein, den er gebildet — und nach der Uber-
tretung vertrieb er ihn und siedelte ihn gegentiber
an... am Untergang namlich. Auf der Suche nach
dem alten Vaterland (im Osten) und dorthin schau-
end, beten wir Gott an. Auch das mosaische Zelt
(Sitftshiitte) hatte den Vorhang und den Stihnealtar
gen Aufgang ... Auch in dem beriihmten Tempel
Salamos war die Pforte des Herrn gen Aufgang gele-
gen!« Johannes Damaszenus in seiner Glaubens-
lehre
Das Gebéude ermdglicht dem Menschen die
Orientierung im Raum. Die Kreuzarme wei-
sen in alle vier Himmelsrichtungen.
ve In der Kreuzkuppelkirche kommt das
mannliche und das weibliche Prinzip in seiner
Dualitét wie in seiner Verbundenheit zum
Ausdruck -- als Pantokrator und als Gottesge-
bdrerin, welche die beiden architektonischen
hochrangigen Platze im Kircheninneren beset-
zen (--Ὁ Pantokrator; —> Maria).
¥ Die Bilderwand umspielt das Problem der
Trennung und Vereinigung — trennt und verei-
nigt gleichzeitig die sichtbare und die unsicht-
bare Welt (—> Ikonostase).
Die Abgrenzung des menschlichen Selbst gegen die
Umwelt und die Durchlassigkeit dieser Abgrenzung
~ die es tiberhaupt erst ermdéglicht, mit der Umge-
bungswelt Verbindung aufzunehmen -- ist ein Kardi-
nalproblem der Persénlichkeitsentwicklung. Fiir
den Menschen ist eine véllige Abkapselung ebenso-
wenig heilsam wie ein vdlliges VerflieBen mit der
Umwelt. Eine Trennwand ist ebenso ndétig wie de-
ren Durchlassigkeit. Schiff und Allerheiligstes bil-
den symbolisch das menschliche BewuStsein — In-
nenwelt und Aufenwelt — mit dem sie verbindenden
Wahrnehmungsvermégen -- ab; letzteres repriésen-
tiert durch die Bilderwand. Im Gegensatz zur west-
lichen Kultur wird nicht die AuBenwelt, sondern die
Innenwelt als das Bedeutendste angesehen — die Be-
wertung ist umgestiilpt, was sich bei raéumlichen
Darstellungen in der umgekehrten Perspektive (das
Gottnahe gro8, das Gottentfernte klein) spiegelt.
Auffallig die Ahnlichkeit mancher Kirchen-
grundrisse mit + Kreuzsymbolen und Gliede-
rungen von Stawrotheken bzw. Evangeliaren.
Kirchenjahr
TO EOPTOAOTIKO ETOC
To eortolojiké étos
Beginnt im September mit dem Hauptfest der
—> Geburt Maria und endet im August mit der
— Heimholung Maria; besteht aus zahlreichen
unbeweglichen Festen und den beweglichen
des Passions-, Oster-, Pfingstzyklus (— Fest-
tagskalender).
Gliederung der Zeit durch das Kirchenjahr
Mit seinen Festen verbindet es die einzelnen
Phasen des géttlichen Wirkens mit dem alltag-
lichen Leben, mit den Gestirnen, mit der Zeit,
es gliedert und heiligt sie, macht ihre beunru-
higende Unendlichkeit iiberschaubar. Ganz
ahnlich verbindet der — Kirchenbau an heils-
geschichtlich bedeutsamen Statten die Heils-
geschichte selbst mit dem taglichen Leben.
Kirchenbauten sind heilige Landmarken, die
die beunruhigende Ausdehnung des Raumes
gliedern und seinen bewohnbaren Teil abstek-
ken (> Elias). Die Festtagsbilder verkniipfen
— auf die Liturgie bezogen — heilige Zeit und
heiligen Raum zu einer Einheit.
Die wichtigsten Festtage wurden in der
1. Halfte des 4. Jh.s unter > Konstantin in der
Hauptstadt eingefiihrt. Gleichzeitig haben er
und seine Mutter die wichtigsten heilsge-
schichtlichen Staétten im Heiligen Land mit
Kirchenbauten markiert, deren Form und
Ausstattung die kirchliche Kunst des byz. Rei-
ches pragen sollten. Mit Sinn ftir die Notwen-
digkeit eines neuen Orientierungssystems hat-
ten Konstantin und Helena damals, als die an-
tike Religiositét sich aufléste, das christ]. Le-
ben an einen orientierenden Rahmen in Zeit
und Raum gebunden, den Grundstein zu ei-
nem System gelegt, das tiber 1100 Jahre den
Bestand des Reiches sicherte.
185
Kirchenjahr
Rituelle Erneuerung heilsgeschichtlicher
Ereignisse
Die Gottesdienste erinnern nicht an langst
Vergangenes, sondern verlebendigen im jahr-
lichen Zyklus dramatisch die heilsgeschicht-
lichen Ereignisse — die Ankunft Christi in der
Welt, sein Leiden, Opfer, seine Auferstehung
und Auffahrt. All dies wird jedes Jahr, in we-
higer ausgepragter Form jeden Sonntag, durch
symbolische Handlungen im Gottesdienst aus
ferner Vergangenheit in das Jetzt zuriickgeru-
fen und vom Glaubigen als Gegenwart miter-
lebt. Ein Vorgeschmack der Ewigkeit wird im
Drama der Liturgie in die Gegenwart vorge-
zogen — so wie das Kircheninnere wahrend der
— Liturgie zu einem bereits vorab vergéttlich-
ten Teil der Welt wird.
Bauerliches und liturgisches Jahr
Das zyklische Kirchenjahr mit seinen wieder-
kehrenden Festen entspricht der Denkweise
und Erfahrung des bauerlichen Menschen, der
es so erlebt wie den sténdig sich wiederholen-
den Zyklus von Saat und Ernte, Werden und
Vergehen. Die griech. Bauern und die aus
dem Bauernstande hervorgegangenen Papa-
des haben ihr mit dem Wachstum der Pflanzen
und Friichte und der Aufzucht von Tieren eng
zusammenhangendes Brauchtum an die Fest-
tag-Gottesdienste angekntipft und so das land-
wirtschaftliche mit dem Kirchenjahr verzahnt.
Saat und Ernte weisen hin auf Tod und Aufer-
stehung, wie Tod und Auferstehung auf Saat
und Ernte. Die Tendenzen dazu sind im NT
angelegt. Christus und seine Jiinger entstam-
men einem bauerlichen Umfeld.
Sonnen- und Mondjahr
Das Kirchenjahr hangt mit seinen beweglichen
Festen am Sonnen-, mit seinen unbeweglichen
(iiber -> Ostern) zugleich am Mondjahr. Jeder
Tag — in den Kléstern werden, soweit méglich,
dreizehn traditionelle, Tag und Nacht gliedern-
de Gottesdienste abgehalten — wird durch Ta-
gesheilige und heilsgeschichtliche Ereignisse
aus beiden Zyklen bestimmt, und da sich der
bewegliche Zyklus von Jahr zu Jahr ver-
schiebt, andert sich auch jedes Jahr die Kom-
bination von Tagesheiligen bzw. Heilsereig-
nissen.
186
2G: BS
bet it Aaa το, κε τς Rouen a
i
raat ἨΔ Les
Die Jahrestage der Heiligen werden im Minolojion
aufgezahlt. Osios Lukas, nach 1000.
w Die Gedenkanlasse des feststehenden Ka-
lenders fiir das ganze Jahr sind im Minolojion
verzeichnet, das auch im Jeratikon, dem
Handbuch des Priesters, enthalten ist.
yw Die von Ostern abhangigen Gedenkanlasse
sind fiir die Fasten- und Osterzeit im Triodion
~— fiir die Fastenzeit im Fastentriodion, fiir
Ostern bis Pfingsten im Blumentriodion ent-
halten. Im Anschlu8 an Pfingsten bilden je
acht Sonntage eine Einheit, die die acht Wo-
chen vor und nach Ostern spiegelt, sich standig
wiederholend bis zur nachsten Fastenzeit. Je-
de Woche innerhalb der Achtheit steht unter
einem andern liturgischen Ton. Die dem Ach-
‘terrhythmus folgenden Gottesdienstanweisun-
gen stehen im Achtton-Buch »Ochtdichos«
(Triodion und Ochtoichos gehéren in die
Hand des Kantors).
Ein aktueller Jahresweiser (Imerolojion) wird in
griech. Sprache von der Metropolie in Bonn heraus-
gegeben (erhiltlich in griech. Ortsgemeinden).
Die Wochentage als Gedenktage
Sonntag: ‘Tag des Herrn, der Auferstehung
Christi
Montag: Tag der kérperlosen Machte
(Engel)
Dienstag: ‘Tag des Vorlaufers
(Johannes der Taufer)
Mittwoch: ‘Tag des Kreuzes
(und Gedachtnis des Verrates)
Kirchenvdter
Donnerstag: Tag der Apostel, des Heiligen
Nikolaus und der Kirchenvater
Freitag: Tag des Kreuzes
Samstag: ‘Tag der tibrigen Heiligen
und der Verstorbenen.
Kirchenvater
OI ITATEPEC THC EKKAHCIAC
I patéres tis Ekklisias
Geistliche Lehrer haben die Liturgie geschaf-
fen, die orthodoxe Dogmatik formuliert oder
‘mitgestaltet. Sie gehdren zwei verschiedenen
-geistigen Strémungen, den Schulen von Antio-
‘chia und Alexandria, an.
Theoiogie, Christologie und Anthropologie
der Kirchenvater
Zu ihrem Kern werden drei (Antiochener)
oder vier (drei Antiochener, ein Alexandri-
ner) aus der 2.Hialfte des 4.Jh.s gerechnet.
Den erweiterten Kreis schlieBt im 8.Jh. — Jo-
hannes Damaszenus ab; er hat die Uberliefe-
rungen der Antiochener in seiner Glaubens-
lehre zusammengefaBt.
Im christologischen Streit um die Lehre von
den zwei Naturen Christi stehen Antiochener
und Alexandriner in einem dogmatischen und
auch menschlichen Gegensatz zueinander. Die
groBherzigen Antiochener heben die mensch-
liche Natur Christi hervor, die aggressiveren
verbissenen Alexandriner betonen einseitig
seine Géttlichkeit.
Weitere Entwicklungen: Ab 428 spaltet sich von der
antiochenischen Richtung die nestorianisch-persi-
sche Kirche ab (Maria hat Christus, nicht Gott, ge-
boren), nach 451 von der alexandrinischen die mo-
nophysitische Kirche der Kopten und Armenier
(Christus hat nur eine géttliche Natur).
Die Orthodoxen bekannten sich auf dem Konzil zu
Calcedon (451) zu dem einen Christus, vollkomme-
ner Gott und vollkommener Mensch, d.h. zu seinen
zwei Naturen, die weder miteinander vermischt
noch véllig voneinander getrennt, sind. Inzwischen
haben sich die Gegensatze zwischen der orthodoxen
und den orientalischen Kirchen verschliffen. Sie be-
handeln sich heute gegenseitig nicht mehr als Hare-
tiker.
Die Christologie der Kirchenvater ist Basis ihrer
Lehre vom Menschen (Anthropologie). Das Ver-
einigtsein des Menschensohns mit Gott gilt als Vor-
bild fiir die Bestimmung des Menschen, sich my-
stisch mit Gott zu vereinigen. Die Vermensch-
lichung Gottes erméglicht die Vergéttlichung des
Menschen.
Ubersicht: Kirchenviter der Orthodoxie
Dreiergruppe (30.Januar) Vierergruppe
- — Basilius der GroBe, -- Basilius
Kappadokien, gest. 379 — Gregor der Theo-
— Gregor der Theologe loge
(von Nazianz), Kap- — Johannes Chryso-
padokien, gest. 389 stomos
- Athanasius, Pa-
triarch von Alex-
andrien, gest. 373
oder
- Kyrillos von Alex-
andrien, gest. 444
- — Johannes Chryso-
stomos, Antiochia,
gest. 407
Alle aus dem Patriarchat
von Antiochia
Zum erweiterten Kreis gehdren
— Gregor von Nyssa, Kappadokien, gest. 395
— Sabas, Kappadokien, gest. 532
— — Ephram der Syrer, gest. 377
— Kyrillos von Jerusalem, gest. 386
- — Johannes Damaszenus, gest. ca. 750
— Papst Sylvester, Rom 314-335
Lebensbeschreibungen von Kirchenvatern
x Gregor der Theologe, Freund des —> Basi-
lius, Priester bei Nazianz, Inneranatolien,
380-383 Patriarch von Konstantinopel. Zieht
sich enttéuscht von den Intrigen der Haupt-
stadt nach Kappadokien zuriick, widmet sich
der Hymnendichtung. Bedeutender Redner
und Schriftsteller. VerfaBte eine Schrift tiber
die Dreieinigkeit, mit Basilius zusammen die
Philokalia (Bliitenlese aus Origines).
yx Gregor von Nyssa, Inneranatolien. Bruder
des — Basilios, mit ihm und Gregor von
Nazianz zu den drei grofen Kappadokiern
gerechnet. Vertrat seinen antiochenischen
Standpunkt (zeitweise durch Kaiser Valens
verfolgt) auf dem Konzil von Konstantinopel
381 und der Synode von 394, VerfaBte tiefsin-
nige theologische Schriften. Dargestellt mit
braunlichem, eckig-breitem Bart.
xx Athanasios, ab 328 Metropolit von Alex-
andrien. Heftiger Gegner der Arianer. Deswe-
gen von Kaiser Konstantios verfolgt, muBte
insgesamt fiinfmal flichen. Von grofem Ein-
flu8 fir Einsiedlerwesen und Ménchtum seine
Lebensbeschreibung des Antonios, des Be-
grtinders des Eremitentums.
187
Konstantin und Helena
ye Kyrill, Patriarch von Alexandrien, gest.
444, Setzte auf dem Konzil von Ephesus mit
Klauen und Zahnen die Verurteilung des Ne-
storios durch. Es ging. um Anerkennung Ma-
rias als Gottesgebarerin (Nestorios: Christoto-
kos; Kyrill: Theotokos). Dargestellt mit der
typischen kreuzverzierten Kopfbedeckung des
alexandrinischen Patriarchen (> Gewdnder).
vv Kyrill von Jerusalem, Verfasser wichtiger
Katechesen iiber die Mysterien des Christen-
tums, bedeutender Vertreter der liturgischen
Mystik.
vy Sawas (Sabas). Geb. in Kappadokien,
griindete nach ihm benanntes Kloster bei
Bethlehem. Hatte zuletzt die Oberaufsicht
liber sieben Einsiedlerverbande, tiber das ge-
samte Ménchtum Palastinas.
ve Papst Sylvester, im Osten verehrt, weil er
Kaiser Konstantin vom Aussatz befreit und ge-
tauft haben soll. Tragt die papstliche Kamilaw-
ka (-> Gewander).
Kirchenviiter im Apsisrund um den Altar. Ajios
Nikolaos Orphanos, Thessaloniki, Anfang 14. Sh.
Die Kirchenvater um den Altar
in der unteren Zone des Apsisrundes
In der altchristl. Basilika saB die Priesterschaft
auf abgestuften Sitzbankreihen — dem Syn-
thronon -- im Apsishalbrund um den Altar. Ih-
ren Platz nimmt von der Mitte der mittelbyz.
Zeit an die nunmehr bildlich dargestellte
188
Gruppe der Kirchenvater ein. Sie umsteht in
der untersten Zone des Apsiszylinders den Al-
tar. (Zuvor — im 9. und 10.Jh., z.T. auch spa-
ter -- waren die Kirchenvater in hochgelegenen
Wandnischen unter dem Gewdélbe nahe dem
Allerheiligsten untergebracht worden.)
Die Kirchenvater treten auch als Zweier- oder
Sechsergruppe, meist aber als Vierergruppe
auf — links jedoch nach rechts gewandt vor ei-
nem schmalen Mittelfenster Chrysostomos vor
Athanasios, rechts nach links blickend Basilios
vor seinem Bruder. In groBen Apsiden ist die
Gruppe vergré8ert (bis zu zwei Vierergrup-
pen). Vom 9.Jh. an tragen die Kirchenvater
das mit Kreuzen tibersate Phelonion (Poly-
stawrion; > Gewander). Die Dreiergruppe er-
scheint auch, frontal dem Betrachter zuge-
wandt, auf Ikonen. Ab spatbyz. Zeit werden
die Kirchenvater in folgende szenische Dar-
stellungen eingebunden: -- Heimholung Ma-
ria, Kirchenvaterkommunion (— Eucharistie),
Tod einzelner Kirchenvéter (Ephrim, Chry-
sostomos) inmitten ihrer Anhanger und
Freunde.
Konstantin und Helena
O KQNCTANTINOC KAI H EAENH
O Konstantinos kei Eléni
R6mischer Kaiser (306-337) mit Kaiserinmut-
ter. Konstantin beendete die Christenverfol-
gung, filhrte das Christentum als Staatsreligion
ein und erhob 328 Konstantinopel zur Haupt-
stadt des rémischen Reiches. Das Mutter- und
Sohn-Paar — Vorbild christlichen Herrscher-
tums — wird in der griechischen, russischen und
armenischen Kirche als heilig verehrt.
Namenstag und Brauchtum um Konstantin
und Helena
In den Konstantinskirchen finden am 21. Mai
Feste (Panijiria) mit Prozessionen statt. Vor
den Kirchen wird getanzt, gegessen und ge-
trunken.
In Kosti/Thrakien und einigen Orten Makedoniens
finden die Anastendria — Feuertinze — statt: Mitglie-
der der Bruderschaft der Anastenarites tanzen auf
einem Platz bei der Konstantinsquelle nahe Kosti
mit bloBen FiiBen, in den Handen Konstantinsiko-
nen oder ein Evangelienbuch, tiber gliihender Holz-
kohle — angeregt von einer Trommel, einer einsaiti-
gen Fidel und einem thrakischen Dudelsack. Die
Konstantin und Helena
von Konstantin besessenen Trancetanzer befragen
die Konstantinsikone und geben Prophezeiungen
von sich. Am 1. Abend des achttigigen Festes wird
ein vom Priester ausgewahlter schwarzer dreijahri-
ger Stier geopfert, sein rohes Fleisch und seine
Haut, aus der Sandalen gemacht werden, erhalten
die Dorfbewohner. Die urspriinglich im heute ttirki-
schen Ostthrakien beheimatete Sitte wird als Chri-
stianisierung eines Dionysosritus betrachtet. Strabo
erwahnt die Kapnowatd (Rauchganger) bei den ge-
dischen Thrakern.
Leben und Wirken Konstantins
Konstantin, 306 nach dem Tode seines Vaters
von.den Truppen in Britannien zum Mitkaiser
ausgerufen, Verehrer des sol invictus (unbe-
siegliche Sonne), verwaltete als einer von vier
Herrschern den Reichsteil Gallien und Britan-
nien.
An der noch von Diokletian eingeleiteten
Christenverfolgung, 311 durch den Duldungs-
akt des ranghéchsten Augustus endgiiltig be-
endet, beteiligt er sich nicht. 312 schlagt Kon-
stantin bei Rom an der Milvischen Briicke
Maxentius, bis dahin Herrscher iiber Italien
und Afrika. Nach der Eusebius zugeschriebe-
nen Vita Konstantins ist dem Kaiser vor der
Schlacht tiber der Sonne ein Lichtkreuz er-
schienen mit der Inschrift: »Touto Nika« (Mit
diesem Siege!). Nach Laktanz hat Konstantin
aufgrund eines Traums seinen Soldaten ein
Christusmonogramm auf ihren Schildern an-
bringen lassen. Konstantin wendet sich dem
Christentum zu, ]4Bt sich selbst als sol invictus
darstellen (Miinzen, Statuen). Im Christus-
monogramm verschmelzen Kreuz- und Son-
nensymbol. 321 fiihrt er den Sonntag (dies so-
lis) als Feiertag ein. Das sog. Lawaron, eine
Standarte mit Christusmonogramm, setzte er
324 in Adrianopel (Edirne) ein bei seinem Sieg
tiber den letzten Konkurrenten Licinius, den
Beherrscher des Ostens. Nunmehr Alleinherr-
scher, verlegt er seine Residenz nach Byzanz
und weiht die Stadt 328 zum »neuen Rom«
(Konstantinopel). Als sakrale Mitte der Stadt
gilt die Porphyrsaule mit einer Kolossalstatue
Konstantins als Helios. Bereits 325 lieB er das
Erste Okumenische Konzil nach Nikda einbe-
rufen, spricht sich gegen Arius aus (Christus
der erstgeschaffene Mensch, nicht der erstge-
borene Sohn). Nachdem Konstantin 326 seine
Frau Fausta und seinen dltesten Sohn Crispus
aus nicht néher bekannten Griinden hat hin-
richten lassen, tritt seine Mutter Helena in den
Vordergrund — spiirt Reliquien auf, griindet
zahlreiche Kirchen. Erst kurz vor seinem Tode
laBt sich Konstantin taufen (337). Bestattet
wird er in einem Mausoleum, verbunden mit
der von ihm gegriindeten Apostelkirche, zwi-
schen je sechs Gedenkstelen fiir die Apostel zu
beiden Seiten des Sarkophages: er will teil-
haben an den Gebeten zu Ehren der Apostel.
Noch heute lautet Konstantins Beiname Isa-
postolos (Apostelgleicher). Helena starb ein
Jahr vor ihm und ist in Rom im Helenamauso-
leum (Tor’ Dignattara) bestattet, Vorbild fiir
die konstantinische Apostelkirche und die
Grabkirche in Jerusalem. Konstantin XI. Pa-
laiologos hie& der letzte byz. Kaiser, der am
29.5.1453 vor der Stadt im Kampf gegen die
Tirken fiel.
Darstellungen von Konstantin und Helena
Das Kaiserpaar mit dem heiligen Kreuz.
Osios Lukas, bei Stiri in Phokis, nach 1000.
Kaiser und Kaiserinmutter erscheinen einzeln
an Pilastern mit dem Kreuz oder einer Schrift-
rolle in der Hand, ab Ende des Bilderstreites
meist zu zweit, zwischen sich das ‘wahre Kreuz
Christi, das Helena bei einer Pilgerfahrt nach
Palastina gefunden. Die Tracht der Kaiserin
enthalt einen schildartigen Aufsatz (Thora-
kion) — einen lederversteiften Teil ihres Loros
(— Kaiser) mit dem Bild des heiligen Kreuzes.
Das nicht vollig entratselte Bekleidungsdetail
tragen auch Kaiserinnen des 10. und 11. Jh.s.
189
Kosmas und Damian
In Konstantinopel, Rom und Alexandrien hat Kon-
stantin Kirchen fiir Martyrer - Heroen des Christen-
tums — gegriindet, in Palastina zusammen mit Hele-
na die Stétten der Theophanien mit christlichen
Kultbauten markiert: die Geburtskirche in Bethle-
hem (—> Geburt Christi), die Eleonakirche an der
Statte der >» Himmelfahrt auf dem Olberg, Basilika
fiir die Trinitét im Hain zu Mamre (— Pfingsten),
Auferstehungskirche mit Grabgedenkstatte (335).
Ein Kreuz am Jordan an der Stelle der — Taufe
Christi hat er vermutlich errichtet. Die mit diesen
Statten verbundenen Ereignisse (— Kirchenjahr)
sind bereits in konstantinischer Zeit in der Haupt-
stadt festlich begangen worden.
Uber der schénen Pforte der Ajia Sophia ist er zu-
sammen mit Justinian als Stifter, der Christus hul-
digt, wiedergegeben (—> Kaiser). In den Bruder-
schaftsréumen der Anastenarites in Kosti soll es mit
Gléckchen behangte Ikonen geben, die Konstantin
und Helena als Tanzende zeigen.
Kosmas und Damian,
die Silberverachter
OI ANAPLYPOI KOCMAC KAI
AAMIANOC
I anarjiri Kémas ke Damiands
Zwei Briider aus Agea in Kilikien (Klein-
asien), die als Arzte ihre Patienten unentgelt-
lich behandelten. Da das auch im 3.Jh. unge-
wohnlich war, bekehrten sie viele zum Chri-
stentum. Damian mute sich einmal gegen-
liber seinem Bruder verantworten: Er hatte
drei Eier von einer geheilten Frau angenom-
men, um sie nicht zu kranken. Da das Minolo-
jion (— Kirchenjahr) fiir sie zwei Gedenktage
— den 1.Juli und den 1.November -- enthailt,
wird angenommen, es hatte zwei Arztepaare
gleichen Namens gegeben. Der doppelte Ge-
denktag kommt wohl dadurch zustande, daB
die beiden an unterschiedlichen Tagen unter
Diokletian den Martyrertod erlitten. Die bei-
den Anarjiri, die das Silber ablehnen, werden
auf Ikonen und an Kirchenwdnden jugendlich
und vornehm gekleidet wiedergegeben, mit
zartem Flaumbart, Salbenbiichse und einem
Léffel in der Hand. Auf einigen Ikonen — Arz-
te-Ikonen sind ein wichtiges hausliches Hilfs-
mittel gegen Krankheiten aller Art -- wird ih-
nen der Martyrerarzt Panteleimon zugeord-
net. Ihr Kult hat sich vom 6.Jh. an ausgebrei-
tet, nachdem sie dem erkrankten Kaiser Justi-
190
nian im Traum erschienen und ihn von einer
Krankheit geheilt hatten. Traumkonsultatio-
nen, oft in drei Nachten hintereinander, sind
keine Seltenheit. Noch heute iibernachten Er-
krankte in Kirchen von Kosmas und Damian
oder anderen heiligen Arzten, um zu gesunden
oder entsprechende Traumanweisungen zu er-
halten (Antike: Heilschlaf Kranker in Tem-
peln des Asklipios).
~ Kosmos
O KOCMOC
O késmos
Das wohlgeordnete All. Die Geistigkeit der
Orthodoxie ist kosmisch orientiert, auf das All
hin, das einst vergéttlicht werden wird. Die
Heilsgeschichte wird gesamtkosmisch aufge-
faBt -- Sonne, Mond und Sterne sind in die
Ereignisse um Geburt, Tod und Auferstehung
Gottes einbezogen. Die Geistigkeit der West-
kirchen ist demgegentiber eschatologisch, auf
den Ablauf der Zeit hin ausgerichtet.
Kosmos — unterschiedliche und
widerspriichliche Wortbedeutungen
w Kosmos -- die irdische und in Schuld ver-
strickte Welt, im Gegensatz zu Gott stehend.
Im NT bei Matthaus, Markus und Lukas.
yx Kosmos — ehemals in Finsternis versunke-
ne Welt, die durch Christus besiegt ist und sich
in einen verg6ttlichten Kosmos verwandelt.
Johannes und Paulus betonen die Aufnahme
des Kosmos ins Reich Gottes, die Theologie
des 5. und 6.Jh.s, seine Umwandlung in eine
gottliche Welt. (Wandel in der Ausdruckswei-
se, von einer hebrdischen Begrifflichkeit, die
vom Gegensatzpaar Himmel und Erde aus-
geht, hin zu dem fiir die griechisch sprechende
Welt verstandlicheren Begriff Weltall).
yr Kosmos als eine der drei verschiedenen
Welten — dem unteren Kosmos (Totenwelt),
mittleren Kosmos (Menschenwelt) und dem
‘oberen Kosmos (Welt Gottes).
ye Kosmos wird noch gebraucht in der Bedeu-
tung von Schmuck und Ordnung (urspriinglich
der geordneten Menschenwelt, der von Men-
schen bewohnbaren Welt, im Gegensatz zum
Chaos), auch als Menschheit, im Neugriechi-
schen als »die Leute«. .
Kranz
Allegorische Darstellungen des Kosmos
Als alter Kénig mit Krone und zw6lf Schrift-
rollen, Reprasentationen aller Reiche dieser
Welt (— Zahl 12), erscheint der Kosmos auf
Bildern von —> Pfingsten: als Gruppe von
zwolf Kénigen — bei Platzmangel weniger — bei
der --ὸ Versuchung Christi; Nachwirkung der
alten jiidischen Vorstellung der Welt als Qua-
drat mit vier mal drei Toren, der Gesamtre-
prdsentation der auserwahlten Menschheit
durch die zw6lf Stémme Israels.
Symbolmodelle des Kosmos
Orphanos, Thessaloniki, Anfang 14. Jh.
Zu den Kosmossymbolen gehéren:
1. Das Kreuz selbst — vor allem in seiner Form
als Kreuz im Kreis — mit seinen vier in die
Haupthimmelsrichtungen weisenden Balken.
Die ostorientierte Kreuzkuppelkirche ist ein
kosmografisches Modell (> Kirchenbau; —
Himmilische und kirchliche Hierarchie; —
Evangelisten).
2. Die zum Abendmahl vorbereiteten, Gaben,
die in der — Proskomidie von Priester und
Diakon als ein Modell der vergéttlichten Welt
aufgebaut werden. Der Stempel auf dem
Abendmahlsbrot Jesus Christos Nika erscheint
auf dem Kosmosmodell, das die Erzengel in
Handen halten, der Sphaira (> Eucharistie).
3. Der — Mariengiirtel umschlieBt den Leib
der Panajia, als Schutzgiirtel die Mauer Kon-
stantinopels und den gesamten Erdkreis, sym-
bolisiert die Umgrenzungen des Alls (auch
Maria Platytera, > Maria, die Allheilige).
4. Die heilige Stadt, ein aus dem AT tiberkom-
menes Weltbildsymbol (— Jerusalem; —
Tempel).
Mikrokosmos — Makrokosmos — Entsprechung
Die wichtigsten orthodoxen Riten stellen eine
Vereinigung des Menschen mit dem Kosmos
her — die Wasserweihe (—> Taufe Christi), die
-» Eucharistie. Verschieden groBe Kosmos-
modelle sind ineinander verschachtelt -- das
Kosmosmodell Proskomidie innerhalb des
Kosmosmodells Kirche, umgriffen vom gétt-
lichen Kosmos. Das Bestreben, Verbindung
zwischen dem Einzelmenschen und dem Kos-
mos zu schaffen, driickt sich im Verstirnen hi-
storischer heilsgeschichtlicher Persdnlichkei-
ten aus, in der Gleichsetzung Christi mit der
Sonne, der Apostel mit den Tierkreiszeichen.
Die groBen Ektenien im Gottesdienst bezie-
hen in ihre Fiirbitte den gesamten Kosmos ein
(— Deisis).
Kranz
O CTE®ANOC
O stéphanos
Reifen aus Blattern oder Bliiten, natitirlich oder
in Gold nachgebildet, getragen als Schmuck,
Zeichen der Gottgeweihtheit, verlichen als
Siegestrophae oder Tribut; der Goldkranz ist
Vorlaufer des Kronenreifens!
Wettkampfzeit der kaiserzeitlichen
Antike
Die rémischen Kaiser und ihre christl. Nach-
folger bestanden darauf, zur Sanierung der
Staatskasse als Geschenk von auswartigen Ge-
sandtschaften, von ‘Tributpflichtigen, von
Stadten und Gebieten des Imperiums bei Jubi-
laen Kranze aus reinem Gold (aurum corona-
rium) entgegenzunehmen.
Kranze aus Zweigen oder Blumen — Lorbeer
stand nur den verg6ttlichten Kaisern zu — wur-
den als Schmuck bei Festen, als Zeichen der
Gottgeweihtheit bei Opferzeremonien getra-
gen. Opfertiere wurden bekranzt, wie in Grie-
chenland heute noch zu festlichen Anlassen
geschlachtete Tiere. Vor allem galt der Kranz
als die Siegestrophde bei sportlichen Wett-
kampfen — mit denen dann Paulus die Miihen
des Christenlebens vergleicht:
191
Kranz
»... Die in den Schranken laufen, die laufen. alle,
aber nur einer erhalt das Kleinod ... Wer da kampft,
enthalt sich aller Dinge, jene damit sie einen ver-
ganglichen Kranz empfangen, wir aber einen unver-
ganglichen ...« 1. Kor. 4, 24-25. »Ich habe einen
guten Kampf gekampft ..., jetzt ist mir zugeteilt der
Kranz der Gerechtigkeit, den mir an jenem Tag der
Herr, der gerechte Kampfrichter, geben wird.«
2. Tim. 4, 7-8 (auch 1. Petr. 5, 4; Offobg. Joh. 2, 10).
Der Kranz als Kreis, Zeichen der Vollkom-
menheit, in Beziehung gesetzt zum Himmels-
rund, wird Sinnbild des errungenen himmli-
schen Heils (-5 Himmelfahrt Christi).
Kranz als Tribut und Ehrengabe im friihen
Christentum
ἐγ τη
Ein Magier iiberreicht dem Christuskind einen Gold-
kranz als Tribut. Sarkophag um 320, Vatikan Museo
Pio Christiano, ex Lat. 121, 1
Ab konstantinischer Zeit tiberreichen die Wei-
sen aus dem Morgenland dem Christkind ei-
nen Goldkranz — wie einem Kaiser als Tribut.
Die ersten Darstellungen tauchen auf Sarko-
phagen (vatikanische des 4., ravennatische des
5.Jh.s) auf; daher ist auch an eine Anspielung
auf den Ehrenkranz des in Christo Verstorbe-
nen zu denken. In Santa Pudenziana (Rom
384-399) reichen die Allegorien der Juden-
und der Heidenkirche dem Christus-Kosmo-
krator den Kranz zu, auf ravennatischen Sar-
kophagen des 5.Jh.s bringen — Petrus und
Paulus das Kranzgold mit verhiillten - Han-
den dar.
Kranzférmige Krone des Lebens als Lohn
der Heiligen
Die musivischen Apostelreigen in Ravenna
(Baptisterium der Orthodoxen, Mitte 5., Bap-
tisterium der Arianer, Ende 5.Jh.) empfangen
192
ihren Goldkranz des Lebens wie die Martyrer
und Jungfrauen in Sant’Apollinare Nuovo
(nach 500) von Christus; méglicherweise rei-
chen sie ihn nach dem Vorbild der 24 Altesten
der Offenbarung 4, 4 und 10 ihm als dem allein
wiirdigen wieder zurtick. In San Vitale (548)
verleiht Christus den Kranz an den heiligen
Vitalis. Nach dem 12./13.Jh. strecken die
Hand Gottes oder Engel Martyrern, entschla-
fenen Heiligen, auch der Gottesmutter Kranz
oder Krone aus dem — Himmel entgegen.
Kranz- und diademgesiumte Symbole und
Bilder
Umkranzte Symbole Christi - Monogramm,
Kreuz, Lamm -- treten unter Konstantin im
2. Viertel des 4. Jh.s zunachst auf Sarkophagen
auf. Ab 5.Jh. schwebt der himmelfahrende
Christus selbst in einem von apokalyptischen
Tieren oder Engeln getragenen Kranz nach
oben (Rom, Santa Sabina, ca. 432, --- Him-
melfahrt). Auf einem Relief darunter halten
Petrus und Paulus einen Kreuzkranz tiber Ma-
ria (als der Kirche). Die Rahmungen der run-
den Taufmedaillons in den Baptisterien Ra-
vennas sind Goldreifen — im Baptisterium der
Arianer mit kaiserlichen Goldlorbeerblattern
verziert.
Der Himmelsreif in der Apsis Sant’ Apollinare
in Classe (Mitte 6.Jh.) tragt die gleiche Juwe-
lenzier wie die Golddiademe zeitgendssischer
Herrscher (— Kaiser). ,
Die mit Symbolen oder mit dem himmelfahrenden
Christus besetzten Kranze werden von zwei oder
vier Engeln (oder Evangelistensymbolen) getragen.
(In der Kaiserzeit hielten engelahnlich gefliigelte
Viktorien dem Kaiser einen Kranz hin). In San Vi-
tale zeichnet sich trotz tippiger Verwendung des
Kronenkranzes im Dekor deutlich die im 6. Jh, ein-
setzende Verdrangung des Goldkranzes durch den
— Nimbus (Kranz aus Licht) unter dem Einflu8 der
areopagetischen Lichtmystik (-> Himmlische und
kirchliche Hierarchie) ab.
Der Dornenkranz (o stephanos ex akanthon)
wird auf frithchristl. Sarkophagen vor allem als
Triumphkranz Christi aufgefaBt.
Die Dornenkrone auf friihchristlichen
Sarkophagen
»... Jesus sehen wir durch das Leiden des Todes
gekr6nt mit Preis und Ehre ...« Hebr. 2, 9.
Kreuz
Auf einem Sarkophag (um 340, Lateran) be-
kranzt ein Soldat den leidenden Christus mit
Lorbeer anstatt mit Dornen. Vom 11.Jh. an
kommt die Dornenkrone auf szenischen Dar-
stellungen vor (Christi Gefangenfiihrung, El-
mali Kilise, Gdreme, 12. (?) Jh.) oder als Zu-
behér des Kreuzes bei der Kreuzerhéhung
bzw. Kreuzanbetung (Hochzeitskranz, --Ὁ
Wunderspeisungen).
Kreuzdarstellung in der Prothesisnische der Ajia Irini
bei Malona, Rhodos. ᾿
Kreuz
O CTAQPOC
O stawros
Marter- und Hinrichtungsinstrument fiir Ver-
urteilte ohne rémisches Biirgerrecht, als To-
desgeriist Christi Symbol des Christentums,
kann Christus selbst représentieren. Auf viel-
fache Weise zeichenhaft dargestellt, nimmt es
zahlreiche Nebenbedeutungen an, wird auch
kosmologisch interpretiert.
Bedeutungsvielfalt des Kreuzeszeichens
in den Kirchen des Ostens
Besondere Kreuzgedenktage:
yx Mittwoch und Freitag jeder Woche.
vy GroBer Freitag (Karfreitag —> Kreuzi-
gung).
vr Anbetung des Kreuzes (Proskinisis) am
dritten Fastensonntag der Passionszeit.
vx Kreuzprozession (Proodos) am 1. August.
yy — Kreuzerhéhung (Hochfest).
Das einfache Kreuz ohne Korpus (Darstellun-
gen des Gekreuzigten — Kreuzigung) ist Bild
des historischen Kreuzes (gefunden von Kon-
stantin und Helena), theologisches Heilszei-
chen fiir die Uberwindung des Todes durch
das Instrument des Todes selbst — »Christ ist
erstanden von den Toten, den Tod mit dem
Tode zertretend ...« (~ Ostern) — und es un-
terliegt dariiber hinaus einer Vielzahl von
Deutungen.
Johannes Damaszenus zahlt in seinem »Abschnitt
vom Kreuz« auf:
x (Geistiges) Zeichen auf der Stirn, an dem die
Christen kenntlich sind, so wie die Juden an der
Beschneidung.
vy Schild gegen Teufel und Damonen.
vx Waffe gegen den Teufel.
yw Siegel, das den Christen verschlie&t, damit der
Bése nicht in ihn eindringe.
x Halt und Stiitze der Schwachen.
vx Hirtenstab, an dem sich die Schafe (Christen)
orientieren.
yw Anfiihrer derjenigen, die sich zum Christentum
bekehren.
¥ Symbol Christi selbst.
yy Baum (Holz), durch den das Leben in die Welt
kommt -- , Gegenstiick zu jenem Paradiesesbaum,
der den Tod brachte.
yy Ordnender Halt des gesamten Weltalls.
Das Kreuz als Kosmogramm und Lebensbaum
Kosmogramm
Die vier Ecken der Welt, an denen sich die
vier Winde (Griechenland, Judentum) oder
die vier Weltenwachter (Indien, China) auf-
halten, ergeben miteinander verbunden ein
Kreuz.
Auch wenn die vier Endpunkte und die Mitte
dazwischen durch Punkte markiert werden,
entsteht eine kreuzadhnliche Figur, die man ge-
193
Kreuz
legentlich in der anikonischen Kunst Kappa-
dokiens findet:
Fiinf-Punkte-Kreuz.
Die Welt zu erschaffen bedeutet, das Weltterrito-
rium kreuzweise abzustecken — Wachtergottheiten
kreuzférmig aufzustellen (Stidostasien), das All
kreuzweise abzufahren (Afrika, Dogon). Die Agyp-
ter und afrikanische Stémme sehen die Welt als
Himmelsgewélbe, das iiber vier Pfeilern und einer
Mittelsdule gespannt ist (> Ciborium). Das rémi-
sche Castrum mit seinen sich kreuzenden, von Siid
nach Nord und von Ost nach West verlaufenden
StraBen gilt als Abbild des Kosmos (Kreuze im
Kreis werden als Weltensymbole empfunden. Kim
Namura, Psychologin, sieht das Innenbild eines
Fiinf-Punkte-Kreuzes im BewuBtsein als Ausgangs-
basis fiir den Erwerb der Raumerfahrung durch den
Menschen an (-9 Zahl 4 und 5)).
Die 6stlichen Kirchen betrachten Christi Op-
fer am Kreuz als kosmisches Geschehen: »Gott
wurde Mensch und hat damit die Menschenwelt
vergottet.« (Ganz im Gegensatz zum Prote-
stantismus, dem es um individuelle Erlésung
geht; Luther: »Wie bekomme ich einen gnadi-
gen Gott?«)
194
Konsequenterweise betonen sie die ,kosmische
Bedeutung des Kreuzes:
yr Bevorzugt dargestellt wird das griech. Kreuz —
oft im Kreis — mit vier gleichlangen Armen — die
vollkommenste Form des Kosmoszeichens.
‘Die Kreuzkuppelkirche selbst ist ein Kosmosmodell
(— Kirchenbau, — Kosmos).
yx Apokryphe Apostelgeschichten, spater beschrei-
ben die Kirchenvater das Kreuz als die Grundstruk-
tur des Kosmos:
»Was es aber wirklich ist (das Kreuz), an und fiir
sich betrachtet und auf uns bezogen, es ist das, was
alle Dinge in Grenzen halt ...«. Johannesakten
(apokryph), friihe 2. Halfte 2...
»Denn vierfach unterteilt sind die Stiicke des Kreu-
zes, so da jedes auf die vier Teile der Welt gerich-
tet ist.« Basilius der GroBe, im 4.Jh. (PG 30, 557)
»Was ist die Eigenart des Kreuzes anderes, als die
Quadratform der Welt?« Hieronymus, gest. 420 (PL
30, 638)
»Nichts ohne dieses Zeichen kann in der Welt beste-
hen oder ein Ganzes bilden.« Justinus der Martyrer,
gest. 165
Lebensbaum
Wie das horizontal angelegte Kreuzmodell
wird auch das senkrecht aufgestellte Kreuz
kosmologisch verstanden als Verbindung zwi-
schen Himmel und Erde. Die Deutung des
vertikalen Kreuzbalkens als Symbol des von
oben nach unten wirkenden Gottes und des
Horizontalbalkens als das des menschlichen
Wirkens taucht (vor 200) in den apokryphen
Petrusakten auf. Der gekreuzigte Petrus
spricht (Vers 38):
»Was ist Christus denn (anderes), denn das Wort,
(der) Schall Gottes? So das Wort ist dieses gerade
senkrecht aufgerichtete Holz, an dem ich gekreuzigt
bin; Schall aber ist der Querbalken, die Menschen-
natur (darstellend); der Nagel aber, der an dem ge-
raden Holz den Querbalken in der Mitte zusammen-
halt, das ist die Bekehrung und Umkehr des Men-
schen.«
In den Johannesakten (Vers 99) heiBt es:
»Das Kreuz ist es also, das das All durch das Wort
(den Logos) befestigt ...«. .
Noch deutlicher wird Johannes Damaszenus in sei-
ner Glaubenslehre:
»Macht aber ist das Wort vom Kreuz, entweder weil
uns die Macht Gottes, als das Siegeszeichen tiber
den Tod, dadurch offenbar wird, oder weil, wie die
vier Enden des Kreuzes durch das mittlere Zentrum
gehalten und verbunden sind, so durch die Macht
Kreuz
Ubersicht I:
a) Alttestamentliche typologische Vorbilder
des Kreuzes (nach Johannes Damaszenus)
— Baum des Lebens (J. Mose 2 τι. 3).
~ Die tiberkreuzten Hande Jakobs beim Segnen
seines Sohnes (1. Mose 48, 14). .
~ Moses’ Stab, mit dem er eine Kreuzbewegung
machte, um das Rote Meer zu teilen (2. Mose
14, 16) und
—~ ein weiteres Mal, damit sich das Meer iiber dem
Heer des Pharao schlieBe (14, 26).
— Stab Gottes, den Mose hochhielt, um den Sieg
» Israels iiber die Amalekiter zu gewahrleisten
(2. Mose 17, 9-11) (-.» Oranten).
- Der Baum, der, in bitteres Wasser getan, es zu
SiiBwasser wandelt (1. Mose 15, 25).
~ Der Stab Mose, der den Felsen spaltet, so daB
Wasser heraussprudelt (2. Mose 17, 8).
— Der bliihende Stab Arons, mit dem Gott ihn als
Priester erwahlte (2. Mose 17, 17-23).
— Die eherne Schlange, die Mose an einem Stab
hochhielt, und die alle durch Schlangenbisse
Verletzten heilte, die darauf sahen (2. Mose 21, 9).
Gottes, die Héhe und Tiefe, Lange und Breite, das
heiBt, alle sichtbare und unsichtbare Schépfung zu-
sammengehalten wird.«
Tn dieser Funktion wird das Kreuz zum Baum
des Lebens im Paradies (> Lebensbaum):
»Du bist Gottes Mutter, das geheimnisvolle Para-
dies, welches unbearbeitet hat hervorsprieBen las-
sen Christus, durch den des Kreuzes lebenbringen-
der Baum auf Erden gepflanzt worden ist.« Liturgie
vom Sonntag der Kreuzerrichtung
Die Passionsliturgie vergleicht die Kreuzigung
mit der Schépfung:
»Dich, der Du die gesamte Erde hast aufgehangt
zwischen den Wassern (den unterirdischen und den
oberirdischen), schauend aufgehangt tiber der Scha-
delstatte, wurde die Schépfung von starkem Lichte
geblendet.« Liturgie vom Roten Donnerstag. »Deine
lebensspendende Seite (Seitenwunde Christi), Herr,
die aufsprudelt als Quelle Edens, trankt Deine Kir-
che, Christus, als dem verniinftigen Paradies, und
sie (die Quelle) verteilt sich von dort in die Quellur-
spriinge der vier Evangelien, den Kosmos bewas-
sernd, die Schépfung erfreuend und die Vélker ge-
treulich unterrichtend Dein K6nigtum zu vereh-
ren.« Akolouthia vom Roten Donnerstag abends
— Der Ausspruch Mose (5. Mose 28, 66): »Sehet
Euer Leben (schwebend) aufgehdngt vor Euren
Augen. «
— Der Ausspruch Jesaias (65, 2): »Ich reckte meine
Hande aus den ganzen Tag zu einem ungehor-
samen Volk ...«
b) Natiirliche Kreuzessymbole
— Segelmast.
— Achtstrahliges Spinnennetz (Christusmono-
gramm).
- Achtkammriger Granatapfelquerschnitt
(Christusmonogramm).
— Flugbild der Végel (Tertullian und andere).
— Mensch mit ausgebreiteten Armen
(— Cranten).
— Kreuz aus Nasen- und Augenlinie im mensch-
lichen Gesicht (Justinus, der Apologet, Mitte
2. Jh.; einzelne Symbolfiguren in der anikoni-
schen Kunst Kappadokiens).
- Buchstabe T, im hebrdischen Alphabet der
letzte: Taw (das Gotteszeichen).
Frithchristliche und byzantinische
Kreuzeszeichen
1. Griechisches Kreuz
Die haufigste Kreuzesdarstellung des christl.
Ostens, auch in Ormnamenten. Bevorzugte
GrundriBform mittel- und spatbyz. Kirchen.
Das Sich-Bekreuzigen mit dem griech. Kreuz
(— Hande) war bereits um 150 tiblich. Die
Offenbarung erwéhnt das Versiegeln, das
Schlagen eines kleinen Kreuzeszeichens vor
der Stirn.
Vorbild im AT ist das Schutzzeichen, das Hesekiel
auf Anweisung Gottes in Form des Zeichens »Taw«
auf die Stirn ausgewahlter Manner machen sollte
(Hes. 9, 4). Das Lammblutzeichen, das die Juden
beim Auszug aus Agypten ἅδε die Tiiren ihrer
195
Kreuz
Hauser schrieben, um den Todesengel abzuhalten
(1. Mose 12, 13-22), wird als Taw gedeutet. Im alten
Orient z.B. bei Babyloniern und Hethitern war das
Kreuz Symbol des Sonnengottes. Hesekiels Taw
war vermutlich ein Gotteszeichen.
Alle Griechen erhalten bei der Taufe ein gol-
denes griech. Kreuz, das sie niemals ablegen.
Die aus felsigem Grund herausgehauene Ge-
orgskirche in Lalibela, Athiopien (13.Jh.?),
hat die Form eines griech. Kreuzes.
2. Lateinisches Kreuz und Taukreuz
(Antoniuskreuz)
ἡ
Das im Westen verbreitete lateinische Kreuz,
Basisgrundri8 | abendlindischer Kirchen,
kommt in nachbyz. Zeit auf Grabern, Ge-
denkmalern und als Anhanger vor. Das Anto-
niuskreuz dient in frithchristl. Zeit zur Darstel-
lung des Schacherkreuzes.
3. Radkreuz
Griech. Kreuz in nimbusahnlicher Scheibe. In
friihchristl. Zeit auch im Lorbeerkranz (als
Triumphzeichen tiber Maria-Ekklesia, Santa
Sabina, Rom, ca. 432). Wird sehr haufig im
Dekor verwandt. Deutungen: Sieg des Kreu-
zes tiber den Kosmos, Kreuz im Siegeskranz
bzw. Nimbus.
4. Andreaskreuz
196
Nach der Legende Hinrichtungskreuz des
Apostels Andreas. Im Osten, auch im Nim-
buskreis, in Ornamenten verbreitet. Als Kreuz
im Quadrat auf Prosphorenstempeln der
orientalischen Christen (> Brot, > Proskomi-
die). Mitunter zur Darstellung des Schacher-
kreuzes (> Kreuzigung) verwendet.
5. Petruskreuz
Kreuz des Petrus, der seinem Wunsch gema8
kopfiiber gekreuzigt wurde (apokryphe Petrus-
akten). Nur in Verbindung mit seinem Marty-
rium dargestellt.
6. Gabelkreuz
Kreuz fiir die Schacher in frithchristl. und byz.
Darstellungen. Im Westen auch Lebensbaum-
kreuz.
7. Staurogramm
Verbindung des Rho (griech. R) mit einem
aufrecht gestellten Chi (griech. CH) zum Mo-
nogramm Chr (Christus). Ab 200 bekannt.
Kreuz
8. Christogramme
Ab friihkonstantinischer Zeit (ca. 313) kom-
men die vorher unbekannten Christusmono-
gramme auf — als Kombination des Kreuzes,
des Sonnenzeichens und der Anfangsbuchsta-
ben Christi. Das Christogramm wird von —>
Konstantin als Siegeszeichen und Standarte
(Lawaron) verwendet (— Kaiser); im 4. und
5.Jh. ist es haufig umkrénzt oder auf einer
Scheibe dargestellt, gegen Ende des 4. Jh.s mit
geschweiften Monogrammenden. Ab dem
6.Jh. wird die achtstrahlige Form ohne Rho-
Schleife bevorzugt, auch ins Ornamentale um-
gesetzte achtstrahlige Naturformen (— Gra-
natapfel). In mittelbyz. Zeit bilden die Son-
nenkreuze SchluSpunkte fiir Ornamentstrei-
fen, die sich im Scheitel von Gewdélben kreu-
zen. Das Achtstrahl-Gestirn 1a8t sich auch als
Stern von Bethlehem verstehen. Das Mono-
gramm im Kreis ist haufig von Alpha und
Omega flankiert (~ ABC).
9. Kreuz mit geschweiften Enden
und Gemmenkreuz
Ab 2. Hialfte 4.Jh. breiten sich die geschweif-
ten Formen des gold- und des edelsteinverzier-
ten Kreuzes aus (Santa Pudenziana Apsis,
Rom, Ende 4.Jh.; Sant’Apollinare in Classe,
Ravenna, Mitte 6.Jh.). Im Schnittpunkt der
Arme ein Christuskopf, spaéter auch ein Kai-
serportraét. Griechisch geschweifte Kreuze im
Rad mit diagonal davon ausgehenden Strahlen
erinnern an das Sonnenkreuz.
Das Symbol gibt das von Konstantin und Hele-
na aufgefundene Heilige Kreuz in Jerusalem
wieder, spielt auf dessen Gold- und Edelstein-
fassung an.
Auch die Staurotheken — Reliquienbehdlter in
Kreuzesform oder mit Kreuzdekor — fiir die
Kreuzessplitter waren aus Edelmetall, reich
mit Gemmen verziert.
197
Kreuz
Die Bilderstiirmer ersetzten bildliche Darstellungen
in den Apsiden und Kuppeln durch das geschweifte
bzw. Gemmenkreuz (Konstantinopel,. Ajia Sophia;
Thessaloniki, Ajia Sophia; erhaltenes Schweif-
enden-Kreuz, Konstantinopel, Ajia Irini, Apsis,
8.Jh.?). Die Bilderfreunde ersetzten nach ihrem
Sieg 842 die Gemmenkreuze an den architektoni-
schen Hauptpunkten durch Darstellungen der Mut-
ter Gottes, der Himmelfahrt und des Pantokrator.
Die Kunst des 9. bis 15.Jh.s kennt ebenfalls mit
Gemmen verzierte Kreuzessymbole, das typische
geschweifte Gemmenkreuz verschwindet von der
2. Halfte des 9.Jh.s an. Das »wahre Kreuz aus Jeru-
salem« erhalt die Form des Patriarchenkreuzes.
Das Kreuz im — Nimbus Christi ist ab Ende
4. Jh.s bis in spatbyz. Zeit das Gemmenkreuz.
10. Kreuz mit verbreiterten Enden
(Tatzenkreuz)
In bildlos ornamentierten Kirchen (ikonokla-
stische und armenische Kirchen Kappado-
kiens, 8. bis 10. Jh.) viel verwendete Abwand-
lung des griech. Kreuzes, auch im Scheitel von
Kuppeln. Vermutlich abgeleitet aus dem ge- "
schweiften Kreuz, in seiner gespaltenen Form
aus dem Gemmenkreuz.
198
11. Malteserkreuz oder lateinisches Kreuz
mit acht Punkten (Tropfenkreuz),
Gabelkreuz ὴ
Haufig zunachst auf Pilgerampullen aus Pala-
stina (6.Jh. — Ol), dann in anikonisch orna-
mentierten Kirchen Kappadokiens (ikonokla-
stisch, westsyrisch-jakobitisch —> bilderfeind-
liche Kunst) und in Achtamar (armenisch,
10.Jh.). Die Altesten bekannten Gabelkreuze
— besser Zweigkreuze — sind auf koptischen
Geweben (4.Jh.) erhalten. Deutung: Die vier
Aste sind die > Evangelisten, die acht Zweige
bzw. spater Punkte die restlichen acht - Apo-
stel. Die Ubergangsstufe vom Gabel-Zweig-
Kreuz zum Kreuz mit acht Punkten bilden
m.E. aus Edelsteinen gelegte Kreuze auf
Bucheinbanden und Reliquiaren, bei denen
die Zweige durch Juwelen dargestellt werden.
Kreuz
In spatbyz. Zeit verkiimmern die Punkte zu
bloBen dekorativen Anhangseln.
tr Das Gabelkreuz stellt eine Kombination des
wahren Kreuzes Christi als Juwelenkreuz mit dem
achtstrahligen Christusmonogramm dar.
+ Die acht Punkte kénnten urspriinglich Osen fiir
Kreuzumspannungen (Glockenspielkreuze Absatz
26) gewesen sein.
12. Eucharistisches Kreuz im Kreis,
eucharistische fiinf Punkte
Vier Kreise, Punkte, auch Quadrate zwischen
den Kreuzarmen oder um einen Mittelpunkt
symbolisieren (ab ca. 800, vielleicht schon 700)
die fiinf Prosphoren des Abendmahls (—> Eu-
charistie). Das Kreuz steht fiir das erste —
Brot als das »Lamm« selbst, die Punkte fiir die
vier restlichen Brote (zum Gedachtnis der
Gottesmutter, der Heiligen, der Lebenden
und der Verstorbenen). Da aus den fiinf Bro-
ten in der — Proskomidie ein Kosmogramm
aufgebaut wird, weist das Zeichen, wenn es
vom Kreis (Diskos als Erdkreis) umgeben,
auch auf den Sieg des Kreuzes Christi als Ur-
sprung der Eucharistie tiber den Erdkreis hin:
x Vier Punkte um das Kreuz herum erscheinen auf
Abbildungen des eucharistischen Brotes (Apostel-
kommunion, Ajia Sophia Ochrid 11.Jh.) als Chiffre
fiir die Silben »Jesus Christus siegt: »IC XP NIKA
yy Auf byz. Prosphorenstempeln sind seit 800 die
vier Silben »Jesus Christus siege« mit eucharistischer
Bedeutung iiblich; erstmalig auf Brotstempeln in
Zypern um 600.
vy Um ein Reliefkreuz im Kreis sind vier kleine
Kreise gruppiert, die Prosphorenbroten gleichen
(Kappadokien, Giilliidere, Kirche zu den drei Kreu-
zen Anfang 8. Jh.).
vx Vier Abendmahlsbrote umgeben ein Kreuz
(Fresko) in einer Prothesisnische (Kappadokien,
Ihlara, Yilanli Kilise, Mitte 11. Jh.).
ze Vier Abendmahlsbrote auf einem gemalten An-
timinsiontuch umgeben einen Kreis mit dem Kopf
Christi als dem eucharistischen Lamm. Malereien
liber Prothesisnische (Shakli Kilise, Gédreme, Kap-
padokien, 11.Jh.; ahnlich: Antiminsion in Prothe-
sisnische, Barbara Kilise, So’anli, ca. 1006).
vr Die Punkte im Kreuz sind auch auf Decken tiber
dem eucharistischen Altar appliziert, umgeben von
den vier Winkeln, die das Heilige Grab bedeuten
(— Altar, Homilien des Chrysostomos, Athen, Na-
tionalbibliothek, Codex 211).
Eine ornamentale Fiinf-Punktegruppe kommt
als Hinweis auf die fiinf Prosphoren haufig
vor: :
a) in den Kreuzarmen des — Nimbus Christi
(πε Edelsteine); Ὁ) als Variante der drei
Sterne auf dem Maphorion der Gottesmutter
(finf kreuzartig angeordnete Goldpunkte,
zwischen 1000 und 1400); c) als Dekor bei
Kreuzigungsdarstellungen (Fufbrett am
Kreuz, Shakli Kilise, Gdreme, 11. Jh.); 4) auf
Evangelienbiichern und Staurotheken (Grup-
pen von fiinf Edelsteinen).
Die byz. Proskomidie hat ihre heutige Form etwa im
Jahre 700 erhalten. Zeitlich stimmt das mit dem
Aufkommen der Zeichen tiberein. Méglicherweise
sind die vier Punkte zugleich als die vier Evangelien
aufzufassen, die in allen vier Teilen der Welt ver-
breitet werden. Friihe koptische Kreuzkreise mit
Punkten auf Geweben, datiert Ende 4.Jh., sind
ebenfalls kosmologisch zu verstehen als die vier
Evangelien und als die vier Teile bzw. Enden der
Welt, in die die frithchristl., byz. und koptischen
Prosphoren zerteilt werden.
13. Liegende Kreuze mit Punkten im Quadrat:
199
Kreuz
MAN
DXb<bx]
\ BI
In den orientalischen Kirchen verwendeter
Ornamentbaustein. Kleinste Einheit fiir die
Aufteilung der Prosphoren in viele Einzelstiik-
ke — bei den Kopten in zwélf (= Apostel, die
vier inneren Stiicke entsprechen den Evangeli-
sten), bei den Athiopiern in 13 (Christus und
zwolf Apostel). Ein Tonstempel mit fiinf Qua-
draten (entsprechend den fiinf Broten der —>
Wunderspeisung) wurde in Kulb, Nordsudan
(9. bis 11. Jh.) gefunden.
Die liegenden Kreuze bezeichnen jedes Stiick
als Christus selbst (Kreuz und gleichzeitig
Buchstabe Chi), die vier Punkte weisen auf
Christi in vier Teile gebrochenen Ké6rper hin
(— Bilderfeindl. Kunst). In Kappadokien sind
die Grade von Kuppeln (wahrscheinlich west-
syrisch-jakobitischer Kirchen) mit diesem Zei-
chen ornamentiert. In der Kuppel erscheint
also Christus in seiner eucharistischen Gestalt.
14. Sog. Jerusalemer Kreuz
tle ΙΧ
Das Kreuz, umgeben von vier Andreaskreu-
zen auf byz. Prosphorenstempeln vor 700, so-
wie auf nestorianischen Stempeln. AuBerdem
besteht das Lamm-Mittelteil des koptischen
Kurban (Opfer = Prosphora) aus einem Kreuz
im Quadrat mit vier liegenden Kreuzen zwi-
schen den Armen. Eucharistische Bedeutung.
15. Tropfenkreuz
Kreuz mit fiinf Kreisen im Schnittpunkt und
an den Enden der Kreuzarme, kommt als Al-
tarkreuz und Kreuzdekor auf Evangeliaren
und Staurotheken vor. Die Kreise enthalten -
200
Νὰ:
meist Biisten: der Mittelkreis Christus (oder
einen Kaiser), die AuBenkreise, die vier Evan-
gelisten oder Heilige. Auf der Rtickseite einer
mittelbyz. Staurothek (Konstantinopel um
1000, im Schatz von San Marco Nr. 75) sind
die Kreise als Prosphoren ausgebildet und die
vier eucharistischen Silben Jesus Christus siege
zwischen die Kreuzarme verteilt. Bei spateren
Altarkreuzen werden diese Tropfen selbst und
techteckige oder trapezfoérmige Flachen auf
den Kreuzarmen zu Bildtrigern fiir Festtags-
Bilddarstellungen in Goldemaille (Athos
Ajiou Pawlou, 1.Hialfte 13.Jh.). Auf Wand-
malereien ist das Tropfenkreuz selten.
16. Dreizinken-Gabelkreuz
ase
Haufig in der anikonischen Kunst Kappado-
kiens. Die zwolf Spitzen des - lebensbaum-
ahnlichen Ornamentes bedeuten die zwélf
Apostel. Ein Dreizinken-Gabelkreuz mit zu-
satzlichen Andreaskreuzen tragt ein undatier-
ter westsyrisch-jakobitischer Prosphorenstem-
pel (Agypten). Die Siegel moderner westsyri-
scher Prosphoren sind ahnlich. Auf eucharisti-
Kreuz
sche Siegel anspielende rote Zeichnungen fin-
den sich in Kirchen von Goreme (Medaillon-
kirche; Yilanli Kilise).
17. Patriarchenkreuz ohne und mit
FuRbrett
Das Kreuz mit Titulus (+ Kreuzigung), gele-
gentlich auch mit FuBbrett, wird nach dem Bil-
derstreit zum »wahren Kreuz«, gehalten von
— Konstantin und Helena, als Applikation auf
der Tracht der Kaiserin zuweilen mit euchari-
stischen vier Quadraten zwischen den Kreuz-
armen. Setzt sich Anfang 10.Jh. gegeniiber
dem gew6hnlichen Juwelenkreuz durch, auch
auf Evangeliaren und Staurotheken (Limbur-
ger Staurothek von 965).
18. Sog. russisches Kreuz
Das FuBbrett Christi ist schrag angeordnet,
weist vom Gekreuzigien aus gesehen nach
rechts oben zum Schiacher, der mit ins Para-
dies eingeht. Bei den Russen steht das Kreuz
siegreich tiber dem Halbmond und das Fu8-
brett gilt auch als Waage, die den Islam als zu
leicht befindet, das Christentum triumphieren
148t. Ohne Halbmond bereits vom 10. Jh. an in
Byzanz bekannt (El Nazar, Géreme; Ajiou Ni-
kolaou Orphanou, Thessaloniki, Anfang
14.Jh.).
19. Widerkreuz
Gibt Titulus, FuBbrett und die zwei Handbret-
ter, auf die nach friihen Darstellungen (Santa
Sabina, Rom, ca. 432) die Hande Christi auf-
genagelt wurden, in schematisierter Form wie-
der. Kann in grober Ausfiihrung auch Vereinfa-
chung des Dreizinken-Gabelkreuzes (—> Kreuz
16) sein (Yilanli Kilise, Ihlara, Mitte 11.Jh.).
20. Kruckenkreuz
In Kappadokien als fliichtig gemaltes Zeichen
zu finden, Vereinfachung des Gabelschweif-
kreuzes (Absatz 11).
21. Lebensbaumkreuz
Das baumartige oder griin bemalte Kreuz
kntipft an die Lebensbaumsymbolik an (Kreuz
= Paradiesesbaum). Aus Kreuzen auf Stauro-
theken und Sarkophagen sprieSen unten Trie-
be heraus und winden sich im Bogen nach
links und rechts oben (Marmorschranken Sant’
Apollinare Nuovo, Ravenna, 6.Jh.). Aus iko-
201
Kreuz
noklastischen Decken-Gew6élbekreuzen wach-
sen unten Weinranken heraus, die das Kreuz
in ornamentales Zweigwerk einspinnen — Hin-
weis auf die Eucharistic und das Verhaltnis
zwischen Christus und seinen Anhangern. »Ich
bin der Weinstock, ihr seid die Reben.« Joh.
15,5
22. Menschenfischerkreuz
Vom Querbalken des Kreuzes hangen Angel-
ruten mit Fischen herab. Die Fische sind die
Glaubigen, die der Seelenfischer Christus zu
ihrem eigenen Heile fangt (— Fisch). An einer
frithen Darstellung in der Domitilla Katakom-
be hangen zwei Fische an den Haken zweier
Angelschniire (ahnelt Ankerkreuz). Ikonokla-
stisch ist ein Menschenfischerkreuz des 8.Jh.s
mit Gemmen, in Meereswogen stehend -- Wie-
dergabe eines Vortragekreuzes mit angehang-
ten Fischlein, zur Wasserweihe verwendet.
23. Vortrage- und Einsteckkreuze
202
Die spitz zulaufenden Stabe unter Kreuzen —
haufig in bildlos ornamentierten Kirchen Kap-
padokiens — werfen Deutungsprobleme auf:
vy Haltegriffe, um die Kreuze als Standarten zu
tragen?
vr ErdspieBe, um die Kreuze einzustecken? (Auf
einer syrischen Silberschale, Leningrad, Eremitage,
2. Halfte 6.Jh., steckt ein engelflankiertes Gem-
menkreuz in einer winzigen Kugel, die durch Sterne
als Himmel gekennzeichnet wird.)
vr Kreuz als Waffe zu verstehen, mit der Christus
Tod und Teufel durchbohrt? (Auf Auferstehungs-
bildern halt Christus eine Lanze mit kleinem Kreuz-
knauf; — Ostern.)
24. Astralkreuzsymbole
a) Apostel-Tierkreis. Die Enden eines Kreu-
zes mit einem Christussymbol im Schnittpunkt
ragen tiber den Erdkreis hinaus in den Himmel
mit zw6lf bliitenahnlichen Gestirnen — den
zwolf — Aposteln, die als Reprasentanten der
Tierkreiszeichen die Christussonne umgeben
(Kirche zu den drei Kreuzen, Giilltidere, Kap-
padokien, 8.Jh.) — eine zeichenhafte Verein-
fachung der Apostelkreise in den Kuppeln der
ravennatischen Baptisterien.
b) Planetensphaérenkreuz. Im Kuppelraum
einer Héhlenkirche in Kappadokien (Kizil
Cukur, Uziimlii Kilise, friihikonoklastisch?) Ὁ
ragen Kreuzarme aus einer rétlichen Sonnen-
scheibe hervor, durchstoBen die sieben kon-
zentrisch darum herumliegenden Planeten-
spharen. Auferster Kreis von den Apostelge-
stirnen besetzt, den Rest der Kuppel erfiillt ein
— Pfauenaugenornament, in dem die Allheili-
Kreuz ©
ge zwischen Engeln thront. Nach antiker und
friihchristl. Vorstellung muBten die Seelen der
Verstorbenen, die sieben Planetensphdren
durchwandern. Das Kreuz Christi macht deren
damonische Herrscher unschadlich. Im an-
schlieBenden Langsraum weist ein Weinran-
ken-Gemmenkreuz an der Decke den euchari-
stischen Pfad zum Himmel.
25. Das Henkelkreuz (Ankh)
Kreuz der Kopten, auch im Friihchristentum
und bei den Byzantinern bekannt, abgeleitet
von der égyptischen Hieroglyphe Ankh (= Le-
ben). Die Kopten sehen den Henkel oben als
Kopf, schufen Christusbilder mit einem Chri-
stuskopf oder -brustbild und darunter einem
Kreuz als Kérper. Pilgerflaschen Palastinas (5.
und 6. Jh.) stellen eine Christusbiiste tiber dem
Kreuz dar. Der Gekreuzigte selbst wird -- zu-
nachst nur in Palastina -- stehend mit recht-
winklig ausgebreitetem Arm als eine zum
Kreuze geronnene menschliche Figur abge-
bildet.
26. Kreuz mit Umspannung fiir Glocken
Koptische, nubische und athiopische Kreuze
werden mit Schntiren, an denen Glocken hin-
gen, umspannt, als Glockenrasseln verwendet.
Einige Kreuze aus der bildlosen Kunst Kappa-
dokiens lassen deutlich Umspannungen erken-
nen. In den Seitenschiffgew6lben der Ajia So-
phia in Konstantinopel schimmern unter Gold-
mosaikornamenten umspannte und geschweif-
te Kreuze hervor.
27. Regenkreuz
Von rotfigurigen Kreuzen, u.a. in der Medail-
lonkirche (um 850), Géreme, gehen Streifen
nach unten aus.
Interpretationsméglichkeiten:
Wasser der — Taufe und/oder Wasserweihe
(— Wunder am Meer). Die Kirche enthdailt
Graber (Taufe als Absterben) und unter dem
Eingang eine in den Boden eingelassene
(Tauf?)-Tonne.
Eucharistisches Blut aus der Seitenwunde
Christi.
- Ol, das iiber das »wahre Kreuz aus Jerusa-
lem« gegossen, von den Glaubigen aufgefan-
gen wurde.
28. Geisterkreuz
203
Kreuz
Einfaches Kreuz mit heiliger Lanze und Ysop-
schwamm (in ausgearbeiteter Form meist tiber
dem -» leeren Thron dargestellt), wird als
Holzkreuz vor Klosterpforten (Athos, Iwiron)
oder gemalt am Eingang der Kirche (Meteora
Roussanou) angebracht. Uberhauft mit unter-
schiedlichen Buchstabenkombinationen zur
Damonenabschreckung, darunter immer die
Kurzform (— Proskomidie) fiir Jesous Chri-
stos nika und -- mit Bezug auf den Schadel
Adams, der Basis des Kreuzes -- TK IIT
(Touto kraénion parddissos jégone, »Dieser
Schddel wurde zum Paradies«). Barbarakir-
che, So’anli (1006): ein Kreuz tiber dem Ein-
gang mit der auch dem Athoskreuz eigenen
Inschrift: Φ X ® Π = Phos Christou Phane
Pasin (Licht Christi scheine allen).
29. Armenisches Kreuz
Malteserkreuz im Kreis, in der anikonischen
Kunst Kappadokiens haufig, kommt auch in
der armenischen Kunst des 10.Jh.s vor (Rit-
zung auf Kapitell in der Klosterkirche d’Hagh-
pat, ahnlich ein Reliefkreuz in Achtamar).
Ubersicht II: Historische Entwicklung des Kreuzeszeichens und der Kreuzigung
Periode
Darstellung
Friihchristentum,
bis 313
Kreuzeszeichen mit der Hand tiber
Stirn oder Kérper geschlagen, verein-
zelte Darstellung einfacher Kreuze
Bedeutung
Kreuz als Siegel im Sinne einer Bestati-
gung, da8 Gott einen Menschen erwahit
hat; Kreuzeszeichen als Symbol Christi
Kreuz als sonnenhaftes Siegeszeichen,
Lichtsymbolik, Kreuz ist kaiserliche Stan-
Triumphales Kreuz als heilende Reliquie,
als Pilgerziel, als Spender von Sekundar-
reliquien (Ol); der Gekreuzigte als gétt-
Bildliche Darstellungen gelten offiziell
(unter dem Einflu8 des Islam) als unver-
einbar mit der christlichen Religion.
Kreuze kénnen aber biblische Gestalten
und auch Geschehnisse symbolisch dar-
stellen. In den Kuppeln erscheinen Pros-
phorensymbole: Christus als das eucha-
Das Triumphkreuz verliert seine heraus-
ragende Stellung -- Altarkreuzen wird
noch diese Form verliehen. Bisweilen
Friihkonstan- Haufige Darstellung des Christusmono-
tinisch, ab 313 bis gramms bzw. Sonnenkreuzes
zum 6. Jh. darte (Lawaron)
2. Halfte 4.1}. Goldkreuz mit geschweiften Enden und
bis zum Gemmenkreuz, gibt das in Jerusalem
Bilderstreit (mit aufgefundene wahre Kreuz wieder;
Nachwirkungen friitheste Darstellung der Kreuzigung licher Todestiberwinder
bis zum 10. Jh.) (ca. 432): Christus steht aufrecht und
hat die Augen gedffnet
(Gelegentlich Das Kreuz, insbesondere das Gemmen-
bereits in vor- kreuz, verdrangt bei den Ikonoklasten
ikonoklastischer alle Bilder. Uppige Kreuzornamentik.
Zeit) 726-787 In nichtorthodoxen Hoéhlenkirchen wer-
und 813-842 den abstrakte Kreuzdarstellungen in ab-
strakten Scheinarchitekturen (rot oder
rot und griin) bis ins 11. Jh. hinein
dargestellt ristische Brot
Nach dem Sieg In Apsiden und Kuppeln wird das
der Bilderfreunde Kreuz durch bildliche Darstellungen er-
ab Mitte 9.1}. setzt. Das Gemmenkreuz verschwindet,
bis gegen 1000 gemmengeschmiickte Kreuzornamentik
204
bleibt weiterhin bestehen. Das wahre
Kreuz aus Jerusalem wird als Patriar-
chenkreuz dargestellt. Kreuzigungs-
szenen: Der eben Verstorbene mit ge-
senktem Haupt oder Lanzenstichmotiv.
Bekleidung Lendenschurz
wird noch in der Apsis anstelle des Kreu-
zes die Kreuzigung (Tokali Kilise 10. Jh.)
dargestellt. Im Rahmen von Bildserien
erscheint Christus als der fiir die Welt
Leidende
Kreuzerhéhung
Ubersicht II (Fortsetzung): Historische Entwicklung des Kreuzeszeicheris und der Kreuzigung
Periode . Darstellung
Bedeutung
Ab 1000 bis
zum Raubzug der
Lateiner (1204
Pliinderung Kon-
stantinopels) der Seitenwunde
Ab Ende 13. Jh.
bis zur
Gegenwart krént jede Bilderwand
Kleine dekorative Kreuzdarstellungen
~z.B. das Sonnenkreuz— an architek-
tonisch wichtigen Stellen. Kreuzigungs-
szenen: Blut und Wasser quellen aus
— Deisis, Muttergottes und Johannes
der Taufer, anbetend unter dem Kreuz,
Kreuzerhéhung tber die
gesamte Welt
H TIANKOCMIOC YWQCIC TOY TIMIOY
CTACPOY
I pankésmios fpsosis tou timiou stawrou
Ehrenfest des Kreuzes (14. September), basie-
rend auf der Auffindung des »wahren Kreuzes«
durch Helena (— Konstantin und Helena), be-
tont den kosmischen Charakter des Kreuzsym-
bols.
Liturgie am Festtag der Kreuzerhohung
Liturgie und Brauchtum vom Hochfest der all-
kosmischen Erhéhung des verehrungswiirdigen
Kreuzes dokumentieren die kosmische Aus-
richtung des orthodoxen Christentums. Im
Morgengottesdienst tragt der Priester auf dem
Kopf eine Schale mit einem in Basilikum -- in
RuBland Kornblumen — gebettetem Kreuz in
den Ostteil der Kirche. Wahrend Diakon und
Chor 100 Kyrie Eleison singen, beugt er sich
langsam, das Kreuz festhaltend, je dreimal
nach Osten, Westen, Stiden, Norden und noch-
mals nach Osten.
Neukonstituierung der Vergdttlichung des
kreuzférmig nach den Himmelsrichtungen hin
angelegten Kosmos (verkleinertes Modell >
Kreuzkuppelkirche). Gegen Ende des Gottes-
dienstes pflanzt der Priester das Kreuz in der
Mitte -- dem Schnittpunkt der Kreuzarme --
auf. Dort bleibt es zur Verehrung durch die
Gemeinde bis zur Nachfeier am nachsten
Samstag stehen.
Der liturgisch eucharistische Charakter
der Kreuzigung, frither angedeutet, wird
stark betont
Intensivierung der Beziehung der Liturgie
(Fiirbittektenien) zu Kreuzigung und
Eucharistie
Volksbrauchtum am Kreuzestag
Verbunden ist das Kreuzesfest — ein strenger
Fastentag, weil Evangelien zum Karfreitag
verlesen werden -- mit Ernte, Jahreszeiten und
Schiffahrt.
Am 14.September beginnt der griech. Winter,
Sommergewohnheiten wie der Nachmittags-
schlaf oder das spate Abendessen (Dilino)
werden aufgegeben. Die Seeleute vermeiden
es, lange Fahrten anzutreten: »Am Kreuzesta-
ge kreuze deine Segel und binde deine Taue
fest« (Sprichwort). Die Masten der Segelschif-
fe gelten als Erscheinungsform des —> Kreu-
zes, das —> Schiff als Symbol der Kirche. Die
Bauern lassen Samen aller Art vom Priester in
der Kirche segnen und mit Weihwasser be-
sprengen, um sie ihrem Saatgut beizumengen.
Weil sich Christi Leib am Kreuz im Brot ver-
k6rpert, steht im Zentrum des Kreuztags-
brauchtums der Sauerteig: der vorjahrige muB
aufgebraucht sein, der neue wird mit Weih-
wasser angemacht, zum Fermentieren tiber
Nacht mit geweihtem Basilikum versetzt. 40
Tage darf davon nichts auBer Haus abgegeben
werden. Die Kreuzerhédhung bedeutet die
Neuerschaffung der Heilsordnung eines neuen
landwirtschaftlichen Jahres.
Die Kreuzerhéhung im Bild
Die Architekturdetails im Hintergrund deutet
die konstantinische Auferstehungskirche (Ci-
borium mit Ollampe) und das heilige Grab als
Abendmahlsaltar an. Helena hatte bei ihrer
205
Kreuzigung Christi/Karfreitag
Meteora, Moni Warlaamm, 1552.
»Ein Tempel und darinnen ein Ambo (Predigtpult),
auf demselben der heilige Makarios von Jerusalem,
der Patriarch, der das ehrwiirdige Kreuz Christi héilt.
Unter dem Ambo die heilige Helena, die Kaiserin,
und mit ihr viele hohe Beamte und eine Menge Vol-
kes, das hierauf schaut und die Hand emporhdlt«
(Malerhandbuch).
Pilgerreise nach Jerusalem kurz vor Ende ihres
Lebens (gestorben 336) das Kreuz Christi ge-
funden und in Jerusalem aufgestellt. Manch-
mal stlitzen zwei Diakone den kreuzeshalten-
den Priester -- Gewicht und Bedeutung des
Kreuzes unterstreichend. Neben der Kaiserin-
mutter steht mitunter-—» Konstantin.
Haufige Erganzungen: Nach Johannes Chry-
sostomos hat Helena in einer Hohle drei Kreu-
ze unter einem Erdhtigel auf Golgatha ent-
deckt. Christi Kreuz war an der Aufschrift (Je-
sous Nazaraos Wasilews Juddon) zu erkennen,
nach anderer Uberlieferung daran, da® ein
Toter auf einer Bahre am Kreuz vorbeigetra-
gen, lebendig geworden ist.
Rund um den Fundort ist Basilikum gewachsen.
Deshalb verteilt der Priester am 14. September Basi-
likumstrauBchen. Das wiirzig duftende »kénigliche
Griin« (K6nig Christus!) fehlt in keinem griech.
Vorgarten. Wegen seiner Beziehung zum Kreuz
wird es in manchen Gegenden als Speisewiirze ge-
206
mieden. Ein Sud daraus hilft gegen Bauchkrampfe
und nervése Magenleiden.
Geschichte des »wahren Kreuzes«
Seit 335 wurde in Jerusalem alljahrlich das von
Helena aufgefundene Kreuz am 14. September
auf einer Anhdéhe aufgestellt. 614 findet die
feierliche Zeremonie der Aufrichtung erstmals
in Konstantinopel mit dem dorthin verbrach-
ten Kreuz statt. 628 erobert Kaiser Heraklios
das heilige Kreuz von den Persern zuriick,
fiihrt es im Triumphzug nach Konstantinopel
(anstatt der Erstaufstellung wird auch die
feierliche Wiederaufrichtung durch Heraklios
dargestellt). Ab 633 verbleibt das Kreuz in
Jerusalem. Nach dem Bilderstreit kommt die
einfachste Fassung der Kreuzaufrichtung auf:
das Kreuz zwischen — Konstantin und Hele-
na. Die voll ausgebildete Auffindungsszene er-
scheint ab spatbyz. Zeit an Kirchenwanden
und auf Ikonen.
Eine frithe symbolische Darstellung
der Kreuzauffindung
»Schon ist das Weltall erfiillt mit Splittern vom
Kreuzesholz.« Kyrill von Jerusalem meint (374
n.Chr.) damit, daB sich die Kreuzsplitter bei
ihrer Ausbreitung geheimnisvoll vermehren
und die haltgebende Struktur des Weltalls
bilden.
Das sternschnuppenartig aus der Himmelszo-
ne herabstoSende Kreuz in der sog. Parousie-
Darstellung auf der Holztiir von Santa Sabina
(Rom, ca. 432) spielt mehrdeutig auf die >
Himmelfahrt, die Parousie, und zugleich dar-
auf an, da} Christus seiner Kirche das wahre
Kreuz geschenkt. Die Tatsache, daB die Holz-
tiire eine der friihesten Darstellungen der
— Kreuzigung enthalt, legt diesen Schlu&
nahe.
Kreuzigung Christi /Karfreitag
H CTAYPOCIC/H ΜΕΓΆΛΗ
TIAPACKEYH
1 Stawrosis/I Megéli Paraskewi
Hinrichtung Christi, Héhepunkt seiner —> Pas-
sion. Byz. Kreuzigungsdarstellungen sind als:
Hinweise auf die > Eucharistie zu verstehen.
In der Feier des Abendmahls werden die Pas-
Kreuzigung Christi/Karfreitag
Beweinung Christi. Epitaphios-Tuch, Ajios Phanourios, Rhodos
sion, werden Tod und Auferstehung — Christi
immer neu vergegenwartigt.
Liturgie und Brauchtum vom Karfreitag
»Statt Manna Galle, statt Wasser Essig; anstatt mich
zu lieben, habt ihr mich ans Kreuz genagelt.« Kar-
freitagsliturgie
Der »grofe Freitag« vor Ostern ist der ernste-
ste BuB- und Fastentag. Strengglaubige neh-
men den ganzen Tag tiber nur drei Schluck mit
Ruf vermengten Essig zu sich — Christus ist am
Kreuz mit Essig getraénkt worden. Vom Abend
des Palmsonntag bis in die Osternacht ist sin-
gen, musizieren, spielen, Unterhaltung unter-
sagt. Mancherorts schweigen die Glocken.
Vom »roten Donnerstag« an ruht, abgesehen
von Festvorbereitungen, jegliche Arbeit, viele
léschen das Herdfeuer. Die urspriinglich frtth-
morgens am Freitag gefeierte vierstiindige
Akolouthia der Leidensstationen des Herrn
mit der Lesung von zw6lf Abschnitten aus den
vier Evangelien tiber Passion und Kreuzigung
ist mittlerweile auf den Donnerstagabend vor-
verlegt: Nach der sechsten Lesung erscheint
der Papas mit dem Kreuz, an dem Christus in
Gestalt einer Ikone (UmriBausschnitt seiner
Figur) hangt, unter der Nordttir der Bilder-
wand und pflanzt es dann vor ihr auf. Ein Dor-
nenkranz und Blumenschmuck wird daran be-
festigt, Kerzen davor entziindet.
»Der angesehene Joseph nahm herunter vom Holz ἡ
Deinen allerheiligsten Kérper, wickelte ihn mit aro-
matischen Krautern in ein reines Leinen und bestat-
tete ihn in einem neuen Grab.« Gesang zu Beginn
der Epitaphios-Liturgie vom Karfreitagabend
Am Karfreitag geht es um die Kreuzabnahme:
Wiahrend des Morgengottesdienstes in der
schwarz ausgekleideten Kirche wird der Papas
gewissermaBen zu Joseph von Arimathia,
wenn er den Leib des verblichenen Christus
vom Kreuz abnimmt, ihn in ein Tuch hiillt und
207
Kreuzigung Christi/Karfreitag
in das Allerheiligste eintritt. Das leere Kreuz
wird ihm nachgetragen. Nachmittags dann
Vorbereitungen fiir den abendlichen Grab-
legungsgottesdienst (Epitaphios): Vor der Bil-
derwand wird die Ajia Trapeza, der ciborien-
liberwélbte heilige Tisch (—> Altar), aufge-
stellt; darauf das Leichentuch, in das der Kér-
per des Heilands gehiillt war. Der Papas
schreitet aus dem Allerheiligsten heraus, das
- Epitaphiostuch mit der aufgestickten Bewei-
nung Christi, den toten Leib représentierend,
hoch tiber seinen Kopf gebreitet.
Es folgt eine Prozession — Kinder, Kirchendie-
ner mit Kerzen und dem Kreuz, Psalmodisten
umschreiten dreimal den heiligen Tisch. Dann
vollzieht der Priester die Grablegung, breitet
das Epitaphiostuch auf dem Tisch aus, legt das
aufgeschlagene Evangelium darauf. Frauen
der Gemeinde tibernehmen symbolisch die
Liebesdienste, die die Frauen am Grabe der
sterblichen Hiille des Heilands erwiesen; sie
schmiicken den Epitaphiosschrein mit weien
und violetten, mancherorts roten Bltiten, bis
er unter einem Blumenmeer versinkt. Spiter
halten Pfadfinder, Schiiler, auch Matrosen
oder Soldaten wie die Wachter des Pilatus Wa-
che am Grab, in der jetzt véllig unbeleuchte-
ten Kirche.
Den Nachmittag iiber kiissen Glaubige das
Epitaphion, jedes seiner vier Ecken, opfern
Rosen- und Limonenbliitenblatter — kriechen
auch reumlitig »unter dem Grab Christi« hin-
durch.
»Myrrhetragerinnen kommen mit Myrrhe und brin-
gen sie Dir Christus, bereitwillig. Eile herbei, alle
Schépfung, mit Grabgesangen begleiten wir den
Schépfer. Als Tote den Lebenden zu salben, eilen
wir uns, den Salbentragerinnen zuzugesellen.«
Sobald im abendlichen Epitaphiosgottesdienst
die Myrrhentragerinnen erwahnt werden,
schiitten Frauen und Madchen Schalen mit
duftenden Bliitenblattern tiber dem heiligen
Grab aus. Bei Einbruch der Dunkelheit ergrei-
fen vier Manner das Epitaphion, formen den
Kern einer Kerzenprozession durch den Ort.
In den Stadten spricht der Priester an allen
Platzen und StraBenkreuzungen ein Gebet, in
den Dérfern vor den vielen kleinen Kirchen.
Zuletzt wird das Epitaphion zum Friedhof ge-
bracht und tiber die Graber hinweggetragen:
208
»Als Du hinunterstiegst zum Tod, erhelltest Du den ἢ
Hades mit dem Blitz Deiner Gottheit; und als Du
die Toten aus dem unterirdischen Reich erwecktest,
da schrien alle Machte des Himmels: Christus, Le-
bensspender, unser Gott, Ehre sei Dir!« Epitaphios-
Liturgie
Zurtick zur Kirche:" Vor dem Portal halten die
Trager das Epitaphion hoch, die Glaubigen
gehen der Reihe nach gebtickt darunter hin-
durch, werden zu den Toten in der Unterwelt,
die Christus bei seiner Auferstehung mit nach
oben nimmt:
»Als man Dich ins Grab legte, weltenformender
Christus, wurde des Hades Verankerung erschiittert
und die Griifte der Sterblichen aufgetan.«
Mancherorts ztinden junge Manner Feuer an,
um die roh gefertigte Puppe des Judas, aufge-
hangt an einem Galgen, zu verbrennen (ein
Totenbaum im Kontrast zum — Kreuz als Le-
bensbaum!):
»Heute 1aBt Judas den Lehrer im Stich und emp-
fangt den Teufel. Des Geizes Leidenschaft blendete
ihn, er fallt aus dem Lichte, der Verfinsterte.« Ako-
louthia des Leidens
Das Kreuzigungsbild in knapper Form
»Der das All zusammenhalt wurde auf das Kreuz
erhéht und die ganze Schépfung klagt, diesen er-
blickend, wie er nackt auf dem Holze hangt; die
Sonne verbarg ihre Strahlen und die Sterne legten
ihren Glanz ab, die Erde aber wurde von tiefer
Furcht erschiittert, das Meer floh und die Felsen
zetrissen; viele Grabmaler aber taten sich auf und
die Kérper der heiligen Manner erhoben sich. Un-
ten st6hnte der Hades ...« Epitaphiosliturgie
Die Kerndarstellung: Christus am Kreuz zwi-
schen Maria (meist links) und Johannes, dem
Apostel (rechts) vor einfarbigem blauem oder
goldenem Hintergrund (Kloster Daphni, Ende
11.Jh.; Osios Lukas, Anfang 11.Jh.), Marias
Rechte weist auf Christus hin, Johannes stiitzt
sein Haupt mit der Rechten ab (Trauergeste;
—> Hande) oder wischt sich eine Trane aus
dem Auge. Haufige Beischrift:
»Siehe, das ist Dein Sohn, siehe, das ist Deine Mut-
ter!« Joh. 19, 26
Beide ziehen mit der Linken ihre Gewander
enger um sich. Auf dem obersten der drei
Kreuzquerbalken die Inschrift (Jesus von
Kreuzigung Christi/Karfreitag
Mosaik aus der Vorhalle. Osios Lukas, bei Stiriin Phokis, nach 1000.
Nazareth Konig der Juden — Selbstaussage
Christi im ProzeB) oder aber die Abktirzung
IC XP. An das FuBbrett sind -- im Gegensatz
zu abendlandischen Darstellungen ab dem
spiten Mittelalter — beide FiiBe jeweils einzeln
festgenagelt. Ab mittelbyz. Zeit ist Christus
bereits verstorben, sein Haupt gesenkt, die
Augen geschlossen. Aus der Seitenwunde
kommt ein roter und ein heller Strahl heraus:
»Und einer der Soldaten stach mit seiner Lanze in
die Seite, und sofort kam heraus Blut und Wasser«
Joh. 19, 34
Das wird rituell nachvollzogen, wenn der Prie-
ster vor dem Abendmahl, auch schon bei des-
sen Zurtistung, im Kelch Wein und Wasser
vermenst:
»Zwar von der Erde genommen, l48t Du entquellen
der Rettung Wein, lebensspendender Weinstock,
ich rihme Dein Kreuz und Deine Leiden.« Epita-
phiosliturgie
Das Blut der Seitenwunde fangt haufig die Pa-
najia (mittelbyz.) mit einem Krug (-9 Geburt
Christi) auf, das Blut aus den Handen sam-
meln Engel mit einem Kelch (spat- und post-
byz.), das Blut aus Christi FiBen traufelt her-
ab auf den Schadel Adams, oft in einer Héhle
(= Totenwelt) am Hiigel Golgatha (Schadel-
statte), der Basis des Kreuzes.
Christus, der zweite Adam, der das Leben
bringt durch seinen Tod, hangt tiber dem Gra-
be des ersten Adam, der den Tod in die Welt
brachte (— Ostern). Die rote -- Sonne und
der blaBblaue —> Mond — beide mit Gesichtern
209
Kreuzigung Christi/Karfreitag
Kreuzigung. Fresko in der Klosterkirche Panajia Mawrotissa bei Kastoria, postbyzantinisch.
als géttliche Wesenheiten wiedergegeben —
flankieren das obere Kreuzende, kennzeich-
nen Christus als Weltenherrscher, wie sie auf
Triumphbildern rémischer Kaiser deren Herr-
schaftsanspruch tiber den Kosmos dokumen-
tierten.
Die Gestirne verloren ihren Schein, als Christus
nach Joh 19, 30 »... das Haupt neigte und den Geist
aufgab«, Die Schépfung ist tédlich getroffen, wenn
der Schdpfer stirbt. AuBerdem: Christus selbst ist
»die Sonne der Gerechtigkeit«. Mit ihr stirbt jedes
kosmische Licht.
Seine duBerste Verkiirzung und Verdichtung
erfahrt das Kreuzigungsmotiv in der —> Deisis.
Die Kreuzigungsdarstellung in szenisch
ausgebauter Form
Auf den episch breiter ausgemalten Kreuzi-
gungen (Shakli Kilise, Géreme, 9. Jh.; El Na-
zar, Carikli Kilise, Karanlik Kilise; Kastoria,
Panajia Mawrotissa; Athos, Esphigmenou) ge-
210
sellen sich zu Maria die Myrrhentragerinnen
(Auferstehung —> Ostern). Hinter Johannes
tritt der Ekatontarchis (Hundertschaftsfihrer)
Longinos, Befehlshaber des Hinrichtungskom-
mandos, deutet mit Christusgebarde (> Han-
de) auf den Verstorbenen: »Dieser Mensch
war tatsichlich Gottes Sohn.« Mk 15, 39. Ein
kleinfiguriger Kriegsknecht links vom Kreuz --
Longinus — sticht mit einer Lanze Jesus in die
Flanke.
Ein zweiter halt Essigeimer und Stab mit dem
essiggetrankten Schwamm. (Der Essig war
Wiederbelebungsmittel, sollte die Qualen der
Hingerichteten verlangern.) Mitunter ist der
FuBbalken gebrochen (Carikli Kilise, Gére-
me), sind an den Querbalken besondere Bret-
ter ftir die Hinde angebracht (Tokali Kilise,
Géreme, Anfang 10.Jh.). Kommen die Scha-
cher am Kreuze dazu, hangt links von Chri-
stus, der reuige Gestas (— Paradies), rechts
der unbuBfertige Dimos.
Kreuzigung Christi/Karfreitag
Als Hintergrund ist mitunter die Landschaft der
Umgebung abgebildet, etwa kappadokische Erd-
pyramiden. (Shakli Kilise, Goreme, 9.Jh.; Carikli
Kilise), hdufiger architektonische Andeutungen des
Tempels von Jerusalem. Apsis von der Tokali Kili-
se: Ein Rif durchzieht den Tempelvorhang, Hin-
weis auf Christus als den neuen Tempel, der den
alten ablést. »Der Du den Tempel Gottes zerbrichst
und baust ihn neu in drei Tagen, hilf Dir selbst! Bist
Du Gottes Sohn, so steige herab vom Kreuz ...
Aber Jesus schrie laut und verstarb. Und siehe, der
Vorhang des Tempels zerrif$ in zwei Stiicke von
oben bis unten hin.« Matth. 27, 40ff.
Historische Entwicklung des
Kreuzigungsbildes
Unumstrittene Kreuzigungsdarstellungen gibt
es seit Anfang des 5.Jh.s, Kreuzsymbole schon
vom 3.Jh. an. Konstantin hatte 100 Jahre zu-
vor den Weg freigemacht, indem er die Kreu-
zigungsstrafe abschaffte. Bald darauf wurde
das »wahre« Kreuz in Jerusalem aufgefunden
(— Konstantin und Helena; --Ὁ Kreuzaufrich-
tung).
Eine Glasstreifenaufschmelzung auf einer
Glasflasche — Kreuz zwischen Andreaskreuzen
—in rémischen Katakomben des 4. Jh.s gefun-
den, wird als Christus zwischen den Schaéchern
gedeutet. Auf dem Holzrelief der Tiir von
Santa Sabina, Rom (um 432) steht Christus mit
offenen Augen zwischen halb so groBen Scha-
chern auf der unteren Rahmenleiste vor einer
dreiteiligen Architektur mit Spitzgiebeln, alle
drei mit Lendenschurz bekleidet, die Unterar-
me ausgebreitet. Die Hande erscheinen deut-
lich angenagelt, von den Kreuzen sind jedoch
nur kleine Abschnitte unter den Handen, den
FiiBen, bei den Schachern auch tiber den K6p-
fen zu sehen. Nicht das Kreuz halt den K6r-
per, sondern Christus halt das Kreuz. Auf dem
altesten Kreuzigungsbild (Elfenbeinpyxis, um
420, Britisches Museum) tritt das Marterin-
strument hinter der straffen, frontal ausgerich-
teten und selbst als Kreuz in Menschengestalt
wirkenden Figur vollig zuriick. Links daneben
baumelt Judas vdllig haltlos an einem Baum.
Ende des 6, Jh.s erscheint der Gekreuzigte als
der Weltenherrscher mit sieghaft senkrecht
ausgebreiteten Armen, angetan mit dem 4r-
mellosen, bis zu den FiiBen stark herabfallen-
den Colobium (—> Gewander), bartig, mit weit
gedffneten Augen (Kastchen, Sancta Sancto-
rum, Rabular Evangeliar). Ab Anfang 8. Jh.
geben die Bildergegner Christus nur noch als
ornamentales Triumphkreuz wieder.
Deckengemiéilde in der Uziimlii Kilise.
Kizil Cukur, 8.1}.
Unmittelbar nach dem Bilderstreit im 9. Jh.
beginnt die siegreiche Partei der Bildervereh-
rer den leidenden Christus mit geschlossenen
Augen, geneigtem Kopf und S-férmig ge-
schwungenem K6rper herauszustellen. Der
Patriarch Michael I. Kerularios betonte, man
hére jetzt damit auf. Die mittelbyz. Darstel-
lungsweise entspricht der nun endgiiltig durch-
gesetzten Zwei-Naturen-Lehre, da8 namlich
Christus menschliche und géttliche Natur zu-
gleich in sich vereinige.
Das Kreuz halt zwar jetzt den Kérper, doch kann
man es sich immer noch wegdenken: Der Leichnam
hielte sich von selbst als der auf einem Podest er-
héhte Christus, ergeben leidend, demnach die Ar-
me segnend ausgebreitet als Gott — oft umschwebt
von Engeln. In Byzanz bleiben der bis zur Unkennt-
lichkeit zermarterte Leib Christi und die abgriindige
Verzweiflung in seinem Gesicht unbekannt. Anders
in der westlichen Kunst, wo in der Spatgotik (Mat-
thias Griinewald) und Friihrenaissance die Uberbe-
tonung des leidenden Menschen einsetzt — eine
theologische Str6mung vorbereitend, die nur noch
das Historische an Jesus anerkennt.
211
Kugel
Kugel
— Himmel, — Kaiser
Kub
TO ®IAI/TO ®PIAHMA
to fili/to filima
Ausdruck inniger Zuneigung zu Gott, den Hei-
ligen und den Mitmenschen.
Der KuB im Gottesdienst
»Liebe den Herrn, Deinen Gott, mit all Deinem
Herzen und all Deiner Seele ... und Deinen Nach-
sten wie dich selbst.« Matth. 22, 38-40
In der »gro&en Woche« ziehen die Menschen
am Epitaphios vorbei, um mit dem Epita-
phiostuch den Leichnam Christi zu kiissen. In
der Osternacht, nach dem Ruf Christus ist auf-
erstanden und dem Auferstehungsgesang, fal-
len sich die Menschen in die Arme, ktissen
einander und drangen sich anschlieBend wie-
der um das Epitaphion, um die jetzt dort auf-
liegende Auferstehungsikone -- und mit ihr
den auferstandenen Christus selbst — zu ktis-
sen. In der allsonntaglichen — Liturgie der
Glaubigen kii®t der Priester Christus in Ge-
stalt der Abendmahigerate und die Mensch-
heit, vertreten durch den mitzelebrierenden
Diakon oder weitere Priester auf die Schulter.
Bei BegriiBung und Abschied ist unter Grie-
chen und orthodoxen Slaven der WangenkuB
tiblich.
Das Kiissen der Ikonen und Reliquien
Auf dem Umweg tiber die Ikonen und Reli-
quien wird dem Verstorbenen wie dem aufer-
standenen Christus Verehrung und Zuneigung
bekundet. Jeder Ikonenku8 wiederholt den
ésterlichen Kuff, auf bildhaft sinnfallige Art
die Liebe zu Gott und zu den Mitmenschen
ausdriickend. Die tiberzeugendste Darstellung
der Liebe zwischen Gott und Mensch ist die
Marienikone der Panajia Glykophilousa (>
Maria).
KuB und Ikonenabdeckung
Folge der innigen Liebkosungen: die Ikonen
werden schnell abgentitzt. Von mittelbyz. Zeit
212
an hat man die viel verehrten wundertatigen
Ikonen mit einer Abdeckung aus Silber- oder
Goldblech, das in einer getriebenen Relief-
arbeit den Bildinhalt nachformt, geschtitzt.
In RuBland hat sich vom 15./16.Jh. an die Herstel-
lung von Treibreliefabdeckungen zu einem eigen-
standigen Kunsthandwerk entwickelt (Gilde der
Basmanschtschiki).
vr Die Teilabdeckung (russisch Basma) laBt die Fi-
guren der Heiligen frei.
vr Die Totalabdeckung (russisch Oklad oder Riza)
1aRt nur das Inkarnat -- Gesicht und Hande -- frei.
Bei russischen Ikonen mit Reliefabdeckung hat man
vielfach nur noch das Inkarnat gemalt (Dodulomoje
Pischmo), bei griech. Ikonen beschrankt man sich
auf die Ausschmiickung der Heiligenscheine mit
Edelmetallblech.
Die edelsteingeschmiickten Ikonenabdeckun-
gen erinnern an die kostbaren, oft mit Ikonen-
motiven geschmiickten Fassungen der Reli-
quien, auch an Staurotheken (Behalter von
Splittern des heiligen Kreuzes, > Kreuzerhé-
hung, —> Konstantin).
Lamm
O AMNOC/TO APNION
O 4mnos/to arnion
Als unschuldiges Opfertier Sinnbild des lei-
denden Christus -- auch gesiegeltes, Christus
reprasentierendes Mittelteil der eucharisti-
schen Prosphora!
Das altchristliche und friihchristliche
Lamm-Symbol
»Und ich sah, da8 aus Juda eine Jungfrau geboren
wurde ..., und aus ihr ging ein unbeflecktes Lamm
hervor ..., und alle wilden Tiere bestiirmten es, und
das Lamm besiegte sie und vernichtete sie, dai sie
zertreten wurden.« Die Testamente der zw6lf Pa-
triarchen 11, 19, jiidische, christlich tiberarbeitete
apokryphe Schrift, 1. Jh. v. bis 1. Sh. n. Chr.
Das meistverwendete tiergestaltige Symbol
des frithen Christentums, weist hin auf Rein-
heit (weiBe Wolle), Unschuld (als Neugebore-
nes), Opfer (meist verwendetes Opfertier),
Schutzbediirftigkeit (Behtitung durch Hirten).
Alle diese Bedeutungen sind durch zahlreiche
Texte im AT und NT vorgegeben; das Parado-
xon des siegreichen Lammes wird lediglich in
Lamm
einem christl. Einschub der Testamente der
zwoélf Patriarchen, und in der Apokalypse
(5, 6; 13, 8) genannt. Das Lamm kann symbo-
lisieren:
yr den durch Christus geretteten Gladubigen.
Lammtrager (friihchristl. Sepulkralkunst, —
Christus) sind versinnbildlichte Gebete um die
Rettung der Seele des Verstorbenen. Auf ei-
nem Mosaik des guten Hirten (Galla Placidia,
Ravenna, Anfang 4.Jh.) blicken alle sechs
Lammer zu Christus auf.
. ¥ die zwélf Apostel. Zwélfergruppen von
Lammern reprasentieren immer Christi Jiinger
(Apsis, Sant’Apollinare in Classe, Ravenna,
6.Jh.; Triumphbogen 7.Jh.; Dom, Triumph-
bogen, Parenzo, 6.Jh.).
τ die drei Lieblingsjiinger Petrus, Jakobus
und Johannes — wenn drei Lammer einem
Triumphkreuz in der Mandorla zugeordnet
sind (> Verklérung; Sant’Apollinare in Clas-
se, Ravenna, 6.Jh.).
vv Petrus und Paulus, wenn zwei Lammer
Christus flankieren, der in menschlicher Ge-
stalt oder als drittes, oft mit Nimbus versehe-
nes Lamm erhéht auf einem Paradieshiigel
liber vier Quellen steht. Das Motiv auf Sarko-
phagen des 5.Jh.s (sog. Sarkophag Konstan-
tius III., Galla Placidia, Ravenna) stellt eine
Umsetzung der im ausgehenden 4.Jh. haufig
dargesteliten Dreiergruppe »Christus bei der
Ubergabe des Gesetzes an Petrus und Paulus
auf dem Paradiesesberg« ins Symbolische dar.
yr Die vier Evangelisten als Vierergruppen
von Limmern (traditio legis im Nischengew6l-
be (Santa Costanza, Rom, Mitte 4. Jh.).
ἈΞ Christus selbst. Als sein Typus im AT gilt
das Passahlamm, das die Juden vor dem Aus-
zug aus Agypten schlachteten (2. Mose 12, 3;
29, 38). Das »Lamm Gottes, das der Welt Sitin-
de tragt« (Joh. 1, 29, 36) erscheint tiber dem
Paradieshiigel mit vier Quellen, einzeln oder
zwischen Apostel-Lammern auf Sarkophagen
oder Katakombenfresken vom 4.Jh. an. Das
Christuslamm tragt Monogramm- oder Kreuz-
nimbus oder wird von einem groBen stehenden
Kreuz hinterfangen (Ravennatische Sarkopha-
ge, 5.Jh.). Im 5. und 6.Jh. wird es vom
Triumphkranz umgeben (im Mosaikgewélbe
des Presbyterions von San Vitale; - Himmel-
fahrt).
Das Lamm zwischen den 24 Altesten der Apokalypse.
Athos, Kloster Esphigmenou, postbyzantinisch.
Abkehr vom Lamm-Symbol in
friihbyzantinischer Zeit
»Gebrochen und zerteilt wird das Lamm Gottes, ge-
brochen, aber nicht geteilt, allezeit gegessen und
niemals aufgezehrt, sondern heiligt, die daran teil-
nehmen.« Liturgie der Gldubigen nach Johannes
Chrysostomos
Das gestempelte Stiick des Abendmahlsbro-
tes, das in den Leib Christi verwandelt wird,
heiBt »Lamm« (> Proskomidie). Die bildliche
Wiedergabe Christi in der Form eines Lammes
ist ab Ende des 7. Jh.s verp6nt:
»Auf einigen Darstellungen der hochzuverehrenden Ὁ
Ikonen wird ein Lamm gezeigt, auf das des Vorlau-
fers (des Taufers) Finger weist, was fiir ein Sinnbild
der Gnade gehalten wird, genauso, wie das Lamm
des Gesetzes (das Passahlamm des AT) darstellt das
wirkliche Lamm, namlich Christus, unsern Gott.
Wiewohl wir zwar die alten — Schatten und Bilder
als der Kirche iiberlieferte Sinnbilder und Andeu-
tungen der Wahrheit mit Liebe annehmen, ziehen
wir jedoch die Gnade und Wahrheit selbst (ihren
Symbolen) vor, indem wir sie als Erftillung des Ge-
setzes (des AT) anerkennen. Damit also wenigstens
213
Lazarus
im Bilde diese Erfiillung allen Augen vorgestellt
werde, verordnen wir, da® von nun an auf den Iko-
nen statt des ehemaligen Lammes, das Lamm, das
die Siinde der Welt auf sich nimmt, naémlich Chri-
stus, unser Gott, in menschlicher Gestalt wiederge-
geben werde.« Regel 82, beschlossen vom Trullani-
schen Konzil (691-692)
Diese Verordnung driickte eine generelle Ab-
kehr von der sinnbildlichen Darstellung aus,
die abgesehen vom Lamm, auch die Tiersym-
bole der —» Evangelisten oder die > Taube des
Heiligen Geistes betraf. Tiersymbole sollten
nur noch dort erscheinen, wo sie in der Schrift
ausdriicklich erwahnt werden (— Taufe Chri-
sti). Weiterhin zulassig war es, Christus als eu-
charistisches Lamm im Opfer Abels (San Vita-
le, 6.Jh., Sant’Apollinare in Classe, 7.Jh., Ra-
venna) darzustellen. In nachbyz. Zeit er-
scheint das apokalyptische Lamm aus den Vi-
sionen des Johannes (--. Apokalypse).
Seit dem 17.Jh. wird unter der Einwirkung
westlicher Kunstrichtungen das Darstellungs-
verbot von Tiersymbolen nicht mehr konse-
quent befolgt.
Lazarus
O AAZAPOC
O Lazaros
Freund Christi, verstorben und von Christus
auferweckt. Das Ereignis zusammen mit dem
Einzug nach Jerusalem am Wochenende vor
Ostern gefeiert, wird als Hinweis auf Christi
Auferstehung angesehen.
Brauchtum um den Lazarussamstag
Die Auferweckung des Lazarus, friiher als ei-
genes Hochfest (-» Festtagskalender) began-
gen, ist heute mit dem Palmsonntag (— Ein-
zug in Jerusalem) eng verbunden. Man feiert
die »Vorauferstehung«, weil die Auferwek-
kung des Lazarus bildhaft die Auferstehung
Christi vorwegnimmt, so wie der Einzug in Je-
rusalem den Triumph Christi »auf dem Throne
im Himmel sitzend, wie auf dem Fiillen auf
Erden« (Festtagsliturgie). Im apokryphen Ni-
kodemusevangelium schilt Hades, als der auf-
erstandene Christus in die Totenwelt vor-
dringt, den Satan:
214
»Vor kurzem hatte ich einen Toten mit Namen 1.8:
zarus verschlungen, und bald darauf hat ihn einer
von den Lebenden (Christus) allein durch das Wort
gewaltsam aus meinem Inneren heraufgezogen. Ich
glaube, daB das der gewesen ... Wenn wir den hier
aufnehmen, so fiirchte ich, das wir auch wegen der
iibrigen (Toten, die noch im Hades sind) in Gefahr
geraten. Bei allen, die ich bisher verschlungen habe,
beobachte ich, daB sie unruhig sind, und ich habe
Schmerzen im Bauch. Mir scheint, der Lazarus, der
mir da unlangst entrissen wurde, ist kein gutes Vor-
zeichen.«
Umzug des Lazaros: Junge mit weifem langem
Hemd und Palmwedel, umgeben von einer
Madchenschar, am Samstag vor Palmsonntag in
Embonas, Rhedos.
Die Dorfjugend zieht herum, zeigt ein Aufer-
weckungsbild vor und singt dazu »Lazarakia«.
In Innergriechenland, Makedonien und Thra-
kien weisen 10- bis 12jaéhrige Madchen einen
hdlzernen Waschstampfer, geschmtickt mit
farbigen Tiichern, als den »Lazarus« vor, wor-
in manche ein phallisches Symbol, angeregt
durch hellenistische Friihlingsriten, um Ado-
nis sehen. In Rhodos begleiten Madchengrup-
pen einen Lazarus-Jungen. In Zypern ziehen
Jungen von Haus zu Haus und fiihren die Auf-:
erweckung als Singspiel vor: Ein Junge legt
sich reglos nieder und wird mit gelben Bltiten
zugedeckt — ahnlich wie das Epitaphion mit
gelben und violetten (> Kreuzigung). Beim
Ruf »Lazarus, komm heraus!« taucht er aus
dem Blumengrab auf.
Lazarus
Auferweckung des Lazarus. Moderne Darstellung im
spdtbyzantinischen Stil. Alte Metropolis, Rhodos.
Das Lazarus-Motiv
»Da sagte ihnen Jesus frei heraus: Lazarus ist ge-
storben ... Nun wollen wir zu ihm ziehen. Da
sprach Thomas zu den Jiingern: LaBt uns mitziehen,
um mit ihm zu sterben. Maria, als sie dorthin kam,
wo Jesus war, fiel zu seinen FiiRen und sprach zu
ihm: Herr, wirest Du hier gewesen — mein Bruder
ware nicht gestorben. Und Jesus gingen die Augen
liber ... da wurde Jesus nochmals inwendig zornig
und ging zum Grabe. Es war eine Gruft und daritber
ein Stein. Jesus sprach: Hebt den Stein ab. Doch
Maria, die Schwester des Toten, sagte: Herr, er
stinkt schon, denn er ist vier Tage gelegen. Da ho-
ben sie den Stein ab ... da rief er (Jesus) mit lauter
Stimme: Lazarus, komm heraus. Und der Verstor-
bene kam heraus, gebunden mit Grabttichern an
FiBen und Handen, verhiillt mit einem Schwei8-
tuch. Jesus sagte zu ihnen: Lést ihn und laBt thn
gehen.« Joh. 11, 14ff.
Der zeitlich ausgedehnte Ablauf des Gesche-
hens wird in einem Bilde »vergleichzeitlicht«.
Hinter Christus steht (oft) der vorlaute, bart-
lose Thomas oder der bartige Petrus. Maria
und Martha werfen sich vor Christus zu Boden
(Proskynese). Christus, als das géttliche Wort
mit der Schriftrolle in der Linken, vollzieht mit
der segnenden Rechten den Christusgestus
(—> Hinde). Uber den Frauen erhebt sich der
felsige Grabhtigel mit einem. Tor, oft gesaumt
mit einer kunstvollen Zierleiste. Im dunklen,
héhlenartigen Inneren (Anspielung auf die
Totenwelt) steht aufrecht der in Leinenbinden
eingeflochtene Lazarus (Ausdruck der Unbe-
weglichkeit: stramm gewickelt sind Tote und
Kleinkinder; - Geburt Christi). Mitunter
steht Lazarus auch in einer Grube. Ein Helfer
hat den Grabdeckel — gleicht einem Sarko-
phagdeckel — abgehoben, ein anderer macht
sich daran, mit der Linken Lazarus’ Binden
aufzuwickeln, mit der Rechten halt er sich die
Nase zu oder pret ein Sttick Kleidung vors
Gesicht, drastischer Hinweis auf die Verwe-
sung: Lazarus lag vier Tage im Grab, entspre-
chend der --Κ Zahl 4, Zahl des Irdischen und
Menschlichen. Christus selbst erstand nach
drei Tagen, entsprechend der ~ Zahl 3, Zahl
des Géttlichen. Laut Johannes hat bereits
Christus die Auferweckung als Hinweis auf
seine eigene Auferstehung und auf die der von
ihm Erlésten verstanden:
»... Martha: Ich weiB wohl, daB er in der Auferste-
hung am jiingsten Tag auferstehen wird! ... Jesus:
Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an
mich glaubt, der wird leben, ob er gleich stiirbe!«
In der Wandmalerei ist die Auferweckung das
letzte Bild des Wunderzyklus Christi, und das
erste des Passionszyklus. Infolge der liturgi-
schen Verflochtenheit der Themen werden die
Auferweckung und der Einzug gerne neben-
einander angeordnet. Als Tafelbild kommt das
Bild haufig in der Festbildreihe der Bilder-
wand vor.
Das Lazarusmotiv in der frithchristlichen
Sepulkralkunst .
Die Auferweckung ist vermutlich das allerer-
ste NT-liche Motiv in der frithchristl. Sepul-
kralkunst. Bereits auf Katakomben-Sarkopha- ἡ
gen des 2. Jh.s wird der segnende Christus dem
in Tiicher gewickelten Lazarus gegentiberge-
stellt, und zwar als Hinweis auf die —-> Aufer-
stehung Christi, die selbst vor dem 4.Jh. nicht
vorkommt. Auf einem Relieffragment (Kon-
stantinopel, Archéologisches Museum) be-
schwort ein lebhaft, fast tanzerisch ausschrei-
tender Christus, die Rechte ausgestreckt, in
der Linken eine Art von Zauberstab haltend,
die »Lazaruspuppe«, die, wie damals tiblich,
215
Lebensbaum
unter einer Art Adikula steht (4.Jh.). Maria
und Martha geraten schon ab 4.Jh. ins Laza-
rusmotiv, das bereits vom Ende des 6.Jh.s an
voll ausgebildet ist.
Auferweckung des Lazarus — Ausschnitt aus einem
friihchvistlichen Sarkophag (Ende 4. bis Anfang
5. Sh.) im Archéologischen Museum Istanbul.
Lebensbaum (Holz des Lebens)
TO ZYAON THC ZQHC
To X¥lon tis sois
Sinnbild des Lebens, als — Himmelsleiter
Verbindungsweg zwischen Himmel und Erde,
wie der — Berg Mittelpunkt und Achse der
Welt. Die Bedeutungsvielfalt, die mit dem Le-
bensbaum verbunden, ist auf das Kreuz als das
eigentliche Holz des Lebens tibertragen wor-
den.
Baum als Himmelsleiter der Jager und
Hirtenvélker
Baume dienen als Leitern zum Hochklettern,
Zufluchtsorte bei Gefahren, Schattenschirme
und Spender von Friichten. Ftir die Jagerkul-
216
turen Asiens und Nordamerikas waren Berge
wie Baume, oder auch wie Fliigel, Aufstiegs-
und Abstiegsmittel, um von der Ebene der
Menschenwelt auf eine andere dariiber- oder
darunterliegende hintiberzuwechseln. Meister
darin, ekstatisch oder rituell, tiber den Steig-
baum die Etagen der dreistufigen Welt zu
wechseln, die Seelen der Verstorbenen zu fiih-
ren, Hilfsgeister nach oben oder unten zu ent-
senden, sind die Schamanen. (Schamanistische
Vorstellungen sind in Gesamtasien, in Euro-
pa, dem nérdlichen Amerika und Australien
verbreitet.) Bei den altorientalischen Pflan-
zenkulturen steigen Gottheiten tiber den Him-
melsleiterbaum herab.
Altes Testament — Jahwe erscheint
im Schatten der Baume
Im AT erscheint Jahwe unter Baumen — dem
Abraham im Hain More (1. Mose 12, 6-7) und
im Hain Mamre (Engelbesuch — Pfingsten)
unter Steineichen. Moses sieht den Engel des
Herrn im — brennenden Dornbusch. Jahwe zu
David:
»Und wenn Du das Rauschen iiber den Wipfeln der
Maulbeerbaume streichen hérst, dann beeile Dich,
denn der Herr ist ausgezogen vor Dir her, um das
Heer der Philister zu schlagen.«
Der Baum als kosmographisches Modell
Der durch die drei Welten aufsteigende Baum
ist selbst auch Weltenmodell (-» Kosmos).
GroBe Reiche und deren Herrscher identifi-
zieren sich mit dem Kosmos. Nebukadnezar
trdumte:
»... Es stand ein iiberaus hoher Baum mitten in
meinem Land. Gro8 und michtig wurde er und
reichte bis in den Himmel, und er breitete sich aus
bis ans Ende der ganzen Erde. Seine Aste waren
sch6n und trugen viele Friichte, davon alles zu essen
hatte. Alle Tiere auf dem Felde fanden Schatten
unter ihm, und die Végel unter dem Himmel safen
auf seinen Asten...«. Dan. 4, 7-9
Vor allem repraésentieren die beiden Paradie-
sesbéume, der Baum des Lebens (die Leiter"
zum Leben) und der Baum der Erkenntnis
(die Leiter nach unten zum Tode), zwei gegen-
satzliche Aspekte des Weltenbaumes. Nach
christl. Auffassung steht der Baum des Lebens
auf einem — Berg bzw. einer Hochebene, dem
Paradies, und unter ihm entspringt der Was-.
Lebensbaum
serstrom, der sich in vier Fliisse, die die ganze
Welt umflieBen, aufteilt.
Baume in antiken Grabgarten
Den Griechen galten verschiedene Baumarten
bestimmten Gottheiten als heilig -- der Lor-
beer dem Apollo, der Weinstock dem Diony-
sos, die Eiche dem Zeus. Gotteserscheinungen
spielten sich vorzugsweise unter den entspre-
chenden Baumen ab — an ihrem Fue wurden
Wein und Ol gespendet, Tieropfer darge-
bracht, Lichter aufgestellt. Als spater Stein-
, tempel mit Baumen nachgebildeten Saulen .
(die jonische Saule entspricht der Dattelpal-
me) aufkamen, hat man dennoch im Tempel-
bereich angelegte Baumgarten erhalten, so der
Athena geweihte Olivenhaine auf der Akropo-
lis und in Lindos.
Die Baume der antiken Grabgarten, die in friih-
christl. Zeit als vegetabilische Reliefs auf Sarkopha-
gen fortleben, kénnen sich tiberlagernde Bedeutun-
gen haben:
vr Der Baum dient als Himmels- bzw. Hadesleiter
fiir Verstorbene.
vy Er symbolisiert in der Antike die Garten der Se-
ligen, bei den Christen das Paradies.
τ Immergriines steht fiir das ewige Leben, der
Weinstock fiir das Blut Christi und fiir die Kirche,
Palmen fiir den Triumph des Kreuzes. ~
yx Zypressen und andere spitz zulaufende Baume
(im islamischen Bosnien z.B. Pappeln) sind phalli-
sche Siegeszeichen der Zeugungskraft tiber den
Tod.
Das christliche Lebensbaumkreuz
In der Sarkophagkunst vom 4.Jh. an und spa-
ter in der Wandmalerei wird das Lebensbaum-
kreuz (von dem frische Triebe, oft Weinreben
ausgehen) als Bringer des Lebens gesehen im
Gegensatz zum todbringenden Paradiesbaum:
»Durch das Holz verlor Adam seine Heimat im Pa-
radies, Durch das Holz bekam der Schacher seine
Heimat im Paradies. Denn jener verletzte (den Ap-
fel schmeckend) das Gebot des Schépfers, der Mit-
gekreuzigte aber bekannte Gott, den verborgenen.
Gedenke auch unser, Erléser, in Deinem Kénig-
reich.« Liturgie von groBen Freitag
In byz. Darstellungen tauchen »Himmelslei-
terbaéume« in Verbindung mit himmlischen Er-
scheinungen auf: Anna, der Mutter Marias,
wird die Geburt des Kindes (> Marienzyklus)
Lebensbaumkreuz in der Yilanli Kilise Ihlara,
Kappadokien.
unter einem Lorbeerbaum verktindet. Bei der
Himmelfahrt Christi stehen die Apostel unter
Olbdumen. In einem neugriech. Volksmar-
chen aus der ParnaBgegend schlaft Alexander
der GroBe unter einem Baum am Meer ein
und erwacht vor der Insel der Seligen.
»... Und da, wo sich Christus hinstellte ... wuchs
ein goldener Baum, und da, wo er erschien, ein gol-
denes Zypref&chen, in der Mitte hatte es das Kreuz,
auf der Spitze das Evangelium und im Gezweig die
Engel, Erzengel, und unten an seinem Wiirzelchen
eine kristallene Quelle, da steigt das Rebhuhn hin-
ein, zu netzen seine FiiRe, um zu bespriihen (mit
geweihtem Wasser) unsern Hausherrn, der viele
Jahre leben soll.« Kalanta, Heischelied, zum Neuen
Jahr
Wird in der Jahresumbruchzeit das Oberste zu un-
terst gekehrt, damit aus dem Chaos die Ordnung
eines neuen Jahres wiedergeboren werden kann,
dann beschwort man den Baum aus der Kalanta als
Himmelsleiter. Die géttlichen Krifte sollen herab-
gelockt, die zerstérerischen (Kalikanzeri, -> Geburt
Christi) von der Erde vertrieben werden.
In Sinope am Pontus hat man am Heiligen Abend
einen groBen Olivenzweig (Olive ist der Baum der
217
Lebensspendende Quelle
Gottesmutter) mit Trockenobst und Apfelsinen ge-
schmiickt und ihn auf dem Weihnachtsbrot aufge-
pflanzt. In ganz Griechenland wird zwdlf Tage lang
vom Weihnachtsabend an im Herd ein dicker Block
aus wilden Birnen- oder Kirschbaumholz in Glut ge-
halten. Fiir Ephraim den Syrer (4.Jh.) ist Christus
selbst der Neujahrs-, Lebens- und Weltenbaum:
»Der erste Tag, der Ursprung und Anfang (Schép-
fungstag) gleicht einer Wurzel, die alles heraussprie-
Ben l4Bt. Viel riihmenswerter noch als er ist der
(Geburtstag) unseres Erlésers, der (baumgleich) in
den Erdkreis gepflanzt ist. Sein Tod namlich ist wie
die Wurzel im Erdreich und seine Auferstehung wie
das Haupt (die Krone), die in den Himmel (reicht).
Nach allen Himmelsrichtungen (erstrecken sich) sei-
ne Worte, gleichsam seine Zweige — und sein Leib
ist wie Frucht fiir die, die ihn essen.«
(-> Stern, — Zahl 6).
Der Lebensbaum ist das beliebteste Motiv der griech.
volkstiimlichen Stickerei.
Lebensspendende Quelle
H ZQOAOXOC TIHTH
I Zoodéchos pijf
Die Gottesmutter, dargestellt als Brunnen.
Aus ihr kam Christus -- Verkérperung des hei-
lenden Wassers (Weihwasser, Taufe).
Quellen mit heiligem Wasser
Ajiasma (das Geheiligte) hei&t das Bespren-
gen mit Weihwasser, wie auch das aus Quellen
vor oder in Kirchen stammende Wasser, be-
niitzt als Heilmittel gegen Krankheiten. Na-
men von Kirchen mit heiligem Wasser sind
»Brunnen der Allheiligen«, »Goldquelle«, »Le-
bensspendende Quelle«.
Darstellungen der Muttergottes als Quelle
Auf Tafelbildern ragt der Oberkérper der
Gottesmutter, Christus Immanouil haltend,
ins rote Maphorion gekleidet, aus einem vier-
teilig-kleeblattférmigen Taufbeckenkelch her-
vor. Der Kelchfu8 steht in einem kleeblattfér-
mig oder quadratisch ummauerten Wasserbek-
ken. Aus dem oberen Kelchteil flieBen vier
Wasserstrahlen aus vier Léwenkopfwasser-
speiern — die Stréme des Paradieses (> Le-
bensbaum; 1. Mose 2, 10-14) -- in das untere
Becken. Kénige, Bischéfe und Volk, Repra-
sentanten der Menschheit, drangen sich dar-
um, schépfen daraus, tauchen darin ein, Kran-
218
Einfaches Brunnenrelief im Kloster Zoodéchos Piji
bei Batsi, Andros.
ne iB fie ἷ Ἑ
ende Quelle.
I Zoodochos Piji— die lebensspend
Kirche der Panajia, Lindos, 1779
Leerer Thron
Leerer Thron, von dem aus die AusgieBung des Heiligen Geistes erfolgt. Osios Lu
ke werden geheilt. Das lebensspendende Was-
ser spielt auf Taufe, Weihwasser, Wasserwei-
he an, ist zugleich Metapher Christi selbst.
Das Motiv geht zuriick auf das Ajiasma des
von Leo I. (457-474) errichteten Heilbades
bei der Wlachernenkirche in Konstantinopel
(sparliche Reste in der Nahe des Golden Horn
am ndérdlichen Ende der Landmauer): Quell-
wasser rann aus den erhobenen Handen eines
marmornen Muttergottes-Bildes in ein Bek-
ken. Erstmals erscheint das Motiv auf spatbyz.
Wandmalereien in Mistra, verbreitet sich auf
Fresken und Tafelbildern in postbyz. Zeit,
nachdem das Heiligtum in Konstantinopel zu
verfallen begann (ab 1453). Auf spaten Ikonen
halten zwei Engel eine Krone tiber Maria. Zu
Bildzeichen verkiirzte Ritzungen oder Flach-
reliefs finden sich direkt tiber einigen Ajiasma-
Brunnen (Kloster Zoodéchos Piji bei Batsi,
Andros).
Wundertitige Ikonen der Gottesmutter sind
von dariiber gehingten Perlenschntiren und
anderen Weihgaben (Tamata) fast zugedeckt
ay EES Ἔσο
kas, nach 1000.
(lebensspendendes Wasser im Marchen; --Ὁ
Teufel).
. Leerer Thron
(bereitstehender Thron)
HETOIMACIA
Tetimasia
Herrschersitz, bereitgestellt fiir den am Ende
der Tage wiederkehrenden (= Parousie) und
die Weltherrschaft antretenden Christus: dar-
gestellt als > Altar oder > Bundeslade.
Der leere Stuhl als Reprasentation |
des Herrschers
Hochstehende Personen unterstrichen im al-
ten Orient wie im spdtrémischen Reich ihre
Stellung dadurch, da8 sie sich auf einen ihnen
vorbehaltenen Stuhl setzten. Je héher der
Rang, desto héher der Sitz. Ein Podest sorgte
dafiir, daB der Kopf des Sitzenden die vor ihm
Stehenden tiberragte. Die Thronsitze orienta-
lischer Herrscher wie spater auch rémischer
219
Liturgie/Gottesdienst
Kaiser konnten nur tiber einen ein- oder mehr-
stufigen FuRschemel erklommen werden. Im
AT ist der Thronsitz Jahwes der »hohe und
ethabene Stuhl« (Jes. 6, 1 sowie Hes. 1, 26;
Dan. 7, 9). Jesus nennt den Himmel Gottes
Stuhl und die Erde seiner FiiRe Schemel
(Matth. 5, 34u. 35). Die byz. Liturgie hebt den
»tiberhimmlischen Thron Gottes« hervor.
Der Sitz eines Regenten vertritt als bildhafte Be-
zeichnung das Herrschertum selbst — »der heilige
Stuhl«, Persiens »Pfauenthron«. Leere Throne wur-
den in Gerichtssalen fiir den rémischen Kaiser be-
reitgehalten, fiir einen Gott, der die Menschen be- .
sucht, hat es sie in Babylon (> Turmbau zu Babel),
in Altkreta, Kleinasien und Griechenland (Thron
Apollos in Amyklai) gegeben. Die -- Bundeslade
im Allerheiligsten des salomonischen Tempels war
der Sitz, auf dem Jahwe unsichtbar thronte.
»Auf daB das Ende unseres Lebens christlich
schmerzlos, ohne Schaden und friedlich sei, und wir
dereinst vor dem furchtbaren Richterstuhl Christi
eine gute Rechenschaft zu geben vermégen, la8t uns
den Herrn bitten.« Liturgie der Glaubigen
Der Etimasie-Stuhl wird teils als Thron, teils
als Bundeslade wiedergegeben, in jedem Fall
mit FuBschemel. Obenauf liegt in Vertretung
Christi — als Logos — das aufgeschlagene Evan-
gelium tiber einem antiminsionahnlichen Tuch
(— Altar; -> Eucharistie).
Bildliche Darstellungen der Etimasie
Ab der Jahrtausendwende kommt die Etimasie vor
1. als Zentrum des Endgerichtes, angeordnet unmit-
telbar unter dem zur zweiten Wiederkunft von En-
geln im Nimbus herbeigetragenen Christus. Darge-
stellt ist - verehrt von Adam und Eva — der Thron
(Athoskléster) oder die Bundeslade (Chorakirche,
Konstantinopel, 1315-1321) mit zwei Cherubim
(entsprechen den zwei Ehrenfachern auf dem Altar)
oder der Altar mit Kreuz, Leidenswerkzeugen und
Abendmahisbrot (entsprechen der bei der — Pros-
komidie verwendeten heiligen Lanze und dem
Schwamm). Der Abendmahlsaltar in der Apsis und
der leere Thron sind ein und dasselbe Symbol — die
Eucharistie nimmt die endgiiltige Wiederkehr Chri-
sti vorweg. Auf dem Altar kann die Taube des Hei-
ligen Geistes sitzen.
2. Allein fiir sich, als Bildkiirzel der endzeitlichen
Wiederkunft Christi und zugleich der Eucharistie.
3. Als Zentrum der AusgieBung des Heiligen Gei-
stes tiber die + Apostel zu — Pfingsten. Auf dem
Thron tiber dem Evangelium sitzt die Taube des
Heiligen Geistes, von der die Flammenzungen aus-
gehen.
220
In Bischofskirchen steht hinter dem Altar der »obe-
τες — namlich himmlische — Thron (i ἅπο kathedra).
Nimmt der Bischof wahrend des »kleinen Einzuges«
(— Liturgie) darauf Platz, stellt er symbolisch die
Einnahme des Thrones durch Christus dar.
Vorformen der Etimasie-Darstellung
Die fritheste bekannte Vorform des leeren
Thrones findet sich auf dem Triumphbogen in
Santa Maria Maggiore (Rom, um 537/540). Im
Baptisterium der Arianer in Ravenna (um
500) schreiten die die Taufszene umgebenden
Apostel auf einen Thron mit dem Gemmen-
kreuz zu. (In friihchristl. Zeit hat das Kreuz
oft Christus selbst reprasentiert. Daher ist der
Kreuzthron auch Bildktirzel des kaiserlich
thronenden Christus -- mit Gemmenkreuz zwi-
schen vier Evangelistensymbolen in Santa Pu-
denziana, Rom, vor 400.) Im Baptisterium der
Orthodoxen (Ravenna, Mitte 5.Jh.) umgibt
die apostelumwandelte Taufszene in der Kup-
pel ein Ring musivischer Scheinnischen (in Pa-
villons des Paradiesgartens) mit abwechselnd
vier Thronen, besetzt mit je einem kleinen
Kreuz und darunter dem eucharistischen Brot
in Form eines kleinen Fiinfkreis- + Kreuzes,
und vier Altéren mit aufgeschlagenem Evan-
gelium — Bild der durch Christus als Wort (vier
Evangelien) und als eucharistische Gabe be-
herrschten vier Enden der Welt (> Evangeli-
sten; > Kosmos; —> Zahl 4).
Liturgie /Gottesdienst
H ΘΕΙ͂Α AEITOYPIIA
I thia litourjia
Auf die — Eucharistie als Zentrum hin ausge-
richteter dreiteiliger Gottesdienst. Dramati-
sche Vergegenwartigung der Heilsereignisse
des Neuen Testaments und der kiinftigen Ver-
gottlichung der Welt. Die Teilnehmer werden
in die symbolisch dargestellten Heilsereignisse
als Mitwirkende und Miterlebende einbezogen
(Aufbau und Ablauf — Proskomidie, > Eu-
charistie).
Liturgie = Proskomidie +
Liturgie der Katechumenen +
Liturgie der Glaubigen
In Gemeindekirchen findet »der géttliche
Dienst« an allen Sonn- und Festtagen morgens
Liturgie/Gottesdienst
gegen 9 Uhr statt -- nur am Heiligabend, Epi-
phanias, dem »Roten Donnerstag« und dem
»Grofen Freitag« sowie der Feier der Oster-
nacht als —> eucharistische Abendgottesdien-
ste. In Kléstern wird nach Méglichkeit die Li-
turgie, neben anderen Stundenandachten, tag-
lich abgehalten. Die géttliche Liturgie, der die
meisten Weihehandlungen an- oder eingeglie-
dert wird, umfaBt:
# Die Proskomidie: Vorbereitung der Abend-
mahlselemente durch Priester und Diakon im
Nordteil des Allerheiligsten; bereits anwesen-
de Gemeindeglieder kénnen sie héren, nicht
sehen. ᾿
Voraus geht der Ritus des ~ Gewander-An-
legens, fiir alle sichtbar vor der Bilderwand.
te Die Liturgie der Katechumenen: Urspriing-
lich fiir Taufanwarter und BiBende, die mit
dem Worte belehrt, vor Beginn der Euchari-
stie die Kirche verlassen mu8ten. Im Mittel-
punkt das géttliche Wort: Der Einzug des
Priesters und Diakons mit dem Evangelien-
buch zum Altar symbolisiert das Erscheinen
des géttlichen Logos als Mensch auf der Erde,
auch den Beginn der dffentlichen Predigttatig-
keit Christi.
Heute verflieBen Liturgie der Katechumenen
und Liturgie der Glaubigen zu einem einheit-
lichen Bestandteil des Gottesdienstes (Ablauf
—> Eucharistie).
τς Die Liturgie der Glaubigen: Der groBe Ein-
zug — die Ubertragung der eucharistischen Ga-
ben vom Nordteil des Allerheiligsten tiber das
Schiff durch die Schéne Pforte zum Altar —
symbolisiert den Gang Christi zu seinem Lei-
den und Sterben (-» Einzug in Jerusalem). Die
Verteilung des Abendmahls versinnbildlicht
Christi Tod und Auferstehung (Ablauf — Eu-
charistie).
Die Liturgien nach Chrysostomos, Basilios
und Gregor
Die Liturgien bestehen aus festen Textblécken
und gema& den Anldssen des Kirchenjahres
wechselnden Lobpreisungen — Kontakia, Tro-
paria, Prokimena (— Kirchenjahr). Die ortho-
doxe Standard-Liturgie, benannt nach — Jo-
hannes Chrysostomos, entstand in Konstanti-
nopel. Zehnmal im Jahr -- Weihnacht, Basi-
liustag/Neujahr, Epiphanias, den Sonntagen
der Fastenzeit (auRer Palmsonntag), am »Ro-
ten Donnerstag« und am »Grofen Freitag«
(Karfreitag) — wird statt dessen die von — Ba-
silios dem Groen verfaBte Klosterliturgie
Kappadokiens gefeiert.
Die Liturgie der vorgeweihten Gaben — ver-
mutlich von Papst Gregor wahrend seines
mehrjahrigen Aufenthaltes als papstlicher Le-
gat in Konstantinopel verfaBt — wird mittwochs
und freitags in der groBen Fastenzeit (> Pas-
sionszyklus) und am Montag bis Mittwoch der
Karwoche gefeiert: Wort-Gottesdienst und
- Abendmahl mit am vorausgegangenen Sonn-
tag vorgeweihten Gaben. Der Trauercharak-
ter dieser Tage 148t keine Weihung der
Abendmahiselemente zu. Die auf den Apostel
Jakobus zuriickgefiihrte Jakobusliturgie wird
lediglich in Jerusalem, am Tag des Apostels
und am Sonntag nach Weihnachten begangen.
In der Liturgie flieBen Text, kultisches Handeln, der
Kirchenraum und sein Bildprogramm, die Ikonen
und der Gesang zu einem alle Sinne ansprechenden
kultischen Gesamtkunstwerk zusammen.
Die Ablehnung aller Musikinstrumente fiir den got-
tesdienstlichen Gebrauch hat zu einem hohen Ni-
veau des Chorgesanges beigetragen. Der polyphone
Gesang der Russen hat von der italienischen Oper
starke Impulse erhalten. Komplexer und musika-
lisch anspruchsvoller ist der einstimmige byz. Ge-
sang. Seine komplizierten Tonarten sorgen fiir eine
ungewohnliche Tonalitat.
Der Charakter der orthodoxen Liturgie
— i
Klosterkirche von Dochiariou, Athos.
221
Liturgie/Gottesdienst
Die Liturgie ist
1. eucharistisch-sakramental
Die géttliche Liturgie, auch die Stundenan-
dachten kreisen um das Zentrum der Abend-
mahlsfeier.
2. abbildend und vergegenwartigend
Die Riten stellen Héhen und Schwerpunkte
der heilsgeschichtlichen Ereignisse symbolisch
dar. Das Erscheinen Christi in der Welt, sein
Leiden und Auferstehen werden auf geheim-
nisvolle Weise in der Gegenwart erneut voll-
bracht.
3. dramatisch
Liturgie bedeutet heiliges Spiel der Heilsge-
schichte, in dem Christus der eigentlich Han-
delnde ist. Er verkérpert sich als Opfer, als das
Lamm (in den Opfergaben) und gleichzeitig
als der Hohepriester, der das Opfer darbringt
(im Priester). Dieser fiihlt sich lediglich als das
Werkzeug fiir das Handeln Gottes. Die Glau-
bigen selbst verwandeln sich je nach AnlaB in
die Apostel (> Himmelfahrt), in die trauern-
den Frauen am Grabe (— Kreuzigung, —> Pas-
sionszyklus), in den Chor der Engel, Erzengel
und Cherubim.
4, dogmenhaltig
Die orthodoxe Lehre wird weniger durch Re-
den als durch anschauliches rituelles Tun in-
nerhalb der Liturgie verbreitet:
τς die Trinitdtslehre: Gott ist in sich ein Wesen und
4uBerst sich dennoch in dreien, als Vater, Sohn und
Heiliger Geist. Die wesentlichen Gesinge werden
dreimal gesungen, der Altar dreimal umrundet, das
Segenszeichen dreimal geschlagen.
ve die Zwei-Naturen-Lehre: Christus ist gleichzei-
_tig wahrer Gott und wahrer Mensch. Die Poesie der
liturgischen Gesénge lebt von dieser Paradoxie:
»Der Du das Erdenrund festhaltst und festgehalten
wirst vom Grab, la& Dich herbei, das Menschliche
loszulésen von seinem Sturz in den Hades und uns
in Unsterblichkeit zu verlebendigen, als unsterbli-
cher Gott.«
5. mystisch-geheimnisvoll
Der Papas bringt das Opfer dar — zugleich am
Altar der sichtbaren Kirche und am »iiber-
himmlischen, unsichtbaren Altar« Gottes (>
Altar; —> Jesaias; -> Eucharistie).
6. allvereinigend
Die Eucharistie nimmt die Verschmelzung des
Glaubigen mit Gott und der gesamten vergétt-
lichten Welt vorweg. Gort wurde Mensch, da-
mit der Mensch Gott werde.
222
7. kosmisch
Die liturgischen Gebete umschlieBen die ge-
samte Welt, alle Lebenden und Toten, das
Sichtbare und Unsichtbare (—> Deisis; > Pros-
komidie; —» Kosmos; —» Brot; - Taufe
Christi).
8. volkstiimlich
Die kirchliche Liturgie und das volkstiimliche
Festtreiben mit Brotverteilung, Gastmahlern,
Tanz und Gesang verzahnen sich in Griechen-
land derart, da8 die Nahtstellen kaum auszu-
machen sind.
Volkstiimliches Brauchtum hat die Liturgie berei-
chert, liturgische Bedeutungen haben volksttimli-
ches Brauchtum tiberlagert. Unter der Glasglocke
der 400 Jahre langen tiirkischen Fremdherrschaft
haben sich kirchlicher Kult und bauerlich-symboli-
sches Brauchtum gegenseitig gestiitzt und durch-
drungen.
9. schichteniibergreifend
Die Teilnahme an der Liturgie, die zur Identi-
fizierung mit den heiligen Gestalten und zum
Miterleben der Ereignisse auffordert, macht
Freude. Die mit dem Festtagskalender wech-
selnde Dramatik ergibt eine Spannung, die
den Bauer oder Fischer ebenso fasziniert wie
den Intellektuellen. Die reichhaltige Symbolik
kann jeder fiir sich, entsprechend seinen Fa-
higkeiten, erschlieBen.
Ubersicht: Wichtige liturgische Begriffe
Doxologie Lobpreis Gottes, vom Priester
gesungen, beginnt mit dem Wort
Doxa = »Ehre«...
Bittgebet (Litanei). Der Diakon
fordert zum Gebet fiir die Lebendi-
gen, die Toten, die Regierung, die
Priesterschaft, fiir den Frieden usw.
auf. Der Chor antwortet mit »Kyrie
eleison« (Herr erbarme Dich).
Zum Abschlu8 spricht der Diakon
eine Lobpreisung, in die die Got-
tesmutter, als Personifikation der
Fiirbitte (— Deisis), eingeschlossen
wird
Ektenie
Antiphonon Psalmodie, vom Chor gesungen.
Es sind Bibeltexte: Psalmen oder
Prophetenworte aus dem AT, Selig-
preisungen aus der Bergpredigt des
NT (Makarismen)
Léwe
| (Fortsetzung) Ubersicht:
Wichtige liturgische Begriffe
Gebet, das der Priester leise wah-
rend des Antiphonongesanges am
Altar vollzieht. Endet oft mit ei-
nem laut vom Priester gesungenen,
allgemein gehaltenen Lobpreis
(doxa patri)
Stillgebet
Psalmahnliche Lobpreisdichtung
(Ode) aus friihbyz. Zeit
Dichtungen, vom Chor gesungen,
beziehen sich auf das Festereignis
des Tages bzw. den Heiligen des
Tages, stellen das liturgische
Gegenstiick dar zu den Ikonen des
Tages, aufgelegt rechts hinter dem
Eingang im Kirchenschiff auf ei-
nem Pult (an bestimmten Festtagen
vor der Bilderwand).
Der Chor tibernimmt, wie der des
antiken Dramas, die Rolle von Be-
obachtern der Ereignisse, spricht
die Empfindungen von Teilneh-
mern aus — der Jiinger, der Myr-
rhentrégerinnen, Christi selbst, der
Gottesmutter. Die Kontakien fas-
sen das Gedenkereignis des Tages
kurz zusammen
Hymnos
Kontakion,
Troparion
Prokimenon Psalmvers des Tages vor der Epi-
stellesung. Wechselgesang zwi-
schen Lektor und Chor
»Dreimalheilig« (Sanktus): Lob-
gesang des Chores, begleitet von
einem Stillgebet des Priesters,
gesungen unmittelbar nach dem
kleinen Einzug:
»Heiliger Gott, heiliger starker,
heiliger unsterblicher, erbarme
Dich unser ...«
Trisajion
Cherubim-
hymnus
Lobgesang des Chores — gemein-
sam mit dem Chor der Cherubim
um Gottes Thron — wahrend des
»groBen Einzugs« (Cherubim-
einzug)
Wichtigster eucharistischer Litur-
gieteil zwischen Glaubensbekennt-
nis und Austeilung des Abendmah-
les, umfaBt
- Danksagung
- Anamnese (vergegenwartigendes
Erinnern) des historischen
Abendmahls, in dessen Verlauf
Anaphora
(Fortsetzung) Ubersicht:
Wichtige liturgische Begriffe
die Einsetzungsworte gesprochen
wurden (»Nehmet hin und esset
..., nehmet hin und trinket ...«).
Bedeutet die Darbringung des
Opfers (Christus als das Lamm)
an Gott
~ Epiklese, Bitte um den Heiligen
Geist, der als Gegengabe fiir die
Darbringung des Opfers Brot
und Wein in Leib und Blut Chri-
sti wandeln mége
Lowe
C AEQN
O léon
»Wie ein Léwe, Retter, entschlaéfst Du nach dem
Fleische, wie das L6wenjunge erhebt sich der Tote,
ablegend des Fleisches Alterung.« Aus der Oster-
liturgie
Der Physiologos (2.Jh.) erwahnt unter Beru-
fung auf 1. Mose 49, 9, daB die L6win ihr Jun-
ges tot gebiert und drei Tage bewacht, bis der
Léwenvater kommt, es anblast und so zum Le-
ben erweckt. Auf Wandmalereien und Reliefs
vertritt der hauchende Léwe Gott, der den
Jungléwen Christus auferweckt. Schon im NT
ist der Léwe einerseits Symbol Christi -- »Es
siegte der Lowe aus Juda« Offbg. Joh. 5, 5 -,
aber auch des Satans (2. Tir. 4, 17, 1. Petr.
5, δ).
Venezianischer Léwe aus Nawplion. Die zahlreichen
Léwen an der Burgmauer der Stadt und der Feste
Palamidi forderten die dort unter Kénig Otto 1833
gelandeten Bayern dazu heraus, einen bayerischen
Léwen aus einem Felsen der Vorstadt Pronia heraus-
zumeifeln.
223
Lukas, der Evangelist
»Die Zeit mangelte mir, um zu erzahlen iiber Gi-
deon und Barak und Simson und Jephtat und David
und Samuel und den Propheten, die mittels Gott-
vertrauen Kénigtiimer iiberwunden ..., die Rachen
der Lowen verstopft haben.« Hebr. 11, 32-33
Die Léwenkémpfer des AT sind im NT Typus
Christi, der den Satansl6wen erlegt — darge-
stellt wird meist Simson. — Daniel in der Lé-
wengrube kntipft an die altorientalischen Vor-
stellungen vom K6nig als Herrscher iiber die
wilden Tiere an. Salomons Thron der Weisheit
war von zwei Lowen flankiert; byz. Throndar-
stellungen greifen das auf, vermehren die An-
zahl der Léwen auf zwoélf — die zw6lf Stémme
Israels vertretend (Christus auf Lowen und
Drachen tretend; — Drache).
Sonstige Léwendarstellungen: Der Eremit Je-
rasimos (lateinisch Hieronymus) entfernt ei-
nen Stachel aus der Pfote eines Lowen (Niko-
laos Orphanos, Thessaloniki, Anfang 14. Jh.).
Bei der Bestattung der heiligen Maria Agyp-
tika in der Wiiste hilft ein Lowe. Der Fitigel-
léwe ist Zeichen des > Evangelisten Markus
und Stadtwappen Venedigs. Das Léwenrelief
an einer Felswand in einer Vorstadt von Nau-
plion stammt von den Bayern — Erinnerung an
die Landung Ottos, Sohn Ludwig I. von Bay-
ern, des ersten Kénigs der Hellenen nach den
Freiheitskriegen (1834).
Lukas, der Evangelist
— Apostel, - Evangelisten, —> Bild,» NT
Martyrer und Martyrium
OI MAPTYPEC KAI TA ΜΑΡΤΎΡΙΑ ΤΩΝ
I martires ke ta martiria ton
Verfolgte und Blutzeugen um ihres Glaubens
willen. Wurden nach Abschlu der Verfol-
gungszeit — nach 311 — zu Vorbildern der Ere-
miten und Asketen.
Bekenner und Martyrer als Nachvoliziehende
des Leidens Christi
Der GroB8teil der ostkirchlichen — Heiligen
sind Bekenner (verfolgt, aber nicht umge-
bracht) und Blutzeugen — Opfer
xv der rémisch-kaiserzeitlichen Christenver-
folgungen ~ mit Unterbrechungen bis 311/312.
224
+ von im NT erwahnten Bluttaten, z.B. >
Johannes der Taufer, sein Vater Zacharias
(5.September; — Marienzyklus).
ye von Verfolgungen durch auslandische
nicht-christl. Potentaten.
ye von Auseinandersetzungen mit abweichen-
den christl. Strémungen, vor allem mit den
Bilderstiirmern (der Bekenner Theophanes
dokumentierte in einer Weltchronik die erste
Phase des Bilderstreites).
Das Martyrertum, als Nachvollzug des Kreu-
zestodes Christi verstanden, hat Kult und
Kunst der Kirche, in deren Zentrum ohnehin
schon der leidende und sterbende Gottmensch
steht, entscheidend gepragt.
Mairtyrer, ein Kreuz in der Hand.
Chorakirche, Konstantinopel, 1315-1321.
Bedeutung des Martyrerkultes nach dem Ende
der kaiserzeitlichen Verfolgungen
Wiahrend der Verfolgungszeit standen die
Christen und die Welt in einem klaren Gegen-
satz zueinander. Die Herrscher waren Statt-
halter des Satans. Unter > Konstantin wurden
die bislang verfolgten Christen immer mehr in
die Welt integriert. Es galt, neue Wege zu
suchen, ihr zu entfliehen — notfalls bis in die
Wiiste. Das versuchten zunachst in Agypten
die Begriinder des Anachoretentums -- (erster
Einsiedler war Antonios, vermutlich noch vor
300) -- und des Ménchtums (Pachomios, ca.
312). Zur gleichen Zeit begann man, unter-
stiitzt von staatlicher Seite, die heilige Zeit des
Mandylion/Heiliger Ziegel
- Kirchenjahres und den heiligen Raum der
Kirche (.-» Kirchengebaude) mit dem Blut der
Martyrer zu verbinden.
ἧς Zeit: Jeder Tag des Jahres ist dem Gedenken
eines oder mehrerer Martyrer, Bekenner, Eremiten
gewidmet.
ve Raum: Die nach 300 aufkommenden oberirdi-
schen Martyrergriber, Martyrien (Gedenkkapellen
ohne Grab) und Baptisterien (Taufe als Durchgang
durch den Tod —> Taufe Christi) bildeten mit ihrem
turmartig aufragenden Mittelraum und den vier
Kreuzarmen die Kreuzform, aus der sich die byz.
Kreuzkuppelkirche (aber auch die Form der mittel-
τς alterlichen abendlandischen Kirchen) herausentwik-
' kelte. Jeder orthodoxe oder katholische — Altar ist
symbolisch auch als Grab zu verstehen.
Martyrerbilder ziehen in die Kirchen ab An-
fang 6.Jh. ein — als Medaillons (Ravenna, Erz-
bischéfliche Kapelle, ca. 560), als Prozessio-
nen heiliger Frauen und Manner (Ravenna,
Sant’ Apollinare Nuovo, Mitte 6. Jh.).
In mittelbyz. Zeit iibersden Martyrerdarstel-
lungen Gewélbegurtbogen und Pfeiler, in
spatbyz. die tiefergelegenen Wandteile des
Naos und der Vorhallen. Martyrer (> Hei-
lige) halten ein Kreuz in Handen. Sie sind
kenntlich an Namensbeischriften (=~ ABC).
Leidensszenen finden sich, symbolisch ver-
fremdet, in friihchristl. Zeit (Laurentios, dem
Feuerrof zuschreitend, Galla Placidia, Raven-
na, ca. 422). In nachbyz. Zeit fiillen drastische
Marterszenen — abgehauene nimbierte K6épfe
rollen durchs Bild — die Vorhallen der Kirchen
(Meteora, Athos, serbische, bulgarische und
rumanische Kléster). ;
Im Westen, der Nachtseite des kosmographischen
Modelles (~ Kirchengebaude) breiten sich die
Schattenseiten aus -- Grausamkeiten an Martyrern,
auch die Qualen der Verdammten (—> Endgericht).
In der Haufung grausiger Bilder spiegelt sich die
Situation der orthodoxen Christen — Verfolgung und
Unterdriickung durch lateinische und muslimische
Eroberer.
Mandylion / Heiliger Ziegel
TO MANAYAION KAI TO KEPAMEION
To mandylion ke to keramién
Tuch und Ziegelstein mit dem Abbild Christi, |
Urtyp der nicht mit Handen gemachten Iko-
nen (-9 Ikonenwunder).
Das nicht mit Handen gemachte Bild Christi
des armenischen Kénigs Abgar von Edessa
Das Mandylion, ein groBes Taschentuch mit
dem Gesichtsabdruck Christi, hat Christus der
Uberlieferung zufolge mit einem Antwort-
schreiben an den armenischen K6énig Abgar
von Edessa gesandt (~ Gewander, --ὁ Chri-
stus). Es hat wahrend einer Belagerung Edes-
sas durch die Perser seine Echtheit und Wun-
derwirksamkeit durch Ubertragung des Chri-
stuskopfabdruckes auf einen Ziegel (kera-
mi6én) erwiesen. 944 wurden Brief, Mandylion
und Keramion nach Konstantinopel tiberftihrt,
1204 haben es die Lateiner geraubt. Aufbe-
wahrt in der Sainte Chapelle in Paris, ist es
wihrend der Franzésischen Revolution ver-
schollen.
SchweiBtuch der Veronika
Im Westen hat das Abgartuch (Christuskopf
ohne Dornenkrone) die Veronika-Legende
des 11.Jh.s angeregt: Veronika hat ihr Tuch
dem kreuztragenden Christus auf der Via do-
lorosa gereicht. Darin hatte sich sein Antlitz
mit der Dornenkrone abgebildet. Ihr Name ist
eine Personifizierung von »Vera Ikon« (wah-
res Bild).
Keramién, Fresko in einer Kirche in Kastoria.
Als Wandmalerei kommt das Mandylion seit
dem 11.-12.Jh. vor, ab spatbyz. Zeit wird es,
wie das Keramion, im untersten Rand des
Kuppeltambours oder im Schildbogen tiber
der Hauptapsis dargestellt.
Se aoe ERE
Mandylion. Ajios Nikolaos Orphanos, Thessaloniki,
Anfang 14. Sh.
225
Maria, die Allheilige
Das eucharistische Velum — Ursprung des
Mandylion Wandbildes
In Kappadokien (Shakli Kilise, Géreme,
11.Jh.; Barbara Kilise, So’anli, Anfang
11. Jh.) finden sich stark zerstérte Darstellun-
gen tiber Prothesisnischen: Gemaltes Tuch mit
Christuskopf zwischen vier Broten oder Wein-
gefaBen. Christus selbst ist also als das Lamm,
das fiinfte eucharistische - Brot wiedergege-
ben. Diese Darstellung des eucharistischen
Velum (Unterlagetuch fiir die Gaben auf dem
Antiminsion des --Ὁ Altars); bzw. die Interpre-
tation des Abgartuches als Velum ist eine Ant-
wort auf die These der Bilderfeinde, das eu-
charistische Brot sei das einzige legitime Bild
Christi.
Maria, die Allheilige
HTIANATIA
I Panajia
Mutter Christi, hat in der orthodoxen Kirche
vielfaltige, auch eucharistische, symbolische
Bedeutung. Am haufigsten auf Ikonen darge-
stellte heilige Gestalt. Bilderwande enthalten
neben der Ikone Christi und Johannes des
Taufers eine Ikone der »Hausherrin« — links
neben der schénen Pforte, auf der Frauenseite
der Kirche. Marien- und Christusikonen wer-
den vor der Einkleidung zum Gottesdienst
(— Proskomidie) vom Priester begriiBt.
Muttergottes als Behaltnis der
eucharistischen Gaben
Gegentiber dem mannlichen Gott wird die
Menschheit vertreten durch eine Frau, die vor-
bildhaft als Erste Zutritt zu der den Glaubigen
verheiBenen Welt hat (-5 Heimholung Ma-
riae). Christus hat seinen menschlichen Leib
aus ihr geformt. Weil dieser Leib gleichzeitig
der als Brot und Wein genossene eucharisti-
sche Leib ist und Maria ihn in sich getragen hat
(Platytera), gilt sie als Miturheberin der Eu-
charistie — bildlich als Léffel (> Altar), der
das in Wein getauchte Brot in sich birgt (>
Bundeslade). Ihr allein ist die zweite der fiinf
Abendmahlsprosphoren (> Brot, —-> Prosko-
midie) geweiht. ;
In der spatbyz., an eucharistischen Riten be-
sonders interessierten Epoche schlagt das
Dunkelblau ihres Maphorions um in das Pur-
226
pur bzw. Rot des eucharistischen Blutes.
Gleichzeitig beginnt man in der Apsisw6lbung
direkt unter dem Bilde der Mutter Gottes die
Aposteleucharistie darzustellen.
Die drei Sterne auf ihrem Mantelkopftuch (--Ὁ Zahl
3) sind m.E. aus dem eucharistischen Fiinf-Punkte-
Kreuz (> Kreuz) hervorgegangen — sie weisen dar-
auf hin, daB die Mutter, die den Gott gebar, Jung-
frau geblieben ist
ve vor der Geburt
vr wahrend der Geburt
¥ und nach der Geburt.
Jungfrau, Mutter und Braut
Die Mutter ist zugleich Braut, Christi, als die
ihm angelobte Personifikation seiner Kirche.
Maria umfa8t alle Méglichkeiten des Weib-
lichen, das in ihr verklart wird (> Maria zwi-
schen Engeln). Bildprogramm und Architek-
tur der Kreuzkuppelkirche stellen in der Ma-
rienapsis und in der Christuskuppel gleichzei-
tig Gegensatz und Vereinigung des mdann-
lichen und des weiblichen Prinzips dar, voraus-
weisend auf die endzeitliche mystische Ver-
einigung Christi und seiner Braut, der Kirche.
Die Entstehung der Marienverehrung 72.100
im Osten
Die Marienverehrung hat sich von Syrien aus
westwarts verbreitet, was ihre Kleidung, das
syrische Mantelkopftuch, das Maphorion, ver-
rat. Von der friihen Kirche wurde die Abwer-
tung Marias zur bloBen Menschenmutter be-
Benennung »Theotokos« (Gottesgebédrerin)
iiber Arius, der ihr nur den Namen Christusge-
barerin zubilligen wollte. Doch galt es auch,
Bestrebungen abzuwehren, aus Maria eine
Gé6ttin zu machen: Orientalisch-christl. Stré-
mungen bekannten sich zu einer Dreieinigkeit
von Vater, Sohn und Mutter Maria. So abwegig
ist die Gleichsetzung Maria — Heiliger Geist
nicht: Im Hebraischen und Aramaischen (der
Sprache Jesu) ist »ruach« (= Geist) weiblich.
Im Koran klingt die Einschaétzung Marias als
dritte géttliche Person nach:
»Und sie (Maria), die ihren Scho8 keusch hielt, und
in die wir bliesen von unserem Geiste, und die wir
nebst ihrem Sohne zu einem Zeichen machten fiir
die Welt.« 21. Sure, Vers 91 (auch 23. Sure, Vers 52)
Maria, die Allheilige
Auch die Darstellung Marias als »Thron der
Weisheit« (5. 228) erinnert an die gnostisch-
christ]. Tradition: Nach Paulus wird die Weis-
heit Gott durch den Geist offenbar (1. Kor. 2,
6-10).
Wechselwirkung zwischen Theotokien
(Marienhymnen) und Ikonen
Abgesehen von Darstellungen in Szenen des
— Marienzyklus entstanden in Byzanz und in
RuBland einige hundert ec Casa al-
gegriffen, auch auf die bildliche Darstellung
zurtickgewirkt.
In Kirchenraéumen findet sich die Panajia
ye in der Wélbung der Hauptapsis, der zweitwich-
tigsten Stelle der Kirchenarchitektur (nur die Bild-
typen Wlacherniotissa bis Periwleptos) meist zwi-
schen zwei Engeln (— Maria zwischen Engeln),
xr im Portaltympanon,
vy in Nebenapsiden und Konchen,
% in (spaitbyz. Nebenkuppeln, umgeben von
Engeln oder Vorvatern.
Alle wichtigen Marienwandbilder haben ihren
Beinamen abgeleitet von einer Besonderheit
der Ikone selbst (Tricherousa = Dreihdndige,
-» Jkonenwunder), vom Aufenthaltsort der
Ikone (Panajia skiadeni in Moni Skiadi, Rho-
dos), von einem mit dem Bild zusammen-
hangenden Wunder oder sonstigem Ereignis
(— Ikonenwunder), von einer Vorbildikone in
einer anderen Kirche (Wandbild Panajia Skia-
diotissa, Allheilige von Skiadi, in Ajios Jiorgios
o wardas, Apolakkia, Rhodos).
Haupttypen von Marienikonen
Mariendarstellungen in bedeutenden Kirchen,
besonders denen von Konstantinopel und dem
Heiligen Land, waren die Vorbilder fiir die be-
deutendsten Ikonentypen. Die Namenszuwei-
sungen folgen den griechisch-orthodoxen Be-
nennungen. Bezeichnungen in der kunstge-
schichtlichen und theologischen Literatur des
Westens weichen davon mitunter ab.
‘1. Panajia Wlacherniotissa (Allheilige aus der
Apsis der Wlachernenkirche in Konstantino-
pel): Frontal stehend, ohne Kind, mit zum Ge-
bet erhobenen Handen (> Oranten) vor ein-
farbigem Grund. Schon die Orantin der Holz-
Ubersicht: Beinamen der Gottesmutter
Ἴ
Die aufgefiihrten Namen kommen als Bestand-
teile von Figurenbeischriften, von Kirchen- oder
Klosternamen vor. In Hymnen wird dariiber hin-
aus eine Vielzahl spezieller Anredeformen ge-
braucht -- Ζ. Β. Nimphi animphewti, »ungefreite
Braut«, oder Apirdgamos, »der Ehe Unerfahrene«
Panajia
Theotékos
Ajiparthénos
Eleotisa
Odijitria
Gorgoypékoos
Periwleptos
Kyria ton angélon
Pantanassa
Panachréntos
ο Ypsildtera ton
ouranon
Platytéra ton
ourandn
Zoodéchos piji
Glykophilotsa
Galaktotrophotisa
Phowera Prostasia
Amartélon Sotiria
Paramythia ton
Thliwoménon
Panton Chara
Portaitissa
Tricherotisa
Pammakéaristos
Ebi ton Piston
᾿ Lebensspendende Quelle
Allerheilige
Gottesgebarerin
Immerjungfrau
Barmherzige
Weggeleiterin
Schnellerhérende
Bewunderte
Herrin der Engel
Allherrschende
Allunbefleckte
Hohere als die Himmel
Umfassendere als die
Himmel
Zartlich Kiissende
Mit Milch Nahrende
Beschiitzende, die Furcht
erzeugt
Rettung der Stinder
Trost der Betriibten
Freude aller
Pfértnerin
Dreihandige
Allselige
Hoffnung der Verauendea
(Glaubigen)
Gestalt des AT
Jakob
Moses
Aaron
— Gideon
— David
— Salomon
— Jesaias
—> Jeremias
— Hesekiel
— Daniel
Habakuk
Zacharias
Typologische Hinweise auf die Gottesmutter
in Zitaten von Vorvatern und Propheten
Typos fiir die Gottesmutter
— Himmelsleiter
—> brennender Dornbusch
blithender Stab
(Marienzyklus)
nasses Fell
—> Bundeslade
Lager des K6nigs
Zange fiir Feuerkohle’
(= eucharistischer L6ffel)
Jungfrau
Tor Gottes
geistiger Berg, von dem ein
Stein gerissen wird
dicht bewachsener schattiger
Berg |
siebenflammiger Leuchter
227
Maria, die Allheilige
τὰν in Santa Sabina (Rom, ca. 432) bedeutet,
im Gegensatz zu den noch unbestimmten Or-
antinnen der friiheren Sepulkralkunst, die
Gottesmutter. In spateren Bildern der > Him-
melfahrt Christi erscheint Maria im Oranten-
gestus. In der Wlachernenkirche (Bau um 450,
Entstehungszeit des Apsisbildes unbekannt)
ist aus der Orantin endgiiltig die fiirbittende
Gottesmutter, Vorlaéuferin der Maria der >
Deisis, geworden. Die Muttergottes als Fiirbit-
tende herauszustellen, hatte im 5.Jh. auch den
Sinn, Bestrebungen abzuwehren, sie anzube-
ten oder, wie die Sekte der Philmarioniten, als
Géttin zu verehren. Das Wlacherniotissa-Mo-
tiv wurde tibernommen als Relief (Nord-Fas-
sade San Marco, Venedig), in Goldemaille
(zwei Bucheinbande im Schatz San Marco, Be-
resford-Hope-Kreuz, vor 1000, im Victoria(
und Albert Museum, London), in Apsiden
(Murano bei Venedig, 14.Jh.; Periblewtos-
Kirche, Ochrid, 1295, Peckaja Patriarchia Peé,
Mitte 13.Jh.). Ab 1000 wird die Orantengeste
mehr und mehr zuriickgenommen: die erhobe-
nen Arme sinken — bis die Handflachen nach
vorne offen vor der Brust stehen.
Irene. Empore der Ajia Sophia, um 1120.
2. Panajia Nikopiia (die Siegbringende): steht
frontal, fast axialsymmetrisch mit dem Kind
vor der Brust vor einfarbigem Grund. Die
Hande fassen den Christus Emmanouil ganz
vorsichtig. Er halt -- auf allen Marienikonen-
typen — als der Logos (das mitteilende Wort
Gottes) in seiner Rechten die Schriftrolle. Die
‘Nikopiia geht auf das Apsismotiv in der Ma-
rienkirche zu Bethlehem zuriick. Benannt ist
sie jedoch nach einer im Kaiserpalast Konstan-
tinopels aufbewahrten und auf Feldztigen mit-
gefiihrten Ikone (— Ikonenwunder, Akathi-
228
stos Hymnos). Nach der Vertreibung der Per-
ser und Awaren vor den Mauern Konstanti-
nopels,626, wird die Marienkrone zum Garan-
ten und Zeichen des Sieges (wie zuvor das
konstantinische Lawaron). Deshalb erscheint
auf der Kaiserempore der Ajia Sophia die Ni-
kopiia zwischen Johannes II. Komnenos und
Irene, deshalb gibt der Patriarch Germanos
von Patras 1821 das Signal zum Freiheitskampf
mit einer Marienstandarte (~ Kaiser, -Heim-
holung Maria). Darstellungen auf Elfenbein-
tafeln des 10. und 11.Jh.s zusammen mit flan-
kierenden Engeln und in Apsiden (San Marco,
Venedig, 12.Jh., Ajios Dimitrios, Mistra,
13.Jh.: die tiberlange Maria auf einem Erd-
kreissegment durchwachst Unterwelt, Welt
_. und Sternenhimmel.)
3). Panajia Kadthedra tis ajias Sophias (Thron
der heiligen Weisheit): Frontal sitzt die Gottes-
mutter mit dem Emmanuelknaben auf dem
Scho auf einem mit dem kaiserlichen Oval-
kissen bedeckten Thron. Dessen Perl- und Ju-
welenornamentik erinnert an die Verzierun-
gen der Kaiserdiademe. Maria selbst verkér-
pert den Thron der heiligen Weisheit (>So-
phia), der Thron »Salomos« (AT) ist ein Ty-
pos von ihr. Nach I. Kén. 10, 18-20 hat er eine
runde Lehne, ist von zwei L6wen flankiert und
steht auf sechs Stufen (Santa Sabina, Rom, ca.
432: Anbetungsszene mit Maria tiber sechsstu-
figem Podest). Nach Konstantin Porphyroge-
netos (6.¥8.) stand im Kaiserpalast von Kon-
stantinopel ein Thron Salomos (Vorbild des
Kaiserstuhls im Dom zu Aachen). Die kirch-
lichen und gottesdienstlichen Einrichtungen,
von denen der Kaiser seine Legitimation be-
zog, hatten ihre weltliche Entsprechung im
Kaiserkult: Christus thronte auf seiner Mutter
als dem Weisheitsthron und der Kaiser als
weltlicher Reprasentant Christi regierte von
Salomons Thron aus. Die Panajia Kathedra in
der Apsis der Ajia Sophia entstand wohl vor
dem Bilderstreit, wurde dann durch ein Kreuz
ersetzt und 867 wieder erneuert. Als Vorberei-
tung auf die Apsis thront im Tympanon iiber ἢ
der Innenpforte des Haupteinganges (Stid-
west) die Allheilige zwischen Konstantin und
Justinian. (Weitere Apsisdarstellungen: Ajia
Sophia, Thessaloniki, 11. Jh., Osios Lukas, ca.
1000). Der Bildtyp, bereits im 7.Jh. auf Zy-
pern verbreitet (~Maria zwischen Engeln),
Maria, die Allheilige
Die Allheilige des Thrones der heiligen Weisheit
in der Kirche zur heiligen Weisheit.
Konstantinopel, 867.
heiBt in RuBland »Muttergottes von Zypern«.
Fritheste Darstellung der zwischen den Engeln
Thronenden auf einer Goldmiinze (Ende
6. Jh., jetzt in Washington).
(WeiBes Tuch — Mariengiirtel)
4. Panajia Platytera (die Allheilige Umfang-
reichere, éntsprechend der liturgischen Ma-
rienhymne »Umfangreicher als der Himmel ist
Dein SchoB«):
»Und wahrend er (Christus) wohnt im SchoB®e sei-
ner Mutter, wohnten in seinem Schofe alle Ge-
schépfe ...
Wahrend der 30 Jahre, die er weilte auf Erden, wer
nur lenkte da all die Gesch6pfe?
Platytera. Fresko in der Apsiswélbung einer Kirche
in Kastoria, postbyzantinisch.
Seine Macht hat jene (Maria) umfangen, die ihn
umfing.
Denn z6ge sich zuriick seine Macht, so sttirzte das
Allin sich zusammen ...
Denn wahrend er am Kreuze hing, erweckte er Tote
zum Leben.
Hat das sein Kérper getan oder sein unsichtbarer
Wille?
So auch hat, wahrend er ganz und gar (kérperhaft)
wohnte im Leib seiner Mutter, sein unsichtbarer
(kérperloser) Wille das All versorgt.«
Zugeschrieben —> Ephrédm dem Syrer.
Vor der Brust der als Orantin ganz- oder halb-
figurig stehenden, seltener sitzenden, Allheili-
gen eine Nimbusscheibe (Clipeus = Schild)
mit der Halbfigur des ebenfalls frontal wieder-
gegebenen Emmanuelknaben. Maria ist haufig
von einem weiteren gro8en Nimbus umschrie-
ben. Der nach dem Vorbild rémischer Reliefs
von Verstorbenen und Ahnen frei vor ihr
schwebende Clipeus lést das Problem, sie
gleichzeitig mit Kind und als Betende mit er-
hobenen Handen darzustellen. Erstmalig auf
einer Pilgerflasche des 5. Jh.s (vermutlich Wie-
dergabe einer palastinensischen Monumental-
darstellung -- Ol) abgebildet, nimmt das Mo-
tiv rasch eine tiefere theologische Bedeutung
an: Maria tragt den Herrn des Kosmos in sich,
wird zu Gottes Bundeslade, Zelt, Wagen,
Tempel und zur sichtbaren Kirche — als — Kir-
chengebéude wie auch als Gemeinde —, die
den unsichtbaren Christus in ihrem Mutterleib
enthalt; vergleiche das Weihnachtslied: »Den
aller Weltkreis nie beschloB (umschlieBen
kann), der liegt jetzt in Marien Schof.«
229
Maria, die Allheilige
Die slavische Bezeichnung fiir die Platytera
Znamenie (Muttergottes des Zeichens) basiert
auf Jes. 7, 14 (in Matth. 1, 23 zitiert):
»Darum wird der Herr selbst euch geben ein Zei-
chen: Siehe, eine Jungfrau wird eine Leibesfrucht
empfangen und einen Sohn gebaren, den werden sie
Emmanuel heifen.«
Wird das Medaillon von einem feuerroten >
Cherubim getragen, unterstreicht das die eu-
charistische Symbolik der Platytera als Abend-
mahlsléffel (> Altar, Jes. 6, 1-7). Bisweilen
ist der Emmanuel ohne Clipeus freischwebend
vor die Orantin gesetzt (Katakombe Cimiterio
Maggiore; Rom, Anfang 4.Jh.; Palaiachéra,
Aighina, Apsis, 14.Jh.; Athos Koutloumou-
siou, kretisch, Mitte 16. Jh.).
5. Panajia Chalkopratia (aus der Chalkopratia-
kirche, Konstantinopel, stammend oder Ajio-
soritissa, nach dem Sordés, dem Schrein mit ih-
ren Kleidern neben der Kirche): Halbfigur im
Halbprofil ohne Kind. Die Rechte ist etwas
angehoben, die Linke befindet sich in Brust-
hdhe. Aus der spaéteren Form der Wlachiotissa,
die mit verhaltener Fiirbittgeste sich zur Seite
wendet und ihre Gestik noch zuriicknimmt
(11.Jh.), entsteht der Typus der Chalkopratia.
Angeblich schon im 6.Jh. bekannt, ist er ab
dem 11.Jh. nachzuweisen. Die Chalkopratias
ist die Ubergangsform zwischen der fiirbitten-
den Orans und der Fiirbittenden in der >
Deisis.
In der Variante der Paraklitis (Bittenden)
zieht Maria mit der Linken ihr Manteltuch zu-
sammen — Ausschnitt aus der > Kreuzigung,
siche Ikone 14.Jh., Meteora, Moni Metamor-
phoseos.
6. Panajia Odojitria (die Weggeleiterin, Preis-
name aus einem Theotikon), bertihmte Ikone
vom Kloster Odigon, Konstantinopel: Stehend
oder als Halbfigur halt die Gottesmutter den
Emmanouilknaben in der linken Armbeuge,
weist mit der Rechten auf ihn als »den Weg,
die Wahrheit und das Leben«. (Joh. 14, 6) Das
Kind, die Logosrolle in der Linken, erhebt die
Rechte zum Segensgestus. Bei Ikonen bis zum
12. Jh. nimmt Maria eine frontale Haltung ein,
blickt durch den Betrachter hindurch. Das
Kind sieht traumverloren in die Ferne. Spater
wendet sie sich -- unter dem Einflu8 der Eleot-
sa-Ikonen — mehr und mehr dem Kinde zu,
230
Odojitria aus der Vorhalle von Osios Lukas,
um 1009.
blickt mit geneigtem Kopf besinnlich nach un-
ten. Mutter und Kind schauen sich niemals an,
blicken immer aus dem Bild heraus. Die Odiji-
tria (mit Varianten) ist der verbreitetste Ma-
rienikonentyp. Die Urikone im Odigon-Klo-
ster wurde seit mittelbyz. Zeit dem Apostel
Lukas zugeschrieben. In Antiochien entstan- ἢ
den, im 5.Jh. nach Konstantinopel gekom-
men, wurde die »Weggeleiterin« im Kriege
dem byz. Heer als Schutzschild vorangetragen.
Bei der Wiederaufstellung der heiligen —> Bil-
der nach dem Bilderstreit als erste [kone auf-
gestellt, hat man sie 1204 vor den Lateinern
verstecken kénnen. 1453 zerstérten die Jani-
tscharen nach der Eroberung der Stadt, was
ihnen an Ikonen in die Hinde fiel. Die Ur-
ikone teilte nach dem Historiker Dukas das
Schicksal des Mantels Christi:
»Einer dieser Gottlosen schwang seinen Krumm-
sdbel und mit seinen unreinen Fingern teilte er das
Bild mit dem daranhaéngenden Schmuck in vier Tei-
le. Alsbald wurden sie verlost, und nachdem sie
auch die tibrigen Gerate geraubt hatten, zogen sie
davon.«
Je eine getreue Nachbildung der Ur-Odijitria
wird in den Athoskléstern Xenophontos und
Grigoriou (Odijitria Pantanassa) aufbewahrt.
Maria, die Allheilige
7. Panajia Periwleptos (die Bewunderte): Bild-
liche Zwischenlésung zwischen dem hierati-
schen Odijitria-Typ und den »humanen Iko-
nen« der Eleousa (friiheste Darstellung in der
Periwleptos-Kirche, Ochrid, ca. 1295; Peri-
wleptos-Kirche, Mistra, Mitte 14. Jh.).
8. Panajia Dexiakratousa (die mit der Rechten --
das Kind —haltende): Spat- und nachbyz. seiten-
verkehrte Odijitria, stehend, halbfigurig, gele-
gentlich auch sitzend. Weniger hieratisch steif;
Mutter und Kind kénnen Blickkontakt haben.
(Chorakirche, Konstantinopel, 1315-1320;
Ajia Agathi, Rhodos, linke Apsisdiole; Ikone
Tricherousa, Athos Chilandariou, 14. Jh.).
i
aA
Eleousa. Tokali Kilise, Kappadokien, Ende 10. Jh.
9. Panajia Eleousa (die Erbarmende): Halbfi-
gurige Gottesniutter, driickt das Kind mit der
Rechten odey Linken fest an sich, neigt den
Kopf zu ihm hin. Auf alteren Bildern blickt sie
mehr zum Betrachter hin, auf jiingeren auf das
Kind, das sich mit beiden Handen an ihrem
Hals festklammert. Die alteste Eleousa (Ende
10. Jh.) schmiickt eine Nische der Tokali Kilise,
Goreme.
Die beriihmteste Eleousa ist die »Muttergottes
von Wladimir«, aus Konstantinopel, um 1000
(Tretjakow-Galerie in Moskau). Vom 16. Jh.
an verdichten russische Eleousa-Ikonen das
Motiv auf die Wiedergabe der beiden gro
aufgefaBten, eng aneinandergeschmiegten
Kopfe und auf die streichelnden Hande der
Gottesmutter.
10. Panajia Glykophilotisa (die StiBkiissende):
Die Mutter driickt das Kind, das nach ihrer
Wange greift, fest an sich und kiiBt es, im Aus-
druck noch inniger als die Eleousa. Soweit be-
kannt, sind die erhaltenen Glykophilousa-Iko-
nen alle nachbyzantinisch. Vorlaufer des Moti-
ves sind angeblich nicht mehr erhaltene Ma-
riendarstellungen des christl. Orients.
11. Panajia Pelagonitissa (die Pelagonische =
die aus Bitolij, Makedonien, stammende): Sehr
bewegte Abart der Glykophilotisa. Die Hal-
tung von Mutter und Kind ist unwirklich ver-
dreht: Sie erhebt den Blick zum Betrachter,
kiiBt das Kind, halt sein rechtes Bein mit der
Linken fest. Ihre Rechte ist erhoben, wie die
der Odijitrija. Das Kind, in Rtickenansicht,
dreht den Kopf angestrengt um, blickt den Be-
trachter intensiv an. Der Reiz des in Makedo-
nien vom Maler Makarios (Anfang 14. Jh.) ge-
schaffenen Bildes liegt im Kontrast zwischen
dem hieratisch strengen Blick zum Betrachter
und dem zartlichen Verhdltnis von Mutter und
Kind, in Verbindung mit einer tibersteigerten
eckigen K6rpersprache.
Das Motiv soll als antibogumilische (Gegner
der Bilder und Marienverehrung) Propaganda
konzipiert worden sein. (Ikonen: Zyia, Maze-
donien, Sinai, Katharinenkloster, Athos’ Do-
chariou).
12. Panajia Galaktotrophotisa (die mit Milch
ndhrendé); Die hieratischer Stellung in sich
versunkene Gottesmutter — mit reichverzier-
tem k6niglichem Maphorion und einer K6-
nigskrone — neigt nur wenig den Kopf und faft
mit der Rechten ihre aus dem Kleid geschliipf-
te Brust und driickt sie dem saugenden Emma-
nouil entgegen. Der stiitzt die Brust mit der
Linken ab. In den oberen Ecken der Ikone je
ein Engel mit einem Tuch tiber den Handen.
Die sparlichen byz. Galaktotrophousa-Bilder
(Athos Grigoriou, ab Mitte 15.Jh.) wurden
angeregt durch koptische Ikonen. In Agypten
ist das Motiv vom 6. Jh. an nachgewiesen; Vor-
bild war die den Harpokrates nahrende Isis
(Fresko von Karganis, 3. Jh.).
13. Panajia tou pathous (Allheilige des Lei-
dens): Das Kind sitzt auf einer Hand der Got-
tesmutter, die es mit der anderen umfaft, den
Kopf neigt, traurig in sich versunken. Wie In-
sekten umschweben die beiden zwei winzige
Engel mit den Leidenswerkzeugen. Der linke
231
Maria, die Allheilige
halt Kreuz und Dornenkrone in verhiillten
Handen, der rechte Lanze und Schwamm. Das
Kind mit Logosrolle, die Linke erschrocken
nach Gewand oder Hand der Mutter ausstrek-
kend, sieht zum Kreuz hin. Der slavisch »stras-
naja« genannte Typ erscheint zuerst auf serbi-
schen Fresken (Lesnovo und Konce, 14. Jh.).
Ab 1500 griechische und russische Tafelbilder.
14. Panajia Zoodéchos Piji (--» Lebensspen-
dende Quelle)
Spat- und postbyzantinische Bildumsetzungen
von Marienhymnen
Vom 14.Jh. an werden Theotokien in Vorhal-
len und Verbindungstrakten von Kléstern in
breiter Ausschmiickung verbildlicht:
% Axion esti (—> Akklamation):
»Wahrhaft wiirdig ist es, Dich, Gottesgebarerin, se-
lig zu preisen. Die ewig selige und fleckenlos Reine
und Mutter unseres Gottes. Du bist geehrter als die
Cherubim und unvergleichlich herrlicher als die Se-
raphim, die Du unversehrt hast Gott, den Logos,
geboren, in Wahrheit Gottesgebarerin, wir preisen
Dich.« Marienhymnus vor der Eucharistie aus der
-Ὦ Liturgie der Glaubigen.
Maria im Medaillon — z.B. im Scheitel einer
Nebenkuppel umgeben von stehenden Engeln
in den Gew6lberippen oder im Tambour. Die-
se halten Blatter mit den Worten des Hymnus
(Chorakirche, Konstantinopel, 1315-1320;
Athoskirchen). »Axion esti« ist eine auf die
Antike zuriickgehende Akklamation.
vx »Epi se chare ...«: »Uber Dich freue sich,
Gnadenreiche, all die Schépfung und der En-
gel Heer ... Sei gegriiBet, Ruhm der Engel...
gOttlicher Tempel ... Thron des Herrn ... Pa-
radies der Zartlichkeit ... Du des Lebens
Holz. Sei gegriiSet, Du Sitz und Du Thron des
michtigen K6nigs ..., die Du erftillst der Pro-
pheten VerheiBungen ... Du nie verstummen-
der Mund der Apostel ... Du Ruhm der Prie-
ster und Du Altar der Bischéfe ...« Hymnus
der in der —> Liturgie der Basilius an bestimm-
ten Festtagen anstatt des »Axion esti« gesun-
gen wird.
Die Allheilige mit Christus thront tiber dem
Himmel mit Sonne und Mond, umgeben von
Vertretern der Engel, Propheten, Apostel, Bi-
schéfe, Martyrer, Einsiedler, heiligen Kénige,
Nonnen, die Textblatter halten. Darunter das
232
— Paradies mit ~ Abraham und dem gerech-
ten Schacher (Athoskirchen, postbyz.).
vw Prophitise...«
Propheten haben Dich verktindet: Die Gottes-
mutter, z.B. im Scheitel einer Nebenkuppel,
ist umgeben von Propheten und Vorboten mit
Schriftbandern. Die Texte geben ein, die typo-
logischen Weissagungen der Propheten zusam-
menfassendes Theotokion wieder (Pamakari-
stos, 14.Jh., Chorakirche, Konstantinopel,
1315-1321, Athoskléster).
»Die Kraft des Héchsten tiberschatte dann zur
Empféngnis die, die von keiner Ehe wufte ...«
Illustration des Delta-Verses (4. Vers) des Akathistos-
Hymnos. Kirche der Panajia, Lindos, 1779.
x Akathistos-Hymnus, der »nicht im Sitzen«
gesungen wird): An den Abenden der ersten
fiinf Freitage der grofen Fastenzeit wird in
den Chéretismi (Gruf-Gottesdiensten) der Hym-
nus vor ihrer Ikone gesungen. Zur Erinnerung
daran, da® die Odijitria-Ikone 626 die Kon-
stantinopel belagernden Awaren in die Flucht
geschlagen (— Ikonenwunder), wird wahrend
Maria zwischen Engeln in der Apsiswélbung
der Andacht eine Marienikone vom Papas, ge-
folgt von einer feierlichen Prozession, aus dem
Allerheiligsten heraus durch die schéne Pforte
hindurch in den Gemeinderaum getragen und
auf einem Stander links neben der Bilder-
wand, auf der Frauenseite, zur Verehrung aus-
gestellt. Die Verse 1-12 des -- Akathistos-
Hymnos schildern die Ereignisse von der --
Verkiindigung Maria bis zur Darbringung im
Tempel, die Verse 13-24 verherrlichen ab-
wechselnd den Gottessohn und seine Mutter
(— ABC).
GroBangelegtere Serien und Kompositbilder
in Vorhallen und Schiffen ab 14. Jh. (Nikolaos
Orphanos, Thessaloniki, Anfang 14.Jh.; Ju-
goslawien, Decani, Mitte 14.Jh.; nachbyz.:
Athos Chilandariou, Lawra; Rhodos Lindos,
Panajiakirche, 1779; Nebenbilder an Marien-
ikonen).
Maria zwischen Engeln in der
Apsiswolbung
H @EOTOKOCH KYPIA ΤΩΝ ATTEAQN
I Theotokos i kyria ton angélon
Wichtigstes Motiv fiir Apsisw6lbungen ab mit-
telbyz. Zeit. Die Verehrung Marias kntipft an
ein altes jtidisches Motiv an: Auf Gottes Ge-
hei® sollten sich die Erzengel vor dem neu-
erschaffenen Adam verneigen.
Die Apsiswélbung als Ort der Gottesmutter
Die Halbkuppel der Apsis kommt der héher
gelegenen Kuppel (~ Himmel; — Kirchenge-
baude) im Rang fast gleich, ist HGhepunkt des
Allerheiligsten, der, oberhalb der Bilderwand
gelegen, vom Eintretenden eingesehen wer-
den kann. Vom 9./10.Jh. an ist die Apsis von
der Gottesmutter mit dem Emmanuelknaben
besetzt (nur selten ist sie allein, noch seltener
tritt der Pantokrator an ihre Stelle). Fast im-
mer wird sie von zwei Erzengeln flankiert, Mi-
chael und Gabriel stehen seitlich der Wélbung
(Ajia Sophia, Konstantinopel, Ende 9.Jh.;
Daphni, Athen, Ende 11. Jh.), oder sie vernei-
gen sich, in die Apsis einbezogen, tief vor der
Gottesmutter.
Kuppel und Apsiswélbung sind architektonisch und
als Abbildungstriger die entscheidenden Span-
nungspole, sie reprasentieren Himmel und Erde,
die Eins werden in der Eucharisti.
Ubersicht: Verhaltnis Kuppel—Apsis
Kuppel Apsiswélbung
Von der Blickrichtung — Blickrichtung
Architektur vertikal nach horizontal nach
gewiesene _ oben, gen Osten, zum
Richtung Himmel Paradies
Darstellung Christus Gottesgebarerin
ab mittel- | Pantokrator
byz. Zeit
Kosmologie Himmel Erde
gottliche Gemeinde,
Welt Menschenwelt
Symbolik —§ mannliches weibliches
Prinzip Prinzip
Brautigam Braut
Inhalt Behiltnis
euchari- eucharistische L6ffel zur
stische Gaben Verteilung des
Abendmahls
Bedeutung Brot Wein
Fleisch Blut
Hauptapsis Ajios Nikolaos Orphanos, Thessaloniki,
14. Sh.
Die Verneigung der Engel vor dem neven
Adam und der neuen Eva
»Wiirdig ist es wahrhaftig, Dich, die Gottesmutter,
gliickselig zu preisen ... Mutter unseres Gottes, sie,
die erhabener ist als die Cherubim und unvergleich-
lich herrlicher als die Seraphim ...«.
Maria ist als heilbringende neue Eva Vertrete-
rin des Menschengeschlechts. Die Verneigung
233
Mariengiirtel
der Engel vor dem Menschen (auf der Bern-
wardssdule in Hildesheim neigt sich Michael
vor Adam) ist ein vorchristl. Motiv.
»Ich (Satan) bin gegen Dich (Adam) voller Feind-
schaft, Neid und Bitternis, denn Deinetwegen wur-
de ich aus meiner Herrlichkeit vertrieben, die ich im
Himmel besa mitten unter den Engeln ... Als Du
nach dem Bilde Gottes erschaffen wurdest, brachte
Dich Michael herbei und gebot uns, Dich in Gegen-
wart Gottes zu ehren. Und Gott der Herr sprach:
Hier seht ihr Adam! Nach unserm Bilde und Gleich-
nis habe ich ihn erschaffen. Michael aber rief allen
Engeln zu: Ehret Gottes Ebenbild, wie Gott das
geboten hat. Und als erster neigte er sich vor ihm
dann rief er mich: Ehre das Ebenbild Gottes! Ich
antwortete: Ich werde nicht einen ehren, der unter
mir steht und jiinger ist als ich. Ich bin der Alteste in
der Schépfung; bevor er erschaffen war, war ich er-
schaffen worden. Es ist an ihm, mich zu ehren: ...
Wenn er (Gott) mir ziirnt, werde ich tiber den Ster-
nen thronen und dem Allerhéchsten gleich sein. Da
entzog uns Gott unsere Herrlichkeit.« Das Leben
von Adam und Eva, apokryphes Buch (1. vorchristl.
Jh.).
Aus Wut dariiber hatte der Satan (— Teufel)
Eva im Paradies verfiihrt. Die Engel in der
Apsis verneigen sich vor dem Christus Emma-
nuel als dem neuen Adam (»Und es sollen ihn
alle Engel Gottes anbeten ...« Hebr. 1, 6) und
der Gottesmutter als der neuen Eva. Durch
die alte Eva kam die Siinde, die die Ebenbild-
lichkeit des Menschen mit Gott aufhob, in die
Welt, durch die neue Eva wurde die Ebenbild-
lichkeit wieder hergestellt.
Mariengirtel
H ZQNH THC MANATIAC
Iz6ni tis Panajias
In Konstantinopel aufbewahrte Giirtelreli-
quie. Der Apostel Thomas, der die - Heim-
holung Maria ebenso bezweifelte wie zuvor die
Auferstehung Christi, wurde aus seinem Mis-
sionsgebiet Indien zum Olberg entriickt. Dort
erschien ihm die Gottesmutter und tiberlie8
ihm ihren Giirtel (nach Pseudojoseph von Ari-
mathia).
Der Mariengiirtel — Schutzwall fiir
Konstantinopel
Um 560/570 befindet sich die Giirtelreliquie
(Feiertag 31. August) in Konstantinopel, ab
234
8.Jh. in der Wlachernenkirche (Palastkomplex
der Wlachernen in der Nordwestecke zwischen
Land- und Seemauer; Apsisdarstellung: Wla-
cherniotissa, -- Maria). Dort lagerten bereits
im Soros, dem heiligen Schrein, die anderen
Kleidungsstiicke der Gottesmutter, dort spru-
delte auch die —-> lebensspendende Quelle.
Die Giirtelreliquie (Giirtel als Schutz vor Da-
monen, —> Gewdnder) wirkte als Heiltum auf
mehreren Ebenen; sie bewahrte vor Krankhei-
ten, heilte, schiitzte, an strategisch exponierter
Stelle aufbewahrt, als magischer Wall die Kir-
che, den Palastbezirk und die Stadt, galt sogar
als Schutzwall fiir die Welt. Z6ni heiBt alt- und
neugriechisch sowohl Giirtel wie Erdgiirtel
(als Erdkreisumgrenzung). Die Gottesmutter
— Gegenbild zur Aphrodite mit ihrem verftih-
rerischen Giirtel -- ist als Platytera (—> Maria)
umfassender als der Erdkreis, kann ihn mit ih-
rem Giirtel umfangen.
Gottesmutter vorn Typ Thron der Weisheit mit
Giirteltuch in der Hand. Thessaloniki, Ajia Sophia,
Ende 9. Jh.
Giirtel und Giirteltuch im Bild
Die thronende oder stehende Panajia halt auf
Apsisdarstellungen in ihrer Linken, mit der 516
das Kind stiitzt, eine weiBe Stoffbinde (Ajia
Sophia, Thessaloniki, Ende 9.Jh.; Monreale
Basilika, Ende 12.Jh.; Ajia Sophia, Konstan-
tinopel, Apsis 876, Nikopiia der Galerie, An-
fang 12.Jh.). Die byz. Uberlieferung von der
Ubergabe an Thomas — um 1300 yom Abend-
Marienzyklus
land aufgegriffen — schildert den Giirtel als
Scharpe. Dennoch meint die Binde kaum den
Giirtel selbst, sondern ein Giirteltuch. Auf
Fresken (Mitte 10. bis Ende 12.Jh.) der Ka-
thedrale von Faras (christl. Nubien) halten
Maria und Erzbisch6fe helle und relativ kurze
Binden in Handen. (Die Forschung bezeichnet
sie als Manipeln — liturgische Tuchstreifen ré-
misch-katholischer und armenischer Priester,
bei Byzantinern und Kopten nicht iiblich, her-
vorgegangen aus Ziertaschentiichern.) Ein
streifenformiges weiBes Tuch benutzt die All-
heilige, um ihre Trénen unterm Kreuz (Daph-
ni, Athen, 11.Jh.) und bei der Grablegung
(Serbien, MileSeva, Anfang 13.Jh.) zu
trocknen.
Auf Goldemailbildern (Einband, San Marco,
um 1000, Limburger Staurothek, Mitte 10. Jh.)
trigt es Maria am goldenen bzw. blauen Giir-
tel.
Zu verstehen ist das weiBe Tuch als Symbol
der kérperlichen Unversehrtheit der »Immer-
jungfrau«.
DaB Taschentiicher (weil sie sich mit der kér-
perlichen Substanz einer heiligen Persénlich-
keit vollsaugen) und Giirtel besonders wirk-
sam Heilkraft tibertragen, kommt im Hinblick
auf Paulus im NT zum Ausdruck: »Man legte
sogar die SchweiBtiicher und Schurzgurte, die
er getragen hatte, den Erkrankten auf, und die
Krankheiten verlieBen sie, die iiblen Geister
fuhren aus ihnen heraus.« Apg. 19, 12
Marienzyklus
TA TETONOTA THC MANATIAC
Ta jegonota tis Panajias ᾿
Kindheit Maria und Christi, von der Vorge-
schichte”“der Geburt Marias bis zum Tempel-
besuch der Heiligen Familie in Jerusalem als
geschlossener Bilderzyklus dargestellt.
Die Schilderungen im apokryphen
Protevangelium des Jakobus
Sparliche Mitteilungen in den Kanonischen
Evangelien Matth. 1, 18-2, 23, Luk. 1, 5-2,
40, werden vom apokryphen Protevangelium
des Jakobus nach der Mitte des 2.Jh.s aufge-
griffen und liebevoll ausgeschmiickt. Das bis
heute beliebte Erbauungsbuch nennt als sei-
nen Verfasser Jakobus, der als Christus’ dlte-
rer Halbbruder, Sohn Josephs aus erster Ehe,
gilt. Der Inhalt, der auch die Jugendgeschichte
—> Johannes des Taufers umfaBt, ist sowohl in
liturgische Texte wie in die religidse Kunst ein-
geflossen. Einzelmotive stammen aus Uberlie-
ferungen, die im 8./9.Jh. in ein lateinisches
Kindheitsevangelium einmiinden (Pseudo-
Matthdus). ©
Der Marienzyklus im Hauptschiff
und in der Vorhalle
Unmittelbar nach dem Bilderstreit (9. und
10.Jh.) finden sich in den Tonnengewélben
von Hauptschiffen (Tokali I, Géreme, Anfang
10. Jh.) zwei bis zehn Motive aus dem Marien-
leben, fortgesetzt durch die Wunder Christi,
sowie den —> Passions- und Auferstehungs-
zyklus.
Mit der Herausbildung des Festtagskalenders
um 1000 verbleiben nur die Motive der mario-
logischen Hauptfeste (-9 Mariengeburt, Tem-
pelgang, auch —> Geburt Christi, zusatzlich
— Heimholung) im Hauptschiff. Die anderen
Szenen werden, wie Christi Wundertaten, in
die Vorhalle abgedringt (Daphni, Athen,
Ende 11.Jh.; Chorakirche, Konstantinopel,
1315-1320).
Der Engel verheift Anna die Geburt der Maria.
Chorakirche, Konstantinopel, 1315-1321.
Beispiel Chorakirche:
Marienzyklus als Bildserie
Der umfangreiche spatbyz. Bildzyklus in Kon-
stantinopel umfaBt folgende Szenen (Zitate
aus dem Protevangelium):
vy Der Hohepriester Zacharias, nachmals Vater
des Taufers, weist das Opfer Joachims am »groBen
235
Marienzyklus
Tag des Herrn« wegen der Kinderlosigkeit des be-
tagten Paares zurtick. Joachim begibt sich in die
Wiiste, um zu beten.
# Anna wahnt ihren Mann umgekommen: »Kla-
gen will ich tiber mein Witwenlos, klagen will ich
iiber meine Kinderlosigkeit.« ‘
τς Joachim meditiert inmitten seiner Herden 40 Ta-
ge und 40 Nachte: »Ich will nicht herabsteigen we-
der zur Speise noch zum Tranke. «
7 Anna singt in ihrem Garten unter dem Lorbeer-
baum mit dem Schwalbennest ein Trauerlied: »We-
he mir; wem darf ich mich vergleichen, nicht darf
ich mich vergleichen den Végeln unter den Him-
mein, denn auch die Végel unter dem Himmel
pflanzen sich vor Dir, Herr, fort ...« Ein Engel des
Herrn trat herzu und sprach zu ihr: »Anna, Anna,
erhért hat der Herr deine Bitte. Du sollst empfan-
gen und gebdren, und dein Same soll in aller Welt
genannt werden.« Anna gelobt, ihr Kind Gott dar-
zubringen.
% Joachim, dem ebenfalls ein Engel die Geburt
verhei®t, begibt sich nach Hause. Anna geht ihm
entgegen. (Ihre zartliche Begegnung an der Haustir
wird als Zeugung Marias verstanden.)
w — Geburt Maria.
AY SAS τὰ
Die sieben Schritte der Maria. Eine Allegorie des
Himmels hélt das Kind. Chorakirche,
Konstantinopel.
+ Bereits mit sechs Monaten kann das Marienkind
— eine winzige Erwachsene — sieben Schritte auf sei-
ne Mutter zugehen (bedeutet: Maria kann die sie-
ben Planetensphaéren durchmessen. Die das Kind
haltende Helferin mit Nimbus-Gewandschwung ist
die Allegorie des Himmels). Anna richtet ftir das
236
Kind in ihrem Haus einen heiligen Bezirk ein: »So
wahr der Herr, mein Gott, lebt, du sollst nicht auf der
Erde einhergehen, bis ich dich in den Tempel Gottes
geben werde.«
dic Oem
Erster Geburtstag Mariens.
Chorakirche, Konstantinopel, 1315-1321.
yz Joachim ladt zum einjaéhrigen Geburtstag Ma-
riens Hohepriester und Schriftgelehrte zam Mahle
ein. Sie segnen Maria.
vv Die Eltern liebkosen die inzwischen zwei Jahre
alte Maria, beschlieBen, sie erst als dreijahrige in ,
den Tempel zu geben, damit sie nicht an Heimweh
leide.
vx Die Dreijahrige wird von den »Téchtern der He-
brder« mit Fackeln zum Tempel geleitet.
vr - Tempelgang Maria. Der Hohepriester Zacha-
rias nimmt Maria entgegen und bringt sie im Tempel
unter.
wv Engelspeisung: »Und Maria war im Tempel wie
eine pickende Taube und bekam ihre Nahrung aus
Engelshand. «
vy Unterweisung Marid im Tempel (Mosaik véllig
zerst6rt).
vr Zacharias tibergibt sieben unbefleckten Jung-
frauen Wolle, damit sie den Tempelvorhang weben.
Maria als die achte (+ Zahl 8) erhalt scharlachrote
Wolle (— Kreuzigung).
Die purpurne Wolle symbolisiert Fleisch und Blut
der Jungfrau, aus der sich das géttliche Kind sein
»Kleid — namlich seinen menschlichen K6rper --
webt«:
»Wie aus Faden in Meerpurpur getaucht, bildete
sich das geistige Purpurgewand, das Emmanouil
Kérper (Fleisch) drinnen in Deinem Schofe ge-
webt. Darum verehren wir Dich als Gottesmutter in-
Wahrheit.« Andreas von Kreta, 9. Ode, gesungen in
den Spatabendgottesdiensten der Fastenzeit
xx Die Zw6lfjahrige mu8 den Tempel verlassen, ihr
Menstruationsblut wiirde ihn verunreinigen. Auf
Geheif§ eines Engels ruft Zacharias alle Witwer des
Landes zusammen, sammelt ihre Stabe ein, betet
dariiber und wartet auf ein Zeichen des Herrn.
Marienzyklus
Aarons sproBte und das trockene
’<°Srucht. Sein Symbol fand heute die
Erklarung. Es ist der jungfrauliche Scho8, der ge-
bar.« Ephrém dem Syrer zugeschrieben.
+r Joseph erhalt als letzter seinen Stab zurtick.
Dem Mosaik nach schlagt er griin aus, wie der Stab
Aarons (4. Mose 17, 16-25). Nach dem Protevange-
lium kommt eine —-> Taube (Vogel der Muttergot-
tes) aus dem Stab heraus und setzt sich auf Josephs
Haupt.
+x Joseph weigert sich unter Hinweis auf sein Alter,
Maria zu sich zu nehmen. Zacharias erklart ihm, es
sei Gottes Willen, da8 er iiber die Jungfraulichkeit
‘ Marias wache.
+r Beim Wasserschépfen am Brunnen (Symbol Ma-
“'rias, - Lebensspendende Quelle) hért Maria die
Stimme eines Engels. Dieser »Vorverkiindigung«
‘folgt die —> Verktindigung Maria durch Gabriel,
wahrend sie die rote Wolle des Tempelvorhangs
verspinnt (Festtagsbild im Hauptschiff).
¥ Joseph verlaBt Maria, um seine Bauten auszu-
fiihren (er ist lange von zu Hause weg, kommt daher
als Vater fiir Christus nicht in Frage).
x Die Sechzehnjahrige, im dritten Monat schwan-
ger, besucht die ebenfalls schwangere Elisabeth.
“Das Kind in deren Leib, der spitere Johannes der
Taufer, hiipft vor Freude und griiBt Maria (felt in
der Chorakirche).
vr Bei seiner Rtickkehr macht Joseph Maria Vor-
wiirfe wegen ihrer Schwangerschaft. Sie beteuert
ihre Unschuld, er wird unsicher, will sie verlassen.
vv Ein Engel zu Joseph im Traum: »Hab keine
Angst wegen dieses Médchens, denn was in ihr ist,
das ist vom Heiligen Geist.«
τς Angeklagt von einem Schriftgelehrten, miissen
sich Maria und Joseph vor dem Hohen Priester ver-
antworten. Zacharias laBt sie einzeln nacheinander
vom Fluchwasser trinken und schickt sie in die Ber-
ge (Gottesurteil). Beide kommen unversehrt zu-
riick, er nimmt keine Verurteilung vor (fehlt in der
Chorakirche). .
ye Maria und Joseph brechen zur Volkszahlung
nach Bethlehem auf. Jakobus, Sohn Josephs, fiihrt
Marias Esel.
ve Maria und Joseph lassen sich von rémischen Be-
amten in Volkszahlungslisten eintragen.
τ —>» Geburt Christi.
vx Herodes empfangt die Weisen aus dem Morgen-
lande (> Anbetung), bittet sie, ihm Bescheid zu
geben, sobald sie den »Neugeborenen Kénig der Ju-
den« gefunden haben.
ve Herodes befiirchtet einen neuen Thronanwarter,
berat sich mit Schriftgelehrten.
τ Erneute Traumwarnung durch einen Engel. Die
Heilige Familie flieht nach Agypten (oft allegorisch
als schéne Frau dargestellt).
tes
aaa
i
ty
La
a
sto.
Die schwangere Gottesmutter trinkt das
Tokali Kilise II bei Géreme, Kappadokien, Ende
10.Jh.
Die Gétzenbilder auf der Mauer einer Stadt sttirzen
herab, als sich Christus naéhert. (Motiv aus der Li-
turgie, im Pseudo-Matthaus, nicht im Protevange-
lium, enthalten.)
vr Herodes la8t die Kinder von Bethlehem ermor-
den (Hinweis auf die Leiden des unschuldigen Chri-
stus). .
vr Miitter raufen sich die Haare, stimmen Klage-
gesiinge an (wie die weinenden Myrrhentragerinnen
bei der Grablegung: — Passionszyklus).
»Auf dem Gebirge hat man einen Schrei gehdrt, viel
Klagens, Weinens und Heulens. Rahel beweint ihre
Kinder und sie will sich nicht trésten lassen, denn es
war aus mit ihnen.« Matth. 2, 18 (fehit im Protevan-
gelium).
ty Elisabeth flieht vor den Schergen des Herodes
mit dem neugeborenen Johannes ins Gebirge. Ein
Berg tut sich als Versteck vor ihr auf.
xr Der Vater, Zacharias, wird im Allerheiligsten
des Tempels ermordet. (Zacharias’ Tod bildet den
Tod Christi vor.) Als sein Nachfolger wird der grei- _
se Simeon (—> Darstellung Christi im Tempel)
gewahlt. Mit dem Zachariasmord schlieBt das Prot-
evangelium ab (fehlt in der Chorakirche).
vy Die Heilige Familie kommt aus Agypten_nach
Nazareth zurtick.
vx Maria und Joseph besuchen mit dem kleinen
Jesus das Passahfest in Jerusalem.
In der Chorakirche schlieBt sich die Versu-
chung und ein Zyklus der Wundertaten Christi
an. In jiingerer Zeit wird der Marienzyklus
(bis zur Verkiindigung) zusammengefaBt mit
237
Marina
der -Ὁ Heimholung Maria (Jeniseos Theotd-
kou Panagoudos, Thessaloniki, Westempore,
modern im alten Stil).
Marina
H ATIA MAPINA
Tajia Marina
Grofmartyrerin (Gedenktag 17. Juli), im We-
sten als Margaretha von Antiochien bekannt,
ihrer Schénheit wegen vom Stadtpraéfekten
Olybrius geliebt. Er drangte sie zum Abfall
vom Christentum, um sie zu heiraten; weil sie
standhaft blieb, lieB er sie martern und ent-
haupten. Der Legende aus dem 7.Jh. zufolge
suchte sie im Gefangnis ein Drache heim. Sie
schlug das Kreuz tiber ihn, und er verschied.
Nach einer anderen Version hatte der Drache
sie schon verschlungen, da schlug sie in seinem
Bauch das Kreuz, und er zerbarst.
Moderne Ikone der Megalomartyrerin Marina.
Marina hat das Maphorion tiber den Kopf gezogen,
tragt in der Rechten ein Handkreuz, die Linke hat
sie betend ‘erhoben (Tokali I, Géreme, Ende
10. Jh.; Ikone Sinai, 11.Jh.). Seit dem 16.Jh. tragt
sie ein Prachtgewand, schlagt einen kleinen schwar-
238
Ἷ
zen gefliigelten Teufel mit einem Ηδπὶ
fiihrt ihn gefesselt davon.
Die Heilige schiitzt vor Pocken (Athen) und
vor lastigen Insekten. Am Marinatag segnet
der Priester die Hauser mit heiligem Wasser,
um das Ungeziefer abzuhalten. Die Landleute
suchen ihre Wein- und Obstgarten auf; brin-
gen die ersten Trauben- oder Feigenopfer in
der Kirche dar. Mancherorts werden zum er-
stenmal an diesem Tage Trauben geschnitten
oder Feigen gepfliickt.
In Demati, Epirus, wird nach dem Gottesdienst auf
‘Kosten der Gemeinde ein Ochse geopfert, sein
Fleisch in 32 Teile geschnitten und an 32 Familien
(vermutlich mit Griindervorfahren) des Dorfes ver-
teilt. Marina achtet streng darauf, daB ihr Gedenk-
tag gefeiert wird. Einen Priester in Arkadien, der
am 17.Juli Weizen drosch, hat auf der Stelle die
Erde verschlungen mitsamt seinem Pferd. Der Hei-
ligen sind Ziige einer Land- und Erdgottheit eigen.
Markus
—» Apostel, > Evangelisten, ~ NT
Matthaus
— Apostel, > Evangelisten, —- NT
Melchisedek, Kénig von Salem
— Abraham
Michael, der Exzengel
O APXAITEAOC ΜΙΧΑῊΛ
O archangelos Michail
Erzengel (= Engel), Anfiihrer der himmli-
schen Heerscharen, Gegenspieler des —> Teu-
fels, Seelengeleiter, Todesengel.
Festtag und Brauchtum
Gedenktag des Erzengels und Archistrategen,
zusammen mit Gabriel und allen »kérperlosen
Kraften« (> Engel) ist der 8. November (auch
6. September und 26. Marz). In einigen thraki-
schen Dérfern darf man am Vorabend seine
Schuhe nicht drauBen stehen lassen. Michael --
wie im Spatjudentum Todesengel, Verkérpe-
Michael, der Erzengel
rung des Todes selbst — soll nicht an Leute
erinnert werden, die er zu holen vergessen hat.
In Kotyora am Pontus haben die alten Frauen,
denen auch die Totenklage obliegt (—~ Cha-
ros), am 8. November ein Fest fiir Gabriel und
Michael gegeben, damit sie ihnen einen sanf-
ten Tod bescheren. Michael ist Schutzpatron
gegen den —> Bésen Blick.
Re Hee
Medaillons mit Michael, Gabriel, der Gottesmutter
und Johannes dem Taufer. Osios, Lukas, nach 1000.
Bildmotive
»Lasset uns entreiRen den Geist allem, was zum ver-
derblichen Wesen zahlt, damit unsere irdischen Lip-
pen verméchten voller Furcht zu singen, den Lobge-
sang an die kérperlosen Krafte, die wie Feuer sind,
wie Flamme, wie Licht.« Aus der Liturgie am Tag
des heiligen Michael
Michael, »Wer wie Gott«, galt schon im Spatju-
dentum als der erste der Erzengel. Erstge-
schaffener aller Geschépfe (manchmal auch
als Zweitgeschaffener nach Sathanael > Maria
zwischen Engeln, > Teufel). Fiir Juden und
Christen ist er oberster Kriegsherr Gottes, der
Sathanael in den Abgrund gesttirzt hat. Immer
wieder ringt er den Widersacher Gottes (—
Teufel) nieder.
Drachent6ter:
Auf vielen Ikonen vom 17. Jh. an sticht Micha-
el, hoch auf flammenfarbigem PfltigelroB,
Dreizackenlanze und apokalyptische Posaune
in der Rechten, Evangeliar und RauchfaB in
der Linken, den groBen Drachen (= Sathanael
= Paradiesesschlange) nieder:
»Michael und seine Engel stritten mit dem Drachen,
und der Drache stritt mit seinen Engeln.« Apoka-
lypse 12, 7-9
Michael, stehend in Riistung:
Gewohnlich erscheint er, in ganzer oder hal-
ber Figur frontal, breit dastehend mit ausge-
breiteten tiefbraunen Fltigeln; er tragt Krie-
gertracht oder die Gewandung des Diakons,
die den Engel symbolisiert; + Anbetung Chri-
sti, + Kirchengebaude. Die Rechte halt ein
geziicktes Schwert oder den Stab, den die Si-
lentarii, Ordnungsbeamte am Kaiserhof, ge-
tragen haben. Stabe sind Zeichen von Macht
und magischer Kraft (Zauberstab), als Drei-
zack betonen sie die Macht der Trinitat. Die
Linke umfaBt eine Kugel: auf Erzengelelfen-
beinen des 5. Jh.s, bisweilen sternentibersat, in
blauer Farbe auf friihen mittelbyz. Fresken
(Elmali und Carikli Kilise, Géreme) meint sie
den vergéttlichten Kosmos. Ab mittelbyz. Zeit
mit der Aufschrift »Jesus Christus Nika«
(Abendmahlssiegel — Proskomidie, —> Brot,
- Kosmos) verkérpert sie zugleich die —> eu-
charistischen Gaben und den Kosmos (Erzen-
gel als eucharistische Standartentraéger — Bil-
derfeindliche Ornamente). Gelegentlich wei-
sen Pfauenfederfliigel Michael als Schutz-
macht der Eucharistie aus (> Pfau).
Die Haare des Archistrategen sind oft zusam-
mengebunden — die Bandenden schweben
deutlich sichtbar in der Luft --, damit die Oh-
ren freiliegen, Zeichen geistigen Hérens auf
das Wort Gottes. Zusammen mit Gabriel,
flankiert Michael die Panajia (+ Maria zwi-
schen Engeln).
Michael in Szenen aus dem AT:
Michael erscheint in allen Szenen, in denen in
der Schrift ein einzelner Engel genannt wird,
vertreibt Adam und Eva aus dem Paradies, |
hindert Abraham daran, Isaak zu opfern,
schiitzt die Drei im Feuerofen (~ Daniel),
holt Habakuk an den Haaren herbei in die L6-
wengrtube, tritt der Eselin + Bileams in den
Weg.
Befreier Konstantinopels:
Michael bekampft Perser und Awaren, die die
Stadt belagern (626; -> Akathistos Hymnos;
—> Maria).
239
Mond
Der Erzengel an der Seelenwaage:
Als Todesengel und Seelengeleiter wagt er auf
Darstellungen des > Endgerichtes die Taten
und Untaten der Verstorbenen ab. Auf spaten
Ikonen (Rhodos, Symi) steht er auf dem Kér-
per eines Toten, in der erhobenen Rechten
eine winzige Seelenfigur.
Michael ist auch der Drachentéter der — Apo-
kalypse.
Basilios I. und Michael:
Nach dem Bilderstreit hat Bailios I. (867-886)
in Konstantinopel die nicht mehr erhaltene
Nea (Neue Kirche) mit zahlreichen Engeldar-
stellungen (> Engel) errichten lassen, sie Mi-
chael und Elias geweiht — Siihne fiir seine Be-
teiligung am Mord an seinem Vorganger und
Génner namens Michael III.
Mond
H CEAHNH/TO EITAPI
[selini/to fengari
In den meisten Kulturen weibliches Gestirn,
wird in Byzanz mit der Gottesmutter identifi-
ziert wie Christus mit der mannlichen Sonne.
Der weibliche Charakter des Mondes
Nach antiker und byz. Auffassung ist »Frau
Mond« erdnichster der um die Erde kreisen-
den Planeten. Die Ubereinstimmung des Pha-
senwechsels mit den Perioden der Frau gehért
zu den friihest wahrgenommenen Beziehun-
gen zwischen Mensch und Kosmos. Der Mond
wird zugeordnet der Frau, dem Gebaren, dem
Blut, dem Wein und der Eucharistie (—- Ha- -
se), dem Wasser, der Feuchtigkeit, der linken
Seite und der Gottesmutter.
Maria als Mond und Maria tiber dem Mond
»Furchtbar wird mein Innerstes zerrissen, o Logos,
da ich Dein ungerechtes Hingeschlachtetwerden
sehe, sprach weinend die Allreine ...
Du sinkst unter der Erde, Sonne der Gerechtigkeit,
Erléser, und der Mond, der Dich geboren hat, ver-
finstert sich vor Trauer, beraubt Deines Anblickes.«
Liturgie des groBen Freitags
Die Madonna tiber der Mondsichel ist fiir die
rémischen Katholiken Zeichen des Sieges der
unbefleckten Jungfrau (Immaculata) tiber die
lasterhaften weiblichen Triebe. Der Mond ver-
240
k6rpert die sexuellen Aspekte der Erbstinde.
Die Orthodoxen haben bei der Gleichsetzung
heiliger Gestalten mit Gestirnen (~ Apostel)
Maria dem Mond zugeordnet. Mondhaft vor
gestirtem dunklem Himmel strahlt sie aus
Apsiden herab (Nikolaos Orphanos, Thessalo-
niki, Anfang 14.Jh.). Das Malerhandbuch
vom Athos nennt den Bildzyklus tiber die 24
Verse des Akathistos-Hymnus die »24 Hau-
ser« der »Gottesmutter« — Entsprechungen zu
den astrologischen Mondhausern. (Mondsta-
tionen als Sterngruppen, die der Mond im
Laufe des Jahres scheinbar passiert, wie die
Sonne die Tierkreiszeichen. )
Sonne und Mond iiber der Kreuzigung
Mond und Sonne tiber der Kreuzigung. Kirche zum
Taubenschlag. Cavusin nahe Goreme, Kappadokien.
Sonne und Mond auf rémischen Mtinzen wei-
sen den Kaiser, auf Kreuzigungszenen Chri-
stus als Kosmokrator aus. Meist haben die Ge-
stirne Gesichter, in der Antike Gottheiten,
gelten die Gestirne seit dem Friihchristentum
als ddmonische Machte.
Die Sonne verliert beim Tode Christi nach Lu-
kas 23, 45 ihren Schein. Auf beide Gestirne
beziehen sich mehrere Endzeitprophezeiun-
gen aus dem AT und NT:
»Sonne und Mond werden sich verfinstern und die
Sterne werden ihren Schein zuriickhalten.« Joh. 4,
15 (auch Matth. 27, 29; Mark. 13, 24)
Das greift die Karfreitagsliturgie auf:
»Sonne und Mond -- als sie sich verfinsterten, o Hei-
land, verbildlichten sie treue Diener, die sich in
schwarze Gewander hiillten.«
Die Kreuzigung, selbst kosmisches Gesche-
hen, bildet sich auf der Ebene der Gestirne ab:
der sterbende Christus als sich verfinsternde
Sonne, die Trauer der Allheiligen als Verfin-
sterung des Mondes.
‘Moses
O MQYCHC
O Moisis
Moses (Mose), der zur Zeit Ramses II. das
Volk Israel aus der agyptischen Knechtschaft
ins Land Kanaan fiihrte und am Berg Sinai den
Bund zwischen Gott und dem »auserwahlten
Volk« schlieBen half — durch Uberbringung
der Gesetzestafel —, ist eine der starksten Per-
sonlichkeiten des AT.
Er reprasentiert auf Darstellungen der — Ver-
klarung Christi die Thora (die finf Biicher
Mose), den Gesetzesteil des AT (nach 3. Mose
27, 34 gab Jahwe auf dem Sinai Mose das jiidi-
sche Gesetz). 40 Jahre irrten die Kinder Israel
in der Wiiste umher — typologisch als menschli-
che Lebensspanne verstanden, die dem Einzug
ins »gelobte Land« als dem Paradies voraus-
geht (+ Zahl 40, Spanne eines Menschenal-
ters). Moses selbst hat vom Berg Nebo aus
Kanaan geschaut, ist aber nicht hineingelangt.
Als Hinzeldarstellung tragt Moses graues oder
braunes .kurzes Haar, einen kurzen Bart, ist
manchmal angetan mit Priestergewand und
Bischofskrone, in der Hand die Gesetzestafel.
Er kann auch ein Schriftblatt halten:
»Frohlocket, ihr Himmel tiber ihn und anbeten sol-
len ihn alle Engel.« ,
Auf Verkldrungsikonen ist er meist jung und
bartlos dargestellt.
as
Moses unter den Propheten in der Kuppel
der Pammakaristos Kirche. Fetiye Dschami,
Konstantinopel, 14...
Verschiedene Szenen seines Lebens werden typolo-
gisch gedeutet als Hinweise auf
vr die Taufe (-5 Ciborium)
vy das Abendmahl: Mose feiert das Passahfest,
Mannaspeisung in der Wiiste.
vr die Kreuzigung: Erhéhung der ehernen Schlange.
vy das Kreuzeszeichen (— Kreuz)
xy die Gottesmutter (+ Brennender Dornbusch)
vy die > Geburt Christi: Der kleine Moses — im auf
dem Nil treibenden Schilfkérbchen — wird von der
Tochter des Pharao gefunden.
x die Errettung der Toten aus dem Hades: die Be-
freiung aus Agypten.
Einzelne, oft durch Gegeniiberstellungen mit
Szenen des NT deutlich typologisch interpre-
tierte Ereignisse um Moses finden sich auf frii-
hen Sarkophagen (2.-4.Jh.), ein Bilderzyklus
in Santa Maria Maggiore (Rom, vor 440), ein-
zelne Wunderszenen an der Holzttir von Santa
Sabina (ca. 432). Haufiger werden Moses-Sze-
241
Mysterien
nen — das Malerhandbuch Ermenia erwahnt 25
- wieder in spat- und nachbyz. Zeit.
Mysterien (sieben Sakramente)
TA E®TA MYCTHPIA
Ta efta mistiria
»Die Geheimnisse«, von priesterlichen Amts-
tragern gespendete Heilszuwendungen, die
gottliche Gnade vermitteln. Sie bewirken im
Voregriff auf den Zustand der Seligkeit im Pa-
radies die Vereinigung des Glaubigen mit
Gott, wie auch die mit den anderen Glaubi-
gen. Entsprechend der Siebenzahl der Sakra-
mente in der rémisch-katholischen Kirche
kennt die Orthodoxie sieben Mysterien, au-
Berdem zusdtzliche sakramentale Heilsgaben
(Spender und Empfanger der Mysterien —
Himmlische und kirchliche Hierarchie).
Die Heilsmittel
1. Die > Taufe, unwiederholbares Mysterium,
ist Bad der Neugeburt als Gotteskind durch
den Heiligen Geist, als dramatisches Bild
des Sterbens durch Ertrinken und wieder
Geborenwerden. Sie ist ein Einfiihrungs-
ritus - Ubergang von Heiden- zum Christen-
tum (—> Taufe Christi, - Darstellung im Tem-
pel, — lebensspendende Quelle), ist Tiir in die
Kirche und ins Gottesreich.
Die Zeremonie findet friihestens 40 Tage nach
der Geburt im Vorraum der Kirche oder an
einem Gewéasser statt. Nach vorbereitenden
Gebeten entsagen die Taufpaten gen Westen,
der Richtung der Finsternis gewandt, stellver-
tretend fiir das Kind dem Satan. Der Taufling
wird nackt in die Hande des Papas oder Bi-
schofs gegeben, der es dreimal in geheiligtes
Wasser untertaucht und dazu spricht:
»Der Knecht / die Magd Gottes wird getauft im Na-
men des Vaters (erstes Untertauchen) und des Soh-
nes (zweites Untertauchen) und des Heiligen Gei-
stes (drittes Untertauchen).«
Weihwassergaben gelten als Auffrischung der
Taufe.
2. Die Myronsalbung wird ebenfalls nur ein-
mal, unmittelbar im Anschlu8 an die Taufe
gespendet. Der Priester salbt mit dem aus 40
aromatischen H6lzern bereiteten Myron
242
kreuzformig die Stirn, die Augen, die Nasen-
fliigel, den Mund, die Ohren, die Brust, die
Hinde und FiiBe des Tauflings, spricht: »Sie-
gel der Gabe des Heiligen Geistes.« Das dem
K6rper aufgesalbte Kreuz ist bestatigende Un-
terschrift (Siegel) Gottes, daB dem Taufling
die Gabe des Heiligen Geistes verliehen wird.
Im Anschlu8 daran hiillen die Paten ihr Paten-
kind in neue weiBe, von ihnen gestiftete
Kleider.
ΤΟΦΩΣ OAKO
ῬΤΟΥ «aay
Der Glaubige wendet sich an Christus, reprdsentiert
durch die Christusikone. Andros, Kykladen.
3. Die Bue umfaBt Beichte und Siindenverge-
bung. Der Glaubige beichtet seine Stinden
Christus, der vertreten ist durch eine Christus-
ikone sowie durch den Priester. Zur Siinden-
vergebung legt der sein Epitrachelion (> Ge-
winder) auf das Haupt des Knienden, fleht
Gott um Barmherzigkeit fiir ihn an. Die an-
schlieRende Lossprechung gilt fiir alle Verfeh-
lungen. Die Bue hat eine der Taufe ver-
gleichbare Wirkung.
4. Die heilige — Eucharistie als »Heiligstes des
Heiligen« das Zentrum orthodoxen kultischen
Mysterien
Lebens wie Brauchtums. Der Mensch wird
Teil dessen, was er in sich aufnimmt. (Na&he-
res: —- Brot, - Abendmahl.)
5. Die Trauung verbindet die Ehepartner nach
Matth. 19, 4zu einer Einheit:
»Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen
und seiner Frau anhingen, und die zwei werden ein
Leib sein.« Matth. 19, 4-6
Die Verbindung zweier Menschen gilt als Vor-
bild fiir die Kirche -- Gnadeneinheit aller Glau-
bigen miteinander und mit Christus. Im Verlo-
bungsritus vor der Trauung legt der Diakon
den goldenen Ring des Brautigams und den
silbernen der Braut zur Segnung auf den Al-
tar. Durch dreimaliges Bekreuzigen mit dem
entsprechenden Ring segnet der Priester Brau-
tigam und Braut, steckt ihnen ihre Ringe wie-
der an: die beiden tauschen sie dann aus. Zur
Trauung selbst werden die Brautleute mit Ker-
zen zu einem altarahnlichen, mit Evangelien-
buch und Kreuz geschmtickten Tisch im vorde-
ren Kirchenschiff geleitet: Ansprache, Erkla-
rung der Ehewilligen, Gebete, dann wird tiber
die zu Vermahlenden je ein kronenférmiger
Kranz gehalten. Priester: »Es wird vermahlt
der Magd Gottes Y der Knecht Gottes X im
Namen des Vaters und des Sohnes und des Hei-
ligen Geistes.« Und dann dreimal: »Herr, un-
ser Gott, kréne sie mit Ruhm und Ehre.« Ge-
bete, der Priester segnet einen Becher Wein,
aus dem beide dreimal gemeinsam trinken.
Bevor die Kranze abgenommen werden, um-
runden die Neugetrauten dreimal den Tisch.
Rituelle Elemente der Trauungszeremonie
enthalten verschiedene Formen der Priester-
weihe. Geistliche diirfen nur vor der Weihe
heiraten, zum Bischof werden nur Ledige ge-
weiht (—> Hochzeit zu Kanaa).
6. Die Priesterweihe vermittelt die Ubertra-
gung der Geistesgabe der priesterlichen Ge-
walt, Durch Handauflegen wird sie in ununter-
brochener Folge von Christus, seine Jiinger
und die Bischéfe der Vaterzeit auf die jeweils
amtierenden Bischéfe tibermittelt. Lektoren
(lesen aus der Schrift und tragen Leuchter),
Hypodiakone (Unterdiakone), Diakone (un-
tergeordnet unter einem amtierenden Prie-
ster), Priester (Geistliche, die selbstandig das
Abendmahl und die anderen Mysterien mit
Ausnahme der Priesterweihe spenden k6n-
nen) werden von einem Bischof geweiht; ange-
hende Bisch6fe kénnen nur von (mindestens)
drei praktizierenden Bischéfen geweiht wer-
den. Allein der Bischof ist im Vollbesitz des
priesterlichen Amtes, nur er kann die apostoli-
sche priesterliche Macht weitergeben. Die Ze-
remonie des Handauflegens wird an Diako-
nen, Priestern und Bischéfen wahrend der Li-
turgie im Altarraum vollzogen. Alle Initianten
erhalten dabei die Insignien ihrer neuen Wiir-
de (— Gewander).
7. Die Krankensalbung ist ein geistliches Heil-
verfahren. In der Antike und im Mittelalter
wurde -- ΟἹ als 4uBerlich angewandte Medizin
bentitzt. Als Mysterium hilft die Salbung dem
Sterbenden zum Leben im Paradies; es heilt
den Erkrankten und 148t den seelisch Leiden-
den gesunden. (Die Krankensalbung ist ein
universelles Heilverfahren — nicht nur »letzte
Olung«.) Die Zeremonie soll méglichst von
sieben Priestern siebenmal hintereinander in
der Kirche, notfalls im Hause des Kranken,
vollzogen werden. Bereitgestellt werden
Kreuz, Evangelienbuch, eine Schtissel mit
Weizenkérnern (Symbol des ewigen Lebens >
Brot), Ol-GefaB, Ol und Wein, sieben Stab-
chen umwickelt mit Watte, sieben Kerzen,
Weihrauch. Nach einleitenden Gebeten gieBt
der erste Priester Ol und Wein in ein Gefa8 --
damit reinigt der barmherzige Samariter die
Wunden des unter die Wegelagerer Gefalle-
nen (Luk. 10, 34) — und spricht ein Weihe-
gebet. Danach Hymnengesang zu Ehren von
Christus, des Apostels Jakobus (Jak. 5, 14
wird die Krankensalbung erwiahnt), des Niko-
laus, des Demetrios, der Arzteheiligen Pante-
leimonos, —-> Kosmas und Damian, der Got-
tesmutter und Johannes des Evangelisten. Bei
der abschlieBenden siebenten Salbung legt der
Priester das Evangelienbuch, als die starke >
Hand Gottes, auf das Haupt des Kranken und
bittet um Stindenvergebung (Olung am »roten
Donnerstag« —> Passionszyklus).
Sakramentale Heilsgaben
Weihehandlungen, denen die Orthodoxen fast
die gleiche Bedeutung beimessen wie den sie-
ben Mysterien. Wichtig sind
vr die Wasserweihe (— Taufe Christi, — Ci-
borium).
243
Mystik
ve das Antidoron, bei der Zuriistung des
Abendmahls iibriggebliebenes — Brot, das
nach Abschlu® der Liturgie verteilt wird (>
Eucharistie, > Proskomidie).
+ Ewlojia (Eulogia-Segengaben, — Brot).
Ubersicht: Die Mysterien als géttliche
Gegenwelt zum irdischen Dasein
Mysterien Lebensbereich Ubergangs-
_ markierungen
Taufe Geburt vom Nichtsein
zum Sein
Myron- geistige -
salbung Entwicklung
(Erziehung)
BuBe leidvolles -
Erleben
Abendmahl Nahrung, aber --
auch Liebe
Hochzeit Gemeinschaft, vom jugendlichen
Liebe Unverheirateten
zum Erwachsenen
Chrisma- Krankheit Von der Krank-
élung und Tod heit zur Gesund-
heit, vom Leben
tiber den Tod zur
Auferstehung
Priester- - vom Unein-
weihe geweihten zum
Gottgeweihten
Sechs Mysterien beziehen sich auf die grund-
legenden Situationen des menschlichen Lebens,
ersetzen Bediirfnisse und Ausdrucksformen des
sichtbaren menschlichen Lebens durch Formen
eines geistigen unsichtbaren Lebens.
Die vier wichtigsten Ubergangssituationen im
menschlichen Leben: Eintritt ins Leben, Heirat,
Weihe und Austritt aus dem Leben sind krisen-
Einzelnen. Sie werden von Gemeinde und Kir-
hafte, als gefahrlich empfundene Situationen des
E mitgetragen.
Mystik
O MYCTIKICMOC
O mystikismés
Ziel orthodoxen Glaubens — Vereinigung von
Mensch und Gott (--» Himmlische und kirch-
liche Hierarchie). Die Verschmelzung wird er-
reicht
244
vx durch Vergéttlichung des Menschen bei
der Wiederkunft Christi,
vr rituell in der — Eucharistie. Das Drama
der Liturgie nimmt symbolhaft die Verschmel-
zung zwischen Gottheit und Menschheit
vorweg.
yz in der mystischen Versenkung, praktiziert
vom Ménchtum des Ostens.
Die zwei Hauptstr6mungen der Mystik setzen
sich unterschiedliche Ziele:
x Volliges Aufgehen des Menschen in Gott
bis zum Verlust der eigenen Identitat. Islami-
sche Str6mungen: Mevlana Djelaleddin Rumi
(1207-1273), Griinder eines Derwischordens
in Konya; Hamsa Fansuri, malaiischer Sufi.
x Theoria, Schau Gottes. Der orthodoxe
Glaubige will dereinst, andeutungsweise schon
jetzt, Gott als das unerschaffene Licht vom
Berge Tabor (-9 Verklaérung) schauen. Got-
tesschau setzt eigene Vergottung und zugleich
eigene Identitat gegeniiber Gott voraus. Das
Bildprogramm der byz. Kirchen will dem
Glaubigen symbolisch eine »Vorschau« des
unerschaffenen Lichtes bieten.
Nikolaus
O ATIOC NIKOAAOC
O ajios Nikdlaos
Bischof von Myra, einer der beliebtesten Hei-
ligen Griechenlands und RuBlands, Schutzpa-
tron der Schiffahrt, hat im Osten keinen Bezug
zum Weihnachtsbrauchtum.
Leben und Legende des heiligen Nikolaus
Vor 290 in Lykien in Kleinasien geboren, ver-
teilte Nikolaus nach dem Tode seiner Eltern
das ererbte Vermégen an die Armen. Pilgerte
zu Schiff nach Jerusalem. Als Bischof von My-
ra (am Phinike K6rfezi im Siidwesten von An-
talya) in Lykien setzte er sich fiir die Armen
ein: Den zum Verkauf ins Bordell bestimmten
Téchtern eines Verarmten warf er drei Sack-
chen mit Gold als Aussteuer fiir eine Heirat
ins Schlafzimmer. In der letzten Christenver-
folgung unter Diokletian und Maximian im
Gefingnis, rettete er drei zum Tode Verurteil-
te. Kampfte auf dem Konzil zu Nikaéa 325 ge-
gen die Arianer (> Basilius), verstarb um 350.
Nikolaus
Die byz. Prinzessin Theophano, ab 972 Ge-
mahlin des deutschen Kaisers Otto II., fithrte
die Nikolausverehrung in Mitteleuropa ein.
Sein Grab in Antalya wurde durch Seerduber
ausgeraubt, die Gebeine gelangten unter du-
biosen Umstanden 1084 nach Bari, Unterita-
lien.
Abbildungen von Nikolaus im Bischofsornat
Goldmosaik. Osios Lukas bei Stiri in Phokis,
nach 1000.
Stillung des Sturmes durch Nikolaos. Ajios Nikolaos Orphanos, Thessaloniki, Anfang 14. Jh,
Nikolaus trégt Bischofsornat (> Gewander),
hat einen gepflegten, gerundeten weifen Bart,
Stirnglatze oder rundum kahlen Kopf. Auffal-
lig sein mit groBen Kreuzen besetztes Omo-
phorion. Er erscheint als Einzelfigur in Apsi-
diolenwélbungen (Athen, Daphni, Ende
11.Jh.), oft unter den — Kirchenvatern und
Liturgen in der untersten Zone der Haupt-
apsiswand, in spatbyz. Zeit oft mit Schrift-
band: Der Du uns mit diesen gemeinschaft-
lichen Gaben wohlmeinend beschenkt hast ...
Beliebtes Motiv: Uberreichung der bischéfli-
chen Insignien (der Uberlieferung nach im Ge-
fangnis). Aus den Wolken heraus tiberreicht
ihm von der einen Seite her Christus das Evan-
gelienbuch, von der anderen Seite her die All-
heilige das Omophorion (Nikolaos Orphanos,
Thessaloniki, Anfang 14.Jh.; Charaki Ajios
Nikolaos, Rhodos, 17. Jh.). Zahlreiche Szenen
aus seiner Legende in der Vorhalle von Niko-
laos Orphanos, Thessaloniki.
Nikolaus als Schutzpatron der Seeleute
und der See-Schiffahrt
Bei der Uberfahrt nach Jerusalem brachte
Nikolaus den Sturm zum Schweigen, rettete
so einen iiber Bord gegangenen Seemann.
(Sturmstillung Christi - Wunder am Meer).
Der Heilige wird besonders von Fischern und
Schiffern verehrt. Dem Volksglauben nach
245
Nimbus
trieft sein Bart vor Wasser, seine Kleidung ist
feucht, standig ist er damit beschaftigt, in See-
not geratene Schiffe tiber Wasser zu halten.
Ihm sind Kapellen auf Molen (z.B. in Agina)
oder an vorspringenden Kaps geweiht (Gegen-
sttick —> Elias).
Der Nikolaustag (6. Dezember) markiert den
Zeitpunkt, an dem die heftigen Winterstiirme
einsetzen. Kein Schiff sticht ohne Nikolaus-
ikone in See. Sie soll vor Sturm schiitzen.
Eine Spende von Kollywa (-> Totenbrauche),
geweiht am Nikolaustag, und die Worte: »Hei-
liger Nikolaus, halt ein mit Deinem Sturm!«
garantieren eine Wiederholung seines Sturm-
stillungswunders. Giinstiger Wind kommt auf,
wenn etwas Kollywa gespendet und die Niko-
lausikone an einem Strick ins Meer gelassen
wird.
Die Zueignung der Totenspeise Kollywa kenn-
zeichnet seine Herrschaft iiber das Meer als
Totenwelt (-» Taufe Christi). Nikolaus hat Po-
seidon abgeldst, ist zugleich als Steuermann
des Lebens Gegenspieler zum Steuermann des
Todes —» Charon. Neugriech. Abschiedsgru8
im Hafen:
»Der heilige Nikolaus setze sich an dein Steuerru-
der.« In Seenot geloben Kapitane ihm Votivgaben —
Modelle ihrer Schiffe aus Holz, Silber- oder Gold-
blech oder Bilder ihrer Errettung. Die gesamte
Mannschaft geleitet das »Ex voto« barfiiBig in die
Kirche und hangt es wahrend einer Andacht zu den
andern Votivgaben, die die Nikolausikone bereits
tiberdecken.
Schon Jason hatte seine Argo — Urtyp des griech.
Schiffes — im Original dem Heiligtum des Poseidon
auf dem Isthmus von Korinth geopfert.
In der Antike wurden dem Meeresgott kom-
plette — auch erbeutete — Schiffe, Schiffsteile
und Schiffsmodelle geweiht.
- Nimbus
O ®QTOCTE®ANOC
O Photostephanos
Heiligenschein, vom 7.Jh. an obligatorisches
Merkmal auszeichnenden Charakters fiir alle
heiligen Wesenheiten.
Sonnenhafter Lichtkranz der Herrscher
Der »Kranz aus Licht« geht auf den Strahlen-
nimbus zuriick, der spitestens seit 300 die
246
Képfe von Lichtgottheiten umgab: Helios
(Volutenkrater im Landesmuseum Karlsruhe,
350-300); Mithras (Relief vom Nimrud Dag,
ca. 50 v.Chr.), Sonnengott von Palmyra (Al-
tarstein, Rom Kapitolinisches Museum, 1. Jh.).
Auch in Gestirne verwandelten heroischen
Gestalten, sogar gewOohnlichen Verstorbenen
wurde der Strahlennimbus zugestanden.
Im sog. Haus des Apoll, Pompeji (ca. 65-70
n.Chr.) sind alle Gestirngétter nimbiert. R6-
mische Kaiser wurden nach ihrem Tode zu Ge-
stirmgéttern (+ Himmelfahrt). Zunachst hat-
ten einige von ihnen auf kleinasiatischen Miin-
zen einen Nimbus. In der Apsis des Kaiser-
kultraumes im Ammontempel von Luxor
(Agypten, um 300 v. Chr.) tragen ihn die Te-
trarchen Diokletian, Maximinian, Galerius
und Constantius Clorus, Konstantins Vater
(— Konstantin). Von Konstantin an, Verehrer
der Sonne und des Kreuzes, sind fast alle byz.
Kaiser, armenische, balkanslawische und rus-
sische Herrscher auf Wandbildern, Goldemail-
und Elfenbeindarstellungen nimbiert -- auch
BiiGende (Leon der VI., Portaltympanon Ajia
Sophia; — Kaiser).
Einfacher Nimbus auf christlichen
Darstellungen
Vom Ende des 2.Jh.s an tragt Christus gele-
gentlich einen Nimbus (Katakombenmalerei).
Im 6.Jh. finden sich einige wenige Christus-
darstellungen ohne Nimbus. Der Schein kann
allerdings durch architektonische, den Kopf
umrahmende Details, z.B. Muschelknochen,
ersetzt sein. In der Regel treten Christus von
der Friedenszeit (311) an, spater die Engel,
dann die Gottesmutter, schlieBlich die Apo-
stel, Heiligen und Propheten mit Nimbus auf.
Byz. Nimben sind alle flachig und meist goldbelegt,
perspektivische Nimben, wie im Westen seit Giotto
bekannt, fehlen. Vereinzelte viereckige Nimben
(Ajios Dimitrios, Thessaloniki, Mitte 7.Jh.) wurden
vermutlich noch lebenden Personen zugeteilt. Alle-
gorische engelhafte Figuren von der postbyz. Zeit
an haben. einen Acht-Zackenstern-Nimbus (—°
Ostern).
Der Kreuznimbus Christi
Verschmelzung von Kranz und Kreuz
Christi Heiligenschein (fast ausschlieBlich nur
seiner; > Engelbesuch — Pfingsten) ist immer
Noah
ein Kreuznimbus. In friihchristl. Zeit ver-
schmolz der Kranz mit Christusmonogramm
oder Kreuz -- zunachst als Triumphzeichen
liber seinem Kopf schwebend -- mit seinem
Heiligenschein. Nimben des 4.Jh.s, auch jiin-
gere, enthalten das Monogramm (San Loren-
zo, Milano, 355-397; Auferstandener, Santa
Sabina, Rom, 432; ravennatische Sarkophage
des 5. und 6.Jh.s). In justinianischer Zeit
(6.Jh.) hat sich fiir Christus der Nimbus mit
dem Gemmenkreuz — als dem wahren, von >
Konstantin und Helena aufgefundenen —
» Kreuz (~ Kreuzerhohung) — durchgesetzt.
Vor und im Bilderstreit kann das Gemmen-
kreuz Christus selbst vertreten.
Nimbus mit Fiinf-Punkte-Kreuz
Christus mit dem Fiinf-J uwelen-Kreuznimbus. Elma-
li Kilise, GGreme, Kappadokien.
Ab mittelbyz. Zeit konkurriert das schlichte,
grafisch umrissene Kreuz im Nimbus mit einer
Sonderform des Gemmenkreuzes: in jedem
Kreuzarm fiinf Juwelen als Punkte, als Rhom-
ben, oder vier Punkte um einen zentralen
Rhombus oder Kreis. .
Die Punkte weisen in der fiir Symbole typi-
schen Mehrdeutigkeit auf Eucharistie und
Kosmos hin:
ye fiinf eucharistische Prosphorenbrote ent-
sprechen den fiinf - Broten der Speisung der
5000 (> Praskomidie; -> Wunderspeisungen).
τς fiinf eucharistisch verstandene Wunden
Christi am Kreuz.
ἥν fiinf Punkte markieren die Ausdehnung
der Welt — Osten, Siiden, Westen, Norden und
die Mitte (-» Kosmos; — Kirchengebaude;
— Kreuz).
ἦς Christus umgeben von den vier — Evange-
listen: seit Irendus (2. Halfte 2.Jh.) kosmolo-
gisch als die vier Winde, das Evangelium in die
vier Ecken dér Welt tragend, interpretiert.
Die fiinf Christus als Abendmahlsgabe (— Bil-
derfeindliche Ornamente) und Kosmokrator
kennzeichnenden Punkte sind Nachbildungen
von Edelsteingruppen auf Staurotheken und
Evangelien, nach dem Vorbild des Behaltnis-
ses des wahren Kreuzes. Die Fiinf-Juwelen-
Symbolik erscheint auch auf der gemmenge-
schmiickten Fassung des Evangeliars (Daphni,
Athen, Ende 11.Jh.) in den Handen des Pan-
tokrators (-9 Mandylion).
Die géttlichen Buchstaben im Nimbus
Von spatbyz. Zeit an werden anstelle der
Gemmen die drei Buchstaben. O QN O On
(der Seiende) auf die drei sichtbaren Kreuz-
arme verteilt — die griech. Fassung des Gottes-
namens Jahwe: Ich bin der ich bin. Gott ist der
wirklich unverganglich Seiende. Der Mensch
vermag von sich aus nur begrenzte Zeit zu
»existieren«.
Das Kreuz im Nimbus weist auf die mensch-
liche Natur Christi, die drei Buchstaben auf
seine géttliche Natur hin.
(Das griechischsprachige AT gibt die beiden
Selbstaussagen Jahwes 2. Mose 3, 14 mit »O
On« wieder.)
Noah
O NQE
ONG6e
Erzvater des AT, von Gott aufgefordert, die
Arche zu bauen, wurde mit seiner Familie vor
der Sintflut gerettet, hat zum Dank einen Al-
tar gebaut und geopfert. Gott schlo8 mit ihm
einen Bund (1. Mose 6, 9-9, 29).
Typologie um die Sintflut und Noahs Opfer
»Du meine Seele allein hast gedffnet deines Gottes
Zorneskatarakt, hast tiberflutet alles Fleisch wie ein
247
ΟἹ vom Olivenbaum
Land, die Werke und das Leben und bliebest der
Heilsarche ferne.« BuSgebet am Mittwoch der 1. Fa-
stenwoche
Als typologisches Vorbild fiir Errettung und
Uberwindung des Todes (= Sintflut) findet
sich Noah bereits in der Katakombenmalerei,
auf seiner Arche stehend, mit erhobenen Han-
den betend oder die Taube aussendend. Der
Urozean des Chaos (> Wunder am Meer),
Ort des Todes, umschlieBt und bedroht die be-
wohnbare Erde. Die Taufe ist Durchgang
durch den Tod, die Sintflut wird zu ihrem Ty-
pus (> Ciborium; —> Taufe Christi).
Das Opfer Noahs, sein Weinanbau gelten als
Hinweis auf die Eucharistie.
Szenen mit Noah und seiner Familie
Ereignisse um Noah werden dargestellt in der
friih- und mittelbyz. Buchmalerei, in einigen
in Italien gelegenen mittelbyz. Kirchen (Mo-
saiken) und in spat- und nachbyz. Freskodar-
stellungen:
+r Gott fordert Noah auf, die Arche zu bauen; die-
ser schaut nach oben, auf einen Lichtstrah! mit der
Inschrift: »Bau dir eine Arche, viereckig aus Holz.
Siehe, ich werde eine Flut kommen lassen.«
vw Noah fertigt mit Hilfe seiner SOhne die Arche
an. Die Todgeweihten schlemmen und prassen, ver-
spotten Noah. Tiere zichen paarweise in die Arche
(—> Typus der Kirche) ein.
w Auf der ansteigenden Flut schwimmen Leichen.
Die Arche hat sich auf einer Bergspitze festgefah-
ren. Noah la&t durch eine Dachluke die Taube aus-
fliegen — Vorbild, fiir die Geistestaube, die bei der
— Taufe Christi herabfahrt.
yr Noah opfert auf einem Berg, die Arche steht auf
trockenem Land. Die Tiere kommen heraus. Auf
einem Altar liegen Schafe, Végel und andere reine
Tiere, Noah und alle um ihn recken die Arme zum
Himmel — Hinweis auf den Bund des AT zwischen
Gott und Abraham, die Einsetzung des neuen Bun-
des zwischen Gott und seiner Gemeinde.
yw Noah pflanzt den Weinstock — Hinweis auf Chri-
stus (»Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben.«
Joh. 15, 5), auf den Abendmahlswein.
vv Wahrend Noah vom Weine berauscht schlum-
mert, verrutscht sein Gewand. Sein Sohn Ham,
weist belustigt seine Briider Sem und Japhet auf des
Vaters BléBe hin. Typos der Verspottung Christi
(1. Mose 9, 20-27).
248
Ol vom Olivenbaum
TO EAAIOAAAON
To Eladéladon
Oliven- und Feigenbaum sind die altesten Kul-
turbaume Griechenlands und Palastinas. Oli-
venhaine bestimmen das Landschaftsbild, wir-
ken sich auf das Mikroklima aus. Der Wohl-
stand Altkretas beruhte auf Olivenédlexport
nach Agypten. Ol diente zur Nahrung, Be-
leuchtung, Salbung und Heilung.
Die Olive als Baum des Friedens
Olivenbaume tragen erst nach dem 7. Lebens-
jahr, Olivenkulturen gedeihen nur in befriede-
ten Gebieten (Eindringlinge pflegten Quellen
zu verstopfen und Baume abzuhacken). Des-
halb wurden Olzweig und Olbaum zum Sym-
bol des Friedens: Die friedlicbende Athene
war die Schutzherrin der attischen Olivenkul-
turen. Fiir die christ]. Griechen ist die Olive
der Baum der Muttergottes (~ Geburt Chri-
sti).
Dem — Noah in der Arche brachte die ausge-
sandte Taube einen Olivenzweig (1. Mose 8,
11) als Zeichen, da8 die Sintflutwasser gefal-
len, und als Friedensangebot Gottes, der mit
Noah seinen ersten Bund schlieBen wollte.
Vielseitige Anwendung von Olivendl
Olivendél war in der Antike hochwertiges Nah-
rungs- und Wiirzmittel, Brennstoff fiir die
Lampen, Weichappretur fiir Stoffe, Heilmittel
und — mit aromatischen Krautern versetzt —
Balsam fiir die Kérperpflege. In Griechenland
rieb man sich anlaBlich von Gastmahlern mit
duftendem ΟἹ] ein. In Paldstina wurden Gaste
durch eine Olmassage geehrt:
»Du (Gott) bereitest vor mit einem Tisch im Ange-
sicht meiner Feinde. Du salbest mein Haupt mit Ol
und schenkest mir voll ein.« Ps. 23
Letzter Liebesdienst fiir die Toten war die
Einbalsamierung mit Myrrhenél. Der Herr-
scher Israels wurde durch eine Olsalbung,
nach jiidischem Verstindnis von Jahwe selbst
vollzogen, zum heiligen K6nig. Christos — »der
Gesalbte« -- ist die griech. Ubersetzung des
Hebridischen »Maschiah« (Messias). Auch die
byz. Kaiser lieBen sich, nachweislich vom
13.Jh. an, unmittelbar vor der Krénung vom
Patriarchen salben.
Die éstlichen Kirchen benutzten ΟἹ als medizi-
nisches Heilmittel, bei der Krankendlung und
der Myronsalbung (—> Mysterien).
Als Heil- und Heilsmittel begehrt ist das Ol in
den Leuchten vor den Ikonen oder Reliquien
groBer Heiliger (Olschicht iiber Wasser in
einem Glasbecher, der Docht schwimmt an
einem Korkstiickchen befestigt darin). An den
Namensfesten u.a. der Arzteheiligen (— Pan-
teleimon, —> Kosmas und Damian) setzen die
_ Glaubigen alles daran, nach dem Gottesdienst
. an das Ol heranzukommen. Etwas vom guten
Ruf des heiligen Lampendls ist auf die Kerzen
iibergegangen, die aus den Gottesdiensten mit
nach Hause gebracht und als Heilmittel ver-
wendet werden.
Ol und Reliquien
Besonders beliebt als Heilmittel von altchristl.
Zeit an bis heute ist Reliquiendl. Splitter von
Martyrergebeinen, vom Kreuz Christi standen
nicht unbegrenzt zur Verfiigung; wurden er-
setzt durch einfacher zu beschaffende Ewlojies
(Segensmittel) - Erde und Wasser von den hei-
ligen Statten Palastinas, besonders von
te Ol, das in den Lampen der Kirchen brann-
te, die von —> Konstantin und Helena an heils-
geschichtlichen bedeutungsvollen Orten er-
richtet worden waren. (Besonders wichtig: Ol,
auch die Lichtflamme vom Heiligen Grab.)
vr Ol, das mit dem in der Grabeskirche aufbe-
wahrten Heiligen Kreuz in Beriihrung gekom-
men war.
xx Ol, das aus Heiligengebeinen und Kreuz-
reliquiaren tropfte:
»Als heilbringende Quellen verlich uns der Herr
Christus die Reliquien der Heiligen, die auf mannig-
fache Weise die Segnungen ausstrémen, ein duften-
des Ol ergieBen.« Johannes Damaszenus, Glaubens-
lehre 4, 15
Die Rolle der Pilgerflaschchen fiir Ol
fiir die Verbreitung christlicher Kunstmotive
Vom 6.Jh. bis Anfang 7.Jh. (islamische Er-
oberung) hat sich in Palastina eine Industrie
zur Herstellung von Pilgerampullen fiir heili-
ges Ol herausgebildet: zwischen 4 und 8,5cm
hohe, flache, feldflaschenférmige Ampullen
Ol vom Olivenbaum
LIN,
nN
Pilgerfldaschchen fiir Ol aus Palistina, 6. 5h.
aus Blei-Zinn-Legierung, auch aus Ton, aus
Silber, seltener aus Gold. Bekannt sind 22
komplette und 25 fragmentarisch erhaltene
Blei-Zinn-Ampullen. Sie wurden als Amulette
(als eine Art von Enkolpion) um den Hals ge-
tragen, auch vor die Schlafstatt gehangt und
dem Besitzer schlieBlich ins Grab mitgegeben.
Der Inhalt ist, nach einer haufigen Umschrift
auf der Frontseite, »Ol vom Holze des Lebens
von den heiligen Stétten Christix. Die Ver-
wendung als Grabbeigabe erklart sich aus dem
apokryphen Nikodemusevangelium (5./6.Jh.),
Kap. 19: Der sterbende Adam hat seinen Sohn
Seth ausgesandt, am Tor des Paradieses von
den Engeln lebensrettendes Ol vom Baum der
Barmherzigkeit zu erbitten. Seth wurde auf
das Kommen Christi vertréstet. Das Heilsdl
flieBt aus dem Kreuz als dem neuen — Le-
bensbaum.
Eine weitere tibliche Umschrift »Ewlojia (Se-
gensgabe) des Herrn von den heiligen Statten«
erinnert an das Ewlojia-Brot. Die — Brote,
auch Prosphoren (> Proskomidie) erhalten ei-
nen Stempelaufdruck, beide Seiten der Flasch-
chen wurden mit symbolischen Bildktirzeln
und Inschriften tiberpragt.
249
Oranten
Die Ampullen waren — neben Pilgermedaillons
(Amuletten), Miinzen, ténernen Ollampchen
- die wichtigsten, nach einem Vervielfa-
chungsverfahren hergestellten Bildtrager. Ihre
Motive: Die auf eine Kurzform reduzierten
Kirchen iiber den heiligen Statten und dessen
bedeutendster Bildschmuck (— Altar; —
Kreuz).
Mit den zuriickkehrenden Pilgern verbreiteten
sich die Ampullen tiber die gesamte christl.
Welt, beeinfluBten ihre Motive die religidse
Ikonographie.
Auf den Darstellungen des Heiligen Grabes und der
Geburtskirche, auf den Ampullen selbst wie auf
Buch- und Wandmalereien, erscheinen tiberbetont
gro8 Ollampen und das Heilige Kreuz selbst -- die
wichtigsten Quellen fiir das Heils6l in den Flasch-
chen.
Oranten
OI ITPOCEYXONTEC
I proséwchontes
Darstellungen von Betenden mit erhobenen
Handen und nach vorne gewandten Handfla-
chen, frontal von vorne gesehen. Gebetsgestus
der Gottesmutter.
Die Gebetshaltung mit erhobenen Handen
In der schon im NT und vorher bezeugten
eindrucksvollen Gebetshaltung 6Offnet sich
der Mensch fiir die herabstrémende Gnade
Gottes.
Die Geste wird auf friihchristl. Sepulkralbil-
dern von den Seelen Verstorbener vollzogen,
kommt auch noch auf friihbyzant. Mosaiken
vor (Sant’Apollinare in Classe, Ravenna, Ap-
sis 6. Jh.). Bis in spatbyz. Zeit wendet — Ma-
ria sie als Repradsentantin der betenden Kirche
an (Sophien-Kathedrale, Kiew, 11.Jh.), in
Szenen der —> Himmelfahrt und von — Pfing-
sten. Der Gestus, in friihchristl. Zeit unter
Glaubigen verbreitet, erméglicht tiberzeugend
die Darstellung eines aus tiefer Not zum Him-
mel schreienden Menschen -- — Noah in der
Arche, — Daniel in der Léwengrube. Das
Ausgreifen des Oranten zum Himmel will den
Tod tiberwinden: Klagefrauen strecken auf
Bildern (— Passionszyklus) ihre Arme eksta-
tisch hoch, sehen Orantinnen gleich.
250
Die Kirchenvater begriffen die Haltung als
Nachahmung der Haltung Christi am Kreuz:
»Wir aber heben nicht nur unsre Hande hoch, son-
dern breiten sie auch aus, indem wir so die Leiden
unseres Herrn nachbilden und beten, bekennen wir
Christus.« Tertullian .
Apollinaris Orantenhaltung (Ravenna, Sant’
Apollinare in Classe) vollzieht ganz deutlich
die Geste des Gekreuzigtwerdens, abgestimmt
auf das Kreuz, das tiber ihm erscheint. Wie bei
der Kiewer Muttergottes sind die Hande ge-
spreizt, zeigen die zehn Finger — den Zahlen-
wert fiir das hebraische Joch (= Hand) und
des griech. Jota - Anfangsbuchstaben des Na-
mens Jesu (—> Zahl 10).
Apollinaris vollzieht m.E. die eucharistische
Gebetsgeste des Priesters.
Eucharistische Orantenhaltung und.
Bedeutung des Aufrechtstehens
»Ich wiinsche nun, da die Manner allerorts beten,
indem sie heilige Hande hochhalten, ohne Zorn und
Zweifel.« 1. Tim 2, 8
Der Priester volizieht in der Liturgie haufig den
Orantengestus. Den —» eucharistischen Charakter
verdeutlicht er, indem er unmittelbar vor dem gro-
Ben Einzug den Diakon auffordert, den heiligen
Diskos mit dem Abendmahlsbrot zu ergreifen: »He-
bet eure Hande auf zum Heiligtum und lobet den
Herrn« Ps. 134 (133). Die Glaubigen werden zu Be-
ginn der Abendmahlsliturgie aufgefordert: »Lasset
uns aufrecht stehn!« »Lasset uns schén stehn!«
es
Heilige in Orantenhaltung. Eustatioskirche, Géreme,
Kappadokien. .
1
Ornamente .
In der Zeit zwischen Ostern und Pfingsten, an allen
Sonntagen als den Gedenktagen der Auferstehung,
beugt kein orthodoxer Christ die Knie.
Das Aufrechtstehen symbolisiert die Auferstehung.
Die Orantenhaltung, auch im Judentum des AT und
im griechischen Altertum durchaus tiblich, hat sich
als Prototyp der aufrechten Haltung im frithen Chri-
stentum gegeniiber der Proskynese, dem Sichnie~-
derwerfen vor dem Herrscher, durchgesetzt.
Sich niederzuwerfen wie im alten Orient oder
im Islam (= Unterwerfung), dokumentiert
den Rechtszustand der Knechtschaft, aufrecht
zu stehen vor Gott den der Gotteskindschaft.
Ornamente
TA KOCMHMATA
Ta kosmimata
Die Architektur der Antike betont den plasti-
schen Eigenwert jeder Einzelheit. Architek-
turdetails, Oberflachenbearbeitungen (Kanne-
luren der Saulen) zielen darauf ab, durch das
Spiel von Licht und Schatten die Kérperlich-
keit der Bauelemente, ihre jeweilige tragende
oder haltende Funktion (Tektonik) zu unter-
streichen.
Die byz. Ornamentik — aus verschiedenfarbi-
gen Steinlagen und Flachreliefs im AuSenbau,
aus Fresko, Mosaik, aus Naturmaserungen
und poliertem Stein im Inneren — verschleiert
Harten und Kanten an den Nahtstellen zwi-
schen den Bauteilen selbst da, wo sie architek-
tonische Formen gliedert. In justinianischer
Zeit (6. Jh.) fiillen Ornamente die Wande und
Gewolbe von Kirchen. Heilsgeschichtliche
Geschehnisse und Personen sind darin hinein-
verwoben. Die Erdenschwere der tragenden
Teile wird durch das dariibergebreitete Dekor-
gespinst verhiillt und aufgehoben. Die frith-
ikonoklastischen, teppichartigen Gewdlbe-
Uberkleidungen lassen den schwer lastenden
Fels der Hohlenkirchen leicht und luftig er-
scheinen. In mittel- und spatbyz. Zeit tiber-
kleiden breite, spater schmalere Ornament-
bordiiren die Nahtstellen zwischen den Archi-
_ tekturdetails und rahmen die Bildfelder.
Die musivischen oder gemalten Ornamente
erinnern an kostbare Stoffdecken, an Gewdn-
der’ an Stolen, an Wandteppiche, an Vorhan-
ge und Bahnen von Prunkzelten. Es sind Ge-
Flechtbandornament aus der Klosterkirche zu Osios
Lukas bei Stiri in Phokis.
webe, die aus Griinden vereinfachter Herstel-
lung meist ein- oder zweiachsig symmetrisch
angelegt sind.
Diese musivischen und gemalten Stoffe lassen
sich als bildliche Ergénzung des Altarvor-
hangs, aus dem spater die Bilderwand wurde
(—> Ikonostase) und als Stoffverkleidung der
unteren Apsiswande verstehen. Gemalte Imi-
tationen frei fallender Vorhange sind haufig.
Die Band- und Flechtornamente betonen das
Element der Bindung und Verbindung der Or-
namentfiguren untereinander. Darin spiegelt
sich das Bediirfnis nach Eingebundensein in
die vergdttlichte Umwelt, was auf mystische
is
Flechtbandmuster aus Tokali I, Géreme,
Ende 10. Sh.
251
Ostern/Auferstehung
Weise in der — Eucharistie vollzogen wird. In
Kappadokien werden ganze Ornamentfelder
aus eucharistischen Zeichen aufgebaut. Die
Vorliebe fiir Schlaufen, auch fiir Knotenmu-
ster, erinnert an den Bindezauber: Liebeszau-
ber, Abwehr von Daémonen (-> Eleutherios).
Ostern /Auferstehung
TO TIACXA/H ANACTACIC
To Pascha/I Andstasis
Feier der Auferstehung, nach Gregor von Na-
zianz »Fest der Feste«. Wie Christus als der
Dreizehnte tiber den zwélf Aposteln steht (>
Zahl 13), so Ostern tiber den zw6lf Hochfesten
(Dodekaorthon -> Festtagskalender).
Datum des Osterfestes
Am Ostertermin hingt der gesamte beweg-
liche Festtagsteil des Kirchenjahres — 48 Tage
vor und 50 Tage nach Ostern —, der sich mit
ihm um insgesamt 28 Tage (einen Mond-
zyklus) vom Friihjahrsbeginn an, hin und her
verschiebt. Seit dem Konzil von Nikda 325 fei-
ern alle gréBeren christl. Kirchen Ostern am
1.Sonntag, der dem 1.Friihlingsvollmond
(nach dem 21. Marz) folgt.
Der orthodoxe Ostertermin fallt selten mit dem
westlichen zusammen, liegt meist ein bis zwei (bis zu
sechs) Wochen spater, weil nicht nach dem im We-
sten im 16.Jh. eingeftthrten gregorianischen Kalen-
der, sondern nach Julius Caesars julianischem be-
rechnet. Da der in 400 Jahren drei Schalttage mehr
hat, verschiebt sich der kalendarische Frithlingsbe-
ginn immer mehr in den Sommer hinein (Differenz
z.Z. 13 Tage).
In den Ostmittelmeerlandern wurde Ostern ur-
spriinglich an einem festen Termin gefeiert. Im Sin-
ne der friihchristl. Gleichsetzung heilsgeschicht-
licher und astraler Vorgéinge (+ Apostel; - Mond)
hatte der bewegliche Termin den Vorzug, das Fest
zugleich ans Sonnenjahr (julianisch 365,25 Tage,
gregorianisch 365,2425) und ans Mondjahr (354
Niachte) anzubinden.
Osterliturgie und Osterbrauche
Bezeichnenderweise wurde friiher die Aufer-
stehung zur Zeit des Sonnenaufganges gefei-
ert. Heute beginnt der Ostergottesdienst am
Samstagabend, die Ausrufung der Auferste-
hung erfolgt um Mitternacht griech. Zeit. Die
252
Glaubigen sind in neuen Kleidern, zumindest
mit neuen Schuhen, in die reich mit Lorbeer
und Myrthe geschmiickte Kirche gekommen,
weiRe Kerzen in Handen. Vor Mitternacht
herrscht verhaltene Trauer: Die Schéne Pforte
ist verschlossen, der Chorgesang klingt dumpf,
das Licht ist gedampft. Vor dem entscheiden-
den Augenblick erlischt es véllig. Der Chorge-
sang schlagt in Tonhéhe und Rhythmik um,
Erregung packt die Menge — Stimmengewirr.
Der Priester tritt, in Vertretung des Aufer-
standenen, durch die Schéne Pforte, eine
brennende Kerze in der Hand:
»Eilet herzu, nehmet das Licht vom Licht, fiir das es
keinen Abend gibt, und ehret Christus, der aufer-
standen von den Toten!«
Die zundchst Stehenden entziinden ihre Ker-
zen an der des Priesters, reichen die Flamme
weiter. Eine anschwellende Flut von Lichtern
breitet sich aus vom Osten bis in den 4uersten
Westen der Kirche, und bis hin zu denen, die
drauBen stehen vor der tiberfiillten Kirche.
In die hell erleuchtete Kirche hinein ruft der
Priester Christds anésti, die Glaubigen fallen in
den Hymnus ein:
Χριστὸς ἀνέστη ἐκ νεχρῶν,
ϑανάτω ϑάνατον πατήσας,
καὶ τοῖς ἐντοῖς μνήμασι ξωὴν χαρισάμενος.
»Christ ist erstanden von den Toten,
den Tod mit dem Tode zertretend
und denen in den Grabern das Leben schenkend.«
Das Lied wirkt wie ein Signal: Der Priester
fiihrt eine Prozession von Lichter- und Fah-
nentragern nach drauBen, die Menschen fallen
einander um den Hals, kiissen sich auf beide
Wangen: Christés anésti — alithés anesti (er ist
wahrhaftig auferstanden). Aller Groll, der sich
ein Jahr lang aufgestaut hat, ist vergeben. Man
schlagt die mitgebrachten roten Eier aneinan-
der und it sie — froh, daB das strenge Fasten
zu Ende ist. Wahrenddessen singt der Chor
lobpreisende Hymnen, immer wieder das
Triumphlied. Die Glaubigen singen mit,
schwingen im Rhythmus ihre Kerzen, Béller-
schiisse tiberténen das Gelaut der Glocken
und das Heulen der Schiffssirenen. Die Aufer-
stehungsikone liegt auf einer Festtribiine vor
der Kirche oder vor der Bilderwand. Die Men-
schen stehen Schlange, um sie mit Kiissen (-Ὁ
Ostern/Auferstehung
KuB8) zu tiberdecken. Vor Abschlu8 des Got-
tesdienstes wird sie um die Kirche herumgetra-
gen. Die meisten eilen nach Hause, um nach
dér langen Fastenzeit gut zu essen: meist eine
bekémmliche Ostersuppe aus Lamminnereien,
die Majeritsa.
᾿ ὶ
Frauen bringen -- in diesem Falle in der Woche vor
Ostern — die Ikone der Panajia von Skiadi, die einen
Tag lang in der Kirche von Embonas verehrt worden
war, nach Ajios Isidoros, Rhodos.
Den ganzen Weg tiber wird darauf geachtet, daB die
Kerzenflamme nicht erlischt, man will die Lichter
vor der Hausikone neu entztinden. Vielerorts wird
auch das Herdfeuer am grofen Freitag geléscht und
am Osterlicht neu entztindet. Die Pilger, die Ostern
im Heiligen Land verbracht haben, bringen von der
Leuchte am Heiligen Grab das Osterlicht mit (>
Ol). Wenn sie kurz nach Ostern in Pirdus ankom-
men, warten dort Papades und Glaubige, um etwas
vom Licht von den heiligen Statten zu tibernehmen
fiir die Léuchte in der Kirche oder vor der Haus-
ikone.
Die Osterfeiern halten mit gutem Essen — das
Osterlamm gehért dazu -- Wein und Ouzo,
griech. Musik und Reigentaénzen die ganze
Osterwoche an.
Fiir die Toten, die mit Christus auferstanden
sind — bis Pfingsten haben ihre Seelen Urlaub
aus der Totenwelt — entflammen die Frauen
am Sonntagabend Ollampchen auf den Gra-
bern; sie opfern Weihrauch, legen mancher-
orts rote Eier, Brot und Kase (die sich spater
die Kinder und die Armen nehmen diirfen) auf
den Grabern nieder.
Awghouli—Osterbrot aus Archangelos, Rhodos.
Jeder Ort hat eigene Osterbraéuche: In Chora auf
Folegandros finden die Passions- und Ostergottes-
dienste in der Ortskirche statt. Am friihen Oster-
morgen folgt eine kurze Andacht in der Kimesiskir-
che am Berghang oberhalb des Ortes. Zwei Bur-
schen bringen die wundertatige Ikone der Panajia
Odigitria herab auf die Platia. Alle Dorfbewohner
kiissen die Ikone und gehen dann einzeln gebtickt
unter ihr hindurch. Es formt sich eine Prozession
mit einem Weihrauchfaftrager, der Ikone, dem Pa-
pas, der wie Christus beim — Einzug in Jerusalem
auf einem Esel reitet, psalmodierenden Frauen,
schlieBlich der gesamten Dorfbevélkerung. Die Iko-
ne wird in jede Kirche und in jedes einzelne Haus
des Dorfes getragen, der Priester spricht seinen Se-
gen. Jede Familie hat einen geschmiickten Tisch mit
SiiBigkeiten, Ostereiern, Wein, Bier und Raki
(Schnaps) aufgebaut. Keiner der Begleiter darf wei-
terzichen, ohne gegessen und getrunken zu haben.
Am Ostermontag zieht die Prozession zum Nach-
bardorf, auch dort besucht die Ikone jedes Haus.
Am Osterdienstag werden einige Landsitze und der
kleine Fischerort Karawi Stasis besucht, die Ikone
auf jedes einzelne Schiff gebracht. Mit einem Boot
fahrt sie zu den Fischgriinden, die gesegnet werden.
Bei ihrer Riickkehr in das Lokal des Fischerortes
erklingt Musik, es wird getanzt. Am Spatnachmittag
kehrt sie in ihre Kirche zuriick. Der ganze Mikro-
kosmos der winzigen Insel bis hin zu den Abgriin-
den im Meere ist mit dem Segen vom Himmel
durchtrankt.
253
Ostern/Auferstehung
Osterliche Umginge der Marienikone gibt es
auch andernorts, z.B. auf Kalymnos, in Ele-
ousa und Kattawia auf Rhodos.
Die drei dsterlichen Motive im Hauptschiff
und in der Festbildreihe der Bilderwand
Anastasis — Christi Auffahrt aus der Unterwelt,
Osios Lukas, nach 1000.
1. Christi Auffahrt aus der Unterwelt ist das
weitaus wichtigste byz. Ostermotiv, setzt die
Worte der Liturgie in Farben und Formen um.
Es zeigt nicht die Auferstehung aus dem Grab,
sondern das Eindringen Christi in die Unter-
welt und den Beginn seiner Auffahrt nach
oben. Er hat den Herrn des Todes besiegt,
Pforten und Fesseln gesprengt, die verstorbe-
nen Urvater befreit: ᾿
»Und der Tod ist vergangen und Adam frohlockt, o
Gebieter, und Eva, jetzt von den Fesseln befreit,
freut sich und ruft: Du bist es Christus, der allen die
Auferstehung schenkt.« Kontakion der Auferste-
hung, Sonntagsliturgie
»Du stiegst bis in die tiefste Erde hinab und zer-
brachst die ewigen Riegel, die die Gequalten fest-
halten, o Christus, und nach drei Tagen, wie Jonas
aus dem Ungeheuer, stiegst Du heraus aus dem
Grabe.« 6. Ode der Osternachiliturgie
»Christus stieg allein hinab zum Kampf gegen den
Hades, und er kam wieder herauf nach oben und
nahm mit sich eine Fiille an Siegesbeute.« Oster-
liturgie
Die westliche Bezeichnung des Motivs Héllen-
fahrt Christi oder Christus in der Vorhdlle ist
unzutreffend. Gemeint ist nicht der Ort der
Verdammten, sondern der Hades als »Warte-
saal der Verstorbenen«. Die dlteste, nicht voll
254
entwickelte Fassung (Ciboriensdule, San Mar-
co, Venedig) wird dem 4. oder 5.Jh. zuge-
schrieben. Ausgereift ist die Darstellung auf
einem Kreuzreliquiar des 7. Jh.s (Metropolitan
Museum, New York): Christus halt in der
Rechten den Kreuzesstab als Siegespanier. Oft
rammt er ihn dem Herrscher des Totenreiches,
der sich unter seinen FiiRen befindet, in den
Leib. Die andere Hand reicht er dem weifsbar-
tigen Urvater Adam, um ihn aus der Hades-
tiefe oder einem Sarkophag emporzuziehen
(Daphni, Athen, Ende 11.Jh.). Auf manchen
Darstellungen rei8t Christus Adam zu sich em-
por (Osios, Lukas, Anfang 11.Jh.), ein Zipfel
von Christi Obergewand flattert wie ein Fliigel
in der Luft. Die Urmutter Eva, stets in einem
roten (Erdverbundenheit, Stinde, -> Farbe)
Obergewand, erhebt sich, streckt Christus ihre
verhiillten +> Hinde entgegen. Spater (Chora-
kirche, Konstantinopel, 1315-1321) ergreift
Christus schwungvoll mit der Rechten die
Rechte Adams, mit der Linken die Rechte
Evas (links ist noch heute in den Kirchen die
Frauenseite).
Unter den auferweckten Urvatern, die im AT
auf Christi Auferstehung hingewiesen haben,
finden sich auf friihen figurendrmeren Bildern
— David und — Salomon im kéniglichen Or-
nat, spater kommt Johannes der Taufer dazu.
Von mittelbyz. Zeit an erscheint meist rechts
eine Gruppe von Propheten (mit - Moses und
—> Jesaia). In spatbyz. Zeit werden ihnen hau-
fig Reprasentanten des NT, z.B. sechs Apo-
stel ohne Heiligenschein — die Apostel lebten
noch, als sich die Auferstehung ereignete — ge-
geniibergestellt (Chorakirche, Konstantino-
pel). Auf friihen mittelbyz. Fresken erheben
sich am unteren Bildrand viele winzig kleine
Tote aus Grabern (Héhlenkirchen in Kappa-
dokien). Auf Fresken und Ikonen ist Christus
ab 10./11.Jh. von einer ovalen, kreis- oder
mandelférmigen Mandorla umgeben, sie kann
lichthaltig hell sein, auch rot gesdumt und mit
Lichtstrahlen durchkreuzt (Andreaskreuz;
Barbara Kilise, So’anli, Anfang 11.Jh.).
Spitere Mandorlen bestehen aus drei oder
mehreren konzentrischen hellen und mit Ster-
nen gefiillten Schalen:
»Als Du hinabstiegst zum Tode, Du, das unsterbli-
che Leben, erhelltest Du den Hades mit dem Blitz
Deiner Gottheit.« Liturgie des grofen Freitag
Ostern/Auferstehung
Christus steht als Sieger auf dem Kérper oder
Hals einer halbnackten Figur mit weiBen Haa-
ren und Bart (> Fu8). Letzterer, haufig gefes-
selt, ist der Herr der Unterwelt, von Beischrif-
ten bezeichnet als Satan (— Teufel) oder Ha-
des; er halt sich, wie geblendet von der Licht-
mandorla, die Augen zu. Die Pforten der Un-
terwelt sind aufgesprengt: geborsten sind Ei-
senketten und Schlésser, zwei Torfliigel aus
den Angeln gehoben und kreuzférmig tiber-
einandergelegt. (In Mani, Stidpeloponnes,
werden bei Bestattungen zwei Tragstangen fir
den Sarkophag iiber Kreuz in die Erde ge-
steckt, wie die aufgesprengten Tiirfltigel des
Hades.) Die Unterwelt erscheint oft von Fel-
sen eingefaft, wie ein Grab. Ab spatbyz. Zeit
ist die gesamte Szene eingebettet in eine Hoh-
le innerhalb einer Berglandschaft (Chorakir-
che, griechische und russische Ikonen): die
weihnachtliche Geburtshéhle nimmt symbo-
lisch Christi Abstieg in die Totenwelt vorweg.
Das bis ins 15.Jh. hindurch »engelfrei« gebliebene
Anastasismotiv — niemand hat die Auferstehung ge-
sehen, auch nicht die Engel — kann sich in postbyz.
Zeit der Tendenz, biblische Hauptereignisse mit
Engeln anzureichern, nicht entziehen: Engel fesseln
den Satan, flankieren die Kreuz- und Marterwerk-
zeuge, halten die Mandorla. Kleine Engelchen hel-
fen den Verstorbenen aus den Grabern. Als ihre
Gegenspieler bevélkern winzige verschreckte Teu-
felchen die Unterwelt. Uber der Erde mit ihrer Ha-
deshohle stehen engelahnliche gefliigelte Wesen mit
achtzackigem —> Nimbus — gekennzeichnet als Alle-
gorien der »Unzerstérbarkeit«, des »Sieges«, des
»Jubels«, der »Freude« — alles Ausdriicke aus der
Osterliturgie (Meteora, Warlaam, Mitte 16.Jh.).
Die Allegorien befacheln das Auferstehungsereignis
mit Rhipidien (Ehrenfacher, -- Pfau), wie der Dia-
kon zu Beginn der Anaphora, dem Héhepunkt der
—» Eucharistie, die heiligen Gaben befachelt. Die
Anaphora bedeutet symbolisch die Auferstehung:
wie Christus Adam und Eva aus der Totenwelt her-
aufzieht, so zieht er die Glaubigen in diesen feier-
lichen Ritus zu sich empor zum himmlischen Altar
Gottes.
Im NT wird die Auffahrt aus dem Hades ange-
deutet:
»,,.. ist er (Christus) hingegangen und hat gepredigt
den Seelen in Gewahrsam«, J. Petr. 3, 19.
»Ich (Christus) war tot und siehe ich lebe von Ewig-
keit zu Ewigkeit und habe den Schliissel des Hades
und des Todes«, Apokalypse 1, 18.
Quelle des Bildmotives ist das apokryphe Ni-
kodemusevangelium. Die kurz vor Christi Tod
in den Hades gelangten und dort von ihm auf-
erweckten Sdhne des Sehers Simon (—> Dar-
stellung Christi) berichten: Plétzlich erschien
ein starkes Licht, Abraham und Jesaia sagten,
da8 dies das von ihnen prophezeite Licht wa-
re. Johannes der Taufer teilte mit, daB er an-
laBlich der Taufe im Jordan beauftragt worden
sei, die Toten zu ermahnen, vor der Herab-
kunft Christi ihre Sitinden zu bereuen. Adam
berichtete, da8 Engel seinem Sohn Seth die
Erlésung der Menschen vom Tode verheifien.
Der Satan wandte sich an den Hades:
»Du Allesfresser und Unersattlicher, hére meine
Worte!« (20, 1)
Christus hat durch seine Totenerweckungen
dem Hades Opfer entzogen, deshalb habe er,
der Satan, fiir Christi Kreuzestod gesorgt. Ka-
me er jetzt herab, solle ihn der Hades fesseln.
Doch der Hades:
»Deswegen beschwore ich Dich bei Deinem und
meinem Wohlergehen. Bring ihn nur nicht hierher.
Denn ich glaube, daB er nur deswegen hier er-
scheint, um alle Toten auferstehen zu lassen.«
(20, 3)
Plodtzlich eine Donnerstimme:
»Hebt hoch Eure Tore, Ihr Herrscher, und erhebt
Euch, ewige Tore:« (21, 2)
Hades schickt den Satan Christus entgegen.
Doch David und Jesaia fordern unter Hinweis
auf ihre Prophezeiungen, die Tore der Unter-
welt aufzutun:
»Da erténte wieder die Stimme und sprach: Hebt
hoch die Tore ... und alsbald wurden die ehernen
Tore zerbrochen und die eisernen Ringe zerschmet-
tert. Die gefesselt waren, wurden ihrer Fesseln ledig
... Und es zog ein der Konig der Herrlichkeit in
Menschengestalt und alle Finsternis erstrahlte im
Licht.« (21, 3)
»Daraufhin βία der Kénig der Herrlichkeit den
Satan, den Obersatrapen, beim Schopf und tibergab
ihn den Engeln und sprach: Fesselt dem mit Eisen
die Hande und Fie, den Hals und den Mund.«
(22, 2)
Und Hades ergriff den Satan:
»Beelzebub, Erbe des Feuers und der Pein, ... war-
um ausgerechnet muBtest Du es so einrichten, daB
der Konig der Herrlichkeit gekreuzigt wird und uns
255
Ostern/Auferstehung
(der Macht) entkleidet hat? ... Kein einziger Toter
ist uns geblieben, sondern alles, was Du durch das
Holz der Erkenntnis (den Paradiesesbaum) gewon-
nen hast, das hast Du alles durch das Holz des Kreu-
zes verloren.« Wahrend aber der Hades so zu Satan
sprach, streckte der Kénig der Herrlichkeit seine
Rechte aus und erweckte Adam, den Ahnherrn.
Dann wandte er sich zu den tibrigen und sprach:
»Her zu mir alle, die ihr durch das Holz, von dem
dieser gekostet, zu Tode gekommen seid. Denn sie-
he, ich will euch durch das Holz des Kreuzes wieder-
auferstehen lassen.« (23-24, 1)
Christus zieht alle mit sich empor ins Paradies,
wo der zu seiner Rechten gekreuzigte Scha-
cher auf sie wartet. Die Auferweckten werden
der Obhut des Erzengels Michael anvertraut.
Vielerorts wird nach der Auferstehungsfeier (an-
derswo nach der Epitaphiosprozession) das Eindrin-
gen Christi in den Hades vom Priester als Christus
und vom Kirchendiener als Teufel nachgespielt. Der
Papas mit der Kerze in der Hand ruft von auBen vor
der verschlossenen Kirchentiir:
»Hebt hoch die Tore Ihr Herrscher, seid aufgetan
Ihr ewigen Tore ... Der Kénig der Ehre wird einzie-
hen.« Der Kirchendiener: »Wer ist der Kénig der
Ehre?« Papas: »Der Herr der Herrscher — es ist der
K6nig der Ehre.«
Dann tritt der Papas mit seinem Fu kraftvoll gegen
das Kirchentor, daB die Tiirfliigel aufspringen — wo-
bei schon mal Glasscheiben zu Bruche gehen.
2. Die Frauen am leeren Grab, ein etwas weni-
ger hdufig dargestelltes Motiv, ersetzt oder er-
ganzt die Anastasis:
»Die, welche vorauseilen mit Maria der Morgen-
dimmerung, finden den Stein vom Grabe wegge-
τοῦ und héren den Engel: Den, der im unsichtba-
ren Licht ist, was sucht ihr ihn wie einen Menschen
unter den Toten? Schaut die Begrabnisbinden!
Lauft und verkiindigt der Welt, daB der Herr sich
erhob, totend den Tod!« Osterliturgie, 4. Ton
Die verschiedenen Evangelien (Mark. 16, 1-8;
Matth. 28, 1-8; Luk. 23, 255-24, 6; Joh. 22,
1-18) sprechen bald von zwei, bald von mehre-
ren Frauen, bald nur von Maria Magdalena am
leeren Grab, nennen etwa einen oder zwei En-
gel. Entsprechend unterschiedlich wird die
Szene dargestellt, bis zu sieben Myrrhentrage-
rinnen treten auf: Maria Magdalena, Salome,
Johanna, die Lazarusschwestern Maria und
Martha, Maria Kleopha, Susanna.
Zwei Frauen, symmetrisch das leere Grab
flankierend, kiinden auf Sarkophagreliefs des
256
Die Myrrhentrégerinnen am leeren Grab.
Ajia Anastasia, Jennadi, Rhodos, um 1700, westlich
beeinfluBt.
4. Jh.s von der Hoffnung, der Bestattete werde
auferstehen.
Die mittelbyz. Darstellungen folgen gern dem
Markusevangelium, weil dieses zu Beginn der
Osterliturgie verlesen wird: Von links her blik-
ken die beiden salbentragenden Marien er-
staunt auf das offene Grab mit den abgestreif-
ten, aber nicht aufgewickelten Totenbinden.
Rechts auf einem Stein sitzt ein Engel, deutet
auf die Binden und verkiindet die Auferste-
hung. Seine Rolle iibernimmt in der Liturgie
der Diakon, wenn er vom Ambo aus (Symbol
des Steines der Verkiindigung) einen Ab-
schnitt aus einem Evangelium verliest.
Seitlich hinter dem Grab kauern zwei oder
drei winzige schlaftrunkene Wachter. Auf
spat- bis nachbyz. Ikonen und Fresken umge-
ben drei oder mehr Frauen, mitunter zwei En-
gel, einen Sarg vor einer Grabhéhle in einer
Gebirgslandschaft. (Rhodos, Moni Thari,
1620; serbische Wandmalereien des 13. u.
14. Jh.s, russische Ikonen). Die Dreizahl der
Marien spielt auf die drei Magier an (— Ge-
burt Christi, - Proskomidie).
Panteleimon
»Kommt, eilt, wie die Magier beten wir an und brin-
gen Myrrhe dar zum Geschenk, dem, der nicht
mehr in Windeln, sondern ins Grabtuch gewickelt
ist.« Osterliturgie
Die Auferstehung geschah am Tag nach dem Sab-
bat, dem 7.Tag der Woche. Die ersten Christen
nannten den Auferstehungstag den 8. Tag. (Sonntag
= griechisch Kyriaki, der Herrentag; im Russischen
Woskressenie, die Auferstehung.) In 7 Tagen wurde
die Welt erschaffen. Erst die Erganzung der Schép-
fung durch die Auferstehung am 8.Tag macht sie
vollkommen (-9 Zahl 8).
Auferstehung Christi, westlicher Stil. Ajia Anastasia,
Jennadi, Rhodos, um 1700.
3. Christus, der mit der Kreuzesfahne — auf
neueren griech. [konen in den Landesfarben
WeiB und Blau — in der Hand aus dem von
schlafenden oder geblendeten Wachtern behiti-
teten Grabsarkophag emporschwebt, ersetzt
gelegentlich die Hadesfahrt-Darstellung --
(Rhodos Jennadi, Ajia Anastasia, um 1700).
Im Westen wird die von den Evangelien nicht
geschilderte Szene vom 10.Jh. an dargestellt.
Als die westliche Malerei einen bestimmenden
Einflu8 auf die christl.. Kunst Griechenlands
und Ruflands gewann (ab 17.Jh.), erschien
das Motiv in der Ikonenmalerei.
Der Westen, seit der Renaissance auf die Wiederga-
be historischer Fakten fixiert, will die Auferstehung
an ihrem historischen Ort und zu ihrer historischen
Zeit darstellen, wie sie ein Augenzeuge hatte gese-
hen haben miissen.
Der 6stlichen Kirche geht es dagegen um die symbo-
lische Darstellung der Auferstehung Christi als Zei-
chen fiir die Vergéttlichung des Kosmos. Mit Chri-
stus durchdringt das Géttliche die gesamte Welt bis
hinab ins Chaos der Unterwelt.
Hinweise auf die Auferstehung im AT und NT
Die auf die Anastasis bezogenen, in der Litur-
gie erwahnten Geschehnisse des AT, finden
sich vereinzelt als Wandmalereien -- meist in
der Nahe des Anastasisbildes:
τ — Jonas im Walfisch,
τς Jiinglinge im Feuerofen (> Daniel),
¢ Josua bringt die Sonne zum Stehen.
Nahe der Anastasisdarstellung werden oft
auch die Propheten — Jesaias, -> Hesekiel
und — Habakuk, die die Auferstehung vor-
aussagten, dargestellt.
Die Geburt Christi aus Maria, der Jungfrau,
gilt als »Vorausbild« der Auferstehung:
»Die VerschluBsiegel unverletzt lassend, Christus,
erhobst Du Dich aus dem Grab, der Du das SchloB
der Jungfraulichkeit nicht verletztest bei Deiner Ge-
burt und der Du uns die Tore des Paradieses auf-
tatest.« Osterliturgie, 6. Ode.
Wie das Weihnachtsereignis Christi Tod und
Auferstehung enthalt, so Tod und Auferste-
hung auch Weihnachten.
Panteleimon
O ATIOC MANTEAEHMQN
O ajios Panteletmon
GroBmartyrer aus Nikomedia (heute Ismit,
knapp 100 km éstlich von Konstantinopel).
Leibarzt des Kaisers Maximian, von Kollegen
wegen seines Christentums angeklagt, am
27.7.304 grausam gemartert und enthauptet;
der 27. Juli ist sein Gedenktag.
»Und da er ihn sah, tat er ihm leid, und er ging zu
ihm hin, verband ihm seine Wunden und gofs darein
Olund Wein.« Luk. 10, 34
»Ist jemand krank, der rufe zu sich die altesten der
Gemeinde, lasse sie beten fiir ihn und ihn salben mit
Olim Namen des Herrn.« Brief des Jakobus 5, 14
257
Pantokrator
Der heilige Arzt Panteleimon. Osios Lukas, nach
1000.
Panteleimon erscheint auf seinen zahlreichen
Ikonen und an Kirchenwaénden (Osios Lukas,
Anfang 11.Jh.) als junger, bartloser Mann mit
krausem Haar, vornehm gekleidet, in der Lin-
ken eine Biichse oder ein Kastchen mit Medi-
zin, in der Rechten einen langen L6ffel, ahn-
lich dem, mit dem das Abendmahl verteilt
wird (— Altar). Der Volksmund sagt tiber den
Schutzpatron der Invaliden: »Alle Blinden und
Lahmen gehen zum Heiligen Panteleimon.« Im
Westen einer der 14 Nothelfer, zahlt er im
Osten zu den Anajiri (den »Geldverdchtern«),
steht auf Ikonen zwischen — Kosmas und Da-
mian.
Alle drei werden anlaflich der Olweihe (>
Mysterien) um Fiirbitte fiir die Glaubigen ge-
beten.
Im Kloster Panachrontou auf Andros postie-
ren die Ménche am Namenstag des Pantelei-
mon einen Wachter neben den vor der Scha-
delreliquie brennenden Ollampen. Die Glau-
bigen sind darauf aus, nach der Andacht das
Ol als Heilmittel zu entnehmen (— Paraskewi,
26. August).
Pantokrator
O ΠΑΝΤΟΚΡΆΤΩΡ
O Pantokrator
Christus als Allherrscher, wichtigster Typ der
Christusikonen, dargestellt in der Hauptkup-
pel und als GroBikone (alternativ zu Christus
als Erzpriester) auf der > Ikonostase.
Das Pantokratorbild in der Architektur
der Kreuzkuppelkirche
842 Ende des Bilderstreits; 881 wird in Kon-
stantinopel die von Basilius I. gestiftete Nea —
die neue Kirche — eingeweiht. Ihre Hauptkup-
pel beherrscht der »Allherrscher« Christus --
ein gewaltiges Brustbild-Medaillon in Gold-
mosaik. In der Ajia Sophia wurde zw6lf Jahre
vorher (oder 110 Jahre spater?) das seit 562°
die Kuppel zierende Gemmenkreuz durch ei-
nen Pantokrator mit einem Bildrund-Durch-
messer von 11,60 m und einer Kopflinge von
6,44m ersetzt. Ein neues theologisches Pro-
gramm: Die Nea sollte Modellbild des durch
die Menschwerdung Christi verklérten Kos-
mos sein. Gott wurde durch ihn abbildbar, da-
durch ist der Mensch vergéttlicht worden.
Von nun an beherrscht der Allherrscher alle
Hauptkuppein, beeinflu8t die architektoni-
sche Konstruktion der Kirchen.
Ab 1000 n. Chr. werden vor allem in Griechenland
neben den schon tiblichen kleinen Kreuzkuppelkir-
chen im Vierstiitzensystem (Kuppeldurchmesser bis
zu 4m) Achtstiitzensysteme errichtet, mit weitem
Kuppelraum, tiber vier Ecktrompen.
(Osios Lukas, um 1000; Chios, Nea Moni,
1. Halfte 11.Jh., Nachfolgertypen auf Chios;
Panajia Nikodemou, Athen, 1044; Daphni,
Ende 11.Jh.; Ajia Sophia, Monemwasia,
12.Jh.; Mistra, Ajii Theodori, 13. Jh.)
Das von armenisch beeinfluBten, inzwischen unter-
gegangenen Bauten der Hauptstadt beeinfluBte Sy-
stem gestattet es, den Kuppeldurchmesser mit dem
Pantokrator bei gleichen Abmessungen des Haupt-
raumes aufs 2/4fache zu vergr6Rern.
Beispiel Kuppelpantokrator in Daphni bei
Athen
Die Abmessungen des Kuppelpantokrators
entsprechen denen des Pantokrators in der
Ajia Sophia. Mit seinen gigantischen Ausma-
Pantokrator
Ben mu er in der winzigen Klosterkirche we-
sentlich eindrucksvoller wirken als sein Vor-
bild, das sich in der tiberwdltigenden Weite
des Kirchenraumes verlor.
Kuppelpantokrator in der Klosterkirche von Daphni
bei Athen, Ende 11. Jh.
Das Pantokratorbild wird in mehrfacher Hin-
sicht als héchstrangig herausgehoben; es
vv ist die am héchsten angeodnete Ikone,
x nimmt das Kuppelrund als die architektonisch
bedeutendste Stelle im -—>Kirchengebaude ein
(Kuppel = Himmel),
yr tibertrifft im Abbildungsma8stab alle anderen
Motive bei weitem,
vr ist durch den Fensterkranz im Tambour weitaus
am hellsten beleuchtet,
x wirkt dadurch am farbigsten,
yr ist als einzige herausgehoben durch eine mehr-
fach konzentrische Kreisumgrenzung -- Regenbo-
gen, gegebenenfalls Kreise von Engeln, Fenster-
Prophetenkranz im Tambour, und kreisférmig um-
laufendes Gesims unterhalb des Tambours,
vx ist kiinstlerisch besonders sorgfaltig durchge-
staltet.
Kuppelpantokrator und Apsis-Panajia
Zweitwichtigste Stelle — architektonisch und
vom Motiv her — ist die Apsisw6lbung mit der
Panajia (-95 Maria zwischen Engeln). Beide
Blickpunkte stehen in einer Spannung zuein-
ander: Der Pantokrator markiert das Blickziel
der Vertikalen (g6ttlich-himmlischen Rich-
tung), die Allheilige das Blickziel der Horizon-
talen (menschlich-erdgebundenen) Richtung.
Die Kirche reprasentiert die Durchdringung
des G6éttlichen und Menschlichen, des Him-
mels und der Erde. Die Gottesmutter, Identi-
fikationsfigur fiir die Menschen, ist innen nahe
und bereits vom Eingang her zu sehen. Der
Pantokrator ist dagegen nur vom Naos aus
sichtbar.
Als Vorbereitung auf das, was den Hintreten-
den im Inneren erwartet, wird er zusatzlich in
der Liinette tiber der Eingangspforte zum
Naos dargestellt (Osios Lukas, Anfang 11. Jh.;
Chorakirche, Konstantinopel, 1315-1321).
In Ausnahmefillen besetzt er die Apsiswél-
bung (Elmali Kilise, Géreme, 12.Jh.), vor al-
lem in den nichtiiberkuppelten Kirchen Sizi-
liens (Cephalou, Mitte 12.Jh.; Monreale; En-
de 12.Jh.) in postbyz. Tonnenkirchen auf
Rhodos, ist das Motiv ausgebaut zur —> Deisis.
Darstellungstypus Pantokrator
»Welcher ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes,
der Erstgeborene vor allen, die geschaffen wurden.
Denn durch ihn, Christus, ist alles geschaffen, was
im Himmel und auf Erden ist.« Kol. 1, 16
Die Liturgie bezeichnet ausschlieBlich Gott-
vater als Pantokrator. In Abbildungen tritt an
die Stelle des nicht darstellbaren Gottes Chri-
stus als Ebenbild und Ikone Gottes; das gilt
auch fiir Gotteserscheinungen im AT, z. B. die
Schépfungsszenen in Monreale). Die auBeren
Merkmale basieren auf der nicht mit Handen
gemachten Christusikone (~ Mandylion, >
Ikonenwunder): frontal ausgerichtetes Ge-
sicht, dunkelbraunes langes, mittelgescheitel-
tes Haar mit Stirnlocke, halbverdeckte Ohr-
lappchen, gespaltener oder in einer Spitze aus-
laufender (Rumanien!) Bart, schén geschwun-
gene zusammengewachsene Brauen, Kreuz-
nimbus (—> Nimbus). Im 12. und 13. Jh. (Kon-
stantinopel, Balkan, Kappadokien) schwim-
men die kleinen, mitunter stechenden Pupillen
259
Paraskewi
frei im Wei der Augen — Andeutung eines
besonderen BewuB8tseinszustandes (mystische
Versenkung).
Christus -- das Licht,
die eucharistische Gabe
Evangelienbuch des Pantokrators in Daphni.
Die vom Gemmenkreuz-Nimbus her bekannte
Symbolik wiederholt sich auf dem Deckel des
geschlossenen Evangelienbuches in der Lin-
ken (Christus als das Brot des Lebens zwi-
schen den restlichen vier Prosphoren: —> Brot,
—> Proskomidie).
Der bevorzugte Text des geéffneten Buches:
»Ich bin das Licht des Kosmos. Wer mir nachfolgt,
wird nicht im Finstern wandeln, sondern das Licht
des Lebens haben.« Joh. 8, 12 (Osios Lukas, Ce-
phalou)
Der Textanfang »Ich bin« wird in spatbyz. Zeit
als O ON (»der Seiende«, Selbstaussage Got-
tes) in den — Nimbus tibernommen.
Der Pantokrator hat Sonnencharakter. Gott
ist Licht (+ Himmlische und kirchliche Hier-
260
archie; —> Kreuz). Die Muslims tiberdeckten
den Pantokrator in der Ajia Sophia mit dem
Lichtvers (Sure 24, Vers 35) des Koran:
»Gott ist das Licht der Himmel und der Erde. Sein
Licht gleicht einer Nische mit einer Lampe. Die
Lampe ist in einem Glas. Das Glas ist gleichsam ein
glitzernder Stern — angeziindet von einem gesegne-
ten Baum, einem Olbaum, weder vom Osten noch
vom Westen, dessen Ol beinahe leuchtet, auch un-
bertihrt von Feuer. Licht tiber Licht.«
Die unter der Kuppel hangenden Lampen bil-
den die arabischen Schriftzeichen des Verses
nach.
Weitere mégliche Texte in Darstellungen des
Buches: Joh. 6, 51; 10, 9; 10, 30 und 14, 9-in
Kappadokien haufig Joh. 20, 19: »Friede sei
mit Euch.«
Es ist zugleich Evangeliar des Priesters und
Buch des wiederkehrenden Weltenrichters (>
Himmelfahrt Christi; —> Endgericht). Die
Rechte des mit einem goldschraffierten Chiton
und blauen Himation (+ Gewander) beklei-
deten Pantokrators formt die Christusgeste (>
Hinde).
Pantokrator-Ikonen
Christus ist halbfigurig oder sitzt in ganzer Fi-
gur liber einem purpurfarbenen ovalen Kissen
auf einem Thron (-> Leerer Thron), die FiiBe
auf einem Schemel aufgestiitzt.
Ab spatbyz. Zeit ist er oft von Achtzacken-
nimbus (> Zahl 8, — Brennender Dorn-
busch), angefiillt mit Engeln oder Cherubim,
auch mit Evangelistensymbolen, umgeben.
Maria und der Taufer, kleinfigurig in den obe-
ren Ecken, kénnen (Rumianien!) das Motiv
zur — Deisis erweitern.
Paraskewi
H ATIA TIAPACKEYH
lajia Paraskewi
Die Heilige wurde an einem Freitag im 2. oder.
3.Jh. in Ikonium (heute Konya) geboren; sie
erhielt den Namen des Leidenstages Christi
(= Vorbereitung), slavisch Piatniza. Nach dem
Tod ihrer Eltern verteilte sie ihr Erbvermé-
gen, zog nach Rom, verktindigte das Evange-
lium, wurde gemartert und enthauptet. Am
26. Juli, einen Tag vor Panteleimon, sammeln
Passions- und Nachosterzyklus
sich Volksmassen vor ihren tiber das Land ver-
streuten Kapellen; oft mit angebauter Kiiche:
Nach dem Gottesdienst wird ein gemeinsames
Mahl eingenommen.
oe
Tamata (Votivgaben aus Silberblech) werden vor den
Ikonen der Gottesmutter und bestimmter Heiliger
aufgehdngt. Der Paraskewi werden vor allem Augen-
Tamata als Weihegaben dargebracht.
Augenvotivgabe, an Paraskewi-Ikone gehdngt.
In Griechenland tragt Paraskewi gewohnlich
Nonnenkleidung, in der Rechten das Holz-
kreuz der Martyrerin, in der Linken ein Ta-
blett mit Augen. Wie Panteleimon heilt sie
Augenkrankheiten, die als Folge der Stindhaf-
tigkeit gelten (-» Wunderheilungen Christi).
Ihre Ikonen sind stets tiberhduft mit Tamata
(Silberblechen) mit eingepragten Augenre-
liefs, gespendet von Heilungssuchenden. Die
russische Piatniza (28.Oktober) ist dagegen
Schutzheilige der Frauenarbeit und des Markt-
handels (Freitag war Markttag), tragt auf alte-
ren Ikonen iiber einem blauen Kleid den roten
Mantel des Martyriums und das weie Kopf-
tuch der Jungfraulichkeit, wird auch von En-
geln gekrént mit dem Siegeskranz der Marty-
rerin, der zugleich Brautkrone der Braut Chri-
sti ist. Kann ein Spruchband mit dem Glau-
bensbekenntnis halten.
Passions- und Nachosterzyklus:
Lazarustag bis Pfingsten
TA ATIA ΠΑΘΗ TOY XPICTOY
Ta ajfa pathi ἰού Christoa
Rund um das Osterfest haufen sich Gedenk-
tage, deren Anldsse auf Fresken und Ikonen
dargestellt werden. Die »grofe Woche« ent-
spricht der Karwoche im Westen.
Liturgie und Brauchtum in der
groBen Woche
Taglich finden mindestens zwei Gottesdienste
statt. Ehemalige Morgengottesdienste haben
sich auf den Abend des Vortages und Abend-
gottesdienste auf den Morgen vorverlagert:
Heute werden die heilsgeschichtlichen Ereig-
nisse des nachsten Tages in der Liturgie schon
am Vorabend aufgegriffen.
vr Die groBe Woche beginnt mit dem groBen
Fasten und der groBen Stille (> Kreuzigung)
am Abend des Palmsonntags (> Einzug in
Jerusalem, —> Lazarus). Der Papas tragt den
»Brautigam«, eine Christusikone, in das Schiff
und legt sie vor der Bilderwand aus.
vx Am grofen Montag und an den beiden fol-
genden Tagen wird die —> Liturgie der (am
Palmsonntag) vorgeweihten Gaben gefeiert.
Der Ernst der Stunde 148t eine komplette eu-
charistische Feier, die bereits symbolisch die
261
Passions- und Nachosterzyklus
Auferstehung beinhaltet, nicht zu. Die Kir-
chenbesucher kiissen erst die ausgelegte Chri-
stusikone, dann die Ikone Christi rechts am
Templon, dann die seiner Mutter und der tibri-
gen Heiligen.
Die Madchen nehmen am Montag ihre Webe-
reien vom Webstuhl, die Frauen beginnen die
Hauser zu renovieren, zu weiBen und fiir
Ostern auf Hochglanz herzurichten.
+ »Herr, die ich vielen Siinden verfallen bin, ich
fiihlte Deine Gottlichkeit und tibernahm die Pflicht
einer Myrontragerin, die wehklagend Dir wohlrie-
chende Salben vor Deiner Grablegung tiberbringt.
Weh mir, sagte ich, daB Nacht um mich ist, die Lei-
denschaft der Ziigellosigkeit, eine dunkle als auch
mondlose Liebe zur Stinde ... Abkiissen werde ich
Deine unbefleckten FiiBe, abtrocknen werde ich sie
aber mit meines Hauptes Locken.« Troparion der
Kassiani
zr Im Abendgottesdienst des grofen Diens-
tags kommt die Siinderin Maria Magdalena in
einem 20miniitigen Hymnus, gedichtet von der
Nonne Kassiani (geb. um 810) zu Wort. Auch
Prostituierte besuchen diesen Gottesdienst,
manch eine hat sich schon inmitten der Men-
schenmenge zu FiiBen des jetzt vor der Bilder-
wand aufgepflanzten Kreuzes geworfen und es
mit bitteren Tranen benetzt, wie Maria Mag-
dalena die FiiBe Christi.
τ Am Mittwoch findet nach der Liturgie der
vorgeweihten Gaben die Chrysamélung statt
(+ Ol, — Mysterien). Die Papades machen
auch Hausbesuche, um das Sakrament zu
spenden. An Seeleute, Gastarbeiter, Reisende
werden Wattebauschchen mit heiligem Ol --
Liebespfand und Medizin — verschickt. (Am
folgenden Tag wird in Patriarchatskirchen und
einigen Metropolitankirchen die Weihe des
neuen Chrysaméles vollzogen.) Die Feier des
mystischen Abendmahles steht bevor, die Iko-
ne des Dornengekrénten wird im Abendgot-
tesdienst gegen die Abendmahlsikone ausge-
tauscht. Mancherorts bringen die Glaubigen
Mehl und Eier in die Kirche, damit sie dort
geweiht werden.
τς Der Donnerstag (FuBwaschung, --Ὁ Fu8) ist
»der rote«: Zu den Ostervorbereitungen ge-
hért das Rotfarben der Eier. Das erstgefarbte
Ki der Allheiligen schiitzt Kinder vor dem —
Bosen Blick. Wahrend der Morgenliturgie, die
des letzten Abendmahles gedenkt, nehmen
262
ungewohnlich viele Kinder und Erwachsene
am eucharistischen Mahl teil.
Im Zentrum des Abendgottesdienstes steht
bereits die Kreuzigung:
In zw6lf Abschnitte, die zw6lf Stationen, auf-
geteilt, werden alle Passionsschilderungen, aus
den vier Evangelien verlesen. Die Kirche ist
mit schwarzen, scharlachfarbenen und weiBen
Tiichern geschmiickt, die Papades tragen
schwarze Gewéander und silberne Kreuze.
Nach der fiinften Lesung stellt der Priester ein
Kreuz in die Mitte der Kirche tiber einem er-
héhten Platz auf — Golgatha.
Vor 1000 wurden fast nur die — Kreuzigung, spater
in den tiefer gelegenen Wandzonen der Kirchen
oder in einer Unterkirche (Osios Lukas, Anfang
11.Jh.) auch andere Passionsereignisse dargestellt —
sichtbarer Ausdruck der Erniedrigung, die Christus
auf sich genommen. Alle Passionsdarstellungen ge-
ben den Inhalt der zwGlf Lesungen und der beglei-
tenden Hymnen wieder.
Von der Mittagszeit an sammeln sich Frauen
und Madchen in der Kirche, um das Epita-
phion zu schmiicken, werden selbst zu Trau-
ernden, die den Tod Christi beweinen, halten
Nachtwache und singen Trauergesinge flr
Christus — so wie sie auch Mirologia (Totenlie-
der) fiir ihre Angehdrigen singen.
vr Der grofe Freitag ist der Tag der Grable-
gung Christi und seines Vordringens in den
Hades, symbolisiert durch den Epitaphios-
Umzug (> Kreuzigung).
vr Die Morgenliturgie des grofen Samstags
vermittelt eine Vorahnung der Osterfreude.
der Papas agiert betont laut und umtriebig, um
die Damonen und Teufel, die Christus am
Auferstehen hindern, zu vertreiben. Die Ju-
gend unterstiitzt ihn: In der Kirche klappern
Blechdosen, knallen Knallerbsen, drauBen
klingen die Glocken, die die Woche hindurch
geschwiegen haben, dréhnen Béllerschiisse.
Altes Geschirr wird aus den Fenstern gewor-
fen, scheppert auf die DorfstraBen. Nach der
Liturgie zieht der Papas von Haus zu Haus,
um die Osterlammer zu segnen. Nach dem
Vorbild der Kinder Israel, die Tiirpfosten und
-sturz mit dem Blut des Passahlammes bemal-
ten (2. Mose 12), zeichnet man Vielerorts drei
Kreuze mit Lammblut in die Wand. Die Leute
besuchen den Friedhof, entziinden Lichter an
den Grabern ihrer Angehérigen, bringen ih-
Passions- und Nachosterzyklus
nen Kollywa und Eulogia-Brot (-» Totenbrau-
che, — Brot). Etwa eine Stunde vor Mitter-
nacht beginnt der in die Auferstehungsfeier
einmiindende Gottesdienst (— Ostern).
Darstellungen des Passionszyklus
vr Auferstehung des — Lazarus.
xr —> Einzug in Jerusalem.
xe Judas laBt sich (Marth. 26, 14-16) mit Geld
bestechen:
»Ein Haus und in ihm sitzen Hannas und Kaiphas
auf Thronen und die Schriftgelehrten und Pharisder
-um sie herum. Vor ihnen eine Kiste, und einer zahlt
‘Goldstiicke daraus. Judas ist vor der Kiste und halt
seine Hande nach den Geldstiicken ausgestreckt,
und Hannas zeigt sie inm.« Malerhandbuch (Er-
‘menia)
Seltene Darstellung, erst ab spatbyz. Zeit tib-
lich.
ve — FuBwaschung.
vv Das mystische Abendmahl (— Eucharistie,
—> Mysterien).
¥ Christus bittet auf den Knien (Gebet im
Garten Gethsemane nach Matth. 26, 36-44).
Seine Lieblingsjiinger Petrus, Jakobus und Jo-
hannes schlafen. Er betet dreimal:
»Mein Vater, ist’s méglich, so gehe dieser Kelch
an mir vorbei ...«
Ein Engel vor ihm reicht ihm im Flug einen
Kelch zu, nach dem AT ein Symbol des Zornes
Gottes (Jes. 51, 17). Seit postbyz. Zeit unter
abendlandischem Einflu8 dargestellt.
yr Judas verrit Christus (Matth. 26, 47-56;
Joh. 18, 2-11):
Inmitten seiner Jtinger Christus, die Rechte
segnend erhoben (Christusgeste > Hande), in
der Linken die Schriftrolle. Hinter ihnen eine
Wand von Lanzenspitzen. Judas, manchmal
bartiger Finsterling, manchmal bartloser sché-
ner Jiingling, schiebt sich ‘von hinten heran,
greift nach Christus, um ihn zu kiissen:
»Welchen ich kiissen werde, der ist’s, den
greifet.«
Im Vordergrund schneidet Petrus mit einem
Kurzschwert dem Malchus, Knecht des Hohen
Priesters, ein Ohr ab. Christus wird es wieder
anheften. Links neben Christus oft eine reich-
gekleidete Gestalt mit Dolch — wohl der Hohe-
priester (Carikli und Karanlik Kilise, Gére-
Fidastult Fresko Ajia Anastasia, Jennadi, Rhodos,
westlich beeinfluBt.
me). Judas, auf Christus zuschreitend, um ihn
zu kiissen, kommt schon auf frithen Sarkopha-
gen (um 400) vor, in Verbindung mit der Ge-
fangennahme auf friihbyz. Mosaiken (Raven-
na, Sant’Apollinare Nuovo, Anfang 6. Jh.).
Gefangenfithrung Christi. Elmali Kilise,
Kappadokien.
yw Gefangenfihrung:
Christus, in Wei® gekleidet, wird »wie ein
(weiBes Oster)lamm zur Schlachtbank« gefiihrt,
einen Strick um den Hals, gehalten von einem
263
Passions- und Nachosterzyklus
Kriegsknecht, halt die Schriftrolle und voll-
zieht die Christusgeste (Elmali Kilise, Gé-
reme, 12.?Jh.).
Shay rit
* SH
Der Hohepriester Kaiphas zerreiBt sein Gewand,
Ausschnitt aus einem Fresko. Ajios Nikolaos Orpha-
nos, Thessaloniki, Anfang 14. dh.
x Christus verantwortet sich vor Hannas und
Kaiphas:
Kaiphas steht hinter einem Tisch, zieht mit
beiden Handen seine Kleider auseinander,
daf die Brust freiliegt, blickt auf den seitlich —
meist von links her —- von Wachtern hereinge-
fiihrten Christus. Architekturdetails im Hin-
tergrund deuten Innenraum an. Hannas, auch
ein graubartiger Alter, steht oder sitzt, blickt
auf Christus, zeigt mit der Hand auf Kaiphas:
»Ich beschwére Dich bei dem lebendigen Gott, daB
Du uns sagst, ob Du bist Christus, der Sohn Gottes.
Jesus sprach zu ihm: Du sagst es ... Da zerri® der
Hohepriester seine Kleider und sprach: Er hat Gott
geldstert, was bediirfen wir weiterer Zeugnisse ...«
Das KleiderzerreiBen zeigt als Zerkratzen der
4uBeren Haut ein sich Verletztfiihlen vor Zorn
oder Trauer an. Klagende zerkratzen sich und
raufen die Kleider (> Totenbraéuche) — haufi-
264
ges Motiv auf spatbyz. Fresken (Kirchen in
Serbien, Kastoria, Thessaloniki Nikolaos Or-
phanos).
τς Dreimalige Verleugnung Christi nach der
Ermenia:
»Unter dem Palast des Hannas, wo Christus gerich-
tet wird, steht Petrus in einer Ecke, vor ihm ein
Madchen, welches die Hande gegen ihn ausstreckt.
Man sieht Feuer, zwei Soldaten warmen sich und
fragen den Petrus. Petrus erscheint ein anderes Mal
an der Tiir des Palastes und halt voller Furcht seine
Hande ausgestreckt, und ein Madchen zeigt ihm
Christus. Uber ihm an einem Fenster kraht ein
Hahn. Petrus weint.«
In der Liturgie des groBen Donnerstags identi-
fiziert sich der Glaubige mit Petrus:
»Zum dritten Mal — verleugnend, erinnerte Petrus
sofort Dein Wort. Doch er brachte Dir dar Tranen
der Reue. O Gott, erbarme Dich meiner und rette
mich.«
vx Christus vor dem jugendlichen Pilatus in
rémischer Ristung, mit Purpurumhang, auf
einem thronartigen Sessel:
Christus gefesselt, von Soldaten festgehalten;
Schriftgelehrte und Phariséer deuten auf ihn.
Architektonische Details — das Gerichtsgebau-
de. Spatbyz., haufiger in nachbyz. Zeit.
vw Tod des Judas:
»Als Judas, der ihn verraten hatte, sah, daB er zu
Tode verdammt war, empfand er Reue und brachte
die 30 Silberstiicke wieder zuriick zu den Hohen-
priestern und Altesten. Er sprach: Ich habe Unrecht
getan, da8 ich unschuldig Blut verraten habe. Sie
sprachen: Was geht das uns an. Sieh zu, wie Du
damit fertig wirst. Und er warf die Silberlinge in den
Tempel, machte sich davon und erhangte sich.«
Matth. 27, 3-8
Der Disput des Judas und sein Freitod werden
ab spatbyz. Zeit als separate Szenen nebenein-
andergestellt. Der sich Erhaéngende, seit dem
4.Jh. der (Naheres —>) Kreuzigung als Kon-
trast gegeniibergestellt, wird am grofen Frei-
tag in Form einer Strohpuppe von Jugend-
lichen verbrannt.
yw Christus vor Herodes:
»Ein Palast und Herodes, ein Greis mit rundem
Bart, sitzt auf einem Thron, in kéniglichen Gewan-
dern, hinter ihm Soldaten, vor ihm Christus, und
zwei Soldaten ziehen ihm ein weifes Kleid an. Hin-
ter ihm eine Menge Juden.« Malerhandbuch Er-
menia
Passions- und Nachosterzyklus
Ab spatbyz. Zeit in ausfiihrlichen Passions-
zyklen.
xe Handwasche des Pilatus:
»Ich bin unschuldig am Blut dieses Gerechten, sehet
Ihr zu!« Matth. 27, 24
Pilatus in rémischer Rtistung auf einem Hok-
ker, taucht seine Hande in eine Schiissel, in
die ein Diener Wasser schiittet. Sein Gesicht
ist abgewandt von Jesus. Der steht gefesselt
zwischen rémischen Soldaten. Haufiges Motiv
an Kirchenwanden ab 14. Jh.
Verspottung Christi. Nachbyz. Fresko im naiven Stil
der Mani. Johannes-Prodromos-Kirche, Areopolis,
Innere Mani, Peloponnes.
τ Die Verspottung:
Christus steht frontal in der Mitte, barfu oder
mit Sandalen, in langem 4rmellosem Purpur-
gewand (Collobium -» Gewander), blickt
schicksalsergeben nach vorn, die Rechte erho-
ben oder vor das Herz gehalten, in der Linken
ein tiberlanges Schilfrohr — Persiflage auf den
Herrscherstab. Die Dornenkrone, verkiirzt zu
einem von vorne gesehenen Strich, ist auf sein
vom Kreuznimbus hinterfangenes Haupt ge-
driickt. Die Volksmenge macht einen HGllen-
larm mit Pauken, Zimbeln und Blasinstrumen-
ten (Form eines Elefantenzahnes).
Ein Signalhorn, das Schofar, wurde im alten Israel
zur Proklamation des Kénigs benutzt. Mitunter
knien rémische Wachter mit héhnischem Ausdruck
hinter Schildern nieder, Halbstarke fiihren Spottan-
ze auf. Die ironische K6nigsproklamation Christi ist
ein Gegenbild zu seinem Vortriumph (—> Einzugs in
Jerusalem) und zum Triumph bei — Himmelfahrt
und Wiederkunft.
Haufig dargestellt auf spatbyz. Zyklen (Niko-
laos Orphanos, Thessaloniki, Anfang 14. Jh.;
Staro Nagaro¢ino, Makedonien, 1317-1318).
Das westliche Motiv des »Schmerzerismannes«
wird im Osten ab 17.Jh. tibernommen (haufig
in der Prothesisnische).
yw Die Kreuztragung:
Im Westen beliebtes, mit den Veronikaszenen
verbundenes Motiv (— Mandylion) -- kommt
gelegentlich in postbyz. Zyklen vor, wird im
Malerhandbuch Ermenia erwahnt. Friih-
christ]. Sarkophage geben die Kreuztragung
als Triumphzug wieder (Vatikan, ex Lat. 171,
2. Hilfte 4.Jh.): Der Gefangengefiihrte tragt
erhobenen Hauptes das Siegeskreuz, Vorbild
fiir die Kreuzeslanze der Auffahrt Christi (>
Ostern). Dariiber schwebt ein Kranz.
Christus besteigt freiwillig das Kreuz. Ajios Nikolaos
Orphanos, Thessaloniki, Anfang 14. Sh.
vr Kreuzbesteigung:
Alle Evangelisten beschraénken sich in ihrem
Kreuzigungsbericht auf die diirren Worte »Sie
kreuzigten ihn«. DaB® die Hande festgenagelt
wurden, geht aus einer Bemerkung des --
Thomas, Joh. 20, 25, hervor. Die Ermenia be-
schreibt die Kreuzigung historisierend:
»... ein auf dem Boden liegendes Kreuz und auf
ihm Christus ausgestreckt ...«
Die Darstellungen — ab 14. Jh. — stiitzen sich
jedoch auf die theologischen Aussagen der Li-
turgie: , ἢ
»Herr, als Du das Kreuz bestiegest, wurde die
Schépfung von Furcht und Schrecken befallen. «
265
Passions- und Nachosterzyklus
Christus steigt von sich aus wachen Blickes auf
Leiterstufen zum bereits errichteten Kreuz
empor. Ein Knecht auf einer Stehleiter hangt
sich tiber den rechten Kreuzbalken und packt
seinen rechten Arm ~ stiitzt Christus eher, als
daf er ihn festhalt.
Ein zweiter packt den rechten Arm und hilt in
der Linken Hammer und Nagel. Die Freiwil-
ligkeit der Kreuzbesteigung wird betont wie in
der Liturgie (Donnerstag):
»... Du wolltest leiden und errettetest uns als Men-
schenfreund.«
»Das All litt mit dem Schépfer des Alls, als Du.
freiwillig fiir uns duldetest ...«
vr — Kreuzigung.
% Joseph von Arimathia bittet sich Christi
Leichnam aus:
»Ein Palast und in ihm sitzt Pilatus auf einem Thron
und hinter ihm steht ein Soldat, der das Schwert in
der Scheide halt. Vor Pilatus halt Joseph, ein ge-
biickter Greis, seine Hande gegen ihn ausgestreckt.
Und der Hauptmann zwischen Joseph und Pilatus
spricht zu Pilatus. Malerhandbuch (Ermenia)
ἢ 28
oir =
Grablegung aus
266
der Unterkirche von Osios Lukas, Anfang 11. Jh.
yw Kreuzabnahme:
Joseph von Arimathia steht auf einer Leiter
(oder vor einem niedrigen Kreuz), halt den
leblos heruntergleitenden, bizarr geknickten
K6rper Christi mit beiden Handen, reicht ihn
der Gottesmutter. Sie umfaBt den K6rper lie-
bevoll, kii®t die rechte Wange. Ein Helfer
macht sich mit einer Zange an den noch festge-
nagelten FiiRen zu schaffen. Der Jtinger Jo-
hannes birgt sein Gesicht in der Rechten oder
ergreift eine Hand Christi, streift mit seiner
Wange dartiber. (Ausdruckstarke Wiedergabe
_innerseelischer Vorginge -- besonders auf
Fresken im slawischen Balkan.) (Nerezi bei
Skopje, Makedonien, 1164; Aquilea, Anfang
13.Jh.; Mistra, Periwleptos, um 1350.) Die
Gottesmutter kann auch den Leichnam in ih-
ren Armen halten; eine Myrrhentragerin lieb-
kost die Rechte des Toten — Zwischenlésung
zwischen Kreuzabnahme und Beweinung (Mi-
leSewa, Serbien, etwa um 1235).
Die Uberginge zwischen dem Motiv der Be-
weinung (Wandmalerei seit 11.Jh.) und dem
der Grablegung (seit 9. Jh.) sind flieBend.
Patriarchen und Patriarchate
yr Beweinung:
Christus liegt auf einem Stein, deutlich als
Abendmahlsaltar (+ Proskomidie) zu erken-
nen. Im Hintergrund zumeist das Kreuz. Ma-
ria hinter dem Altar pre&t ihr Gesicht an das
Gesicht des Toten. Der ergraute Joseph von
Arimathia kii8t ihm die Fie, Johannes lieb-
kost seine linke Hand. Auf eine Leiter am
Kreuz sttitzt sich der dunkelbirtige Nikode-
mus. Zu den Seiten zwei klagende Frauen mit
zerrauften Kleidern, manchmal sogar bar-
hauptig mit wirrem Haar (Elassona). Maria
Magdalena reckt beide Hinde zum Himmel
(— Oranten). Uber der Szene schweben wei-
nende Engel, ihre Hande mit Tiichern ver-
hiillt. Die Beweinung ist auf die liturgisch
wichtigen Epitaphiostticher aufgestickt.
vw Grablegung:
Felsengelande mit Grab. Joseph halt den in
Totenbinden eingewickelten Leichnam am
Kopfende, Nikodemus an den FiiBen. Maria
steht bei ihnen.
Interessant die Kombination von Beweinung
und Grablegung, zusammengefaBt mit der En-
gelverktindigung, in der Unterkirche von
Osios Lukas: Christus liegt auf einem erhdéh-
ten Altar, durch eine Tiir in der Vorderwand
als Grab gekennzeichnet. Ein Andreaskreuz
mit vier Punkten darauf weist auf die Vorbe-
reitung der + Eucharistie hin (> Proskomi-
die, > Brot).
Das-Fresko betont die liturgisch-sakramentale
Bedeutung des Geschehens:
Die Grablegung ist aufgestickt auf jedes Anti-
minsion — als Unterlage unentbehrlich fiir die
eucharistischen Gaben (—> Altar).
Darstellungen fiir die Nachosterzeit
τς Aufstieg Christi aus dem Hades: Eréffnet
den Zyklus des ésterlichen Triumphes Christi.
ye Die Myrrhentragerinnen am leeren Grab
(—> Ostern).
ve Christus erscheint den Myrrhentragerin-
nen: Christus mit segnenden Handen in der
Bildmitte, Nagelwunden sind zu sehen. Zwei
Frauen fallen anbetend zu Boden, links Maria
Magdalena umfangt mit verhiillten - Handen
seinen rechten FuB, rechts eine andere Myr-
rhentragerin. Beliebtes spatbyz. Motiv (Niko-
laos Orphanos, Thessaloniki, Anfang 14. Jh.;
Kirchen in Kastoria).
vw Petrus und Johannes am Grabe: Petrus
biickt sich, beriihrt die Schwei8tticher. Johan-
nes schaut von aufen ins Grab. Neben ihm
weinend Maria Magdalena.
yx Christus vor Maria Magdalena: Beim Grab
mit zwei wei®gekleideten Engeln erscheint
Christus der Maria Magdalena, sie will seine
Fii®e beriihren (Anspielung auf die Salbung).
Beischrift: »Maria, rtihre mich nicht an. «
yr Erscheinung in Emmaus: Christus sitzt zwi-
schen Lukas und Kleophas am Tisch, halt ein
Brot, segnet es. Die beiden erkennen ihn.
vw Der essende Auferstandene: Christus zeigt
den Jiingern, daB er als leiblich Auferstande-
ner essen kann. Petrus reicht ihm eine Schiis-
sel mit Fisch und eine Honigscheibe. Christus
segnet die Speisen mit der Rechten und nimmt
mit der Linken davon.
vy Der ungléubige > Thomas.
yr Am Meer von Tiberias: Christus steht am
Ufer (~ Meereswunder). Auf Wasserwellen
schwimmen Schiffe. - Apostel zichen Netze
voller Fische ein. Petrus schwimmt im Meer
auf Christus zu. Dahinter Grillgerate mit glii-
hender Holzkohle unter einem Rost mit — Fi-
schen (Tokali II, Goreme, Ende 10. Jh.).
ye Drei Fragen an Petrus: Am Seeufer ein
Schiff, davor die ausgestiegenen Apostel.
Christus schaut auf Petrus. Beischrift: »Simon,
Jonas Sohn, liebst du mich? «
yw Auf einem Berg in Galiléa: Christus steht
segnend in der Bildmitte auf einem — Berg-
gipfel (Matth. 28, 16), rechts ein schlanker
Baum, zu beiden Seiten verneigen sich sechs
symmetrisch angeordnete Jtinger, sie strecken
ihm ihre Hinde entgegen. Die Szene wird vor-
zugsweise, mit der Himmelfahrtsdarstellung
kombiniert, in der Gew6élbezone wiedergege-
ben (Cavusin Kilise, 2. Halfte 6.Jh.).
ye — Himmelfahrt.
vy — Pfingsten.
Patriarchen und Patriarchate
OI IIATPIAPXEC KAI TA ITATPIAPXIA
I patridrches ke ta Patriarchia
Die geistlichen Leiter der selbstandigen ortho-
doxen Kirchen.
267
Pelikan
Die vier alten und die drei jiimgeren
Patriarchate
325 legte das erste Gkumenische Konzil zu Ni-
kaa drei Metropolien— Rom, Alexandrien und
Antiochien — fest. 381 nannte das Konzil von
Konstantinopel Rom, Konstantinopel, Alex-
andrien und Jerusalem. Vom 5. bis 6.Jh. an
wurden die Amtsinhaber als Patriarchen be-
zeichnet, abgeleitet von den Erzvatern des AT
— Abraham, Isaak, Jakob und dessen 12 S6h-
nen. 1235 schuf eine Synode das bulgarische
Patriarchat, 1375 entstand das serbische, nach
dem Fall Konstantinopels wurde 1589 unter
Zustimmung des 6kumenischen Patriarchen
das Moskauer Patriarchat eingerichtet.
Die einzelnen Patriarchate
Rom: Der Papst hatte einen Ehrenvorrang un-
ter den Patriarchen, schied durch die Kirchen-
spaltung von 1054 aus der Reihe der autoke-
phalen (selbsténdigen) orthodoxen Kirchen
aus.
Konstantinopel: Das Patriarchat verblieb nach
der osmanischen Eroberung in der Stadt. Sei-
ne Jurisdiktion erstreckt sich heute tiber die
Griechen in Konstantinopel, deren Zahl in
den letzten Jahren stark abgesunken ist, tiber
die Inseln des Marmarameeres, iiber Kreta,
den Dodekans und den Heiligen Berg Athos.
Der 6kumenische Patriarch hat einen Ehren-
vorrang unter den Patriarchen, residiert unter
bescheidenen Verhdltnissen im Stadtteil Pha-
nari. Die Patriarchatskirche ist eine schlichte
Basilika des 17. Jh.s.
Alexandrien: Urspriinglich Sitz einer bedeu-
tenden theologischen Schule (~ Kirchenva-
ter). Der »Papst und Patriarch« verlor um 848
an Gewicht: Der gré8te Teil der christlichen
Agypter nahm das monophysitische Bekennt-
nis an. 638 wurde das Land arabisch. Das kop-
tische Patriarchat, das neben dem orthodoxen
besteht, betreute auch die nubische und die
athiopische Kirche (bis 1959).
Antiochien (Antakia): Die Stadt mit der ersten
heidenchristlichen Gemeinde (Apg. 11, 26),
fiel 541 an die Perser, 634 an die Araber, 969
zurtick an die Byzantiner, 1098 an die Fran-
ken, die im 12.Jh. die byz. Oberhoheit aner-
kannten, 1268 wieder an die Araber, 1516 ans
Osmanische Reich. Der Sitz des Patriarchates
ist z.Z., wie der des westsyrisch-jakobitischen
268
Patriarchen von Antiochien, Damaskus. Im 4.
und 5.Jh. hatte die antiochenische Schule gro-
Be Theologen (> Kirchenvater) hervorge-
bracht.
Die antiochenisch-malerische Tradition hat auf die
kappadokische Kunst, auf Klosterkirchen in Grie-
chenland (Osios Lukas) eingewirkt: Flachig ange-
legte Figuren mit grafischer UmriBzeichnung vor
einfarbigem Untergrund, Neigung zur Abstraktion
und zur Vereinfachung des Themas, dynamisch-ex-
pressive Bewegungen. Der naive Stil steht im Ge-
gensatz zu klassischen Tendenzen in der Kunst der
Hauptstadt.
Jerusalem: Die Stadt wurde 614 Beute der Per-
ser, 628 von den Byzantinern zurtickerobert,
637 arabisch und 1076 seldschukisch. Die
Kreuzritter setzten (1099-1187) eirien ré-
misch-katholischen Patriarchen ein. Die Stat-
ten des heilsgeschichtlichen Geschehens haben
auch nach der islamischen Machttibernahme
eine starke Anziehungskraft auf Pilger aus-
getibt.
Moskau: EinfluBreichstes unter den jiingeren
Patriarchaten. Seit 1448 wahlte die russische
Kirche ihren Metropoliten selbst (Autokepho-
lie). Nachdem Konstantinopel, als das zweite
Rom, 1453 in die Hand der Unglaubigen gefal-
len, verstand sich Moskau als Erbe von Byzanz
und als »drittes Rom«. Iwan III. heiratete
1472 die Nichte des letzten byz. Kaisers. 1589
wurde die Metropolie von Moskau Patriar-
chat. Die Idee vom »dritten Rom« hat auf die
russische Geistigkeit und Politik entscheidend
eingewirkt.
In Ruménien wurde 1925 ein Patriarchat aus-
gerufen.
Andere autokephale Gemeinschaften ohne
Patriarchatsrang: Griech. Kirche (geleitet von
einer Bischofssynode), Kirche Zyperns, Sinai-
Kloster, Kirchen Georgiens, Albaniens, Po-
lens, Finnlands, Estlands, Lettlands, der
Tschechoslowakei, Chinas und Ugandas.
Pelikan
TO ΠΈΛΕΚΑΝ
To pelekan
»Wie der Pelikan hast Du Deine zerstochene Seite,
Logos, Deine sterbenden Kinder wiederbelebend,
als lebensspendende Quellen traufeln lassen.« Epi-
taphiosliturgie vom Abend des grofen Freitag
Peter und Paul
Der Physiologos (ca. 200 n. Chr.) erlautert:
»... Sie (die Paradiesesschlange = der Teufel) blast
den Pelikanjungen (Menschen) ihr Gift zu, und sie
sterben sofort ... Mit seinen Fliigeln schlagt er (Pe-
likan = Christus) seine Seiten, und das Blut flieBt
heraus und ... tropft ... auf seine Kinder, und sie
werden zum Leben erweckt.«
Der Pelikan kommt in gemalten Tierfriesen,
als Architekturrelief, als Hochrelief im vergol-
detem Holz von Bilderwanden vor.
Perle
O MAPIAPITHC/TO MAPTAPITAPI
O Margaritis/To Margaritari
Im NT Gleichnis des Himmelreiches:
Matth. 7, 6; 13, 45 (Naheres — Drache).
Peter und Paul
O IIETPOC KAI O MAYAOC
O Pétros ke o Pawlos
Die zwei herausragendsten Apostel reprasen-
tieren als Vertreter der judenchristl. und der
heidenchristl. Gemeinden die Gesamtheit der
Kirche.
Petrus im Neuen Testament und in der
friihen Uberlieferung
‘Simon Petrus (= Fels, aramaisch kepha), Fi-
scher aus Bethsaida, schloB sich, mit seinem
- Bruder Andreas Jesus an (-9 Berufung). Der
heilt die Schwiegermutter des Petrus. Im NT
ist Petrus der am haufigsten —- 70mal — erwahn-
te Jiinger. Christus vor seiner ersten Leidens-
anktindigung:
»Ich will dir des Himmelreiches Schliissel tiberge-
ben. Alles, was du auf Erden bindest, soll auch im
Himmel gebunden sein, was du auf Erden ldsest,
soll auch im Himmel gelést sein.« Matth. 16, 17-19
Petrus verleugnet Christus nach dessen Gefan-
gennahmie dreimal (> Passionszyklus).
Der Uberlieferung nach missionierte Petrus in
Rom, erlitt unter Nero zwischen 64 und 67 den
Tod — gem48 Christi Prophezeiung am Kreuz:
»Wenn du aber alt wirst, wirst du deine Hande aus-
strecken, und ein anderer wird dich giirten und fith-
ren, wohin du nicht willst.« Joh. 21, 18 (> Oranten-
gestus als Kreuzigungshaltung)
Die apokryphen Petrusakten schildern seine
Kreuzigung mit dem Kopf nach unten, er er-
lautert sie selbst den Umstehenden als kompli-
ziertes Sinnbild. Der erste der beiden Petrus-
briefe im NT gilt als authentisch.
Paulus im Neuen Testament und in der
friihen Uberlieferung
Teppichweber aus Tarsos (Siidostkiiste Klein-
asiens) verfolgte, als Saulus, die Christen.
Durch eine Christusvision bei Damaskus be-
kehrt, widmete er sich als erster der systemati-
schen Missionierung der Nichtjuden, griindete
auf drei Mittelmeerreisen (48-60) zahlreiche
Ortsgemeinden. Spater zu den zw6lf Aposteln
-- anstelle des abgefallenen Judas — gerechnet,
setzt sich Paulus gegentiber der Jerusalemer
Urgemeinde (Jakobus und Petrus), vehement
dafiir ein, daB die Christen aus der Heiden-
schaft nicht mehr die jiidischen Gesetze tiber-
nehmen miissen (R6m. 3, 28). In Jerusalem
gefangengesetzt, wird er als r6mischer Btirger
nach Rom verbracht, nach den. apokryphen
Paulusakten auf den persénlichen Befehl Ne-
ros hin enthauptet (64 oder 66/67).
14 Sendschreiben des Paulus, zum Teil in Rom ver-
faBt, bilden den dltesten Teil des NT. Paulus meint
mit Evangelium die miindliche, vor allem von ihm
selbst vermittelte Heilsbotschaft (Gal. 1, δ). Die
Theologie des Diasporajuden hat griechisch gefarb-
te kosmologische Ziige, seine Frémmigkeit wird aus
ekstatischen Visionen und mystischer Schau ge-
speist — Ziige dieser Religiositat wirken in der ortho-
doxen Tradition fort.
Am 30. Juni wird aller > Apostel gedacht, am
Vortag allein Peters und Pauls. In Athen zele-
briert der Erzbischof den Abendgottesdienst
auf dem Areopag, wo Paulus am Altar des un-
bekannten Gottes den Athenern sagte: »Nun
verktindige ich euch den, dem ihr unwissend
Gottesdienst darbringt.« Apg. 17, 23
Darstellungen der Apostelfiirsten
»Ich sah eine groBe Zahl Bildnisse des Heilands, wie
auch des Petrus und des Paulus, die sich bis in unse-
re Zeit erhalten haben.« Der Bildergegner Eusebios
von Caesarea, 265-340, Geschichte der Kirche VH,
18
Als einzige Apostel werden beide physiogno-
misch deutlich charakterisiert, Petrus mit run-
dem Kopf, grauem Kraushaar und krausem
269
Peter und Paul
nih
ae
Die Apostelfiirsten Petros und Pawlos, Osios Lukas bei
Bart, Paulus mit langlichem Gesicht, schwar-
zem, spitzem, aber vollem Bart, mit Halbglat-
ze und Stirnlocke — schon eine Medaille aus
dem 2. oder 3.Jh. (im Vatikan) zeigt diese
Merkmale. Es ist nicht auszuschlieBen, da8 in
Rom schon zu Lebzeiten Portrats von ihnen
entstanden sind.
Verbreitete friihchristl. und friihbyz. Motive:
zw Ubergabe des Gesetzes (traditio legis).
Christus als eschatologischer Weltenherrscher
auf dem Paradiesesberg — mit vier Quellen —
stehend, tiberreicht Petrus rechts die Rolle des
Gesetzes des Moses, links Paulus.
(Friheste Darstellung, vermutlich nach dem
Vorbild der Apsis von Alt-Sankt-Peter: Santa
Costanza, Rom, Mitte 4.Jh.; Sarkophage
Rom, Ravenna, 4. bis Ende 5.Jh.). Selten:
Paulus links erhalt die Rolle, Petrus rechts
tragt ein Kreuz (Sarkophag, Sant’Apollinare
in Classe, Ravenna, Mitte 5. Jh.).
Der Apostel, der die Rolle mit verhiillten
Handen empfangt, wird -- in Anlehnung an
den rémischen Kaiserkult — Beauftragter Chri-
270
sti. Die Traditio an Petrus dokumentiert den
Anspruch des rémischen Metropoliten, die an
Paulus im byz. Ravenna, die Gegenpropagan-
da aus Konstantinopel.
vx In Lammergestalt flankieren die Apostel-
fiirsten das eschatologische Lamm auf dem Pa-
radiesberg (symbolische Variante zur traditio
legis: Sarkophag, Galla Placidia, Ravenna,
5. Jh.).
yr Die Schliisseltibergabe an Petrus.
- Christus thront auf der Weltenkugel, tibergibt
Petrus zur Linken den Schliissel:
»Und ich werde dir die Schliissel des Himmel-
reiches geben ...« Matth. 16, 19 (Mosaik,
Rom, Santa Costanza, Mitte 4. Jh.)
yy Petrus (rechts) und Paulus (links) treten
auf Apostelanbetungen — entweder Christi
selbst, seines Kreuzes oder des leeren Thrones
—als Anfiihrer der Apostel auf, sind Reprasen-
tanten der judenchristl. und der heidenchristl.
Kirche (im Apsismosaik, Santa Pudentiana,
Rom, Ende 4.Jh., bekrént die Allegorie der
Judenkirche Petrus, die der Heidenkirche
Pfau
Paulus; Baptisterium der Orthodoxen, Raven-
na, Mitte 5.Jh.; der Arianer Ende 5. Jh.).
Petrus und Paulus reprdsentieren als Kurzfor-
mel die zw6lf Apostel bzw. die Gesamtkirche
(Santa Sabina, Rom, Anfang 5. Jh.).
Aus der Apostelanbetung wird in mittelbyz.
Zeit dann die Apostelkommunion (> Eucha-
ristie). Auf byz. Einzeldarstellungen tragt
Paulus ein Biindel mit seinen Briefen, Petrus
eine Schriftrolle oder ein Schriftband (» Petrus,
Apostel Jesu Christix), niemals einen
Schlussel.
Spat- und postbyz.: Begegnung von Petrus und
Paulus: Sie umarmen und kissen sich. Am
Schlu8 dreier seiner Briefe schreibt Paulus:
»sGriiBet euch untereinander mit dem heiligen
—> Kuple
Petrus ist in vielen Szenen aus dem Leben
Jesu (> Verklaérung, Berufung) erkennbar her-
ausgehoben, in der --ὁ Heimholung Maria
schwingt er das WeihrauchfaB.
Pfau
O TAQC
O taés
Prunkvogel, der Hera/Juno heilig, heimisch in
Indien, gelangt im 5.Jh. tiber das Heraheilig-
tum auf Samos nach Athen. Als vielschichtiger
symbolischer Bedeutungstrager reprasentiert
er in christlicher Zeit ewiges Leben, den Him-
mel und die Cherubim der —» Eucharistie.
Seelenvogel und Vogel des ewigen Lebens
Seelen gewéhnlicher Verstorbener sind vogel-
ahnlich (~ Taube), die der r6émischen Herr-
scher Gdttervégel. Bei der feierlichen Ein-
Ascherung reprasentierten der —> Adler des Ju-
piter die Seele des Kaisers, der Pfau der Juno,
die der Augusta. Friihchristl. ornamentale
Pfauen, oft in Verbindung mit Palmen oder
Weinranken, symbolisieren die Seelen der
zum ewigen Leben Aufgefahrenen und das
ewige Leben selbst (Sarkophage, 5./6.Jh.;
Mosaiken, Baptisterium der Orthodoxen, Mit-
te 5.Jh., San Vitale, Ravenna, Mitte 6. Jh.).
Pfauenaugen als Sterne des Himmels
An diese Bedeutung lagert sich die Symbolik
»himmlische Herrlichkeit« an -- angeregt von
der altorientalischen Gleichsetzung des augen-
geschmiickten Pfauenfederrades mit dem ster-
nenitibersdten Himmelsgewélbe. Der tausend-
augige indische Himmelsgott Indra sitzt auf
dem Pfauenthron, Vorbild fiir den Sitz der
Mogulherrscher (1739 nach Persien gelangt).
Die Tetramorphen und Rader der — Hese-
kielvision (Hes. 8, 1 ff.) im AT sind tiberspren-
kelt mit Sternenaugen. Christus auf einem gen
Himmel schwebenden Thron tragt einen
Uberwurfmantel mit Augenornamentik (Fa-
ras, Nubien, Mitte 12.Jh., Nationalmuseum
Warschau). In der Apsis einer kappadoki-
schen Ho6hlenkirche (Uziimlii Kilise, Kizil
Cukur, 8.Jh. oder friiher) thront + Maria zwi-
schen Engeln unterm Sternenkreuz vor Pfau-
enfeder-Hintergrund in der Bedeutung Ster-
nenhimmel (> Mond).
BE Ete BATS ae a eae TE an
Pfauenaugen in einem Federornament umgeben ein
Astralkreuz in der Kuppel und die Gottesmutter zwi-
schen Engeln in der Apsiswélbung der Uziimlit Kilise
in Kizil Cukur bei Géreme (vor- oder friihikonokla-
stisch). Die Pfauenfedern vertreten den Himmel, ihre
Augen die Sterne.
Pfauenfederfacher als Symbole der Cherubim
Pfauenfederfacher waren in Griechenland tib-
lich und im kaiserzeitlichen Rom und spielten
wohl eine wichtige Rolle auch im byz. Hof-
zeremoniell. Liturgisch als Ehrenfacher ver-
wendet, hat man sie ab friihchristlicher Zeit
m.E. als Cherubim aufgefaBt (> Engel; >
Liturgie) bzw. als deren Fliigel. Vom 6.Jh. an
kamen zundchst im Ostmittelmeerraum mit
Cheruben geschmiickte Edelmétallfacher auf,
Vorlaufer der bis heute tiblichen Rhipidien
(— Altar).
271
Pfingsten
Bereits Ende des 4. Jh.s haben nachweislich Diako-
ne, dienende Engel symbolisierend, die heiligen Ga-
ben mit Pfauenfederfachern bewedelt. Pseudodio-
nys (~> Himmlische und kirchliche Hierarchie) setzt
Ende des 5.Jh.s die zwei im Kult verwendeten Rhi-
pidien den zwei mal sechs Fliigeln der Cherubim
gleich.
Die Pfauenfederfacher wurden, wie heute die
Rhipidien, bei der —-> Proskomidie und der
Ubertragung der -> eucharistischen Gaben
vom Riisttisch zum Altar verwendet. Der beim
»groBen Einzug« gesungene Cherubimhymnus
besagt, da8 die Prozessionsteilnehmer selbst
auf geheimnisvolle Weise die Cherubim ver-
k6rpern.
Ἢ creat Caen
i ἐστον eda cee saa ay μιν
Pfau mit Weintrauben, eucharistisches Symbol.
Friihbyzantinisches Relief, Argos, Museum.
Die Pfauenpaare in Verbindung mit Weinran-
ken ab 4./5.Jh. auf Sarkophagen (in Santa
Costanza, Rom, 4.Jh. und Sant’Apollinare in
Classe, Ravenna, 5.Jh.), Marmorschranken
272
(mit Weingefé8 in Sant’Apollinare Nuovo,
6. Jh.) und Mosaiken (Baptisterium der Ortho-
doxen, Mitte 5.Jh.) symbolisieren die zwei li-
turgischen Facher, die im eucharistischen Got-
tesdienst zu sternaugentibersdten Cherubim
vor dem tiberhimmlischen Thron Gottes wer-
den. (Zwei Cherubim flankierten die > Bun-
deslade als Thron Gottes im Tempel zu Jeru-
salem).
Cherubimdarstellungen treten spater auf, ver-
drangen zwischen dem 6. und 8. Jh. ihre Sym-
bole (+ Lamm und — Schatten). Erzengelflii-
gel aus eucharistischen Pfauenfedern kommen
in Nubien zwischen dem Anfang des 8. und
Ende des 10.Jh.s in Faras vor, in Griechen-
land im 14./15.Jh. (Archangelos Ajiou Joan-
nou, Rhodos).
Pfingsten
H TENTEKOCTH
I Pentekosti
Letztes Fest des beweglichen Teiles des Kir-
chenjahres, Feier der AusgieBung des Heiligen
Geistes.
Festtage und Brauchtum
Der »50. Tag nach Ostern« schlieBt mit einem
zweitaégigen Hochfest (> Festtagskalender)
die nachésterliche Zeit der Freude ab. Laut
Apg. 2, 1 hat sich die AusgieBung des Heiligen
Geistes in Jerusalem am jtidischen Pfingstfest,
einem alten Erntedankfest, ereignet. Die Kir-
che der Apostel feierte Himmelfahrt und Aus-
gieBung zu Ostern. Im 3. Jh. entstand ein selb-
standiges Fest, von dem sich im 4.Jh. die >
Himmelfahrt Christi abspaltete. Kirchen und
Hauser werden mit Bliiten, Zweigen und
Kranzen geschmiickt, die Glaubigen kommen
mit StrauBen zum Gottesdienst.
Der 1. Festtag ist der Sonntag des Kniens: Zwi-
schen Ostern und Pfingsten knien die Grie-
chen im Gottesdienst nicht nieder; sie stehen
zur Erinnerung an die Auferstehung »aufrecht
da« (-» Oranten). Am Ende der Freudenzeit
wird bei drei Gebeten gekniet, eines davon ei-
ne Fiirbitte fiir die Toten: Die Seelen, von
Christus an Ostern aus der Totenwelt befreit,
mtissen am Psychosawato (Samstag vor Pfing-
sten) zurtickkehren (— Totenbrauche).
Pfingsten
Der Sonntag der Dreieinigkeit und der
Engelbesuch in Mamre
Hain Mamre, Typus der Heiligen Dreifaltigkeit.
Carikli Kilise, Géreme, mittelbyzantinisch.
»Wie es einem Menschen zu schauen mdglich ist,
schautest du, seliger Abraham, die Heilige Drei-
faltigkeit und hast sie bewirtet wie einen engen
Freund.« Liturgie von Sonntag der Patriarchen
Am Pfingstsonntag wird eine auf die Dreiei-
nigkeit hinweisende Ikone zur Verehrung aus-
gestellt. Die im J. Mose 18 geschilderte Bewir-
tung der drei Manner unter Steineichen (Hain
Mamre) durch Abraham -- auch vom AT als
Gotteserscheinung verstanden — gilt dls ver-
hiilite Selbstdarstellung der Dreieinigkeit.
Knappe Fassung: Drei Engel um einen Tisch
herumsitzend unter einem Baum (- Him-
melsleiter; -- Lebensbaum). Links Gott Va-
ter, in der Mitte Christus, rechts der Heilige
Geist. Das Aufgetischte, darunter ein Kalbs-
kopf, ist typologisches Vorbild der —-> Euchari-
stie. Daher findet sich das Motiv haufig im Al-
tarraum, in oder vor der Prothesis-Nische (>
Proskomidie). Auf detailreich ausgebauten
Darstellungen bringen Abraham und Sara
Speisen dar oder knien anbetend nieder. Mit-
unter fiihrt ein Knecht ein Kalbchen zur
Schlachtbank (1. Mose 18, 7).
Ein Mosaik um 400 (Santa Maria Maggiore, Rom)
zeigt tibereinander die BegriiRung der drei Manner
und ihre Bewirtung: Die drei jugendlichen, lockigen
und hellgewandeten Gestalten mit Nimbus, noch
ohne Fliigel, sind gleich gro8, Ausdruck der Gleich-
rangigkeit der g6ttlichen Erscheinungen. In der An-
kunftsszene steht der Mittlere in einer Mandorla —
wohl Hinweis auf Christi» Verklarung. Im unteren
Bildteil erhebt Abraham seine Rechte zu Sara mit
der christologischen Zwei-Naturen-Geste (—> Hian-
de). Sara links im Bilde vor der Tiir einer Hiitte
backt drei Brote. ;
Ein vor 550 entstandenes Mosaik (linke Presbyte-
rienliinette, San Vitale, Ravenna) faBt die im Hause
lauschende Sara, die Bewirtung der drei Manner
und die Opferung Isaaks zusammen (Betonung des
— eucharistischen Moments). Auffallig der groB-
wiichsige Baum, auf dem Tisch die drei kreuzge-
kerbten — Brote (panis quadratus —> Brot).
Die ab mittelbyz. Zeit stets gefliigelten Engel
tragen mitunter einen Kreuznimbus (Carikli
Kilise, Géreme, 12.Jh.?, Ikonen-—> Nimbus).
Auf der bekannten Ikone von Adrei Rublow
(1422, Tretjakow Galerie Moskau) — in RuB-
land wie in Griechenland haufig nachempfun-
den — schlieBen sich die drei Engel zu einer
Kreiskomposition zusammen. Veranschauli-
chung der Vollkommenheit und Einheit der
gottlichen Personen.
Postbyz. Ikonen zeigen das in der Orthodoxie
eigentlich verp6nte westliche Trinitatsschema —
Gottvater als Greis, Jesuskind und Taube.
Montag des Heiligen Geistes,
Bild der AusgieBung
aN
AusgieBung des Heiligen Geistes im Apsisgew6lbe
von Osios Lukas, nach 1000.
»Und an Pfingsten waren sie alle beisammen. Da
begann es zu brausen vom Himmel als ware es ein
gewaltiger Wind und erfiillte das Haus ... Und es
erschienen ihnen Zungen, zerteilt wie von Feuer,
und es setzte sich auf jeden von ihnen. Sie aber
273
Propheten
wurden voll des Heiligen Geistes und fingen an zu
sprechen mit anderen Zungen.« Apg. 2, 1-4
Die Ikone mit der Darstellung des eigentlichen
Pfingstgeschehens wird am Pfingstmontag aus-
gelegt. Von mittelbyz. Zeit an findet sich die
AusgieBung an Tonnenwélbungen oder in Ne-
benkuppeln: Vom Himmelskreis, der auch
den — leeren Thron mit der Taube des Heili-
gen Geists enthalten kann, gehen zwdlf Strah-
len aus. Zwélf Feuerzungen tropfen auf die
um das Kuppelrund herum verteilten Apostel
herab.
Auf Ikonen, Miniaturen und ebenen Wandfla-
chen umsitzen die Zwdlf eine dunkle Nische
mit einer gekrénten kénglich gekleideten Fi-
gur, der Allegorie des - Kosmos). Sie halt in
einem Tuch zwolf Schriftrollen — die Verkiin-
digungen der Apostel : »Gehet hin in alle Welt
und lehret alle Volker ...« Matth. 28, 19
Architektonische Details im Hintergrund deu-
ten einen Innenraum an. Unter den Jiingern
haufig die Muttergottes in Orantenhaltung,
auf einem Bild des 6. Jh.s (Rabula Kodex) zwi-
schen den stehenden Jiingern, mit Feuerzun-
gen tiberflammt, unter einer herabstoBenden
Taube: Stellvertretend fiir den aufgefahrenen
Christus -- auf vielen Ikonen bleibt der oberste
Platz zwischen den Jtingern fiir ihn frei --
kommt der verheiBene Geist herab. (Auf anti-
ken und frithchristl. Grabstatten gab es einen
leeren Platz — fiir die Seele des Toten bei der
Totenbewirtung.)
Pfingsten wird in der Liturgie als Gegenereig-
nis zur Sprachverwirrung (> Turmbau zu Ba-
bel) gefeiert:
»Als er herabfuhr und die Sprachen verwizrrte,
trennte der Héchste die Vélker voneinander. Als er
die Feuerzungen verteilte, berief er alle zur Einheit,
und einstimmig verherrlichen wir den Allheiligen
Geist.« Aus der Pfingstliturgie
Propheten
OI TIPO®HTEC
I prophites
Ekstatische Visionire des AT schauen oder
héren Gott, der tiber sie, dem Volk Israel, sei-
nen Willen — in der jeweils aktuellen politi-
schen Situation — kundtut. Sie erleben Visio-
nen zukiinftiger apokalyptischer Ereignisse,
274
verheifen den Jahweanhangern eine paradie-
sische Endzeit. Mit Vehemenz bekampfen sie
Fremdkulte (Baal, Ashera), trésten die nach
Babylon in die Gefangenschaft weggefiihrte
Gemeinde.
Zu den Gesetzesbtichern des AT stehen die
prophetischen (— Verklarung Christi; -> Elias)
im Spannungsverhdltnis von visionarer Gottes-
erfahrung zu Gesetzestreue, von Emotionali-
tat zu Begrifflichkeit.
Die Propheten als Hinweisende
auf Heilsereignisse
Die orthodoxe Frémmigkeit und Kunst wertet
die Propheten als Hinweisende auf die Heils-
geschichte des NT:
yw Ihre Worte werden auf Christus oder die
Gottesmutter bezogen: Jes. 7, 24
»Siehe, eine Jungfrau wird empfangen und einen
Sohn gebaren, und sie werden seinen Namen Jesus
nennen.«
Mit diesem Text auf einem Schriftblatt wird --
Jesaia der + Geburt Christi zugeordnet.
¥ Thre Taten gelten als typologische Prafigu-
rationen, so die Auffahrt des —> Elias fiir die
—> Himmelfahrt Christi.
¥ Die Propheten selbst sind Prototypen fiir
-ῦ Johannes den Taufer (Elias) oder fiir >
Christus.
Der Hinweischarakter der Propheten auf Chri-
stus (= Messias bzw. Maschiach = der von den
Propheten geweissagte endzeitliche »Gesalbte
Gottes«) kommt zum Ausdruck in der Anord-
nung von — je nach Anzahl der Fenster oder
Rippen — 12 oder 16 Propheten im Kuppeltam-
bour der Hauptkuppel oder einer Nebenkup-
pel tiber der Vorhalle, gruppiert um den >
Pantokrator. Ab mittelbyz. Zeit verdrangen
sie die urspriinglich dort angeordneten Apo-
stel, in spatbyz. Zeit schiebt sich zwischen sie
und Christus ein Kreis mit Engeln.
Die Kennzeichnung der Propheten
Die vier groBen Schriftpropheten:
vx —> Jesaia (Isaias: sehr betagt, langer Bart;
Schriftblatt. Jes. 1, 2: »Hére es Himmel und
vernimm es Erde, daB der Herr gesprochen hat:
Ich habe Kinder ...« 9.Mai.
Propheten
Propheten um Christus Pantokrator. Pamimakaristos Kirche, Konstantinopel, Anfang 14. Sh.
-
vr Jeremias (Ieremias), Greis, kurzer diinner
Bart. Jer. 1, 5: »Ehe ich Dich bildete im Mut-
terleibe, habe ich Dich gekannt...« 1. Mai.
ve — Hesekiel (Jezekiil). Sehr alt, spitzer
Bart. Hes. 34, 10: »So spricht der Herr... Ich
will meine Schafe fordern ...« 23. Juli.
vy - Daniel (Daniil). Jung, bartlos. Dan. 2,
44; »Es wird der Kénig des Himmels ein K6-
nigreich aufrichten, das in Ewigkeit nicht zer-
st6rt werden wird.« 17. Dezember.
Die zwélf kleinen Schriftpropheten:
yx Hosea (Osie), Greis, runder Bart. Hos. 6,
6: »Ich will Barmherzigkeit und nicht Opfer,
und Gotteserkenntnis δία! Brandopfer, spricht
der Herr.« 17. Oktober.
¥ Joel (Joil), schwarzer, gespaltener Bart.
Joel 3, 16: »Aus Sion wird es schreien und ru-
fen aus Jerusalem.« 19.Oktober. Erscheint oft
neben Pfingstbildern wegen Joel 3, 1: »Und
danach will ich meinen Geist ausgieBen tiber
alles Fleisch ...«
vr Amos (Amos). Greis, grauer Bart: Amos
5, 18: »Wehe denen, die nach dem Tage des
Herrn verlangen, er wird kommen. « 15. Juni.
ze Obadja (Abdias). Sehr alt, graubartig. Ob.
1, 78: »An jenem Tag, spricht der Herr, werde
ich die Weisen vertilgen ...« 19. November.
ye — Jonas (Jonas). Greis, kahlképfig. Jon.
2, 3: »Ich habe in der Triibsal zum Herrn geru-
fen und er hat mich erhért.« 21.September.
yx Micha (Michdas). Sehr alt, spitzer Bart.
Micha, 4, 6: »An jenem Tag, spricht der Herr,
werde ich versammeln die Gebrechlichen und
VerstoBenen...« 14. August.
yr Nahum (Naum). Kurzbartiger Greis. Nah.
1, 6: »Wer wird vor dem Angesicht des Herrn
bestehen, wer wird ihm entgegenstehen?«
1. Dezember.
vy Habakuk (Amwakum). Jung, bartlos.
Hab. 3, 2: »Herr ich habe auf Deine Stimime
gehdért und fiirchtete mich. Ich bedachte Dein
Werk und ich stand.« 2.Dezember (> Da-
niel).
275
i
|
5
|
Proskomidie
»Deine géttliche EntéuSerung auf dem Kreuze vor-
ausschauend rief Habakuk ekstatisch aus: Du hast
der Herrscher Macht gebrochen, Giitiger, da Du zu
denen im Hades als Allmachtiger sprachst.« Liturgie
grofer Freitag
we Zephania (Sophonias). WeifShaariger Greis.
Zeph. 2: »Das spricht der Herr: Siehe, ich wer-
de mein Volk erretten aus dem Lande.« 3. De-
zember.
yw Baruch (Baruh) (Buch von Protestanten
als apokryph betrachtet!) Greis mit rundem
Bart. Bar. 2, 16: »Herr, schaue aus Deinem
heiligen Hause auf uns und wende Deine Ohren
zuuns, und erhére uns. «
ye Sacharia (Zacharias). Dargestellt wird der
Hohepriester Zacharias, Vater —> Johannes
des Taufers, im Priestergewand, mit einer ro-
ten Kugel auf der Kopfbedeckung (— Marien-
zyklus). Geriet durch Verwechslung mit den
gleichnamigen Propheten des AT in diese
Gruppe. Der Prophet gilt als Vorverktinder
der Geburt Christi: »Gelobt sei der Herr der
Gott Israels, weil er uns heimgesucht hat und
sein Volk Israel erlést.« 5. September.
ve Maleachi (Malachias). Graues Haar, grau-
er runder Bart. Mal. 1, 11: »Vom Aufgang der
Sonne bis zu ihrem Niedergang wird mein Na-
me grop sein.« 3. Januar.
Der Prophet Haggai (Agios) — im Westen ei-
ner der Zwd6lf anstelle von Baruch — fehlt in
der byz. Kunst. Keine Schriften hinterlieBen
— Elias und Elisas. Zu den Propheten zahlen
—> Moses, die Prophetenfiirsten > David und
—> Salomo sowie —> Gideon. Propheten nicht-
jtidischer Herkunft sind — Bileam und die Si-
bylle (— griech. Weise).
Proskomidie
(Zuriistung des Abendmahls)
H ITPOCKOMIAH
I Proskomidi
Zuriistung des Mysteriums des _heiligen
Abendmahls, ein eigener priesterlicher Got-
tesdienstteil, geht der zweiteiligen — Liturgie
voraus (—> Eucharistie). Die Gaben werden in
der Prothesis, der nérdlichen Apsidiole oder
in einer Nische links in der Hauptapsis von
Priester und Diakon rituell vorbereitet, damit
sie vor der Austeilung in feierlicher Prozession
276
(groRer Einzug) zum Altar verbracht werden
k6énnen.
Der Priester wird im Gottesdienst zur Ikone
Christi, Christus handelt durch ihn. Christus
ist zugleich der opfernde Erzpriester und das
geopferte Lamm.
Fir die Glaubigen bleibt die ΡΝ im
Verborgenen. Vor Beginn geben sie am Ker-
zenstand Zettel ab, mit Namen Lebender und
Verstorbener, derer gedacht werden soll.
Opferhandlung: Symbolisierung der Heils-
geschichte und der Verg6ttlichung des Kosmos
Die Proskomidie ist
vx Opferhandlung: sie stellt symbolisch die
Schlachtung des — Lammes dar, das geichzeitig
Gott dargebracht wird und von Gott kommt, Gott
Ist.
yx aktuelle Neubelebung des Heilsgeschehens,
Christi Geburt und seine Passion umfassend. Beides
wird in den anschlieBenden zwei Teilen der Liturgie
aufgegriffen, das Erscheinen Christi im »kleinen
Einzug«, sein Opfertod im »groBen«.
yw Vereinigung des gesamten Kosmos — der Men-
schen miteinander und mit Gott in der Gestalt des
als kosmisches Modell hergerichteten > Brotes und
Weines: Vorgriff auf die kiinftige Vergédttlichung
des Menschen (> Mystik).
Die fiinf quadratischen Kreise stellen die fiinf
Prosphoren dar, die im Verlaufe der Proskomidie
zur Vorbereitung der eucharistischen Gaben benutzt
werden. Ikonoklastischer ΚιρΡεΙ δε κοντα in einer
Héhlenkirche bei Géreme.
Proskomidie
Ubersicht I: Vorbereitung — BegriiSung der Ikonen und Anlegen der Gewander
Vorgang .
Bemerkungen
Priester und Diakon kommen am Sonntag um
9 Uhr in die Kirche (—> Liturgie)
Sie machen 3 Verbeugungen vor der schénen.
Pforte nach Osten zu. Priester: Lobpreis Gottes
(Segen)
Diakon: Bitte um den Heiligen Geist. Dreifaches
Kyrie Eleison
Diakon: Vater unser
Priester: Lobpreisung (Doxologie). Bitte an Gott
um Vergebung, an die Gottesmutter, das Tor der
Barmherzigkeit zu 6ffnen
Priester und Diakon schreiten zu Christi Bild an
der Bilderwand rechts von der schénen Pforte,
verneigen sich tief, ktissen es
Der Priester: » Vor Deinem allerreinsten Bilde fal-
len wir nieder, o Giitiger, bittend um die Verge-
bung unserer Siinden, Christus, Gott. Denn frei-
willig wolltest Du im Fleische das Kreuz besteigen,
um die, die Du erschaffen hast, zu erlésen aus der
Knechtschaft des Widersachers ...«
Sie verneigen sich vor dem Bild der Gottesmutter,
ktissen es
Der Priester: »Die Du Quelle des Erbarmeiis bist,
Gottesgebarerin, wiirdige uns Deines Mitleides ...«
Beide verbeugen sich vor der schénen Pforte.
Der Priester: »O Herr, sende Deine Hand herab
aus Deiner heiligen Wohnung und starke mich,
da8 ich ohne gerichtet zu werden vor Deinem
furchtbaren Throne stehe und das unblutige Opfer
darbringe.«
Beide verneigen sich, um. Vergebung bittend, nach
beiden Seiten gegeneinander, zur Gemeinde und
zum Altarraum, und beten: »Ich will eingehen in
Dein Haus und mich niederwerfen vor Deinem
heiligen Tempel in Furcht vor Dir.« Ps. 5, 8-13
Das Anlegen der liturgischen Gewander: Priester
und Diakon betreten durch die nérdliche Tir den
Altarraum, verneigen sich dreimal vor dem heili-
gen Altar, kiissen das Evangeliar, den Altar
selbst, legen der Reihe nach die liturgischen Ge-
wander an
Priester und Diakon waschen sich die Hande:
»Ich will waschen unter den Unschuldigen meine
Hande und umschreiten Deinen Altar ...«
Ps, 26 (25), 6-12
9 Uhr, die Zeit, in der der Heilige Geist zu Pfingsten
auf die Jiinger herabkam
Priester und Diakon sind noch in Alltagskleidung.
Der Priester hat das Epitrachilion (+~ Gewander)
umgelegt
Bitte um Reinigung, Vergebung der Siinden, damit
Priester und Diakon vor Gott treten kénnen
Priester und Diakon miissen vom Abend des Vortra-
ges an bis zum AbschluB8 der Liturgie ntichtern
bleiben
Bild und Wort sind gleichrangige Verkiindigungs-
mittel. Was dem Bild an Verehrung zuteil wird, geht
liber auf das Abgebildete — auf Christus und die Got-
tesmutter. Die Einbeziehung der Bilder in den vor-
bereitenden Abschnitt des Gottesdienstes driickt aus
ve die Wichtigkeit.der Bilder fiir den orthodoxen
Ritus,
vy die an erster Stelle christologische und an zweiter
mariologische Ausrichtung des Gottesdienstes
wie der Bildprogramme der Kirchen (—> Bild)
Darstellung der Freiwilligkeit der Kreuzbesteigung
(—> Passionszyklus) ;
Abbildung Marias als > lebensspendende Quelle
Der Altar wird wahrend des Gottesdienstes zum
tiberhimmlischen Altar und Thron Gottes. Der Prie-
ster, zu ihm emporgehoben, volizieht, umgeben von
Engeln, seinen Dienst. Er mtiBte vor der Herrlich-
keit Gottes vergehen, wenn dieser selbst ihn nicht
starkte und schiitzte
Die Verneigungei von Priester und Diakon in alle
Richtungen der Windrose unterstreichen den pan-
kosmischen Hintergrund des Ritus. Der Einzelne,
die gesamte Menschheit und Gott sollen zu einer
groBen Gemeinschaft werden
Jedes > Gewand hat eine spezielle symbolische
Bedeutung. Beim Anlegen wird jeweils ein Zitat aus
dem AT (Psalmen) gebetet
Kultische Reinigung der Hande, bevor das Heiligste
des Heiligen, der Leib Christi, angefaBt wird
277
Proskomidie
Ubersicht II (Fortsetzung): Proskomidie — Darbringung und Zuriistung der Eucharistie
Handlung
Vor dem Tisch der Zuriistung in der Prothesis
machen Priester und Diakon drei Verneigungen
Priester: »Du hast uns erlést ... durch Dein kost-
bares Blut: An das Kreuz genagelt und mit einem
Speer durchstochen, hast Du Unsterblichkeit fiir
die Menschen hervorquellen lassen ...«
Der Priester nimmt die erste der fiinf Prosphoren
mit der Linken, die heilige Lanze in die Rechte.
Mit ihr schlagt er das Kreuz dreimal tiber der Pro-
sphora: »Zum Gedachtnis fiir unsern Herrn und
Gott und Heiland Jesus Christus.« St6®t dann die
Lanze von oben in die rechte Seite des Siegels
(rechts vom Siegel aus gesehen): »Wie ein Lamm
wurde er zur Schlachtbank gefiihrt.« Jes. 53,7
Der Priester st68t die Lanze in die linke Seite
(vom Lamm aus gesehen): » Und wie ein unschul-
diges Lamm verstummt vor seinem Scherer, so tat
es seinen Mund nicht auf.« Jes. 53,7.
St6Bt sie in den oberen Teil: »In seiner Erniedri-
gung war sein Gericht aufgehoben.« Jes. 53,8.
St68t sie dann in den unteren Teil des Siegels:
»Wer kénnte von seiner Herkunft wissen?«
Jes. 53,8.
Der Diakon halt sein Orarion in der Hand, sagt
bei jedem Schnitt: »Lasset uns beten.«
Diakon: »Hebe auf (heraus), Herr!« Der Priester
st68t die Lanze von unten in die linke Seite der
Prosphora und hebt das Lamm heraus: »Denn sein
Leben wird von der Erde hinweggenommen.«
Jes. 52, 8. Er legt das Lamm mit dem Siegel nach
unten auf den Diskos
Diakon: »Schlachte, Herr!« Der Priester schneidet
das Lamm von unten her kreuzweise, entsprechend
der Kreuzteilung des Siegels, ohne die Kruste zu
verletzen: »Geschlachtet wird das Lamm Gottes,
das da tragt die Stinde der Welt.« Joh. 1,29. Er
wendet das Lamm um. Das Siegel zeigt nach oben
Diakon: »Durchbohre, Herr!« Der Priester st6Bt
die Lanze in die rechte Seite des Siegels (vom
Lamm aus gesehen): »Einer von den Kriegern 6ff-
nete seine Seite mit einer Lanze, und sofort kam
Blut und Wasser heraus ...« Joh. 19, 34~—35
Der Diakon bringt Wein, vermengt mit etwas
Wasser: »Segne die heilige Vereinigung, Herr!«
Dann gibt der Diakon die Mischung in den Kelch
278
Bemerkungen
Beginn der eigentlichen Zuriistung von Brot und
Wein
»Hervorquellen lassen« — Herkunft des Abend-
mahisweines, wird durch das Sterben Christi zum
Lebenselixier
Prosphoren sind ungesduerte Weizenbrote, gebak-
ken von der Frau des Priesters, ihm selbst oder von
unbescholtenen jungen Madchen. Die beiden Teile,
der untere grdfere und der obere kleine mit dem
Siegel (dem Stempelabdruck) symbolisieren die zwei
Naturen Christi, die géttliche und die menschliche.
Fir die Proskomidie und damit fiirs Abendmahl
werden fiinf Prosphoren benétigt: Christus speiste
die 5000 mit fiinf Broten (— Speisewunder), fiinf
Hauptpunkte hat das > Kreuz sowie der gesamte
Kosmos (> Zahl 5)
Nur das Lamm der ersten Prosphora wird in den
Leib Christi verwandelt. Den vier anderen Prospho-
ren werden Partikel, die Teile der Menschheit ver-
k6érpern, entnommen. Die Prosphorenreste — es
bleibt eine Menge iibrig — bleiben ungeweiht und
werden als »Antidoron« nach dem eucharistischen
Gottesdienst an die Glaubigen verteilt, auch an die,
die das Abendmahl nicht empfangen haben (— Brot).
Die Partikel der ersten Prosphore werden spiater in
den Wein gegeben und mit einem Léffel an die Teil-
nehmer der Eucharistie verteilt
Das Herausheben symbolisiert die Geburt Christi
aus der Jungfrau, die Ankunft des géttlichen Logos
in der Welt. Die zu opfernden Prosphorenpartikel-
chen werden auf dem Diskos (> Altar) angeordnet.
Er reprasentiert gleichzeitig die Weihnachtskrippe
und das Grab Christi (> Geburt Christi)
Praktisch gesehen, erméglicht das Vorschneiden
spater beim Abendmahl die Zerteilung des Lammes
in vier Stiicke, symbolisch weist es auf das Schlach-
ten des Lammes Christi hin. Die vier Schnitte ent-
sprechen den vier Wunden Christi un Handen und
FiBen
Sympbolisch wird Christus die fiinfte Wunde, der
Lanzenstich in die Seite, unmittelbar nach seinem
Ableben beigefiigt. Auf den meisten Darstellungen
der —> Kreuzigung quillt ein roter und ein weifer
Strahl -- Blut und Wasser — aus Christi Seitenwunde
Proskomidie
Ubersicht II (Fortsetzung): Proskomidie — Darbringung und Zuriistung der Eucharistie
Handlung
Bemerkungen
Der Priester entnimmt der zweiten Prosphora ein
Dreieck: »Zu Ehren und zum Gedachtnis unserer
hochverehrten und ruhmreichen Herrin, der Got-
tesgebdrerin und Immerjungfrau Maria; durch
ihre Fiirbitte, o Herr, nimm dieses Opfer auf Dei-
nem heiligen Altar an.« Legt das Teilchen auf die
vom Lamm aus rechte Seite des Diskos. Aus der
dritten Prosphora holt er neun Partikel fir die
»neun Ordnungen, die die Briicke darstellen zwi-
| schen Himmel und Erdex«, legt sie gegentiber. Aus
der vierten Prosphora werden kleine Kriimelchen
fiir die lebende Priesterschaft und alle Lebendigen
geholt. Die fiinfte Prosphora liefert Gedenkparti-
kel fiir die Stifter der Kirche, fiir alle Verstorbe-
nen: »Und (gedenke, Herr) aller unserer Vater
und Briider, die in Hoffnung der Auferstehung,
des ewigen Lebens und der Gemeinschaft mit Dir
entschlafen sind ...« Der Priester entnimmt noch
einmal der vierten Prosphora ein Stiickchen:
»Gedenke, Herr, auch meiner Unwiirdigkeit und
vergib mir alle meine vorsatzlichen und unvorgatz-
lichen Stinden.«
Mit einem Schwammstiick (— Altar) schiebt der
Priester die Brotteilchen unterhalb des Lammes
zusammen
Beraucherung und Verhiillung: Der Diakon be-
reitet das WeihrauchfaB vor: »Segne, Herr, den
Weihrauch! Lat uns beten zum Herrn!« Priester:
»Weihrauch bringen wir Dir dar, Christus, unser
Gott, zum Dufte geistigen Wohlgeruchs, nimm ihn
an auf Deinem iiberhimmlischen Altar und sende
dafiir herab die Gnade Deines allheiligen Geistes.«
Diakon: »Lasset uns beten zum Herrn!«
Der Priester berauchert den Asteriskos, stellt ihn
tiber das Brot und den Diskos: »Und der Stern
stand tiber dem Ort, da das Kind war. »Matth. 2,9.
Diakon: »LaBt uns beten zum Herrn.«
Der Priester berduchert das erste Velum, bedeckt
damit den Diskos: »... umkleidet hat sich der
Herr mit Macht und umgiirtet, denn festgegriindet
hat er die Welt, sie wird nicht wanken. Bereitet ist
Dein Thron von Anbeginn, von Ewigkeit her bist
Du...« Ps. 93 (92)
Diakon: »Laft uns beten zum Herrn.«
Der Priester berauchert das zweite Velum, be-
deckt den Kelch: »Es bedecken die Himmel Deine
Tugend, Christus ...« nach Hab. 3,3. Aufgefor-
dert vom Diakon berduchert der Priester den Aer,
bedeckt damit Diskos und Kelch: »Bedecke uns
mit dem Schutz Deiner Fligel ...« Ps. 17 (16), 86
Das »Lamm« ist, da es ein Kreuz tragt, und wie das
Kirchengebaude auf die vier Himmelsrichtungen
ausgerichtet wird, gleichzeitig das kreuzférmige Ge-
riist, das das Weltenall, bestehend aus der sicht-
baren und unsichtbaren Welt, symbolisiert durch
das Rund des Diskos (Erdkreis), tragt und halt. Das
Diskosrund mit dem Siegelkreuz ist ein Kosmo-
gramm: es faBt alles Existierende zusammen — ange-
fangen vom Himmelsherrscher Christus Gott, tiber
die Gottesgebarerin als die Tir, die Gott den Zutritt
zur Welt und den Menschen den Zutritt zum Him-
mel erméglicht, tiber den Hierarchien der neun Ord-
nungen, der unsichtbaren und sichtbaren Krifte, die
abgestuft zwischen Gott und den Einzelnen einge-
schaltet sind, bis herab zu jedem einzelnen Men-
schen, bis hinab in die Totenwelt. Das mikrokosmi-
sche Modell aus Brot als dem Leib Christi greift dem
endgiiltigen Zustand der Gliickseligkeit vor, da alle
Menschen eins sein werden, untereinander und mit
Gott
Die »Mousa« ist der Essigschwamm, mit dem Chri-
stus am Kreuz getrankt wurde
Weihrauch ist ein Gebet aus duftendem Harz. Die
Bitte fiir den Weihrauch, den Heiligen Geist herab-
zusenden, erklart sich aus der symbolischen Deu-
tung: Das Weihrauchfa8 ist die Menschheit Christi,
das Feuer die Gottheit, der duftende Rauch ent-
spricht dem dem Kommen des Heiligen Geistes vor-
ausgehenden Wohlgeruch (Liturgiekommentar des
Patriarchen Germanos, Anfang 8. Jh.)
Der Asteriskos (das Sternchen, — Altar) hat dafiir zu
sorgen, dafs bei der Abdeckung des Diskos die Parti-
kelchen nicht durcheinandergeraten. Symbolisch be-
deutet er den Stern von Bethlehem iiber dem Kind
in der Krippe (= Siegel; = Lamm), der Diskos re-
prasentiert die Krippe. Die Vela, die verschiedenen
Tiicher, mit denen die Gaben abgedeckt werden,
sind gleichzeitig die Windeln des Christuskindes und
die Leichentitcher Christi. In Weihnachten ist schon
die Passion (—> Geburt Christi) und in der Passion
ist Weihnachten enthalten. Das grofe Veluwm heiBt
Aer —»Atmosphiare«, »Luft«
279
Proskomidie
co
Ubersicht II (Fortsetzung): Proskomidie -- Darbringung und Zuriistung der Eucharistie
Handlung
Bemerkungen
Beraucherung des Riisttisches und Verneigungen
davor. Priesterliches Gebet der Darbringung:
»Gott, unser Gott, der Du das himmlische Brot,
die Nahrung der ganzen Welt, unserm Herrn und
Gott Jesus Christus als Heiland, Erléser und
Wohltater, der uns segnet und heilig macht, ge-
sandt hast, segne selbst diese Darbringung und
nimm sie an auf Deinem tiberhimmlischen Altar.«
Weitere Segensformein. Der Diakon tibernimmt
das WeihrauchfaB und berduchert betend und
psalmodierend den Riisttisch, den Altar, die ge-
samte Kirche, nochmals den Altar und den Prie-
ster. Beide stellen sich vor den Altar, bitten um
Reinigung. Der Priester kii®t das Evangeliar auf
dem Altar; der Diakon den Altar. Der Diakon
neigt sich vor dem Priester, halt das Orarion mit
drei Fingern in die Hohe: »Es ist Zeit, dem Herrn
zu dienen! Segne, Gebieter!« Der Priester bekreu-
zigt den Diakon und betet fiir ihn
Der Diakon verlé8t den Altarraum und stellt sich
vor die verschlossene schéne Pforte: »Herr, offne
meine Lippen und meinen Mund, damit wir Dei-
nen Ruhm verkiindigen!« Die —> Liturgie der
Katechumenen beginnt
Stempel fiir die Prosphora, das eucharistische Brot.
Auf dem senkrechten Kreuzesarm dreimal tiberein-
ander die Abktirzung: »Jesus Christus siege«.
Links die Buchstabenkombination MA (Maria),
rechts neun Dreiecke, die die jeweils neun Ordnun-
gen der —» himmlischen und kirchlichen Hierarchie
symbolisieren.
280
In den Lobgesangen und in dem Darbringungsgebet
fallt das Wort »Erde« und »Welt«, bezogen auf den
Diskos und das Brot, auf. Es unterstreicht den kos-
mologischen Charakter dieser Kulthandlung. Die
orthodoxe Kirche riickt, im Gegensatz zur prote-
stantischen, nicht die individuelle Erlésung des Ein-
zelnen in den Vordergrund, sondern die Vergétt-
lichung des gesamten Kosmos. Der Adressat des
Opfers der Proskomidie ist der tiberhimmlische Al-
tar, vor den der Priester zu treten hat. Das Gesche-
hen vollzieht sich eigentlich in der unsichtbaren
Welt der kérperlosen Machte -- deshalb wird der
Ritus im Adyton, dem fiir den normalen Sterblichen
unzuganglichen Bereich der Kirche, vollzogen
Der Diakon mu8 das Adyton durch die nérdliche
Tir verlassen. Die schéne Pforte bleibt bis zum
H6hepunkt in der Liturgie der Katechumenen, dem
kleinen Einzug, geschlossen
Das Siegel (das Stempelmittelstiick) der ersten
Prosphora wird als Amnos, Christus als das Lamm
Gottes, vom Priester mit vier Schnitten herausgelést
und geopfert.
Regenbogen
Ubersicht II (Fortsetzung): Proskomidie — Darbringung und Zuriistung der Eucharistie
Handlung
Bemerkungen
st
<=
Diskos als Kosmos mit allen Gliedern der unsicht-
baren und der sichtbaren Welt in der Gestalt von
Prosphorensttickchen: -
1. Der Leib Christi.
2. Die Gottesmutter: Dreieckspartikel (Dreieck
war im hellenistischen Griechentum Symbol des
Weiblichen).
Auf die Proskomidie hinweisende
Darstellungen und Symbole
zr Die neun Ordnungen (> Himmlische und
kirchliche Hierarchie) sind im bildlichen Ge-
samtprogramm der Kirche ab spatbyz. Zeit ge-
genwirtig.
vr Das Sphrajisma -- das Siegel, das der Prie-
ster als Lamm aus der Prosphora heraustrennt
— mit dem Kreuz und der Inschrift »Jesus Chri-
stus siege« ist als Heilszeichen an Brunnen, an
Kreuzmotiven zur Daimonenabwehr in Kl6-
stern, tiber den Tiiren von Hausern und von
Mithlen angebracht. Erzengel halten eine Kos-
moskugel mit diesem Zeichen in der Hand.
wx Kreuzsymbole mit fiinf Punkten oder ein
Kreuz mit vier Punkten zwischen den Armen
sind als Kosmogramme wie als vereinfachte
Prosphorenstempel — die Schrift ist durch
Punkte ersetzt — zu verstehen (— Brot, —:
Kreuz, + Nimbus).
vr Abbildungen von Altartiichern mit Broten
finden sich in den Prothesisnischen mittelbyz.
3. Die neun Ordnungen der himmlischen und der
kirchlichen Hierarchie:
a) Michael, Gabriel und alle himmlischen unkér-
perlichen Machte.
δ) Johannes der Téufer, die Propheten Mose,
Aaron, David, Jesaia, die Jiinglinge im Feuer-
ofen und alle anderen Propheten.
c) Petrus, Paulus und die anderen Apostel.
d) die Kirchenvater, darunter die Liturgen Basi-
lius, Gregor von Nazianz, Johannes Chrysosto-
mos, Athanasios, Kyrill und Nikolaos.
6) Erzmdartyrer Stephanus und alle Martyrer und
Martyrerinnen.
f) Antonius und alle Ménche und Nonnen.
g) die Wohltater Kosmas und Damian und alle
Uneigenniitzigen.
h) Joachim und Anna (Grofeltern Christi), die
Namensheiligen der Kirche und die Tages-
heiligen.
i) der Patriarch.
4, Die Priesterschaft, das Land und sein Volk.
Alle Lebenden, derer zu gedenken ist.
5. Stifter der Kirche, Bischof, der den Zelebrie-
renden geweiht hat, alle Verstorbenen, derer zu
gedenken ist.
Hohlenkirchen Kappadokiens (--» Mandylion).
Ein drastisches spatbyz. Bild in einer serbischen
Prothesisnische zeigt ein Christuskind, bedeckt
mit einem Velum, in einem Diskos als Krippe
liegend, befiachelt von zwei rhipidientragenden
Engein (Serbien, Studeniza, 1313-1314).
Regenbogen
H IPIC/TO AOZAPI
Tiris/to doxari
Nimbus mit mehrfarbigem Rand umgibt Chri-
stus als Halbfigur (= Pantokrator) oder in
ganzer Figur (> Endgericht, — Himmel-
fahrt). Haufig ist in den Kreis ein weiteres Re-
genbogensegment als Sitz fiir den Allherrscher
gestellt. Uber die géttlichen Personen vorbe-
haltene Lichterscheinung sagt Jahwe:
»Meinen Bogen habe ich gesetzt in die Wolken, der
soll das Zeichen sein des Bundes zwischen mir und
der Erde.« 1. Mose 9, 13
281
Reiterheilige
Den Regenbogennimbus erwahnt --Ὁ Hesekiel
in seiner Gottesvision, der Apokalyptiker Jo-
hannes greift das Bild auf:
»... und der darauf sa8, war anzusehen wie der
Edelstein Jaspis und Sardonyx; und ein Regenbogen
war um den Stuhl herum ...« Offbg. 4, 3
Christus Pantokrator im Regenbogennimbus. Kreuz-
kuppelkirche von Daphni bei Athen, Ende 11.Jh.?
Die byz. Regenbogennimben verweisen auf
den neuen Bund des NT zwischen Gott und
den Menschen, der durch Christus begriindet
wurde. Seine drei Farben sind Hinweis auf die
Trinitat.
Die Gesamtheit aller Farben im Regenbogen unter-
streicht, wie die Form des Kreises, die géttliche
Vollkommenheit. Eine Parallele aus Asien dazu: In
Bali wird Siwa, dem héchsten Gott zwischen den
vier verschiedenfarbigen Richtungsgottheiten, die
Fiinffarbigkeit (Pancawarna) des Regenbogens zu-
geordnet.
Reiterheilige
-Ὁ Demetrios, - Georg
Salomon
O COAOMQN
O Solomén
K6nig Israels (970-931), Prophetenfiirst wie
sein Vater -- David; beide herrschten nach
dem AT mythische 40 Jahre (—> Zahl 40). Sa-
282
lomon festigte seine Herrschaft in blutigen
Auseinandersetzungen um die Nachfolge, si-
cherte sich gegeniiber Agypten durch Heirat
einer Pharaonentochter ab, errichtete den er-
sten Tempel zu Jerusalem. Beriihmt fiir seine
Weisheit: er gilt als Autor der Bticher »Sprii-
che«, »Prediger« und »Hohes Lied« (im he-
brdischen AT), der »Weisheit Salomonis« (im
griech. AT) und der apokryphen Psalmen Sa-
lomonis (2. bis 1. vorchristliches Jh.).
Braut und Brautigam in der ausdrucksvollen
Liebeslyrik des »Hohen Liedes« gelten den
Christen als Typus Christi und Marias bzw. der
Kirche. Nach dem AT verfiigte Salomon iiber
700 Frauen und 300 Matressen.
18
Der Prophetenfiirst Salomon. Elmali Kilise,
Géreme, Kappadokien, 12. Jh.?
Die sphinxhafte K6nigin von Saba, wohl die
Herrscherin eines siidarabischen Stammes im —
heutigen Jemen, hatte von der Weisheit Salo-
mons gehért, besuchte Salomon, um ihm Rat-
sel aufzugeben. Sie brachte ihm Spezereien,
Gold und Edelsteine (1. K6n. 10, 2; 2. Chron.
9, 1), gilt als Typus der Weisen aus dem Mor-
genland.
Schatten
Im Spatjudentum und nach dem Koran glaubte man
sie von einem bésen Geist besessen, mit dem Salo-
mon, Herr der Geister, kampfte (die Kénigin mit
damonischem Klumpfu8: Fu8bodenmosaik im Dom
za Otranto, Apulien, 1163/65). Nach athiopischer
Uberlieferung hatte sie von Salomon einen Sohn,
Menelek, Griinder der athiopischen Kaiserdynastie.
Salomon ist Prototyp der géttlichen Weisheit
(— Sophia), auch Typus Christi. Jung und
bartlos im K6nigsornat dargestellt, oft mit Da-
vid, auch mit Textband: »Die Weisheit hat sich
ihr Haus gebaut.« Spriiche 9, 2
’ Vereinzelte Szenen:
* ¥¢ Als Kind wird er vor seinem auf einem
Thron sitzenden Vater David von einem Prie-
. ster mit Olhorn gesalbt — Hinweis auf Christus
: als den »Gesalbten Goites«.
- ας Ein Buch in der Hand, la8t er den > Tem-
pel bauen, Typus der Gottesmutter.
Jiidischen Traditionen folgend, wird der weise
»Suleiman« im Koran erwahnt als groBer Zau-
berer, der Herr der Geister und des Windes,
als Magier, der die Sprache der Végel versteht
(27. Sure 16ff.; 34. Sure 10ff.).
Schatten
H CKIA
Iskia
Bezeichnung des Typus des verschwommenen
mehrdeutigen Vorbildes im AT fiir neutesta-
mentliche Heilspersonen und Heilsereignisse.
Schattenlosigkeit der byzantinischen Kunst
Auf friihchristl. und byz. Bildern kommen
leichte Schattierungen, nie aber ein Schatten-
wurf vor. Die heiligen, bereits vergéttlichten
Wesenheiten strahlen selbst Licht aus (Chri-
stus der —> Verklaérung) oder widerstrahlen das
gottliche Licht (+ Himmlische und kirchliche
Hierarchie). Bése Machte werfen keine Schat-
ten, sind selbst welche, erscheinen als gefalle-
ne Engel (—> Teufel) lichtlos und schwarz.
Gegensatzliche Bewertung von Schatten
im Neuen Testament
Im AT und NT wird der Schatten sowohl nega-
tiv wie positiv gewertet: »Schatten des Todes«
ist gottferne Finsternis (Matth. 4, 16 wird Jes.
9, 1 zitiert), der Schatten des Himmelsbaumes
(Mark. 4, 32) wohltuender Schutz vor der ste-
chenden Sonne — nach dem Vorbild der schat-
tenspendenden Baume (— Lebensbaum) im
AT (Jon. 4, 6). Der Schatten des unsichtbaren
Gottes wird wirksam als Schutz oder géttliche
Kraft (Psalm 17, 8; 91, 1; Matth. 17, 5). Die
Kraft Gottes, die die Gottesmutter tiberschat-
tet, bewirkt die Zeugung des Gottessohnes
(Luk. 1, 35). Im NT ist unmiBverstandlich die
typologische Deutung von Erscheinungen aus
dem AT als verhiillter Hinweis auf Heilsgiiter,
die erst durch das Auftreten Christi deutlich
sichtbar werden, angelegt:
»Das Gesetz namlich hat einen Schatten der kiinfti-
gen guten Dinge, nicht aber das wirkliche Bild der
Dinge selbst ...« Hebr. 10, I (auch 8, 5; Kol. 2, 17)
Schatten als Metapher des Vorlaufigen
Schatten wird als unvolilkommenes Abbild
eines Urbildes verstanden. Platons Héhlen-
gleichnis zufolge reichen die menschlichen Sin-
ne lediglich dazu aus, auf einer Héhlenriick-
wand die Schatten wahrzunehmen, die die im
HGhleneingang erscheinenden eigentlichen
Dinge, die Ideen, werfen. Die Kirchenvater
verstehen unter Schatten verhiillte Andeutun-
gen im AT. Das Verhdltnis des Schattens zu
dem, was er andeutet, entspricht dem eines
Symbols zum Symbolisierten.
»Der Gottesvorvater David tanzte vor der schatten-
férmigen Bundeslade, doch das heilige Volk Goites,
das Herauskommen der Symbole schauend, wir
freuen uns voller Gottesbegeisterung, weil Christus
als Allmachtiger auferstanden ist.« Osterliturgie
Die Bundeslade wird, weil sie in Form der
Thoratafeln das Allerheiligste enthalt, als an-
deutendes Bild der Gottesmutter mit Gott in
sich verstanden. Das Wort »schattenférmig« ist
durch »typologisch« zu ersetzen. > Ephraim
der Syrer verwendet die Bezeichnung Typus
fiir bildhaft-symbolische Hinweise aus dem AT
wie auch aus der Natur (Biene Typos der Kir-
che). Vor 200 hat der Physiologus (Alexan-
drien?) in einer naturkundlichen Abhandlung
Tieren, Pflanzen und Steinen (z. B. —> Pelikan;
-Ξ Hirsch) christologischen Hinweischarakter
zugesprochen. Doch werden auch episodische
Randereignisse des NT als Bilder zentraler
Glaubensinhalte und Mysterien verstanden.
283
Schatten
Ubersicht: Die verschiedenen Arten bildlicher Entsprechungen
Bezeichnung
Typos (Pra-
figuration,
Schatten)
Prafiguration
im NT
Rituell-
symbolische
Entsprechung
(Kultsymbol)
Symbol
Symbolzahl,
Symbol-
buchstabe
284
Entsprechung
I Ereignis oder Person des
AT ist noch andeutendes,
unklares Vorausbild fiir ein
Heilsereignis oder eine
Heilsgestalt des NT
II Objekt aus dem AT
(manchmal aus dem NT) ist
Abbild eines himmlischen
Urbildes
ΠῚ Ereignisse der Naturge-
schichte — auch legendarer
Art —dienen als Prafigura-
tion fiir heilsgeschichtlich
wichtige Tatbestande
Bestimmte Episoden der
Evangelienberichte werden
als mehr oder weniger ver-
hiillte Hinweise auf zen-
trale Mysterien des Kultes
aufgefaBt
Liturgische Handlungen,
auch der Kircheninnen-
raum und seine Ausstat-
tung, verlebendigen und
vergegenwartigen Ereignis-
se der Heilsgeschichte
Sichtbares Kurzzeichen,
das fiir eine weit dariiber
hinausgehende unsichtbare
Wirklichkeit steht
Eine -- Zahl oder ein
Buchstabe (> ABC) wird
als eine Art von symboli-
scher Abkiirzung dessen,
was sie bezeichnet, ver-
standen
Beispiel
Bemerkungen
— Jonas im Walfisch ist
Typus von Tod und Aufer-
stehung Christi, die Sintflut
(— Noah) der der Taufe
Der Tempel des alten Bun-
des ist - wie das —> Kirchen-
gebaude— ein Abbild des
himmlischen Urbildes
(Hebr. 9, 24)
Der — Pelikan, der sich die
Seite aufrei®t, um seine
Kinder zu trainken, weist
auf Christus hin
Die Hochzeit zu Kanaa mit
dem Weinwunder weist hin
auf das historische Abend-
mahl wie auf die —-> Eucha-
ristie. Die Geburtskrippe
aus Stein ist Andeutung auf
Christi Grab
Der kleine Einzug in der
~> Liturgie der Katechume-
nen aktualisiert das Herab-
kommen des Logos Gottes
als Jesus von Nazareth in
die Welt. Der Altar wird
wahrend der Liturgie zum
tiberhimmlischen Altar,
wie ihn Jesaja geschaut
Das Lamm verk6rpert
Christus, mehrere Lammer
die Apostel. Das + Kreuz
steht fiir die gesamte Er-
ldésungslehre, den erlésten
Kosmos
Die — Zahl 10 mit dem
Buchstabenwert J ist ein
' Kurzzeichen fiir Jesus
Typologische Deutungen
von Ereignissen aus dem AT
im Hinblick auf die Taten
Christi kommen bereits im
NT vor — vor allem bei Mat-
thaus. Ephraim der Syrer
spricht von Typus oder Sym-
bol, die griech. Liturgen von
Schatten. Die Variante der
naturgeschichtlichen Typo-
logie spielt eine groRe Rolle
Die — Mysterien im allge-
meinen und die Eucharistie
im besonderen sind das Zen-
trum des Glaubenslebens.
Viele Ereignisse des NT
werden als eine Art von
Typos der Mysterien ver-
standen
Das Drama der Liturgie im
herausgehobenen Raum der
Kirche la8t den Glaubigen
vergangene Heilsereignisse
und zukiinftige Heilserwar-
tungen in der Gegenwart des
Kultes erleben
Nach 700 werden offiziell
heilsgeschichtliche Gestal-
ten (theoretisch) nicht mehr
symbolisch, nur noch direkt
dargestellt (— Lamm,
—> Taube)
Zahlen- und Buchstaben-
deutungen waren in der An-
tike und im Mittelalter
beliebt. Ephraim der Syrer
beniitzt fiir symbolisch inter-
pretierte Zahlen den Aus-
druck »Typos«
Schlange
Ubersicht: Die verschiedenen Arten bildlicher Entsprechungen
Bezeichnung Entsprechung
Beispiel
Bemerkungen
Astrono- Objekte und Vorgénge am _ Die Sonne ist ein Symbol Astronomische Symbolik
mische Ent- Himmel werden mit Ereig- Christi, die zw6lfSternbil- _spielt in der frithchristl. Zeit
sprechungen _ nissen und Gestalten aus der symbolisieren die zw6lf eine wichtige Rolle, durch-
dem NT gleichgesetzt — Apostel,derMonddie —zieht aber auch die ostkirch-
Gottesmutter liche Liturgie
Vorzeichen Bestimmte Ereignisse Ein Adler, der Herrscher Die Byzantiner wuBten sich
im taglichen weisen auf wichtige unter den Végeln, hatden _eingebettet in ein festgeleg-
Leben Geschehnisse der Zukunft kleinen Wasili beschattet, tes Schicksal, dessen groBe
hin
- lios I.
Antithetische Das bése Tun eines oder
ein Hinweis auf seine spa-
tere Kaiserwtirde als Basi-
Judas 1a8t sich vom Glanz
Ereignisse — gute wie bose —
sich durch Vorzeichen an-
kiindigten
Die orthodoxe Liturgie ist
Gegenbilder mehrerer Menschen wird des Goldes blenden, fiir die weitgehend auf Antithesen
dem Heilshandeln Gottes | Glaubigenjedocherstrahlt aufgebaut— was ihren poeti-
im bildhaften Vergleich Christus als der fiir die Welt schen Reiz ausmacht
gegentibergestellt Leidende
Personi- ᾿ Lander oder Stadte werden Frithchristl. und spater: Die Personifikationen sind
fikation als Frauengestalten, Meere Der Jordan erscheint als ein schwacher Abglanz der
| oder Fliisse als Manner dar- FluBgott. Mittelbyz.: Agyp- antiken Vorstellung, da8
i gestellt ten, Jerusalem werdenals — Stadte, Lander und Land-
Frauengestalten personifi- schaften g6ttl. Wesen seien,
ziert! und damit menschengestal-
tig wie die antiken Gétter
Allegorische Abstrakte Begriffe werden δε der Friihzeit werden Die Allegorese von abstrak-
Personi- als Personen dargestellt Synagoge und Ekklesia als ten Begriffen ist im Gegen-
fikation Frauengestalten abgebil- satz zum Westen im byz.
det. In nachbyz. Zeit er- Raum nicht sehr verbreitet
scheinen in der Liturgie
genannte Gemilitsregungen
-(Freude, Jubel) als engel-
abnliche Gestalten
(— Ostern)
Schiff Schlange
TO KAPABI/H NAYC O OGIC/TO ΦΙΔῚ
To kardwi/inaws O Ofis/to fidi
Seit friihchristl. Zeit Symbol der Kirche, als
der Arche, die die Glaubigen rettet.
Ursachen dafiir sind m. E.:
x Die Lautahnlichkeit zwischen »naos« (zen-
traler Tempelraum) und »naws« (Schiff).
vr Die Vorstellung des von Christus gesteuer-
ten Schiffes zum Leben, als Gegenbild zum
von —> Charon gesteuerten Totenschiff.
Segelschiffe sind wegen ihrer kreuzférmigen
Takelung im Regelfall Hinweise auf die Kirche.
Die Reaktion des Menschen auf das Erschei-
nen von Schlangen ist ahnlich der auf Gotter-
erscheinungen — er zittert vor Furcht (tre-
mendum), er wird fasziniert (fascinosum).
Die Schlange, abstoBend wie sexuell anzie-
hend, wird ihrer Form wegen als Penissymbol
gesehen, reprasentiert zugleich verftihrerische
Weiblichkeit (falsche Schlange) -- weswegen
modische Accessoires mit hohem feminin-ero-
tischem Symbolwert — Schuhe, Girtel, Hand-
285
Schlange
tasche — gerne aus Schlangen- oder Krokodil-
haut (—> Drache) gefertigt werden. AT und NT
bewerten die Schlange teils negativ, teils po-
Sitiv.
Ursachen fiir die zwiespaltigen Empfindungen
gegeniiber der Schlange
yr Erscheinung und kriechende Fortbewe-
gung. Die Musterzeichnung auf dem Riicken
irritiert beim Schlingeln das Auge durch ein
moiréeartiges Flimmern — beunruhigend und
erregend.
w Herkunft auf Erdentiefe oder Wasser —
Aufenthaltsorte der Totenseelen. Schlangen —
auch andere Reptilien — werden in vielen Kul-
turen als Ahnen verehrt.
w Hautung — gedeutet als VerjiingungsprozeB
bzw. Wiedergeburt. Die Schlange besitzt das
ewige Leben, hat es dem Menschen entwen-
det: Im Paradies bringt sie -- Adam und Eva
mit List darum, im Gilgamesch-Epos stiehlt sie
dem Heros Utnapischtim das miihsam errun-
gene Kraut des Lebens. Nach einem Mythen-
motiv (verbreitet in Afrika —z.B. Kongo, Sier-
ra Leone -- und in Ozeanien), hat sie die vom
héchsten Wesen dem Menschen zugedachte
Verjiingungs-Wechselhaute entwendet.
w Giftigkeit vieler Arten: Sie bringt Tod und
~ was umbringt, kann auch retten -- zugleich
Leben. In Spirituosen eingelegte Schlangen
dienen in Ostasien als Heilmittel. Asklepios
(Askulap) erscheint als Schlange, der dem As-
kulapstab Aahnelnde Schlangenstab Moses’
heilt die von Schlangen Gebissenen (4. Mose
21).
vy Fahigkeit, mit ihrem Kérper die ideale
Form des Kreises zu bilden. Als Verkérperung
von Urozean und Chaos umringelt eine riesige
Schlange den Weltkreis (— Drachen).
τς Hinabwiirgen der Beute, ohne sie zu zer-
kleinern. Macht sie zur Reprisentantin des
Urozeans (Schlange im Jordan in > Taufe
Christi), dessen Flut (Sintflut!) den Kosmos zu
verschlingen droht.
Die Sicht der Schlange im Alten
und Neuen Testament
Positive Wertung im AT:
Aaron beeindruckt den Pharao mit seinem
Stab, den er in eine zischende Schlange ver-
286
wandelt, beschwéri damit die verschiedenen
Plagen auf Agypten herab.
Jahwe sendet zur Strafe gegen die murrenden
Kinder Israels in der Wiiste feurige Schlangen
aus (4. Mose 21). —> Moses richtet eine Stan-
darte aus einer ehernen Schlange an einem
Stab auf (bereits im NT Joh. 3, 14 als Typus
des Gekreuzigten verstanden). Wer von den
tédlich Gebissenen darauf blickte, blieb am
Leben (— Drache). Eine eherne Schlange
wurde im salomonischen Tempel aufbewahrt,
bis sie K6énig Hiskia (719-691) entfernte
(2. K6n. 18, 4) -- Restspuren eines friihisraeliti-
schen Schlangenkultes: Die feurigen Schlan-
gen Seraphim (von Saraf = brennen) heiBen
genauso wie die himmlischen Fliigelwesen (—
Jesaias; Jes. 6, 2) um den Thron Gottes.
Negative Wertung:
Die Paradiesesschlange 1. Mose 3 ist das abso-
lut widerg6ttliche Prinzip, wird in der apokry-
phen Schrift »Leben Adams und Evas« (1.Jh.
v. Chr.) als Satan bezeichnet.
In einer voralttestamentlichen Phase der jiidischen
Religion war das negative Prinzip des Chaos und der
Totenwelt, reprasentiert durch Schlange/Drachen,
mit dem géttlichen guten Prinzip vereint. Spater fiel
die Satansschlange aus dem géttlichen All heraus,
wurde dadurch zu dem Bésen (der Mythos vom En-
gelssturz —> Teufel).
Im NT erwahnt Jesus selbst die Schlange sie-
benmal, zweimal im positiven Sinne. In der
Apokalypse ist Schlange Beiname des Satans-
drachen.
Identitaét von Schlange und Drache
in der byzantinischen Kunst
Die byz. Kunst kennt die eherne Schlange (>
Moses) und die Schlange des Paradieses (nach
spatjtidischer Tradition eine Frauengestalt na-
mens Lilith (= Damonenfrau), in der westli-
chen Kunst wird die Schlange oft mit Frauen-
kopf wiedergegeben). Ansonsten wird kein
Unterschied zwischen Schlange und —» Drache
gemacht (+ Apokalypse, --- Demetrios, --
Georg, — Teufel). Haufig werden Schlangen
als Verk6rperung von Hdlle und Tod auf post-
byz. Reliefs in der Mani dargestellt.
Die Tiirken bezeichnen christliche Héhlenkir-
chen, in denen ein Reiterheiliger einen Dra-
Simson
Fes
itt
*
es
Postbyzantinische Reliefs mit Schlangen aus der inneren Mani.
Oben: Stindenfall: Adam und Eva vor dem Baum der Erkenntnis mit der Schlange, dariiber Gott. Dargestellt
ist also sowohl das gute wie das bése Prinzip, zwischen denen der Mensch sich zu entscheiden hat. Nordportal
der Hauptkirche von Chimara.
Unten: Linke Seite eines axialsymmetrischen Reliefs, symbolisiert den Himmel (Engel mit Krone) und die
Holle (zweikdpfige Schlangen). Stidportal der gleichen Kirche.
Rae OT:
eet eee
a
chen tétet (G6reme) oder groBe Wiirmer Un-
gliickliche zerfressen (fhlara), als Yilanli Kilise
(= Kirche mit den Schlangen).
Seraphim
TA CEPA®EIM
Ta Seraphim
Sechsfliigelwesen um den Thron Gottes, be-
kannt aus der Berufungsvision des Jes. (6,
1-8). In bildlichen Darstellungen nicht immer
pase,
ΤΡ ER ES
von — Cherubim zu unterscheiden (— Engel;
— Himmlische und kirchliche Hierarchie;
—» Jesaias; —> Schlange).
Simson
O CAMYQN
O Samps6n
Der »alttestamentliche Herakles« (Richt. 13-1 6),
mythischer Sonnenheros (sein Name wird von
Schemesch = Sonne abgeleitet), regte Darstel-
287
Sonne
lungen des Heros an, der mit bloBen Handen
einen —> Lowen erwiirgt: Simson ist Typus
Christi, der den Lowen als Repradsentanten des
Teufels oder der Holle tiberwindet:
. Und Euer Widersacher, der Teufel, gehet um-
her wie ein briillender Léwe und suchet, welchen er
verschlinge.« 1. Petr. 5, ὃ
Die Léwentéterszene wird auf die Hadesfahrt
Christi (> Ostern) bezogen.
Weitaus seltener wird dargestellt die Verkiin-
digung der Geburt des Simson an Manue und
seine Frau -- Typus der —> Verktindigung Ma-
rid: vor den beiden knienden Alten steigt der
Erzengel Michael in der Flamme eines Brand-
opfers zum Himmel empor.
Sonne
Christus als Sonne — Kreuz; > Kreuzigung;
— Elias; >» Hase;—> Pantokrator; > Apostel.
Sophia
H CO®JA
1 Sophia
Ikone mit vier Frauengestalten: die gekrénte
Mutter Sophia (Weisheit), ihre Téchter Glaube
(Pistis), Liebe (Agapi), Hoffnung (Elpis).
Die nach 1. Kor. 13, 13 geformten Allegorien
werden im Mittelalter als unter Hadrian hinge-
richtete Martyrerinnen — Gedenktag 17.De-
zember — angesehen (Minologion Wassilios
II., Ende 10. Jh.). Nachbyz. Ikonen (Thessalo-
niki, Ajios Dimitrios) und Wandmalereien
(Athos). Mit Maria als Thron der Weisheit
(— Maria) und mit den als Ajia Sophia be-
zeichneten Kirchen hat die Uberlieferung
nichts zu tun.
Standarte
— Bilderfeindliche Ormamente; — Heim-
holung Maria; > Ikonenwunder.
Stern
O ACTHP/TO ACTPON
O astir/to dstron
Im AT personenhafte Machte im Dienst Got-
tes, genieBen keine Verehrung. Im spaten Ju-
288
den- und friihen Christentum wurden Sterne
vielfach mit —> Engeln gleichgesetzt. Personi-
fizierte Gestirne, Darstellungen orientalischer
oder rémischer Herrscher zugeordnet, unter-
streichen deren Anspruch als Herren des Uni-
versums. Das friihe Christentum setzt seine
Heilsgestalten und -ereignisse mit Gestirnen
und astralen Vorgingen gleich (— Apostel;
—> Mond). Der Orientierungswechsel weg von
einem Lokalheiligtum (Tempel in Jerusalem)
zu den Gestirnen (Christus = Sonne, Engel =
Sterne) kennzeichnet den Ubergang von einer
Stammes-/National- zur Universalreligion.
Bedeutung der Sterne im Neuen Testament
ve Geburt Christi ist Aufgang des im AT ver-
kiindeten Sternes vom Bethlehem.
ye Mit Christi Tod erlischt die Sonne (>
Kreuzigung).
¥ Die sieben christl. Gemeinden der Apoka-
lypse Johanni sind zugleich die sieben Sterne
in der Hand des Engels, sie entsprechen dem
aus sieben Planetenspharen gebildeten Makro-
kosmos.
τ Paulus bezeichnet die als dimonische Krafte
personifizierten Planetenstationen — Throne,
Herrschaften, Fiirstentitimer, Machte (Kor. 1,
16) — als Schépfungen Gottes (> Himmlische
und kirchliche Hierarchie).
Die Symbolik des Sterns von Bethlehem
Achtstrahliger Sm Chor akir che
Konstantinopel, 1315-1321.
Stifter
»Der lichte Stern erstrahlte plétzlich — gegen seine
Natur kleiner als die Sonne — und gréBer als die
Sonne. Er war kleiner als sie — an sichtbarem Licht —
und gréfer als sie — in seiner unsichtbaren Macht,
dessentwegen, was er symbolisiert.« Ephrdm der
Syrer »De Naviate« VI, 7
Sechs- und achtstrahlige Sterne auf der > An-
betung der Magier, der - Geburt und — Tau-
fe Christi, als dekorative Formen auf Wanden
und in Gewdélben, verkérpern Christus selbst
(—> Bileam).
vr Sechsstrahliger Stern: entspricht der ver-
’ breitetsten Form des vom Sonnenzeichen ab-
geleiteten Monogramms Christi (~ Kreuz).
Auf einem rémischen Katakombenfresko der
Anbetung ist der Stern als Christusmono-
gramm ausgebildet.
Ephram der Syrer spricht von sechs Richtun-
gen der Welt, d.h. vier Himmelsrichtungen so-
wie oben und unten. Das legt eine kosmogra-
phische Nebenbedeutung des Sechs-Zacken-
Sternes nahe.
vy Achtstrahliger Stern: entspricht dem acht-
strahligen Christusmonogramm (= Chi+ Rho
+ Kreuz) und dem achtstrahligen Sonnen-
kreuz. Symbolik der + Zahl 8: Zahl der Voll-
kommenheit in Form des achten Himmels
liber dem Planetensystem, auch des achten Ta-
ges, an dem die Sieben-Tage-Sch6pfung voll-
endet war.
Die Achtheit ist Symbol der Taufe -- mit ihr wird
Vollkommenheit erreicht. Deshalb erscheint das
Achtgestirn bei der Taufe Christi, sind Taufbecken
in friihchristl. Baptisterien achteckig. J. Petr. 3,
20-21 bringt die acht in der Arche Noah tiberleben-
den Menschen in Zusammenhang mit den durch die
Taufe geretteten Gldubigen (Achtstern als Kosmo-
gramm: vier Haupt- und vier Nebenhimmelsrichtun-
gen; achtblattriger Lotos Agyptens und Asiens; —
Zahl 8).
Lichtkreuz vor Sternen —
Panajia vor Sternen
In den Kuppeln friihchristl. und frihbyz.
Grabbatiten (Galla Placidia, Ravenna, Mitte
5.Jh.), Baptisterien (Albenga, 5.Jh.), den Ap-
siswolbungen von Basiliken (Sant’Apollinare
in Classe, Ravenna, Mitte 6.Jh.) steht ein
leuchtendes Kreuz oder Christusmonogramm
vor dem gestirnten Himmel. Die Sterne kenn-
zeichnen Kuppel bzw. Apsiswolbung als Sym-
bol des Himmels, unterstreichen die tiberra-
gende Bedeutung des sonnenhaften Zeichens
Christi (+ Nimbus als kleiner Himmel).
Ein Sternenhimmel hinter der spatbyz. Got-
tesmutter stellt sie als Verkérperung des >
Monds heraus (Fiinf-Punkte-Kreuzessterne
auf dem Maphorion der Gottesmutter —
Maria).
Stifter
O JAPYTHC
O Idritis
Auftrag- und Geldgeber fiir den Bau einer
Kirche, eines Klosters, einer Ikone, auch fir
Ausstattungsdetails.
Planung, Auftragsvergabe und Finanzierung
von Kirchenbauten
Lebende Personen der Zeitgeschichte werden
nur dargestellt als Stifter, als Kaiser bzw.
Herrscher in ihrer Funktion als Uberbringer
einer Stiftung. Bis gegen 1000 kommen auf
Stifterbildern ausschlieBlich Kaiser und Kaise-
rinnen vor. Spater erscheinen (posthume)
Darstellungen médnchischer Klostergriinder
(Osios Lukas, um 1000), ab Mitte des 13. Jh.s
auch die fremder Potentaten (slavischer Bal-
kan), unabhdngiger Provinzherrscher, reich
gewordener Staatsbeamter — sogar christl.
Wiirdentrager in seldschukischen, spater in os-
manischen Diensten. Die friih- und mittelbyz.
Zeit kennt vier Auftraggebergruppen:
vy Die Kaiser -- besonders —> Konstantin und
Helena, sowie Justinian I. — schufen aus eige-
nen Mitteln die gréBten und bedeutendsten
Kirchen, gaben selbst die Richtlinien fir die
Bauausftihrungen. _
yc Bischéfe regten im regionalen Bereich Kir-
chenbauten an, entschieden tiber Konzeption
und Detailplanung. Der Kaiser war mit betei-
ligt (Planungsentwiirfe, Geldzuwendungen,
Privilegien; die die Bautatigkeit meist erst er-
moglichten).
yx Private Spender — hohe Staatsbeamte und
Verwandte des Kaisers — errichteten kleinere
Anlagen -- familieneigene Kléster mit zugeh6-
riger Kirche. Die Kloster nahmen, mit kaiser-
licher Gunst, Sozialaufgaben wahr.
ve Monche, die sich in die Einsamkeit zurtick-
zogen, griindeten Ménchsgemeinschaften, er-
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Tanz
richteten einfache Wohngebdude und Kir-
chen. Ein kaiserlicher Erla8 war erforderlich,
um die Anlage zum Kloster zu erheben und
um Spenden sammeln zu kénnen.
Architekten spielten nur bis in die justiniani-
sche Zeit hinein eine »namhafte« Rolle -- An-
thenios von Tralles und Isidor von Milet —z.B.
als Erbauer der Ajia Sophia. Spater tibernah-
men die Bischéfe die Bauplanung. Ausfihren-
de waren Lohnarbeiter, Fronarbeiter oder —
vor allem in der Frihzeit — freiwillig unentgelt-
lich mitarbeitende Glaubige.
Der Ausfithrung nach zu urteilen, wurden die
zwischen dem 7. und 12. Jh. gegriindeten Héh-
lenkirchen in Kappadokien von den Ménchen
und Einsiedlern selbst ausgemalt. Kurz vor der
lateinischen Eroberung Konstantinopels und
dann ab 1204 gelang es einigen Provinzen,
Selbstandigkeit zu gewinnen. Die Provinzherr-
scher liefien sich gerne als Stifter verewigen.
Die Bedeutung reich gewordener Staatsbeam-
te, auf die sich der Kaiser nach der Wiederer-
oberung der Stadt sttiitzen muBte, ist an deren
Stiftungen abzulesen. ᾿
Im heutigen Griechenland stiftet die Landbe-
vélkerung einzelne Ikonen oder bescheidene,
tibers Land verstreute Kapellen und Kirchen
oder deren Ausstattung.
Stiftungen als Tribut fiir Christus
»Der Stifter, der Logothet, der Theodoros, der
Metochitis« — Beischrift in der Portalliinette
der Chorakirche — fallt durch seinen orientali-
schen schattenspendenden Turban (Skiadion)
und tippige Kleidung auf. Auf den Knien lie-
gend reicht Theodoros dem thronenden Chri-
stus ein Modell seiner Kirche — Huldigung und
Tributleistung zugleich. Der Logothet (Schatz-
kanzler) hatte ein Klésterchen ausbauen, die
Kirche nach eigenen Vorstellungen mit Gold- -
mosaik ausschmiicken, eine Nebenkirche (Par-
ekklision) als Grabstatte fiir sich und seine An-
gehdérigen errichten lassen.
Grabkapellen fiir Stifter
Bestattungen in einer eigens fiir diesen Zweck
gestifteten Nebenkapelle gehen auf — Kon-
stantin zurtick, der seinen eigenen Grabbau
architektonisch mit der Apostelkirche verbin-
den lieB. In spatbyz. Zeit war die Sitte, einen
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der Chorakirche, Konstantinopel, 1315-1321.
Kapellenanbau zu stiften, in »besseren Krei-
sen« gang und gabe.
Das Chora-Parekklision setzt die Hoffnung auf ein
gnadiges Schicksal nach dem Tode in ein grandioses
Bildprogramm um: Das Endgericht, das die Raum-
decke dominiert, verliert seinen Schrecken durch
die vorbildhafte Auferstehung Christi, der die To-
ten des AT zu sich hochzieht, wie er den verstorbe-
nen Stifter zam Lichte emporreifen wird.
Tanz
O XOPOC
O chorés
Wichtiger Bestandteil des eng mit der —> Litur-
gie verbundenen Volksbrauchtumes.
Das NT erwahnt Reigentinze und Musik bei
Hochzeitsfeiern, das AT kennt den Tanz vor
oder um das Allerheiligste -- wie den sprich-
wortlichen Tanz der von Jahwe abgefallenen
Kinder Israels um das goldene Kalb. -> David
tanzt (2. Sam. 6, 14) vor der Bundeslade mit
den beiden, inzwischen neu gefertigten Geset-
zestafeln einher, sieht dies als Tanz vor Gott
an. Die apokryphen Johannesakten (ca. Mitte
Taube/Taubenhaus
2.Jh.) berichten (94-96) von einem Reigen-
tanz Christi und seiner Jiinger am Vorabend
seiner Kreuzigung:
»Er (Christus) hie® uns eine Runde bilden, wobei
wir einander an den Handen faftten, er selbst aber in
der Mitte stand und sagte: Antwortet mir immer mit
Amen! So begann er denn, einen Hymnus anzustim-
men und zu sagen: Ehre sei Dir, Vater! Und wir
drehten uns im Kreise und antworteten ihm mit
Amen. Ehre sei Dir, Logos! Ehre sei Dir, Gnade!
Amen! Ehre sei Dir, Geist! Ehre sei Dir, Heiliger!
Ehre sei Deiner Herrlichkeit! Amen! Wir loben Dich,
Vater, und wir danken Dir, Licht, in dem keinerlei
Finsternis wohnt. Amen! ... Die heilge Achtzahl
stimmt, mit uns Psalmen an. Amen! Die zwdlfte
Zahl tanzt obenan im Reigen. Amen! Ihnen allen
abet ist verg6nnt, im Reigen obenan zu tanzen...«
Der Tanz der Apostel-Sterne um die Christus-
Sonne 148t an die sternbildhaft um das gétt-
liche Licht kreisenden Apostel in den ravenna-
tischen Baptisterien (5.Jh.) denken, auch an
den im 13.Jh. entstandenen Orden der tanzen-
den Mevlevi-Derwische (in Kappadokien,
dem Entstehungsgebiet der Johannesakten).
Nach dem Protevangelium (7, 3) tanzte die
kleine Maria beim Tempelgang: »Und er setz-
te es auf die dritte Stufe des Altars, und Gott,
der Herr, legte Anmut auf das Kind, und es
tanzte mit seinen FiiBen ...«
Ὁ, IS κι Mew
Frauen umtanzen einen im Freien aufgestellten
Altartisch mit Ewlojia-Brot. Kirche der Panajia
Tsambika, Rhodos.
Auf einer Darstellung von Christi Taufe im
Jordan im Protaton (Karies, Athos, um 1300)
tanzen drei Manner auf einer Briicke einen
Reigentanz, in der Klosterkirche von Lesnowo
(Serbien), 941-949, zehn junge Manner in ei-
ner auf dem Balkan noch heute — z.B. bei der
griechischen Sousta — iiblichen Tanzhaltung:
Die Arme werden unter den Armen der Ne-
benmanner durchgefiihrt und der jeweils tiber-
nachste an die Hand genommen. Das Bild illu-
striert Psalm 150, dessen Text auch in die
SchluRgesinge der Auferstehungsliturgie ein-
gearbeitet ist:
»Tanze jetzt und jubiliere, Zion, Du Reine, Gottes-
gebirerin, freue Dich tiber die Auferstehung Deines
Kindes ... Preist ihn mit dem Klang der Posaune,
preist ihn mit Psalmengeséngen und Zither ...
Preist ihn mit Pauken und Reigentanz, preist ihn mit
Saitenspielen ... Ergétze Dich, tanze und juble, Je-
rusalem, da Du den Konig Christus aus dem Grab-
mal hervorgehen siehst ...«
In seiner zu Ostern verlesenen katachetischen
Rede ermuntert Johannes Chrysostomos zum
Tanz:
»Reiche und Arme, tanzt miteinander!
Enthaltsame und Leichtfertige, ehret gleicherweise
den Tag. Die Ihr gefastet habt und die Thr nicht
gefastet habt, jubelt heute zusammen.«
An allen Freudenfesten des Kirchenjahres, vor
allem bei den Panijires σὰ Ehren des Namens-
patrones einer Kirche, werden im Anschlu8 an
den Gottesdienst vor der Kirche griech. Rei-
gentanze getanzt.
Taube /Taubenhaus
H TIEPICTEPA/O ITEPICTEPEQN
I peristera/o peristereén
Haustier, zur Gewinnung hochwertigen Dun-
ges und als Nahrungsmittel, als Brieftaube zur
Nachrichteniibermittlung verwendet. Als Sym-
bol Seelenvogel, Verkérperung von Schén-
heit, Liebe und Friedfertigkeit. Ostmediterra-
ne Taubenhauser sind mit bedeutungsvollen
Zeichen geschmiickt.
»Meine Taube in den Felsenkliiften, in den Steinrit-
zen, zeige mir Deine Gestalt, la8 mich héren Deine
Stimme; denn Deine Stimme ist sii, und Deine Ge-
stalt ist lieblich.« Hohelied Salomonis
Bedeutung und Symbolik der Taube
»Sie kleidet sich in ihr Gewand, hiillt sich in ihre
Tracht und wird so wie ein Taubchen, wie die Sonne
strahlt ihr Angesicht, an Schénheit gleicht dem
Mond sie.« Tanzlied von den jonischen Insein
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Taube/Taubenhaus
Die Taube ist Vogel der Liebe (zugeordnet der
Ischtar, der Aphrodite, spaiter der Gottesrnut-
ter. Sie ist auch Seelenvogel: taubengleich ent-
weicht die Seele des Sterbenden ins Jenseits
(—> Adler, — Pfau).
Zwei besonders wichtige Funktionen: Sie ist
nachrichtentibermittelnde Botin. Die Agypter
und Phénizier, spater die Griechen und R6-
mer nahmen Tauben auf Schiffen mit; aus ei-
nem Luftlinienabstand bis zu 1000 km finden
die Végel zu ihrem Schlag zurtick.
x Garantin der Fruchtbarkeit wegen ihrer
Verbindung zur Liebe und zur Liebesgdttin,
aber auch, weil Taubenmist als Dtinger un-
tibertrefflich ist.
Noah schickte nacheinander einen Raben und drei
Tauben aus, um sich tiber das Absinken der Sintflut
zu informieren. Die zweite Taube mit dem > Ol-
zweig ist Urahn aller Friedenstauben. Nach dem
Friedensbund mit Gott, der das bauerliche Jahr mit
Sommer-, Wintersaat und Ernte garantierte, wurde
Noah zum Prototyp des Landwirtes und Weinbau-
ern. (In den Mythen iiber den Ursprung des Reisan-
baues in Bali bringen die Tauben als Gétterbotin-
nen den Reis zu den Menschen.)
Nach mosaischem Gesetz ist die Taube als Re-
prasentantin der Unschuld Opfertier nach ei-
ner Geburt - im Zusammenhang mit der
menschlichen Fruchtbarkeit (~ Darstellung
im Tempel, — Beschneidung, — Marienzy-
klus).
Die Taube des Heiligen Geistes
Die Geisttaube der > Taufe Christi im Jordan
steht in der Tradition des Botenvogels — ver-
mittelt zwischen Himmel und Erde, vertritt als
weiblicher Vogel — alle vier Evangelien wahlen
die weibliche Form — den Geist, weil der in der
aramdischen Muttersprache Jesu weiblich ist.
Frithchristliche und byzantinische
Taubendarstellungen
Noah mit der Taube ist vom 1.Jh. an Typus
der Taufe Christi, eines jeden Tauflings. Auf
sie weisen auch ornamentale WassergefaiBe
mit Taubenpaar hin (Santa Costanza, Rom,
4.Jh.; Galla Placidia, Ravenna, Mitte 5.Jh.).
In der frithen Sepulkralkunst verkérpern auf
Schiffen sitzende Botentauben zugleich die
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Taubenpaar flankiert Trauben und Wasserstrom —
Hinweise auf Abendmahl und Taufe. Kamperkapi-
tell aus dem 13. Jh. in der Ipopanti-Kirche, “
Nomitsi, duBere Mani, Peloponnes.
Seelenvégel der Verstorbenen ~ zurtickstre-
bend vom tobenden Meer der Welt in die
himmlische Friedensheimat. Als weife Tau-
ben erscheinen die zwélf Apostel oder Neuge-
taufte. In der byz. Kunst ist die Taube, oft mit
Heiligenschein, Symbol des Heiligen Geistes,
dargestellt bei der —> Verkiindigung Maria
(der Geist, der Maria iiberschattet, zeugt Chri-
stus), bei der > Taufe Christi, an > Pfingsten,
auf dem — leeren Thron.
Ubereinstimmende Symbolik
der Taubenhausornamente auf den Kykladen
und in Kappadokien
a \cfiaeths sat ἈΠ ον f ae
Typisches kykladisches Taubenhaus mit Lebensbaum
und achtstrahligem Sonnensymbol auf Andros.
Die Einfiihrung von Taubenhausern auf den
Kykladeninseln Andros, Tinos, Siphnos und
Milos wird von der Lokaltradition den Ve-
Tabbe /Taubenhaus
nezianern (17.Jh.) zugeschrieben. Dagegen
spricht:
x Die norditalienischen Taubenhauser wei-
sen keinerlei Ahnlichkeit mit den Kykladen-
Taubenhausern auf.
vr Ein Marchen aus Andros bringt die Tau-
benzucht mit Zypern, der Insel der Aphrodite,
in Verbindung und mit der Fruchtbarkeit der
Felder (sie bringen den Getreideanbau).
vr Die bevorzugten Symbole, achtstrahliger
Sonnenstern (—> Stern) und Lebensbaum
schmiicken als Steingefiige die Taubenhauser
“der Kykladen, als Malerei die Héhlen-Tau-
‘benhduser Kappadokiens. Die islamische Be-
vélkerung benutzt alte, zugemauerte Wohn-
héhlen und christl. Héhlenkirchen als Tauben-
hduser. Den Muslims gilt die Taube als heili-
ger Vogel, sie hat Mohammed wéhrend seiner
Flucht (Hedschra) beschiitzt.
Die Symbole sind Teil einer gemeinsamen ost-
mediterranen Tradition.
Rotfarbige Zeichnung vor einem Taubenhaus in
einem Tal bei Géreme, Kappadokien.
Taubenhaus — Aphroditeheiligtum —
Arche Noah
Die kykladischen Taubenhduser weisen Ge-
meinsamkeiten auf mit dem tiber einem Phal-
lusstein errichteten -- von Miinzbildern her be-
kannten — Hauptschrein der Apltrodite in Pa-
phos auf Zypern: i
vr Schrein wie Taubenhauser sind, bei qua-
dratischem Grundri8, turmartig kastenférmig
angelegt.
xv Die vier Ecken der Flachbedachungen tra-
gen hémerartige Aufsatze -- vergleichbar den
vier Hérner semitischer Altare, u.a. des Al-
tars im Tempel zu Jerusalem. (Unbestritten
weisen die semitische Ischtar und die Schaum-
geborene tibereinstimmende Ziige auf.)
vr Die Miinzbilder zeige